KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Frauenprogramm der KPÖ

(19.10.1997)


English: Women’s Programme of the Communist Party of Austria


Einleitend:

Auf der Grundlage eines jahrzehntelangen Engagements von Genossinnen für Frauenrecht und bereits vorhandener Resolutionen und aktionspolitischer Orientierungen hatte die KPÖ als erste Partei auf einer frauenpolitischen Konferenz im Juni 1990 ein Frauenprogramm beschlossen. Die Entwicklungen und theoretischen Debatten der letzten Jahre haben eine Überarbeitung und Neuauflage notwendig gemacht.

Rekordarbeitslo­sigkeit und wachsende Armut für immer breitere Bevölkerungsschichten sind die wesentlichen Kennzeichen neoliberaler Wirtschaftspolitik.

Frauen sind von dieser Entwicklung überproportional betroffen. Soziale und emanzipatorische Errungenschaften werden Schritt für Schritt demontiert, Frauen werden zu Dienstbotinnen degradiert. Annähernd eine Million Frauen arbeiten in Österreich am sogenannten informellen Arbeitsmarkt, in ungeschützten Beschäftigungsver­hältnissen. Die Entscheidung für Kinder wird mehr und mehr zum Luxus, das Leben mit Kindern zur Armutsfalle. Gleichzeitig wächst der Reichtum in den Händen weniger.

Zu drei Fragestellungen aus den theoretischen Debatten der letzten Jahre soll einleitend Stellung genommen werden:

  • 1. zum Verhältnis Klasse und Geschlecht und zur Notwendigkeit einer eigenen Programmatik;
  • 1. zur Neubestimmung des Arbeitsbegriffes;
  • 1. und zur Notwendigkeit des eigenständigen Engagements der Frauen.

„Daß auch die Menschenrechte ein Geschlecht haben“, formulierte schon vor über 200 Jahren Olympe de Gouges. Ein allgemein formuliertes Recht heißt noch lange nicht, daß es von allen gleich wahrgenommen werden kann. Die Diskriminierung von Frauen, oder anders: Die Bevorzugung der Männer ist nicht nur mit dem Kapitalismus verbunden. Das patriarchale Unterdrückungsver­hältnis ist das erste, das in der Geschichte der Menschheit festzustellen ist und das alle Klassengesellschaf­ten der Menschheitsges­chichte durchzieht. Auch der sozialistische Fortschritt bewahrte Frauen nicht vor Doppelarbeit und Mutterschaftsi­deologie.

Das Verhältnis Klasse und Geschlecht – ebenso wie Klasse und Ethnie – läßt sich nur jeweils konkret bestimmen. Aber wesentliche Eckpunkte lassen sich wie folgt skizzieren:

  • 1. Sowohl die Lebensbedingungen von Frauen als auch Frauen als handelnde Subjekte wollen wir in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellen, um die Geschichts-, die Theorie- und die Politiklosigkeit zu überwinden. Deshalb auch die Notwendigkeit eines eigenen Frauenprogrammes.
  • 1. Den gesamten weiblichen Lebenszusammenhang gilt es zu betrachten, das heißt, den strukturellen Zusammenhang von Produktion und Reproduktion*) zu begreifen, um Frauen nicht weiterhin auf Teilbereiche oder Gegensätze zu verweisen – wie Arbeit und Familie, Mütter oder Erwerbsfrau etc.
  • 1. Unsere zentrale Forderung ist, „Geschlecht“ ebenso wie „Klasse“ als soziale Strukturkategorie zu begreifen, die soziale Ungleichheiten und Machtverhältnisse, Privilegien und Diskriminierungen beschreibt und gegenüber der Klassenstruktur Eigenständigkeit besitzt.

In der gemeinsamen Diskussion unter Linken scheint heute unumstritten zu sein, daß es einer Neubestimmung des Arbeitsbegriffes bedarf. Denn auch wenn Hausarbeit keinen Mehrwert schafft – die systematische Ausblendung dieser gesellschaftlich notwendigen, unbezahlten und Gebrauchswert schaffenden Arbeit aus dem Arbeitsbegriff verdunkelt den Blick für die typischen Merkmale der weiblichen Arbeit: Doppelarbeit, Lohndiskrimini­erung, Minderqualifi­zierung etc. sind strukturiere Merkmale kapitalistischer Frauenarbeit, deren Ursachen wesentlich in der geschlechtshi­erarchischen Arbeitsteilung zu suchen sind. In der vorliegenden Programmatik unterscheiden wir Arbeit (= im Sinne aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit) und Erwerbsarbeit (= Lohnarbeit) und verwenden bewußt den Begriff der Erwerbsarbeit­slosigkeit, da es insbesondere für Frauen nicht heißt, arbeitslos zu sein.

Der Blick auf die historische Arbeiter- und proletarische Frauenbewegung zeigt, daß die revolutionäre Absicht nicht in jedem Fall ein Fortschritt für die Sache der Frauen war. Wurde einerseits die Vergesellschaftung der Hausarbeit gedacht – und wie sich zeigt, falsch prognostiziert -, wurde andererseits die Beteiligung der Männer an der Familienarbeit und die Aufhebung der geschlechtshi­erarchischen Arbeitsteilung nicht prinzipiell gefordert. Die öffentliche Beteiligung der Frauen an Erwerb, Bildung und Politik konnte ihre „private“ Unterdrückung nicht verhindern. „Kleinbürgerbe­haglichkeit“, das Streben nach dem „häuslichen Glück“ mit dem Standpunkt „Ich bin der Herr im Haus“ erreichte auch die Arbeiterfamilien.

So wie die antikapitalistische muß auch die antipatriarchale Orientierung in einer gemeinsamen Strategie aufgehoben sein. Nicht der Abschied vom Klassenkampf, aber die Aufkündigung des historischen Geschlechterkom­promisses scheint eine Voraussetzung für Veränderungen zu sein. Ohne den politischen Kampf gegen Männerprivilegien kann sich die weibliche Subjektwerdung nicht entfalten. Der Geschlechterkampf braucht weiblichen Raum, weibliche Identität, Eigenständigkeit, Parteilichkeit und Autonomie.

Das vorliegende Programm ist ein Beitrag, den Blick für die Verschränkung von Kapitalismus und Patriarchat zu schärfen, sowohl außerhalb als auch innerhalb der KPÖ. Es ist ein Aufruf für ein eigenständiges Engagement der Frauen, deren Befreiung nur ihr eigenes Werk sein kann.

Kapitel 1:

Frauen auf dem Weg ins neue Jahrtausend

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen. Sie leisten zwei Drittel der gesellschaftlich notwendigen Arbeit, erhalten aber nur zehn Prozent des weltweiten Einkommens und besitzen 0,98 Prozent des Eigentums. Die geringe oder fehlende Bewertung ihrer Leistungen erreicht eine ökonomische Größenordnung von jährlich elf Billionen Dollar. Diese nüchternen Angaben der UNO verdeutlichen ökonomische und patriarchale Machtverhältnisse als globales Problem. Bereits vorhandene Ansätze, patriarchale Vormacht zurückzudrängen, fallen zunehmend einer im Zeichen von Globalisierung und Konkurrenz stehenden, neoliberalen Gesellschaftsthe­orie und Wirtschaftspolitik zum Opfer. Die Folgen zeigen sich unter anderem im Erstarken nationalistischer, religiös-fundamentalis­tischer Bewegungen, biologistischer oder antifeministischer Ideologien und in der Zunahme neofaschistischer, rechtsradikaler Tendenzen.

Weltweite Ausbeutung der Frauen

Der heutige Kapitalismus wird von einigen wenigen monopolistischen Finanz- und Industriegiganten beherrscht. Staatliche Regulierung, internationale Finanz- und Währungsinsti­tutionen und die regionale Integration dienen in erster Linie deren Interessen. Aufgrund der Liberalisierung der Kapitalmärkte ist ein beschleunigtes Wachstum aller Formen des Geld- und Kreditkapitals zu beobachten. Finanzielle Transaktionen und Spekulationen dehnen sich in gewaltigen Dimensionen und in rasantem Tempo aus, verselbständigen sich vom materiellen Produktionsprozeß, untergraben die Fundamente der Güter- und Arbeitsmärkte.

In den Zentren des Kapitalismus – den USA, Japan und Westeuropa – sind Reichtum und Macht zusammengeballt. Trotz Verschwendung und Luxus steigt jedoch die Armut, die vor allem weiblich ist: Frauen verdienen weniger, sind überproportional von Arbeitslosigkeit und Sozialabbau betroffen und im Alter oftmals ohne ausreichende Versorgung. Zur Optimierung der Kapitalverhältnisse werden weltweit drastische Einsparungen imöffentlichen und Sozialbereich durchgeführt, Privatisierungen von staatlichen und kommunalen Leistungen sowie Abbau von gewerkschaftlichen Rechten und arbeitsrechtlichen Absicherungen sind an der kapitalistischen Tagesordnung.

Während Armut und Sozialelend bis weit in die gesellschaftliche Mittelschicht hinein zunehmen, wachsen Reichtum und Verschwendung einer kleinen Elite von Kapital-, Grund- und Bodenbesitzern ins Unermeßliche. Von den schätzungsweise weltweit 1,3 Milliarden in Armut lebenden Menschen sind mehr als 70 Prozent Frauen (UNO-Bericht über die menschliche Entwicklung, 1995), während Männer weltweit 90 Prozent des in Geld gemessenen Einkommens kontrollieren.

Frauen im Herrenhaus EU

Mit dem Eintritt in den Europäischen Binnenmarkt sind die europäischen Staaten unter verschärften Anpassungsdruck geraten. Die Binnenmarktin­tegration hat angestammte Felder des nationalen Interessensau­sgleichs aufgebrochen und unterwirft sie einem anhaltenden Deregulierungswet­tbewerb. Zusätzlichen Druck erfahren die Sozialsysteme durch die angestrebte Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), deren „Eintrittsgeld“ die Erfüllung der Maastricht-Kriterien ist.

Die wirksame Bekämpfung von Arbeitslosigkeit fällt den strikten Maastrichter Budgetvorhaben zum Opfer, diese zwingen Frauen aus dem Arbeitsprozeß. Denn sie können das „Spiel des freien (Arbeits)Marktes“, bedingt durch ihre spezifischen Lebenszusammen­hänge, nur begrenzt mitspielen. Die Handlungsmöglichke­iten der Gemeinschaftsorgane sind auf das Marktgeschehen und die Sicherung des freien Wettbewerbs beschränkt. Die Spaltung und Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung wird als Motor der Konkurrenz benötigt und ist Grundlage einer Zwei-Drittel-Gesellschaft, die Frauen der Verliererseite zurechnet. Gegenüber dem von der Frauenbewegung entwickelten Begriff der Frauenunterdrückung als umfassendes System kapitalistisch-patriarchaler Ausbeutungsver­hältnisse beharren die EU-Gremien auf einem engen, ausschließlich auf die Erwerbssphäre bezogenen „Benachteiligun­gsbegriff“. Die strikte Trennung in Arbeits- und Familiensphäre ist diesem Verständnis grundgelegt und wird durch diverse Urteile des Europäischen Gerichtshofes bestätigt (etwa jenem Urteil zur 3. Gleichbehan­dlungsrichtli­nie, mit welchem langjährig erwerbstätige Frauen, die sich wegen Kinderbetreuung aus dem Erwerbsleben zurückgezogen haben, nicht mehr zur erwerbstätigen Bevölkerung zählen). Gerade diese Trennung ist aber zu einem Gutteil der Transmissionsriemen für weibliche Benachteiligung und seit Jahrhunderten Grund für den weiblichen Ausschluß aus dem öffentlichen Geschehen. Der Zuschnitt auf die typisch männliche Erwerbsbiographie bewirkt, daß Frauen mit ihren anders gelagerten diskontinuierlichen Berufsverläufen (Teilzeitarbeit, ungeschützte Beschäftigungsver­hältnisse, unterbrochene Erwerbstätigkeit) aus dem Geltungsbereich der EU-Richtlinien weitgehend ausgegrenzt sind.

Die Konvergenzkriterien müssen in allen EU-Ländern dazu herhalten, eine strikte Haushaltskonso­lidierungspoli­tik zu Lasten sozialer Sicherungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Das gemeinsame Haus Europa entwickelt sich für einen Großteil der Bevölkerung zu einem Armenhaus: Das ausklingende Jahrtausend verzeichnet mehr als 20 Millionen Arbeitslose und über 50 Millionen Arme.

Militarisierung der Gesellschaft

Gleichzeitig werden gigantische finanzielle Mittel für Aufrüstung und Militarisierung bereitgestellt. Die Abschottung der EU-Außengrenzen im Sinne des Schengener Abkommens und neue Kommandostrukturen in der NATO zielen auf militärische Konfliktbewältigung und Interventionse­insätze. An den strategischen NATO-Konzeptionen für einen Kernwaffeneinsatz wird festgehalten und von neuen Mitgliedern verlangt, sich diesen anzuschließen. Eine WEU- oder NATO-Mitgliedschaft Österreichs ist nicht vereinbar mit seiner immerwährenden Neutralität.

Obwohl die Mehrheit der ÖsterreicherInnen und insbesondere der weibliche Bevölkerungsteil gegen einen NATO-Beitritt und für die Beibehaltung derösterreichischen Neutralität ist, strebt die Koalitionsregierung unter massivemÖVP-Druck und SPÖ-Nachgeben einen solchen an. Entgegen den Versprechungen von Regierungspoli­tikerInnen vor dem EU-Beitritt Österreichs, als neutraler Staat in der Europäischen Union zu bestehen, werden die Weichen für die Abschaffung der – verfassungsmäßig verankerten! – immerwährenden Neu-tralität gestellt. Mit dem Argument, die NATO habe sich wesentlich verändert, soll unser Land diesem Militärbündnis beitreten. Die NATO ist nach ihrer eigenen Definition ein System der kollektiven Verteidigung, während das Völkerrecht davon ausgeht, daß der Neutrale an fremden Kriegen nicht teilnimmt, soweit es sich nicht um militärische und wirtschaftliche Maßnahmen handelt, die vom Sicherheitsrat der UNO angeordnet und gebilligt wurden. Der Beitritt zur NATO würde Österreich nicht nur ökonomisch schwer belasten, sondern in gefährliche Militarisierun­gstendenzen eingliedern und verunmöglichen, daß Österreich als neutrales Land Beiträge zum Aufbau eines wirksamen Systems der europäischen und internationalen Sicherheit leistet, die auf Vertrauensbildung, Abrüstung und Entmilitarisierung beruhen.

Die österreichische immerwährende Neutralität repräsentiert einen unschätzbar hohen friedenspolitischen Wert zu Gunsten aller Staaten der Welt, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten dazu beigetragen hat, ein aggressionsfreies Zusammenleben zwischen Staaten zu fördern. Das Konzept für Friedenssicherung, das die KPÖ-Frauen vorschlagen, beinhaltet: Statt Anziehen der Rüstungsspirale und Ausbau undemokratischer Militärapparate muß die internationale Abrüstung wieder vorangetrieben werden. Frauen den Dienst im Bundesheer zu ermöglichen, dient nicht der Emanzipation, sondern ist Ausdruck der zunehmenden Militarisierung und Brutalisierung der Gesellschaft. NichtÖffnung des Heeres für Frauen, sondern schrittweiser Abbau aller militärischen Strukturen, bis hin zur Abschaffung des Bundesheeres und Umverteilung der freiwerdenden Mittel für soziale und demokratische Reformen schaffen bessere Bedingungen für die Gleichberechtigung.

Friedenssicherung in Europa und in der Welt verlangt zwischenstaatlichen Dialog und das Zurückdrängen der militärischen Logik sowie den Abbau militärischer Potentiale. Die KPÖ-Frauen werden sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für die Beibehaltung des österreichischen Neutralitätsstatus und gegen einen NATO-Beitritt einsetzen und verlangen über diese folgenschweren Schritte einen Volksentscheid.

Frauen unter Anpassungsdruck

Die dramatischen Veränderungen, die im Kapitalismus nach der ersten gescheiterten globalen sozialistischen Herausforderung eingetreten sind, gehen zu Lasten der arbeitenden Menschen aller Länder. Alte und neue Widersprüche und Gebrechen des Kapitalismus treten jetzt ohne die überlagernden Momente der Systemauseinan­dersetzung zutage. Die Frauen in den ehemals sozialistischen Ländern erleben durch den gesellschaftspo­litischen Umbruch eine radikale Wende ihrer Lebensbedingungen. Die „freie Marktwirtschaft“ brachte ihnen zwar zusätzliche Möglichkeiten des Reisens und Konsums, sofern dies ihre finanziellen Verhältnisse zulassen, sie sehen sich aber konfrontiert mit den „Freiheiten“ kapitalistischer Wirtschaftslogik: soziale Unsicherheit, Abbau von sozialen Errungenschaften wie kostenlose Kinderbetreuun­gsmöglichkeiten, Arbeitslosigkeit, Armut, in vielen Ländern herrscht Hunger und Mangel am Lebensnotwendig­sten. Hauptsächlich zu Lasten des weiblichen Teils der Bevölkerung gehen die rasanten politischen und ökonomischen Veränderungen, die vielfach begleitet sind von neuen Nationalismen, Rassismen und Gewalt gegen Menschen anderer Ethnien, Kulturen und Religionen.

Die sogenannte Dritte Welt ist von der ersten nicht abgetrennt, sondern beide sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Ohne billige Rohstoffe und Arbeitskräfte der „Dritten Welt“ könnten die kapitalistischen Zentren ihre enormen Profite nicht aufrecht erhalten. Einige Entwicklungsländer („Schwellenländer“) konnten zwar als Investitions- und Profitobjekt der transnationalen Konzerne ihre wirtschaftliche Position verbessern, insgesamt befinden sich aber die Entwicklungsländer auf dem Weg zu noch größerer Armut und – aufgrund immenser Auslandsverschul­dung und rigider Strukturanpas­sungsprogramme im Sinn kapitalistischer Verwertungslogik – in fast völliger Abhängigkeit vom internationalen Finanzkapital. Für Hunderte Millionen Frauen bedeutet das, daß sie mit ihrer Arbeitskraft weitgehend allein zuständig sind für die Reproduktion ihrer Familien. Dies ist oft verbunden mit Hunger, Krankheit, Elend und härtestem Überlebenskampf für sich und ihre Kinder. Nationalistisch, ethnisch, religiös begründete und gewalttätig ausgetragene Konflikte sowie die zunehmende Zerstörung der Umwelt (Abholzung des Regenwaldes, Giftmüll-Export, Herbizideinsatz oder atomar verseuchte Testgebiete) verschärfen zusätzlich die Lebenssituation der Frauen: Millionen befinden sich auf der Flucht, vegetieren in Lagern, auf Müllhalden oder in den Elendsvierteln der Metropolen.

Patriarchale Strukturen, Sexismus, Rassismus

Den kolonialen, patriarchalen Strukturen oder religiös-fundamentalis­tischen Traditionen ausgeliefert zu sein, heißt für viele Frauen überdies, als junges Mädchen einem unbekannten Mann verkauft zu werden; zu hungern; abgedrängt zu werden in Homelands, Reservate und Elendsviertel; in vielen Ländern ihr Leben lang an physischer und psychischer Verstümmelung zu leiden; an Leib und Leben bedroht zu sein durch Verfolgung, gesellschaftliche Ächtung und tradierte Normvorstellungen.

Länder wie Thailand oder die Philippinen wurden für einen internationalen Prostitutionstou­rismus von Männern aus Westeuropa, den USA und Japan zu Bordellen degradiert. Ein umfangreicher Menschenhandel mit Frauen und Mädchen aus Entwicklungsländern und zunehmend auch aus den ehemals sozialistischen Ländern schafft ständigen Nachschub für Mafia, Zuhälterkartelle und heiratswütige Spießbürger in den kapitalistischen Metropolen. Verbunden damit ist der rapide Anstieg von Krankheiten wie Aids oder überwunden geglaubte Krankheiten wie Pocken.

Auch die Porno-Industrie schöpft Gewinne aus der Armut von Frauen und Kindern. Nicht anders verhalten sich die renommierten Konzerne vor allem der Pharma-, Chemie- und Nahrungsmitte­lindustrie, die Abhängigkeit und patriarchale Strukturen der sogenannten „Zweiten“ und „Dritten Welt“ für ihre Profite ausnützen: Kinder werden als „Rohstofflager“ für Organtransplan­tationen verstümmelt, Frauen werden für Massenexperimente (z.B. Empfängnisver­hütung) mißbraucht oder durch Programme zur Geburtenkontrolle zur Sterilisation gezwungen. Ebenso werden neue Reproduktionstechno­logien als Werkzeug der Frauenverachtung eingesetzt: Zwangsabtreibung weiblicher Föten, Geschäfte mit der Leihmutterschaft, Fortpflanzungs-Experimente mit dem „Rohstoff Frau“.

Internationale Frauensolidarität

Die internationalen Frauentreffen während der UNO-Dekade der Frau waren Ausdruck einer neuen Qualität der Solidarität und Zusammenarbeit der Frauen. Die UNO-Weltfrauenkon­ferenzen gaben dieser weltweiten Entwicklung wichtige Impulse. Von allen Staaten wurden die „Vorausschauenden Strategien bis zum Jahr 2000“ angenommen, die besagen: Voraussetzung für Gleichberechtigung und Entwicklung sind Frieden und Abrüstung. Die Probleme der Frauen sind untrennbar mit der nationalen Entwicklung und den globalen Bedrohungen verbunden. Krieg bedeutet Vernichtung, und auch ohne militärische Konfrontation heißt Hochrüstung Vernichtung von Ressourcen und ungeheuren Finanzmitteln, die zur Lösung globaler und sozialer Probleme notwendig wären.

Wenn auch die Bedingungen, unter denen Frauen heute in der Welt leben, sehr unterschiedlich sind, so zeigt sich doch überall in zunehmendem Maß, daß Frauen ihre Benachteiligung nicht mehr als naturgegeben oder schicksalshaft in einer Opferrolle hinnehmen wollen. Immer mehr Frauen sind bereit, aktiv für ihre Emanzipation einzutreten. Immer mehr verschaffen sich Gehör, üben Druck auf Regierungen aus: Die Frauenbewegungen sind international ein wichtiger sozialer und politischer Faktor geworden.

In den Entwicklungsländern fordern Frauen gemeinsam mit den fortschrittlichen Bewegungen eine neue internationale Weltwirtschaf­tsordnung, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Kampf um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung bedeutet für sie, auch die eigenen Rechte als Frauen einzufordern und nach dem Sieg von Befreiungsbewe­gungen zu verteidigen. Weltweit sind Frauen Aktivistinnen der Friedens-, der Bürgerrechts- und Umweltbewegungen. Sie fordern den schonenden Umgang mit der Natur und soziale Verantwortung beim Einsatz und der Entwicklung neuer Technologien. In Gewerkschaften und in sozialen Bewegungen kämpfen Frauen um eine gerechtere Verteilung der Einkommen und Güter und setzen der internationalen Kumpanei der Konzerne ihre Solidarität entgegen.

Die Frauenbewegungen haben international den Anspruch der Frauen geltend gemacht, gleichberechtigt an politischen Entscheidungen mitzuarbeiten und sich nicht auf Teilbereiche des politischen Kampfes reduzieren zu lassen. Damit wurde in Erinnerung gerufen, daß „der Grad der weiblichen Emanzipation das Maß der allgemeinen Emanzipation ist“. Die Befreiung der Frau ist weltweit ein Grundsatz gesellschaftsveränder­nder Bewegungen.

Unsere Orientierungen:

„Der Friede bleibt erstes Menschenrecht und ist Voraussetzung für die Emanzipation der Frau, für sozialen Fortschritt und Demokratie.“ (UNO-Weltfrauenkonferenz 1985 in Nairobi) Abrüstung dient der globalen Sicherheit und setzt enorme materielle Mittel für dringend zu lösende Probleme wie Hunger, Umweltzerstörung, Armut, Krankheiten und Analphabetismus frei. In diesem Sinne setzen wir uns für die Ächtung des Krieges und weltweite atomare, biologische, chemische und konventionelle Abrüstung ein.

Wir wirken für alle Formen und Möglichkeiten, um die internationale Zusammenarbeit im Sinne von Abrüstung und Friedenssicherung zu stärken. Wir sind solidarisch mit den Frauen der Entwicklungsländer in ihrem Kampf gegen Ausbeutung, Rassismus, Sexismus und für die Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen.

Wir sind solidarisch mit den Frauen jener Länder, die den schwierigen und widersprüchlichen Weg zum Sozialismus in der Hoffnung eingeschlagen haben, eine neue, gerechte und humane Gesellschaft aufzubauen, die für Veränderungen in ihren Ländern eintraten und sich nun, nach den Umbrüchen, betrogen sehen um dieses Ziel.

Wir kämpfen gemeinsam mit allen, die sich für eine Gesellschaft einsetzen, die frei ist von Ausbeutung, Gewalt, Unterdrückung und Erniedrigung. Wir kämpfen für ein sozialistisches Europa, in welchem die Arbeits- und Lebensinteressen der Menschen im Mittelpunkt stehen. Wir orientieren uns an demokratischen, antifaschistischen Gesellschaftsen­twürfen und sind verbunden mit den Frauen der ganzen Welt im Kampf für Emanzipation, eine humanistische Menschheitskultur, Frieden und soziale Gerechtigkeit.

In Österreich kämpfen wir für die Beibehaltung der verfassungsmäßig garantierten immerwährenden Neutralität unseres Landes und gegen einen Beitritt zu einem Militärbündnis wie NATO oder WEU, um zu verhindern, daß unsere Gesellschaft durch natokompatible oder schengenkonforme Aufrüstung von Bundesheer und Exekutive weiter militarisiert wird. (500 Millionen, das ist die Streichung des halben Karenzjahres, kostet uns die Grenzsicherung.) Wir wehren uns gegen Bestrebungen, ein Berufsheer zu schaffen, und verlangen Einschränkung der Militärausgaben für das Bundesheer und längerfristig seine Abschaffung. Einsparungen beim Bundesheer sollen der Bekämpfung von Armut, Sozialabbau und der Entwicklungshilfe zugute kommen.

Weiters richtet sich unser Engagement auf gerechte und ökologisch vertretbare internationale Handels- und Wirtschaftsbe­ziehungen, die den sofortigen Erlaß der Schulden der Entwicklungsländer beinhalten. Entwicklungspo­litische Projekte müssen dem Gesichtspunkt der Frauenförderung Rechnung tragen. Das erfordert die Bereitstellung entsprechender Mittel und deren Vergabe unter demokratischer, öffentlicher Kontrolle.

Als Partei, deren weibliche Mitglieder überproportional und aktiv am Kampf gegen den Hitlerfaschismus teilgenommen haben und bei dem viele Genossinnen ihr Leben lassen mußten, fühlen wir uns in besonderer Weise dem Kampf gegen wiederauflebenden Faschismus und Rechtsextremismus verpflichtet sowie dem Kampf gegen Rassismus, Gewalt und Sexismus.

Unser politischer Kampf für das Selbstbestimmun­gsrecht der Frauen über ihren Körper richtet sich gegen alle Formen sexueller Ausbeutung, Menschenhandel, medizinischer Versuche und gentechnologischer Entwicklungen, die auf Kosten der Gesundheit der Frauen und ihres Gebärvermögen­s gehen.

Kapitel 2:

Für das Recht auf Beruf und Bildung

Berufstätigkeit bedeutet für Frauen ökonomische Eigenständigkeit undÜberwindung der privaten Isolation. Sie genießt in der weiblichen Lebensplanung und im gesellschaftlichen Wertesystem hohe Anerkennung im Hinblick auf Selbstbestimmung und Selbstbestätigung. Dabei bedeutet Erwerbsarbeit nicht einfach eine Tätigkeit, um Geld zu erhalten, egal, zu welchen Bedingungen oder mit welchen Inhalten. Arbeit ist für die Persönlichkeit­sentwicklung und für die ganze Gesellschaft von zentraler Bedeutung.

Im Kapitalismus erfolgt der größte Teil der gesellschaftlichen Arbeit als Lohnarbeit. Sie unterliegt dem Ausbeutungsprozeß und wird oft als Qual und Fremdbestimmung empfunden. Dennoch ist Erwerbsarbeit auch unter kapitalistischen Bedingungen mehr als nur die materielle Sicherung der Existenz. Sie verbindet Menschen miteinander, ist Zweck und Mittel ihrer Kooperation und bringt – je nach beruflicher Stellung – gesellschaftliche Anerkennung. Das Recht auf existenzsichernde Erwerbsarbeit bleibt grundlegend und ist wichtige Voraussetzung für den Kampf um die Emanzipation der Frau.

Neue Technologien haben die Arbeitswelt gravierend verändert. Eine Folge kapitalistischer Anwendung neuer Technologien ist die wachsende Isolierung und Vereinzelung der Arbeitenden trotz Erwerbsarbeit. Im Gegensatz zur industriellen Revolution des vorigen Jahrhunderts, die die maschinelle Großproduktion hervorbrachte, liegt die neue Qualität der modernen Informations- und Kommunikation­stechnologien in deren universeller Verwendbarkeit. Geistige Arbeit, komplizierte Organisationsa­bläufe werden formalisiert und unterliegen in weiterer Folge der Automatisierung. Datenverarbeitung, Textautomaten, Telekommunikation führen im Büro- und Verwaltungsbereich, im Handel und in allen gesellschaftlichen Bereichen zu enormen Rationalisierungen. Das bedeutet, daß für die Produktion gesellschaftlich notwendiger Güter und Dienstleistungen immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird, was sich jedoch nicht in einer allgemeinen Arbeitszeitver­kürzung und einer gerechteren Aufteilung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit niederschlägt.

Die Dimension unbezahlter und dennoch gesellschaftlich notwendiger Arbeit zu erfassen, ist aus zweierlei Hinsicht bedeutend:

  • 1. liegt in der Ignoranz und Abwertung von diesen Leistungen der Frauen auch ein Grundstein für die Diskriminierung am Erwerbsarbeit­smarkt – in der Ignoranz gegenüber sogenannten weiblichen Fähig- und Fertigkeiten, die unbezahlt eingefordert werden, in der Begründung für schlechtere Entlohnung und damit verbunden wiederum einer verbreiteten Armut im Alter. Genauigkeit, Geschicklichkeit, Ausdauer, nervliche Belastungen durch Zeitdruck, Lärm usw. werden als Teil des weiblichen Leistungsvermögens geschätzt und von Frauen einfach erwartet, allerdings ohne entsprechende Honorierung: Die Schere zwischen Männer- und Frauenlöhnen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verkleinert. Das Einkommen von Frauen beträgt durchschnittlich nicht mehr als zwei Drittel des Einkommens von Männern in vergleichbarer Position und mit vergleichbarer Ausbildung. Die niedrigsten Löhne und schlechtesten Kollektivverträge finden wir in Branchen (z.B. der Textilindustrie), in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind. Löhne/Gehälter hängen auch von der Bewertung der Arbeit ab, die von den Interessen der „Bewerter“ geprägt ist.
  • 1. widerlegt es das Gerede über „die Arbeit geht uns aus“. Gerade Frauen wissen sehr viel über sinnvolle Arbeitsplätze, die ihre Arbeitsüberlastung mindern könnten – im Aus-bau kommunaler Infrastruktur, öffentlicher Verkehrsmittel, ausreichendem und erschwinglichem Wohnbau, Kinderbetreuun­gseinrichtungen oder durch Arbeitsplätze im Umweltschutz, damit z.B. die steigende Zahl der Kinder, die an Atemwegserkran­kungen leiden, wieder gesenkt werden kann und vieles mehr.

Aussteuerung und Zwangsarbeit

Der Wirtschaftsau­fschwung Ende der 80er Jahre brachte hohe Wachstumsraten und sprunghaft emporschnellende Profite. Die Erwerbsarbeit­slosigkeit hingegen ging nicht in dem in Konjunkturzeiten üblichen Ausmaß zurück. Ebenso gleichmäßig wie schnell entwickeln sich im ausklingenden Jahrhundert sowohl Aktienkurse als auch Arbeitslosenzahlen steil nach oben: Österreich verzeichnet wie alle EU-Staaten einen seit den 50er Jahren Höchststand an erwerbsarbeitslosen Menschen bei gleichzeitigem Rekord an Insolvenzen und Auslagerungen von Betrieben in Billiglohnländer.

Frauen, von der Wirtschaft schon immer als Reservearmee mißbraucht, sind im verschärften Wettkampf um rare Erwerbsarbeit­splätze und beruflichen Erfolg in vielfachem Maß Verliererinnen: Veränderte arbeitsorgani­satorische Abläufe, eingeforderte Zeitflexibilität und örtliche Mobilität stehen im Widerspruch zur weiblichen Lebensrealität, die den Frauen die Reproduktionsarbeit mit all ihren zeitlichen undökonomischen Zwängen als Hauptbetätigun­gsfeld zuschreibt. Ein Leben lang gefangen in diesem „Kreislauf der Windeln“ sind Frauen erpreßbar, egal, ob sie Kinder haben oder nicht: Begrenzte Zutrittsmöglichke­iten zum und schnellerer Rausschmiß aus dem Erwerbsarbeit­smarkt, niedrigere Löhne und geringere Karrierechancen sind sozusagen die „Ausfallshaftung“ für potentielle Mutterschaft.

Die weibliche offizielle Erwerbsarbeit­slosigkeit ist selbst bei qualifizierter (z.B. akademischer) Ausbildung insgesamt und in allen einzelnen Wirtschaftssektoren höher als jene der Männer. Ältere Frauen haben kaum Berufsperspektiven, für Mädchen gibt es kaum Lehrstellen, und junge Frauen haben wenig Chancen am Erwerbsarbeit­smarkt, insbesondere wenn sie keine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung haben. Die drastischen Einsparungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik gehen zu Lasten jener Frauen, die zumindest vorübergehend in Projekten, wenn auch zu geringem Entgelt, bezahlte Beschäftigung fanden. Unter der Devise „Mißbrauch“ wurden darüber hinaus Leistungen aus der Arbeitslosenver­sicherung gekürzt. Die Kriterien des AMS (Arbeitsmarktser­vice) „Arbeitswilligkeit“ und „Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt“ stellen vor allem Mütter mit Betreuungspflichten vor unüberwindbare Probleme: Ihnen droht der Verlust von Arbeitslosenun­terstützung oder Notstandshilfe, wenn sie wegen der Kinderbetreuung einen vermittelten Arbeitsplatz nicht annehmen können. Ihre Alternative heißt: Aussteuerung oder Zwangsarbeit.

Immer häufiger bilden arbeitslose Frauen – insbesondere im ländlichen Raum – das Potential für unter- oder unbezahlte „freiwillige“ Nachbarschaftshilfe oder Pflegearbeit. Mit diesen neuen Sozialdiensten wird sowohl subjektiv empfundene Nutzlosigkeit als auch der rasant vorangetriebene Sozialabbau kompensiert – für ein Taschengeld. Und oft nicht einmal das. So gelingt es, das Problem zu verschleiern. Und da Sozialleistungen im wesentlichen auf männliche Erwerbsbiographien zugeschnitten sind, fehlt vielen Frauen die materielle Sicherung lebenslang. Sie sind in höchstem Maß von traditionellen Eheverbindungen abhängig und fügen sich der Geschlechterhi­erarchie. Denn das Scheitern der Ehe bedeutet oft materiellen Ruin.

Der Verdrängungsprozeß

Seit den 70er Jahren sind Frauen in qualifizierte Tätigkeiten und bessere Positionen vorgedrungen. Heute zeigt sich, daß selbst AkademikerInnen oft keine angemessene Arbeit finden und – um nicht langfristig erwerbsarbeitslos zu sein – Sekretärinnen- oder Büroarbeiten (oder auch weniger qualifizierte Tätigkeiten) ausüben. Dadurch entsteht ein Verdrängungsprozeß nach unten, der schließlich Frauen (aber auch Männer) mit der geringsten Ausbildung in die Erwerbsarbeit­slosigkeit abschiebt.

Die Tatsache, daß ein Teil der lohnabhängigen Frauen in die industrielle Reserve abrutscht, andere in Teilzeit, Leiharbeit oder prekäre Beschäftigungsver­hältnisse gedrängt werden, wirkt auch auf jene Frauen zurück, die einen Vollerwerbsar­beitsplatz haben: Sie müssen sich meist mit niedrigeren Löhnen und geringen Aufstiegschancen abfinden. Dadurch wird aber auch die Konkurrenz der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt verschärft. Hinzu kommt, daß qualifizierte, aber billige Arbeitskräfte aus östlichen Nachbar- oder aus Entwicklungsländern den Arbeitsmarkt konkurrenzieren und umgekehrt Unternehmen ihre Produktion in jene Länder verlegen, die eine Senkung der Produktionskosten ermöglichen.

Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz, Mobbing sind Indizien für eine zunehmend krankmachende Arbeitswelt. Die Unternehmer verstärken den Druck, indem sie Frauen wegen einer möglichen Schwangerschaft oder Krankheit des Kindes als „unsichere Arbeitskräfte“ hinstellen (denn schließlich wollen sie sich ihre Reserve sichern). Das entbehrt jeder sach-lichen Grundlage, wie Untersuchungen über das Arbeits- und Leistungsvermögen von Frauen gezeigt haben. Der Psychoterror geht so weit, daß Frauen bei Einstellungsges­prächen über intime Angelegenheiten befragt werden, oder es wird verlangt, daß sie sich einem Schwangerschaf­tstest unterziehen.

Teilzeitarbeit

Die Tendenz zeigt, daß immer weniger Frauen ihr Leben lang ausschließlich Familienarbeit leisten wollen. Charakteristisch für die weibliche Berufstätigkeit ist ihr diskontinuierlicher Verlauf. Frauen sehen im Beruf keine Übergangslösung mehr und wollen ihn daher trotz Kind/ern nicht aufgeben. Diesem „Doppelwunsch“ begegnen Frauen mit Teilzeitbeschäfti­gung, die auch immer „Teilzeitverdi­enst“, geringere Aufstiegschancen und höhere Arbeitsintensität beinhaltet. So wundert es nicht, daß 70 Prozent der in den letzten zehn Jahren zusätzlich geschaffenen Arbeitsplätze Teilzeitarbeit­splätze sind. Nur ein minimaler Anteil von Frauen – insbesondere mit qualifizierter Ausbildung, etwa Lehrerinnen – profitiert von dieser Teilzeitoffensive. Dennoch: Das geringe Angebot an qualifizierten, gut bezahlten Teilzeitarbeit­splätzen mit Arbeitszeiten, die mit den Kinderbetreuun­gspflichten in Einklang stehen, und andererseits der Mangel an adäquaten Betreuungsein­richtungen für Kinder läßt Frauen oftmals die Flucht aus der Erwerbsarbeitswelt antreten.

Unbekannt ist, wie viele erwerbsarbeitslose Frauen aus der offiziellen Statistik in den Haushalt verschwinden. Immer wieder werden Hausfrauen und berufstätige Frauen gegeneinander ausgespielt. Tatsächlich kann aber auch eine Frau, die ihr Glück in der ausschließlichen Familienarbeit findet, nicht sagen, ob sie nicht doch eines Tages erwerbstätig sein muß oder will. Daher ist es im Interesse aller Frauen, das Recht auf eine existenzsichernde Erwerbsarbeit als zentrales Anliegen zu erkämpfen.

Die Untergrabung des Arbeitsrechts

Seit Beginn der 80er Jahre sind verstärkt Angriffe auf Schutzbestimmungen, kollektivvertra­gliche Regelungen und erkämpfte Rechte insbesondere für Frauen spürbar. Wie schon in der Vergangenheit werden weibliche Lohnabhängige herangezogen, um neue ausbeuterische Formen der Arbeit durchzusetzen. Verschleiert wird diese Absicht durch das Zauberwort „Flexibilisierung“, das suggeriert, die/der Einzelne könnte die Arbeitszeit nach individuellen Wünschen gestalten. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall: Die Arbeitszeiten werden völlig den „Sachzwängen“ des jeweiligen Unternehmens oder den Vorgaben der EU – wie etwa die Aufhebung des Nachtarbeitsver­botes für Frauen – angepaßt. Kern der Strategie der „Deregulierung“ und Flexibilisierung sind die ungeschützten Beschäftigungsver­hältnisse. Der dramatische Anstieg geringfügiger Beschäftigungsver­hältnisse, etwa im Handel, geht vorwiegend zu Lasten der Frauen, die – nur unfallversichert – sozialrechtlich nicht abgesichert sind. Ferner entstehen unter dem Deregulierungsdruck ganz neue, insbesondere Frauen zugemutete Formen von Beschäftigung, etwa das „Homeservice“, bei dem das Arbeitsmarktservice Leiharbeit für private Haushalte zu Niedrigstlöhnen per „Betreuungsschecks“ bereitstellt. Zynischerweise hat der Europäische Gerichtshof entschieden, daß der Ausschluß von geringfügig Beschäftigten aus der Sozialversicherung keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt.

Die Untergrabung des Arbeitsrechts gehört mittlerweile zum Arbeitsalltag inÖsterreich: Aufbrechen von Schutzbestimmungen, Abbau von Kündigungsschutz und anderen erworbenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, weniger Mitbestimmung, Wochenend-, Sonntags- und Nachtarbeit, Arbeitszeitver­längerung rund um die Uhr, Arbeit auf Abruf, rechtlich, materiell und sozial ausgehöhlte Arbeitszeitver­hältnisse wie befristete Arbeit, Teleheimarbeit, Saisonarbeit, Leiharbeit, Mac-Jobs senken die Personalkosten der Unternehmer, da sie je nach Auftragslage einen effektiven Einsatz der Arbeitskraft ermöglichen. Sie sind eine legale Form der direkten Steuerhinterzi­ehung.

Frauen sind von ungeschützter Beschäftigung bzw. atypischen Erwerbsarbeit­sverhältnissen unterschiedlich betroffen: Kapovaz (kapazitätsori­entierte variable Arbeitszeit) für Verkäuferinnen, teilzeitbeschäftig­te Lehrerinnen oder hochqualifizierte EDV-Spezialistinnen mit Werkverträgen erfahren die Entrechtung unterschiedlich. Das erschwert eine gemeinsame Handlungsstrategie. Staatliche Programme zur Senkung der Arbeitslosigkeit (z.B. die „Aktion 8000“ oder das AkademikerInnen­training) sind mittlerweile der restriktiven Budgetpolitik zum Opfer gefallen. Auch wenn sie für die Einzelne eine Hilfe waren, führten sie zur Ausweitung der atypischen Erwerbsarbeit­sverhältnisse und wirkten so objektiv in dieselbe Richtung wie die Kapitaloffensive. Heute beschränkt sich der Gesetzgeber auf bloßes Verwalten und Unsichtbarmachen der Arbeitslosigkeit: Zwangsvermittlungen in TagelöhnerInnenjobs oder Berufsfindungskurse für Langzeitarbeitslose sind kein Ersatz für eine offensive Beschäftigungspo­litik.

Den deregulierenden Maßnahmen des österreichischen Gesetzgebers stimmen ÖGB und AK-Führung oft nicht nur zu, sondern ergreifen sogar eigene Initiativen im Parlament (z.B. „Ladenöffnung“, Novellierung des Arbeitszeitge­setzes). Scheinbar abgesicherte Positionen der ArbeiterInnen­bewegung werden schrittweise aufgegeben. Statt Arbeitszeitver­kürzung werden Verlängerung der Wochenarbeitszeit ohne finanziellen Ausgleich, ohne Bezahlung von Überstunden, werden flexible Arbeitszeiten mit langen Durchrechnungsze­iträumen und Wochendarbeit vereinbart, die Frauen aufgrund ihres Lebenszusammen­hanges nicht erfüllen können und aus dem Arbeitsprozeß verdrängen.

Bildungspolitik im Widerspruch

Bildung ist eine Voraussetzung für berufliche Chancen und persönliche Selbstverwirklichun­g. Von der Bildungs- und Ausbildungspolitik hängt es in entscheidendem Maß ab, welchen Platz man/frau im gesellschaftlichen Leben einnimmt. Berufliche Perspektiven und Aufstiegschancen sind – vor allem mit der Einführung neuer Technologien im Produktions- und Dienstleistun­gsbereich – aber auch eng verbunden mit Weiterbildungsmöglichke­iten („lebenslanges Lernen“). „Doppelbelastung“ führt auch hier zu einem unfreiwilligen „Verzicht“, bei der innerbetrieblichen Weiterbildung werden Männer bevorzugt. Notwendig wäre ein umfassender Ausbau bezahlter Weiterbildung während der Arbeitszeit entlang der individuellen Bedürfnisse und Interessen.

Der formale Bildungszugang ist für Mädchen leichter geworden: Heute gibt es mehr weibliche als männliche MaturantInnen. Diese „weibliche Bildungsoffensive“ hat aber nicht dazu geführt, die Hierarchisierung im Bildungs- und Ausbildungsbereich zwischen Frauen und Männern zu beseitigen. Die Folgen sind geringe oder gar nicht bewertete Qualifikation, geringere Berufschancen und geringere Bezahlung der weiblichen Berufstätigen.

Die im familiären Umfeld verinnerlichte Geschlechterrolle und mangelnde Berufsvorbereitung führen dazu, daß der Großteil der Mädchen traditionelle Frauenberufe wie Sekretärin, Friseurin oder Verkäuferin ergreift. Noch dazu, weil sie in „traditionellen Männerberufen“ gar nicht oder nur ungern aufgenommen werden. Hinzu kommt der eklatante Mangel an Lehrstellen: Selbst wenn Mädchen sich für einen „typischen Frauenberuf“ entscheiden, fehlt oftmals ein entsprechender Ausbildungsplatz.

Berufsfelder mit Zukunftschancen liegen im Bereich der wissenschaftlich-technischen Umgestaltung. Zunehmend ergreifen Frauen die Möglichkeit, sich durch neue Technologien Zutritt zu bisher männlich dominierten Arbeitstätigkeiten zu verschaffen, die neuen Technologien für qualifizierte Berufslaufbahnen zu nutzen und die Neuerungen einem kritisch-weiblichen Blick zu unterziehen. Dennoch ist dieser Bereich noch immer männlich dominiert, und Frauen brauchen Durchsetzungsver­mögen, damit ihre Fähigkeiten zum Tragen kommen.

Die Bildungspolitik orientiert sich an der sogenannten Eliteauslese, am Konkurrenzdenken, an Leistungsgruppen in differenzierter Spielart statt an der einheitlichen Gesamtschule mit polytechnischer Orientierung. Diese Ausrichtung entspricht dem Verwertungsbedürfnis des Kapitals, das einerseits ungelernte, anlernbare und billige Arbeitskräfte braucht, die je nach Wirtschaftslage flexibel abrufbar für Beruf oder Haus sind, und andererseits nach hochqualifizierten, differenziert ausgebildeten Fachkräften verlangt. Der EU-normierte Bildungsstandard verschärft diese Auslese insbesondere für Frauen. Die verfolgte Richtung heißt „Begabten“-, also Eliteförderung in privaten Bildungseinrichtun­gen und Sparpolitik im öffentlichen Bildungssektor. Durch restriktive Sparmaßnahmen im Bildungsbereich und finanzielle Belastungen der Eltern wird die soziale Auslese zementiert.

Die größten SchülerInnen- und StudentInnenpro­teste der Nachkriegszeit im Jahr 1996, hervorgerufen durch die Belastungspolitik der Regierungskoalition SPÖ/ÖVP, konnten nicht verhindern, daß der Rotstift den Bildungsalltag regiert: Die Kosten für Lehr- und Lernbehelfe, Schulbücher, Nachmittagsbe­treuung, BegleitlehrerInnen und andere Schulangebote werden auf die Eltern abgewälzt oder durch Firmen-Sponsoring den Werbezwecken der Konzerne ausgeliefert. Kürzungen bei der SchülerInnenfre­ifahrt, der Familienbeihilfe, den Stipendien oder angestrebte Studiengebühren schaffen die Voraussetzungen für eine neue Bildungselite, zu der immer mehr aus ökonomischen Zwängen Betroffene keinen Zugang haben. Durch die budgetären Kürzungen an Schulen und Hochschulen haben sich die Lern- und Studienbedingungen massiv verschlechter­t:überfüllte Klassen und Hörsäle einerseits, Arbeitslosigkeit von LehrerInnen und Hochschulpersonal andererseits, verstärkte Abhängigkeit vom Privatkapital durch den Zwang zur Drittmittelfi­nanzierung, Dequalifizierung durch einseitig an den Interessen des Kapitals ausgerichtete Fachhochschulen und Kurzlehrgänge. Wissenschaftliche Forschungsgelder werden von den österreichischen Hochschulen abgezogen und in EU-Töpfe umgeleitet, nur ein Bruchteil kommt wieder nach Österreich zurück.

Elitäre Männerdomänen

Knapp die Hälfte der Studierenden sind Frauen. Dennoch: Fast jede fünfte Studienanfängerin bricht ihr Studium bereits nach dem ersten Studienjahr wieder ab. Die Gründe dafür liegen in der Konfrontation mit althergebrachten Rollenzuweisungen, in der Benachteiligung der Frau im Wissenschaftsbe­trieb, in mangelndem gesellschaftlichen Rückhalt und vor allem in den begrenzten finanziellen Möglichkeiten insbesondere der Studierenden aus der ArbeiterInnen­klasse. Vor allem studierende Mütter haben es schwer, dem Leistungs- und finanziellen Druck standzuhalten.

Das Mißverhältnis spiegelt sich – nach 100 Jahren Frauenstudium! – im gesamten elitär und männlich orientierten Wissenschaftsbe­trieb wider: AssistentInnen­posten sind noch immer Männerdomäne, nur 4,4 Prozent der ordentlichen und außerordentlichen ProfessorInnen sind weiblich. Spezifische Frauenforschung findet innerhalb eines kleinen universitären Gettos statt, ist vom ständigen finanziellen Aushungern bedroht, methodische und erkenntnisthe­oretische Ansätze beeinflussen die allgemeine Wissensproduktion kaum. Nicht zuletzt wirken sich die universitären Sparmaßnahmen drastisch auf Studentinnen und im besonderen Maß auf externe Lektorinnen aus, die den Großteil der universitären Lehre und Forschung mit frauenspezifischer Thematik bestreiten.

Schaffen Frauen dennoch die Hürden im universitären Bereich, so haben sie im späteren Berufsleben trotz gleicher Qualifikation geringere Chancen als ihre männlichen Studienkollegen. Der Prozentsatz der arbeitslosen Akademikerinnen ist doppelt so hoch wie der ihrer männlichen Kollegen.

Unsere Orientierungen:

Die Demokratisierung der Bildung ist eine Voraussetzung dafür, gleiche Chancen für alle Kinder/Jugendlichen zu verwirklichen. Nicht Nivellierung, wie Konservative unterstellen, wäre die Folge, sondern in kleinen Klassen und Neigungsgruppen könnten handlungsorien­tierte Lern- und Teamarbeit ermöglicht werden und individuelle Begabungen von PädagogInnen Unterstützung erfahren. Ein demokratisches Bildungssystem (die einheitliche Gesamtschule mit kostenloser Nachmittagsbe­treuung), das keine Sackgassen kennt und zur ständigen Weiterbildung anregt, würde im besonderen den Töchtern aus sozial schwächeren Verhältnissen zugute kommen. Der Kampf um den freien Bildungszugang, um Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsplätze, die Organisierung von Widerstand gegen die restriktive Sparpolitik an den Schulen und Hochschulen erfordert Solidarität und die Einsicht, daß die von konservativen Kräften vorangetriebene Elitenbildung die Gesellschaft spaltet und die sozial Schwachen auf der Strecke bleiben.

Erwerbsarbeit ist die Grundlage jeder fortschrittlichen gesellschaftspo­litischen und auf sozialer Gerechtigkeit fußenden Alternative. Das bedeutet die Verwirklichung des Rechts auf sinnvolle und existenzsichernde Arbeit für alle und leistungsgerechte Bezahlung. Das erfordert auch die Neubewertung der Arbeit von Frauen.

Eine garantierte Mindestabsicherung muß mit einer offensiven Vollbeschäfti­gungspolitik einhergehen. Neue, qualifizierte, zukunftsorientierte Arbeitsplätze bieten die Bereiche Umweltschutz, Energieversorgung, Verkehr, Stadtsanierung, Wohnungsbau, soziale Dienste. Anstelle der Umverteilung des gesellschaftlichen Mehrprodukts von den Lohnabhängigen zu den in- und ausländischen Konzernen und zum Finanzkapital soll allen Menschen ein ausreichendes Einkommen und menschenwürdiges Leben garantiert sein.

Notwendig wären umfassende staatliche Beschäftigungsof­fensiven, Frauenförderung auch durch Festlegung von Quoten als integraler Bestandteil von Beschäftigungspro­grammen mit differenzierten Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichke­iten.

Dazu müssen die noch vorhandenen staatlichen wirtschaftspo­litischen Hebel genutzt und neue geschaffen werden. Der bereits bestehende informelle Sektor muß sozial integriert und abgesichert werden.

Ebenso fordern wir gleichen Zugang zu Erwerbstätigkeit und Ausbildung für ImmigrantInnen und gleichberechtigten Zugang zu allen Leistungen der Sozialversicherung.

Den Frauen mehr Zeit und Geld! Zeit durch radikale Erwerbs-Arbeitszeitver­kürzung ohne Lohnverluste, Neubewertung und Umverteilung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Zeit und Geld durch bedarfsgerechte und kostenlose Kinder- und SchülerInnene­inrichtungen. Geld vor allem durch radikale Umverteilung von Reich zu Arm.

Kapitel 3:

Vom sozialen Risiko, Frau zu sein

Angelpunkt der Frauenunterdrückung im Kapitalismus ist die geschlechtshi­erarchische Arbeitsteilung, deren Kern die einseitige Zuweisung der Hausarbeit an die Frauen bildet. Während die Produktion gesellschaftlich organisiert ist, wird die Wiederherstellung der Arbeitskraft größtenteils in privater Form geleistet. Dennoch ist auch diese Reproduktionsarbeit Teil der Ausbeutung, denn das Kapital ist bestrebt, die Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft möglichst gering zu halten. Die unentgeltlichen, privat erbrachten und den Frauen zugedachten Arbeiten, etwa die Pflege kranker oder alter Familienangehöri­ger, widerspiegeln patriarchale Traditionen und kapitalistisches Nutzenkalkül. Eine Tendenz, die im Zeichen der Budgetkonsoli­dierung mit ihren staatlichen Einsparungen von Sozialleistungen rapid zunimmt.

Patriarchale Strukturen

Auch wenn sich das Rollenverständnis der Geschlechter in den vergangenen Jahren gewandelt hat und auch Männer sich – zaghaft, aber doch – dem Reproduktionsbe­reich widmen, heißt die gesellschaftliche Norm noch immer: Männer sind von der Verantwortung der Kindererziehung, den alltäglichen Hausarbeiten entlastet und können daher ihren beruflichen Verpflichtungen mehr Zeit, Einsatz und Kontinuität widmen. Dies umso mehr, als der Verdrängungsprozeß am Erwerbsarbeitsmarkt nur „ganzen Männern“ bessere Chancen einräumt. Umgekehrt erfordert die Verlagerung und Privatisierung von sozialen Aufgaben „ganze Frauen“ im Reproduktionsbe­reich. Eine Wiederbelebung konservativer Werthaltungen (etwa die gewünschte verfassungsmäßige Verankerung der Familie) begleitet diese Tendenz ideologisch.

Aber nicht nur die einseitige Zuständigkeit für Hausarbeit, sondern auch die Gleichsetzung von biologischer und sozialer Mutterschaft konstruieren jene „familiären Verpflichtungen“, die Frauen am Arbeitsmarkt benachteiligen. Frauen können im Beruf nur mit großer Disziplin, ausgeklügeltem Zeitmanagement und persönlichen Abstrichen jenes Durchsetzungs- und Verharrungsvermögen und jene Flexibilität und Mobilität aufbringen, die in der kapitalistischen Konkurrenz verlangt werden, wenn sie gleichzeitig noch über Energien für Beziehungsarbeit und Haushalt verfügen sollen. Nicht wenige suchen in Haushalt und Mutterschaft den Sinn ihres Lebens. Sie leiten daraus mitunter Stärken ab, die den Reproduktionsbe­reich als weiblichen Machtbereich erscheinen lassen. Dies geschieht heute unter Bedingungen von Einsparungen in der staatlichen Sozialpolitik, die den Druck auf zunehmende private (das heißt: weibliche) Reproduktionsarbeit verschärfen.

Hausarbeit, Partnerschaft, Arbeitsteilung

Hausarbeit ist gesellschaftlich notwendige Arbeit. Sie dient der Wiederherstellung der menschlichen Arbeitskraft, der Erziehung der kommenden Generation. Dazu bedarf es nicht nur bestimmter Lebensmittel, Infrastrukturen und Dienstleistungen, sondern auch einer entsprechenden Freizeitgestaltung für körperliche und geistige Entspannung. Der Inhalt der Hausarbeit ist abhängig von der Klassenzugehörig­keit, der Familiengröße, von regionalen Besonderheiten. Niveau und Umfang der Hausarbeit werden von wirtschaftlichen Gegebenheiten einer Gesellschaft und dem politischen Kräfteverhältnis (wieviel verdiene ich in welcher Zeit zu welchen Bedingungen) bestimmt.

Im Haushalt werden Gebrauchswerte für den Eigenbedarf hergestellt. Das unterscheidet diese Tätigkeiten von der warenproduzierenden wertschaffenden Arbeit, die ihre Anerkennung über die Konkurrenz am Markt in Form des Kaufs erfährt. Da die Hausarbeit nichts für den Markt erzeugt, gilt sie nach der kapitalistischen Verwertungslogik als nicht produktiv. In einer Gesellschaft, in der der Wert in Form des Geldes vorherrscht, wird auch der Wert der Arbeitskraft an der Höhe der Bezahlung gemessen. Da Hausarbeit unentgeltlich geleistet wird, erscheint sie nicht als „richtige Arbeit“. Die Arbeitsteilung weist Frauen jene Tätigkeiten zu, die sich ständig wiederholen und „unsichtbar“ sind – kochen, putzen, waschen usw. – und als „natürliche Eigenschaften“ der Frau gelten. Ihre eindeutige Zuständigkeit dafür wird gesellschaftlich über die Sozialisation vermittelt und von den Frauen selbst verinnerlicht. Und nicht wenige empfinden diese Arbeit als ganzheitlich im Vergleich zur entfremdeten Arbeitswelt.

Auf diese Art wird Frauen die soziale Verantwortung für all jene Lebensbereicheüber­tragen, die nicht über den Markt geregelt werden. Auch Frauen, die berufstätig sind, können bestenfalls auf eine Mithilfe des (Ehe-)Mannes rechnen. Trotz steigender Verwendung technischer Geräte im Haushalt darf nicht übersehen werden, daß neue Anforderungen entstanden sind. Höhere Ansprüche an die Hygiene, neue Tätigkeiten (z.B. Müllsortierung und -beseitigung), aber auch sich ändernde individuelle Bedürfnisse wirken einer effektiven Reduzierung der Haushaltstätig­keiten entgegen. Verschlechterungen in der Krankenversorgung oder im Pensionssystem führen darüber hinaus zu einer Zunahme von Pflegearbeiten im privaten Haushalt.

Der strukturelle Zwang für Frauen, unentgeltlich Hausarbeit zu leisten, bedeutet nicht nur die materielle Versorgung (Einkauf, Zubereitung von Nahrung, Instandhaltung der Wohnung und Kleidung), sondern vor allem weibliche Zuständigkeit für das emotionale Wohlbefinden des (Ehe-)Mannes, die psychische Stabilität der Familie. Der Aufwand an weiblicher Beziehungsarbeit wird jedoch kaum wahrgenommen.

Der Begriff „Doppelbelastung“ vermag die unterschiedlichen – auch grundsätzlichen – Anforderungen nicht zu erfassen. Frauen sollen im Erwerbsleben Durchsetzungsver­mögen zeigen, aber in persönlichen Beziehungen in der Familie selbstlose Liebe schenken. Diese ganz verschiedenen Handlungsanfor­derungen rufen die hohen Belastungen der Frauen hervor. Zudem wird den Frauen Beziehungsarbeit nicht nur im familiären Bereich, sondern in wechselseitiger Abhängigkeit auch in beruflichen und in allen anderen gesellschaftlichen Tätigkeiten abverlangt. Frauen sind also nicht genauso wie Männer unterdrückt und noch zusätzlich belastet, sondern ihre Unterdrückung ist von anderer Qualität.

Gewachsene Ansprüche

Berufstätigkeit und Qualifikation veränderten das Bewußtsein von Frauen. Sie stellen höhere Ansprüche an partnerschaftliche Beziehungen: Zuwendung, liebevoller Umgang, geistiger Austausch und erfüllte Sexualität werden als Bedürfnisse formuliert. Mangelnde sozialökonomische Absicherung, Streß, Kräfteverschleiß, Entfremdung der Gefühle stehen in Widerspruch zu diesen Ansprüchen und bilden den Hintergrund für aufreibende Konflikte und Abhängigkeiten. Das Ideal einer lebenslänglichen Ehegemeinschaft ist brüchig geworden und signalisiert ein neues Selbstverständnis, auf Ansprüche nicht mehr verzichten zu wollen und dafür gesellschaftliche Voraussetzungen einzufordern.

Auffallend an der Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte in Österreich ist die nachlassende Anziehungskraft der Institution Ehe: Fast jede dritte und im städtischen Bereich oft jede zweite Ehe wird wieder geschieden. Der Wunsch nach einem Kind ist heute nicht mehr von der Institution Ehe abhängig. Die berüchtigten Muß-Ehen im Falle einer Schwangerschaft spielen heute eine geringere Rolle, der Anteil unehelicher Kinder steigt. Im Zeichen zunehmender ökonomischer Unsicherheit nimmt allerdings der Trend zur Eheschließung wieder zu und jener zum Kind ab. Die Individualisi­erungsbestrebun­gen einer sogenannten Single-Gesellschaft mit ihren Konsum- und Freizeitverhal­tenszwängen lassen Kinder zunehmend als finanzielles Risiko und Störfaktor erscheinen.

Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahre hat dennoch Spuren in der Haltung zum Kind hinterlassen. Er drückt sich im Eingehen auf kindliche Bedürfnisse, in der Ablehnung autoritären, gewalttätigen Verhaltens, in längeren Stillzeiten, aber auch in den Diskussionen um eine neue, bewußte Vaterschaft aus. Die „neuen Väter“ zeigen sich heute allerdings nicht selten im Gewand rückwärtsgewandter biologistischer Ideologien: Das „Recht auf das eigene Fleisch und Blut“ artet bei Trennungen mitunter in Machtkämpfe um das Kind aus, in welchen die biologische Vaterschaft über die soziale Verantwortung gegenüber dem Kind gereiht wird. Und nicht selten werden die Kämpfe um das väterliche Sorgerecht aus finanziellen Erwägungen geführt, um Alimentationszah­lungen zu schmälern.

Hingegen veränderte sich die Bereitschaft von (Ehe)Männern, Hausarbeit zuübernehmen, kaum. Selbst dann, wenn Frauen berufstätig sind, bleibt ihnen der Großteil der Hausarbeit. Bei der Beschäftigung mit Kindern übernehmen Väter (durchschnittlich täglich eine halbe Stunde) meist jene Tätigkeiten, die Spaß machen – spielen, sporteln –, während den vollzeitbeschäftig­ten Müttern die Versorgungs- und Betreuungsarbeit (täglich im Schnitt eineinviertel Stunden) bleibt. Logische Folge davon ist, daß Frauen über weniger Freizeit verfügen und daher auch an politischen, kulturellen Aktivitäten nur in geringerem Ausmaß teilnehmen können. Keine Spur also von „Halbe/halbe“: Die zaghaften Ansätze eines veränderten Rollenverhaltens erfahren im Zeichen der neuen zeitökonomischen Veränderungen einen Rückwärtstrend.

Familienpolitik und Kinderbetreuung

Alleinerziehende Mütter, ArbeiterInnen­familien, Erwerbsarbeitslose und immer häufiger auch Familien von Angestellten und BeamtInnen, die drei und mehr Kinder haben, sind von Armut bedroht. Stärker als die Kinderzahl wirkt sich jedoch aus, ob nur ein Einkommen zur Verfügung steht oder beide Ehe-partner berufstätig sind und wie hoch deren Einkommen ist. Somit ist aktive Lohn- und Vollbeschäfti­gungspolitik auch die beste Familienpolitik. Die konservative Familienpolitik versucht diesen Zusammenhang von familiären Armutsfaktoren durch Bestrebungen zu verdecken, das Familieneinkommen zu besteuern oder ein steuerliches EhegattInnensplit­ting durchzusetzen. Ein Abgehen von der in Österreich praktizierten Individualbes­teuerung würde niedrigere Einkommen stärker treffen, und beim Splitting-System wächst die Steuerersparnis mit dem Einkommen. Steuerliche Alleinverdiene­rInnenbegünsti­gungen sind eine Geldbelohnung für die Nichterwerbstätig­keit der Partner/in, die in der überwiegenden Mehrheit an den Mann ausbezahlt wird. Sie zementieren die Rolle der Frau als Versorgungsar­beiterin aus Liebe ohne individuellen Anspruch auf Einkommen, was durchaus im Sinn kapitalistischen Kosten-Nutzen-Kalküls liegt.

Wo das soziale Netz reißt, soll die Familie einspringen. Private Lösungen werden verlangt, da die restriktive Budgetpolitik zur Erreichung der Maastricht-Kriterien weniger Geld für Kinder, Kranke, Behinderte, alte Menschen zur Verfügung stellt. Die Kürzung der Geburtenbeihilfe von 15.000 auf 2.000 Schilling bewirkte einen dramatischen Rückgang der – für die Früherkennung von kindlichen Schädigungen – so wichtigen Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen.

Erhebliche finanzielle Mittel werden für militärische Zwecke – etwa die Abschottung der EU-Außengrenzen -, für Privilegien für PolitikerInnen und Subventionen für in- und ausländische Firmen ausgegeben. Konservative Familienstrategien zielen nicht auf eine Umverteilung dieser Mittel, sondern auf ehrenamtliche Frauenarbeit. Wegen fehlender kostengünstiger Betreuungsein­richtungen für Kinder (Krippen, Kindergärten, Ganztagsschulen) bleibt Müttern meist keine andere Wahl, als ihre Berufstätigkeit für kürzere oder längere Zeit zu unterbrechen. Das ignoriert die Situation alleinerziehender Mütter oder finanzschwacher Familien, die sich drei oder mehr „Kinderjahre“ zu Hause ebenso kaum leisten können wie eine kostspielige private Betreuung durch ein Kindermädchen oder eine Tagesmutter. Die Entscheidung der Verfassungsrichter nach steuerlicher Absetzbarkeit von Kinderbetreuungs- und Unterhaltskosten ist allenfalls für Besserverdienende attraktiv und somit prominentes Beispiel für eine patriarchalische Klassenjustiz.

Obwohl die pädagogische Bedeutung der Kindergärten für die Entwicklung des sozialen Lernens (zumindest ab dem 3. Lebensjahr) mittlerweile nicht mehr bestritten wird, ist die ausreichende Versorgung in Österreich nicht gegeben. Das pädagogische Niveau der Kindergärten (Größe der Kindergruppe), die Öffnungszeiten (Mittagssperre, fehlende Feriendienste) und die Höhe der Bezahlung sind regional sehr unterschiedlich. Das führt zu einer Benachteiligung von Kindern aus Arbeiter-, Bauern- und Großfamilien, die sich keine Privatkindergärten leisten können. Auch in diesem Bereich entzieht sich der Sozialstaat seiner Verantwortung durch Erhöhung der Tarife in öffentlichen Einrichtungen und deren zunehmende Überantwortung an private Trägerschaften.

Da sich die sozialen Sicherungssysteme ungeachtet der sozialen Wirklichkeit an der männlichen ungebrochenen Erwerbsbiographie orientieren, wird mit der ungelösten Kinderbetreuun­gsfrage die Reproduktionsfalle zur weiblichen Armutsfalle. Die Kürzung des zweijährigen Karenzurlaubs bei gleichzeitigem Mangel sowohl an Krippen- als auch an qualifizierten Arbeitsplätzen hat die Situation insbesondere für Alleinerziehende verschärft. Ihnen droht Zwangsarbeit trotz Betreuungspflichten in miesest bezahlten Putzjobs oder geringfügige Beschäftigung. In Kenntnis der sich vergrößernden Lohnschere ist es mehr als zynisch, diese Kürzung als Chance für eine gerechtere Aufteilung der Betreuungspflichten zwischen den Geschlechtern zu verkaufen. Doch nicht nur materielle Zwänge, sondern auch der drohende Arbeitsplatzverlust setzt selbst wohlmeinende Männer unter Druck, ihre familiären Arbeitsleistungen einzuschränken.

Die propagierte „Wahlfreiheit“ zwischen Beruf und Familie gibt es für die große Mehrheit der Frauen nicht. Nicht für die arbeitslosen Frauen, nicht für jene, die mit ihrem Verdienst die Existenz der Familie sichern, schon gar nicht für die wachsende Anzahl von Alleinerzieherinnen und ledigen Frauen, aber auch nicht für zehntausende Frauen in unserem Land, die wegen fehlender Kinderbetreuun­gseinrichtungen nicht berufstätig sein können und in der Arbeitslosensta­tistik gar nicht erst aufscheinen.

Dieser nach wie vor wirksame Zirkel bildet eine Struktur, die immer wieder die Hierarchie des Geschlechterver­hältnisses hervorbringt, die die Verfügbarkeit der weiblichen Arbeitskraft nach der kapitalistischen Verwertungslogik ebenso sichert wie ihre Ausnutzung im privaten Bereich und damit patriarchale Strukturen reproduziert.

Ein Kreislauf von Diskriminierungen

Die Verpflichtung der Frau für die Familie, begründet mit ihrer angeblichen wesensmäßigen Andersartigkeit, dient der Aufrechterhaltung von Eigentums- und Machtstrukturen. Das bürgerliche Familienmodell dient dem Profitinteresse des Kapitals, gesellschaftlich notwendige Arbeit zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft weitgehend unentgeltlich abschieben zu können. Von Beginn an befand sich die konservative Familienideologie durch die Beschränkung der Frau auf die Familie aber auch in Widerspruch zu jenen ökonomischen Interessen des Kapitals, weibliche Arbeitskräfte nach Bedarf in der Produktion einzusetzen. Dieser Widerspruch wird durch eine staatliche Familienpolitik abgefedert, die sich tendenziell nach den konjunkturellen Schwankungen richtet und ein Spannungsfeld für politische und ideologische Kämpfe erzeugt.

Die systematische Diskriminierung der Frau im Erwerbsleben sowie die Zuweisung unbezahlter Frauenarbeit setzen sich im Pensionsrecht fort. Rund 70 Prozent der Ausgleichszula­genbezieher sind weiblich, Frauen stellen das Gros der Dauersozialhil­feempfänger, ihre durchschnittliche Alterspensionshöhe in der gesetzlichen Pensionsversiche­rung (1996: öS 7.922) liegt weit unter der männlichen (1996: öS 13.879). Für die patriarchale Struktur der Sozialversicherung kennzeichnend ist: Ein Großteil der Frauen kann soziale Leistungen nicht eigenständig erwerben, sondern „nur“ als Mutter seiner Kinder, als seine Hinterbliebene. Ihre Ansprüche werden von seinen abgeleitet. Vor allem jene Frauen, die während ihrer Ehe ausschließlich Hausfrauen waren, befinden sich so nach einer Scheidung oder im Alter oft in materieller Not.

Für viele Frauen eröffnen sich in der Zeitspanne zwischen 40 und 60 Jahren neue Freiräume: Die Kinder sind selbständig, Frauen können sich nun voll auf ihren Beruf konzentrieren oder versuchen, nach einer Familienphase wieder in den Beruf einzusteigen. Allerdings bietet die Gesellschaft den Frauen nur wenig Möglichkeiten, ihre Leistungsfähigkeit zu entfalten. Am Arbeitsmarkt werden weibliche Arbeitskräfte schon ab 35 als „alt“ abgewertet. Die von der Kosmetik- und Modebranche gepriesenen „besten Jahre im Leben einer Frau“ bedeuten oftmals: Die Rückkehr in den Beruf ist schwierig, wenn nicht unmöglich, denn die Familienpause verhinderte berufliche Qualifikation oder Weiterbildung. Dieser „verpaßte Anschluß“ zwingt viele Frauen zu Hilfstätigkeiten. Oder sie bleiben, weil Arbeitsplätze fehlen, von ihrem Ehemann abhängig, unfreiwillig in die Familienarbeit abgedrängt. Die Arbeitslosigke­itälterer Frauen steigt in erschreckendem Ausmaß – dennoch wurden die Möglichkeiten für Frühpensionierungen bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit erschwert, dennoch wird die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters angestrebt.

Schlechte Entlohnung, Teilzeitarbeit, atypische Beschäftigungsver­hältnisse führen zu niedrigen Pensionen oder dazu, im Alter überhaupt keine Absicherung zu haben. Das Bestreben, längere oder überhaupt lebenslange Durchrechnungsze­iträume für die Pensionsbemessung heranzuziehen, würde eine weitere Senkung der Frauenpensionen zur Folge haben. Die Gewährung der Ausgleichszulage hängt von der Pensionshöhe und (ebenso wie die Gewährung der Notstandshilfe) vom Haushaltseinkommen ab. Wenn also die Männerpension (bzw. das gemeinsame Haushaltseinkommen) zu hoch ist, verliert die Frau trotz Kleinstpension den Anspruch. Da für viele Frauen die Eigenpension so gering ist, verhindert die Witwenrente lediglich das Absacken unter das Existenzminimum. Geht der Status der Ehefrau durch Scheidung verloren, dann fällt auch die Witwenpension weg bzw. wird sie deutlich verringert. Die weibliche Armut ist also auch eine Bestrafung für das Verlassen des bürgerlichen Ehemodells.

Tendenz zum Ausschluß

Dem weiblichen Diskriminierun­gskreislauf sind in besonderem Maß jene Frauen ausgeliefert, die nicht der Verwertungslogik des Kapitals entsprechen. Vor wenigen Jahrzehnten haben Faschisten behinderte Menschen als „unwertes Leben“ kategorisiert und massenhaft ermordet. Heute, in einer Gesellschaft, die von der Sucht nach Profit beherrscht wird, gelten Behinderte als Arbeitskraft „minderer Güte“, von deren Beschäftigung sich Betriebe durch einen Bagatellbetrag freikaufen können. Sie sind Opfer von Sozialkürzungspro­grammen (Pflegegeld), verfügen meist über wenig Geld und sind in ihrer Konsumfähigkeit eingeschränkt. Behinderte Frauen sind sehr häufig Opfer von Vergewaltigungen oder sexuellen Belästigungen. Ärzte sehen oftmals ihre Sterilisation als selbstverständliches Verhütungsmittel. In der bunten Warenwelt, die den KäuferInnen Jugend, Schönheit und sexuelles Glück verspricht, haben Behinderte, seelisch Kranke, alte und abgearbeitete Menschen keinen Platz. Alle diese Gründe führen zu einer Tendenz des Ausschlusses in einer Gesellschaft, die Solidarität mit Schwachen als überholt betrachtet und sie karitativen Institutionen überläßt.

Diese Werthaltung der Entsolidarisierung prägt auch den Lebensalltag von MigrantInnen: Als billige Arbeitskraft einstmals gerufen, sind sie heute Zielscheibe von Verfolgung und Menschenverachtung.

Verschärft – und durch offizielle Aussagen österreichischer Politiker geschürt – werden AusländerInnen mit Feindseligkeiten ihrer „Gast“länder konfrontiert. Der „Kampf um den Futtertrog“ läßt Haß und Angst entstehen und nährt Vorurteile über angeblich ungerechtfertigt bezogene Sozialleistungen. Wenig bekannt ist, daß ausländische Arbeitskräfte, die eine Arbeitserlaubnis besitzen, so wie jeder andere berufstätige Mensch in Österreich Sozialabgaben leisten, hingegen weniger an Sozialleistungen beanspruchen als ÖsterreicherInnen.

Forciert wurden diese fremdenfeindlichen Haltungen durch den Zustrom von Menschen aus den östlichen Nachbarländern, deren Arbeitskraft von Unternehmen zu Dumpingpreisen gekauft wird, oft ohne jegliche sozialrechtliche Grundlagen: Schwarzarbeit ohne Arbeitserlaubnis, Saisonarbeit, Leiharbeit, Gelegenheitsar­beiten wie Putzdienste usw. unterwandern die von den Werktätigen erkämpften Rechte. Das soziale Spannungsfeld nährt zunehmend faschistoides, rechtsradikales Verhalten und bietet einen Boden für aggressive AusländerInnen­feindlichkeit. Zunehmend – und verschärft durch neue gesetzliche Regelungen – werden politisch verfolgte Menschen sofort wieder in ihre Heimatländer abgeschoben, in welchen ihnen nicht selten Gefängnis, Folter und Tod drohen.

„Vergessen“ in dieser Diskussion wird gleichfalls die Lebenswirklichkeit ethnischer Minderheiten unseres Landes, etwa der kärntner und steirischen SlowenInnen, der KroatInnen, deren Rechte, im österreichischen Staatsvertrag festgelegt, aber nie verwirklicht wurden, oder Rechte der Roma und Sinti, der TschechInnen. Schon längst sind aber auch türkische und ex-jugoslawische EinwohnerInnen zu ethnischen Teilen der österreichischen Bevölkerung zu zählen, denen grundlegende Rechte verwehrt bleiben. Eine Integration der Völker kann nur durch die Entfaltung interkultureller Formen des Zusammenlebens auf allen Ebenen der Gesellschaft und überall dort, wo Menschen unterschiedlicher Sprache oder Nationalität zusammenleben, erreicht werden.

Unsere Orientierungen

Der Kampf um soziale Verbesserungen, um Reformen und Gesetze, wie ein umfassendes Anti-Diskriminierun­gsgesetz, schärft das Bewußtsein für mögliche Veränderungen. Langfristig geht es bei diesen Veränderungen nicht mehr um die soziale Absicherung der Vereinbarkeit von Beruf und Reproduktionsarbeit für Frauen, sondern auch um eine Umverteilung und Neubewertung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit zwischen den Geschlechtern und die Fragen: welche Arbeit ist sinnvoll, wie sind gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten aufzuteilen, welche Technik brauchen wir, um Güter und Dienste für unseren Alltag herzustellen?

Unterschiedliche Lebensformen (Wohngemeinschaf­ten, Ehe und Lebensgemeinschaf­ten, gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen, Singles, Alleinerziehe­rInnen) dürfen keine Diskriminierungen nach sich ziehen. Das Steuer- und Sozialrecht ist gegenüber allen Formen des Zusammenlebens neutral zu gestalten. Ein Abgehen von der Individualbes­teuerung hin zu Ehegatten- oder Familiensplitting ist ebenso abzulehnen wie Bestrebungen, die Pflichtversicherung durch eine Versicherungspflicht abzulösen, mit der die private soziale (Alters)Vorsorge forciert wird zugunsten der Profite von Versicherungsge­sellschaften.

Notwendig ist die individuelle materielle Absicherung für alle, unabhängig von der jeweiligen Lebensform. Deshalb lehnen wir es ab, daß die Ehe als einzige Form des Zusammenlebens staatlich geschützt und subventioniert wird. Der Trend zu einer „neuen Innerlichkeit“ führte zur Vernachlässigung der Diskussion einer Vergesellschaftung von Hausarbeit. In alternativen Konzepten wird zwar die gleichmäßige Aufteilung der Hausarbeit auf beide Geschlechter verlangt, doch bleibt Familienarbeit im Rahmen des Privaten. Die Forderung nach gesellschaftlichen Lösungsansätzen für familiäre Arbeit bedeutet für uns nicht Auflösung von Intimität und persönlichen Beziehungen, sondern bessere Möglichkeiten für deren Entfaltung. Die Verkürzung der Arbeitszeit und die Entlastung von Hausarbeiten schaffen die Bedingungen für die Intensivierung von Beziehungen, den Ausbau freundschaftlicher Kontakte, für gesellschaftliche, politische und kulturelle Aktivitäten.

Ebenso wie den Ausbau des sozialen Wohnbaus, der ausreichenden Wohnraum für alle zu erschwinglichen Mieten sichern soll, verlangen wir ein Verbot von Maklerunwesen und strafrechtliche Verfolgung von Ablösewucher. Der Ausbau und die qualitative Verbesserung ganztägig geöffneter Kinderbetreuun­gseinrichtungen zu sozial erschwinglichen Tarifen mit kleinen Gruppen, bester pädagogischer Betreuung, Förderung individueller Neigungen durch ein entsprechendes Angebot für kreative und sportliche Betätigung bietet Kindern die Chance, über die Familie hinaus soziale Erfahrungen zu sammeln und Eigenständigkeit zu üben. Die Entlastung der Eltern von materieller Vorsorge gibt mehr Zeit für gemeinsames Spiel, für Sport, kulturelle Entfaltung.

Wir treten für eine Mindestabsicherung durch alle Sozialsysteme zur Sofortbekämpfung der Armut, für deren Gesamtreform und gegen deren Privatisierung ein. Der rechtliche Versicherungsan­spruch bei Kranken-, Unfall-, Arbeitslosen- und Pensionsversiche­rung muß für das gesamte Sozialnetz ausgeweitet werden. Wir fordern ein bundeseinheitliches Sozialhilfegesetz mit Rechtsanspruch und existenzsichernder Mindestabsicherung.

Wir treten für eine eigenständige Altersversorgung für alle Mitglieder der Gesellschaft ein, um weibliche Altersarmut zu verhindern.

Wir sind für die Integration behinderter Menschen, für ihre Mitsprache und Mitentscheidung auf allen Ebenen; für eine Ergänzung des kausalen Unfall- und Behindertenrechts durch eine final orientierte, flächendeckende Pflegesicherung mit ausreichenden Geld- und Sachleistungen.

Die Inanspruchnahme von Menschenrechten kann nicht von der StaatsbürgerIn­nenschaft abhängig sein, daher muß die Kluft von Rechten zwischen den StaatsbürgerInnen und MigrantInnen und EinwanderInnen in Österreich aufgehoben und so die politische und soziale Gleichheit hergestellt werden.

Kapitel 4:

Für eine neue Kultur des Zusammenlebens

Die Diskriminierung der Frau ist nicht auf gesellschaftliche Produktion und Familie beschränkt, sondern ist in allen kulturellen, ideologischen, religiösen Bereichen wirksam. Im Begriff „Sexismus“ ist das ganze System von Vorurteilen, Herabwürdigungen und Benachteiligungen der Frau eingefangen. So wie der „Rassismus“ keine Charakteristik heller oder dunkler Menschen enthält, sondern den weltanschaulich formulierten Glauben an die „eigene höher stehende Rasse“ ausdrückt, geht es auch im Sexismus um die Aufrechterhaltung der Rangunterschiede zwischen den Geschlechtern.

Die seit Jahrtausenden herrschende patriarchale Kultur hat die Männlichkeit zu einem universellen Prinzip erhoben, in dem der Mensch mit dem Mann gleichgesetzt wird. Die Frau gilt als „das Andere“, die Abweichung von der Norm, oder wird mit der Natur identifiziert.

Frauen haben offiziell keine Geschichte. Sie finden als Randerscheinung, bestenfalls in Fußnoten eine Erwähnung. Die männliche Dominanz spiegelt sich auch in der Sprache wider: Frauen scheinen meist nicht auf, sie werden einfach männlichen Begriffen/Beze­ichnungen untergeordnet. Aber Wertorientierungen werden auch durch sprachliche Formen übermittelt. Sie stehen in enger Beziehung zur sozial-ökonomischen Struktur der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Dabei werden Arbeiten in wichtig und unwichtig eingeteilt. Wichtigen Menschen muß unwichtige Tätigkeit abgenommen werden. Letztere hat allerdings oft an sich, daß ohne sie gar nichts funktionieren würde.

Sexismus ist ein Strukturmerkmal der Gesellschaft. Wobei Aspekte der Gewalt gegen Frauen oft derart in das „normale“ Denken und alltägliche Verhalten integriert sind, daß sie nicht mehr wahrgenommen werden. Aber patriarchale Macht und Kontrolle sind auch dort vorhanden, wo Frauen die männliche Vorherrschaft verinnerlicht haben und gar nicht in Frage stellen.

Aggressionen haben Frauen mundtot gemacht, unfähig, die gegen sie gerichtete Gewalt zur Sprache zu bringen. Auch heute besteht ein Geflecht aus: Mißachtung weiblicher Leistungen, inquisitorischer Behandlung (z.B. vergewaltigte Frauen), sexistischen Witzen, verbalen Obszönitäten (auch sie hinterlassen seelische Verletzungen), sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz oder auf der Straße.

Die Wirkung der Bilder

Die patriarchalen Bilder von Weiblichkeit und die herrschenden Vorstellungenüber das Männliche prägen beide Geschlechter. Daher rührt auch die ambivalente Einstellung vieler Frauen zu ihren geistigen Fähigkeiten, zu ihrer Körperlichkeit und Sexualität. Die Werbelinien von Plakaten, die Produktwerbung in Fernsehen und Medien trägt der differenzierteren Berufstätigkeit und besseren Bildung der Frauen Rechnung. Nicht mehr die betuliche Hausfrau der 50er Jahre, sondern die gertenschlanke, mode- und selbstbewußte und offensichtlich kaufkräftige Konsumentin steht im Mittelpunkt. Dennoch ist auch dieses Schönheitsideal nicht weniger abgehoben und ebenso fern dem alltäglichen Leben der meisten Frauen wie die einstige strahlend-glückliche Hausmutter. Die Wirkung ist aber ebenso normierend wie damals.

Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen Werbung und Pornographie. Es geht nicht darum, die Darstellung des nackten Körpers oder von Geschlechtsverkehr zu verhindern, sondern gegen die Entwürdigung der Frau anzukämpfen. Diese zeigt sich auch in der Inflation von „Sinnlichkeit“ und Sexualität, in der Eskalation von Prostitution und der propagierten Selbstverständlichke­it des Sich-verkaufen-Müssens: als Arbeitskraft oder als sexuelles Objekt. Die Reklame vermarktet die sexuellen Reize der Frau als Gratisbeigabe zu einer x-beliebigen Ware, und die Botschaft der Pornographie lautet: Frauen wollen gedemütigt, vergewaltigt, gefoltert werden.

Der Kreislauf aus Anbieten und Konsumieren läßt die persönlichen Beziehungen nicht unberührt. Ökonomische Klassenrealität und patriarchale Strukturen sind auch in intimen Bereichen wirksam. Besitzdenken, Angst vor Versagen, das Gefühl, auf dem Prüfstand zu stehen, stützen den Kapitalismus ebenso wie das Patriarchat. Sie führen zur Perfektionierung der eigenen Verwertbarkeit für die herrschenden Interessen und damit zu defensiven Lebenshaltungen. Aber die aktive Teilnahme am politischen Leben und am Klassenkampf basiert auf einer offensiven Lebenseinstellung. Das bedeutet im marxistischen Sinn: sich zu den eigenen Lebensbedingungen bewußt zu verhalten, als Frauen eine eigene Identität zu entwickeln. Dabei gilt für Frauen und Männer, die langfristigen Interessen an humanen Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Generationen nicht wegen kurzfristiger Vorteile zu verdrängen. Denn Anpassung bedeutet, an Unterdrückung teilzuhaben, Verhältnisse zu reproduzieren, in welchen die Entwicklung der einen die relative Entwicklungslo­sigkeit der anderen zur Voraussetzung hat.

Für das Recht auf Selbstbestimmung

Die Frau ist von Geburt an – nach Klassenlage, nationaler Herkunft, religiösen Traditionen und kulturellem Umfeld – jeweils verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt. Zwischen extremer körperlicher und subtileren Formen der psychischen und sozialen Gewalt besteht ein Zusammenhang. Die Vergewaltigung oder der sexuelle Kindesmißbrauch ist auch ein Mittel des Mannes, gegenüber den Frauen Macht zu demonstrieren. Wie die kriegerischen Seiten der Menschheitsges­chichte und wie erst jüngst wieder in Ex-Jugoslawien deutlich wurde, ist Vergewaltigung Teil der männlich-patriarchalen Kriegsführung, ist sie Machtbeweis gegenüber besiegten „Mutterländern“ und deren mit der Okkupation des Weiblichen gedemütigter Männer.

Sexualmoral – ob einst auf Verzicht ausgerichtet oder jetzt unter dem Vorzeichen der Freizügigkeit – ist stets ein Instrument zur Kontrolle der Bevölkerung. Gezielte sexuelle Stimulation als Bestandteil der Vermarktung von Waren aller Art und die damit suggerierte Vorstellung, eigene Begierden über den Kauf ausleben zu können, dienen Herrschaftsin­teressen. Denn sie lenken ab von der schleichenden Entdemokratisierung und sollen soziale Unsicherheit und gesellschaftliche Kälte kompensieren. Ebenso kommen die geschlechtsspe­zifischen Muster in der kommerziell verwerteten Sexualität der herrschenden Klasse zugute. Unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen ahnen Frauen kaum, was sie sein könnten. Ihrem eigenen Wesen entfremdet, erzogen, anderen zu gefallen, erleben viele Frauen auch ihre Sexualität als fremdbestimmt. Erst die Frauenbewegung unserer Tage fand den Mut, offen die von Männern diktierten sexuellen Spielregeln abzulehnen.

Heute beginnen Frauen das Recht zu beanspruchen, über den eigenen Körper zu verfügen und statt Anpassung eigene Lust zu erleben. Die Ausrichtung eigener Bedürfnisse nach männlichen Wunschvorstellungen wurde im Zuge der Diskussionen innerhalb der neuen Frauenbewegung hinterfragt. Das Entdecken des eigenen Körpers brach mit Tabus und brachte Frauen ein neues Selbstverständnis. Die Liberalisierung der Sexualität ermöglichte einerseits, freier und offener über weibliche Bedürfnisse zu sprechen. Andererseits ermöglichte dieser Fortschritt auch neue Formen des Sexismus: Massenhafte Vermarktung weiblicher Sexualität durch die Porno-Industrie – Männer erkennen und wünschen, daß Frauen Lust haben, sie bestimmen jedoch, gegebenenfalls subtil, wie ihre Lust auszusehen hat.

In diesem Zwangskorsett ist es schwierig, eigene lustvolle Utopien über selbstbestimmtes, weibliches Sexualverhalten zu entwickeln. Das macht es verständlicher, daß ein Teil der Frauenbewegung daraus ihre Schlüsse zog und lesbische Beziehungen zu ihrem politischen Programm erklärte. Patriarchale Denkmuster halten es wahrscheinlich nicht für möglich, daß statt Männern auch Frauen im Mittelpunkt eines Frauenlebens stehen können. Die Ignoranz gegenüber lesbischer Liebe erzeugt in vielen lesbisch empfindenden Frauen das Gefühl, nicht „normal“ zu sein. Lesbische Frauen im Kampf gegen Diskriminierungen und der freien Entscheidung für ein bestimmtes Sexualverhalten zu unterstützen, erfordert auch, eigene Verhaltensmuster, gedankliche Einstellungen, sexuelle Empfindungen zu reflektieren.

Frauen und Männer müssen sich bewußt mit ihren aus patriarchalen Zwängen entstandenen sexuellen Konditionierungen auseinandersetzen. Die in unserer Gesellschaft geförderte Konsumhaltung auch in der Sexualität mißachtet die Identität der Frau, verhindert aber auch die Entwicklung differenzierter männlicher Bedürfnisse und autonomer weiblicher Visionen von Erotik. Sie entwertet persönliche Beziehungen und reduziert Sexualität auf Fortpflanzung und männliche Lust. Sexualität ist wichtiger Bestandteil menschlicher Kommunikation. Zu ihrer Entfaltung bedarf es ökonomischer, sozialer, kultureller und politischer Veränderungen.

Patriarchaler Fortpflanzungswahn

Patriarchat bedeutet auch Unterwerfung des Gebärvermögens der Frau und Kontrolle über die Fortpflanzung der unterdrückten Klassen.

Der idealistische Versuch der Emanzipation der Menschen durch das Urchristentum wurde mit der konstantinischen Wende ins Gegenteil verkehrt. Mit der sich herausbildenden Institution „Amtskirche“ entstand allmählich eine unheilvolle Allianz aus sexualpessimis­tischer, körperfeindlicher Einstellung des Christentums und staatlicher Bevölkerungspo­litik. Ihr Ziel war: genügend „Menschenmaterial“. Das Kapital verlangte Arbeitskräfte und der Staat Soldaten. Die Kirchenhierarchie betrieb die ideologische Zurichtung der Bevölkerung. Geschlechtsverkehr durfte nur in der Ehe, und zwar ausschließlich zum Zweck der Fortpflanzung, stattfinden. Die Sucht, über Ehevorschriften zu wachen, das Geschlechtsleben zu kontrollieren und Sinnlichkeit mit Schuld und Sühne zu beladen, entsprach patriarchaler Herrschaft. Sie wurde durch das Zölibat verschärft, in dem Sexualneurosen und Frauenhaß angelegt sind. Der Ausbruch religiöser Exzesse (Folter, Hexenverbrennun­gen), denen Millionen Menschen zum Opfer fielen, vergiftete das Zusammenleben von Frauen und Männern durch Generationen.

Auch heute wird die katholische Moraltheologie von einer patriarchalen Sexualmoral beherrscht, die jedoch auf immer breiteren innerkirchlichen Widerstand stößt. Die Amtskirche sorgt sich in höchstem Maß um die befruchtete Eizelle und mobilisiert gegen Sexualaufklärung und Ehen ohne Trauschein, während sie Hochrüstung und Millionen Hungertote relativ gleichgültig läßt.

Die ArbeiterInnen­bewegung verstand das Verbot von Verhütung und Abtreibung als Klassenfrage. Im vorigen Jahrhundert wurden Arbeiter, die Kondome benützten, eingesperrt, während in bürgerlichen Kreisen Pessare aus Gold gehandelt wurden. Bis in die 70er Jahre waren jene Frauen, die in Österreich wegen eines illegalen Eingriffs vor Gericht standen, vorwiegend Arbeiterinnen, Küchengehilfin­nen, Mägde.

Rechtskonservative und klerikale Kreise haben sich nie mit der Fristenlösung abgefunden und setzen in Zeiten einer rechtskonservativen Wende erneut zu massiven Angriffen auf den Schwangerschaf­tsabbruch an, wie Beispiele aus den USA, aber auch ausÖsterreich zeigen. In finanziell aufwendigen Kampagnen werden Frauen terrorisiert, wird der Abbruch der Schwangerschaft mit Mord gleichgesetzt. Je mehr der Fötus in den Rang einer eigenständigen juristischen Person erhoben wird, desto weniger wird die Frau als Subjekt geachtet. Damit wird ihr das Recht, über ihren Körper selbst zu bestimmen, streitig gemacht. Die Entscheidung der Frau, eine ungewollte Schwangerschaft im Interesse ihrer Gesundheit oder Persönlichkeit­sentwicklung abbrechen zu lassen, kann nicht durch Außenstehende bewertet werden.

Sexualität wird in allen Formen gewinnträchtig vermarktet. Nun soll auch die Fortpflanzung kommerziell genützt werden. Neue Fortpflanzungstechno­logien (Reproduktion­stechnologien) werden zielstrebig entwickelt. Dabei dient die Frau als Rohstoffliefe­rantin. Ärzte und Technokraten kontrollieren und verfügen über ihre reproduktiven Fähigkeiten. Künstliche Besamung und Befruchtung im Reagenzglas dienen einerseits geschäftstüchtigen Ärzten und Agenturen, zum anderen ehrgeizigen Wissenschaftern, die Ei- und Samenzellen und retortengezeugte Embryonen für gentechnische Experimente verwenden.

Mit gentechnischen Eingriffen in menschliche Keimbahnen, mit der Propagierung humangenetischer Beratungen und vorgeburtlicher Diagnose gewinnt auch die überwunden geglaubte Eugenik wieder Aktualität. Aber weder können Samen von Nobelpreisträgern die Menschheit verbessern, noch kann die pränatale Diagnose Behinderungen ausschließen (z.B. durch Fehler bei der Geburtshilfe, denn nur etwa vier Prozent aller Behinderungen sind genetisch bedingt).

Vom Aufbruch der Frauenbewegung

Die Frauenbewegungen entwickelten zu Beginn der 70er Jahre eine Dynamik, deren objektive Ursachen in innerkapitalis­tischen Widersprüchen wurzelten. Diesen Aufschwung bezeichnen viele als „Neue Frauenbewegung“, auch im Unterschied zur Frauenbewegung des vorigen und der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Dieser Begriff blendet aber aus, daß trotz der Polarisierung und Vereinnahmung der Frauen durch die Parteien nach 1945 eine mit der revolutionären ArbeiterInnen­bewegung verbundene demokratische Frauenbewegung den Kampf um Einheit der Frauen für ihre Rechte führte. Verbesserungen im Arbeits- und Sozialrecht, deren Untergrabung wir heute bekämpfen, konnte durchgesetzt werden (z.B. Mutterschutz-, Heimarbeits-, Familienrechts-, Gleichbehandlun­gsgesetz…).

Neu an der „Neuen Frauenbewegung“ war allerdings das gewachsene Engagement von weiblichen Angestellten, Frauen der Zwischenschichten. Während der Hochkonjunktur in den 60er Jahren stieg in den kapitalistischen Ländern die Berufstätigkeit der Frau deutlich an. Gleichzeitig drangen Frauen in alle Bereiche der Bildung vor, qualifizierten sich, eroberten neue Positionen. Mit der Verbreitung von neuen Verhütungsmitteln („die Pille“) in den 60er Jahren erhielten Frauen bisher unbekannte Möglichkeiten, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Eine Welle sexueller Freizügigkeit – von manchen zunächst als „Revolution“ erlebt – brach mit Tabus (z.B. dem Jungfernmythos). Im Aufbruch der antiautoritären StudentInnen-Bewegung begannen Frauen, die eigene Situation kritisch zu überdenken und sich politisch zu äußern.

Die sozialen Veränderungen erweiterten den Erfahrungshorizont vieler Frauen, sie entwickelten neue Bedürfnisse und Ansprüche an eine sinnvolle Lebensgestaltung. Die gängigen Frauenbilder der selbstlos-glücklichen Hausfrau oder der dümmlichen Sexbombe standen dazu in krassem Gegensatz. Frauen wurde bewußt, wie sehr sie in allen gesellschaftlichen Bereichen diskriminiert waren, was ihnen die Gesellschaft an Entwicklungsmöglichke­iten vorenthielt.

Gemeinsam sind wir stark

Die Frauenbewegungen entzündeten sich an unerträglichen Diskrepanzen: Am schönen Schein der Konsumwelt und der banalen Wirklichkeit von Ausbeutung und Herabsetzung. „Gemeinsam sind wir stark“ lautete die Devise des Aufbruchs in den 70er Jahren. Frauen erhoben Anspruch auf Freiheit und Selbstbestimmung. Sie wollten alles: Beruf und Liebe, Kinder und politische Verantwortung.

1974 formierte sich die Frauenbewegung im Protest gegen den Paragraph 144 und für die Forderung nach dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung. In den 80er Jahren entstanden die politischen Plattformen für den Internationalen Frauentag (8. März), die Organisierung von Frauen-Sommeruniversitäten. Aber auch andere gemeinsame Aktionsfelder dienten dem praktischen Erfahrungsaustau­sch, der Frauenvernetzung und der theoretischen Diskussion. Das bunte Bild der österreichischen Frauenbewegung reichte von autonomen Frauengruppen, feministischen Wissenschafte­rinnen, linken Katholikinnen bzw. Christinnen, Frauen aus Frauenhaus- und Frauenprojekten, der Lesbenbewegung bis hin zu Frauenfrieden­sgruppen, Frauenausschüssen von Parteien und Gewerkschaften, Fraueninitiativen und -berufszusammen­schlüssen, Frauenkultur-, Kommunikations- und Selbsterfahrun­gsgruppen und Frauen demokratischer Bewegungen.

In diesem frauenbewegten Aufbruchsklima mit der sinnstiftenden Größe einer gemeinsamen weiblichen Unterdrückung, die zu einer gemeinsamen weiblichen „Opfernotwehr“ verpflichtete, blieben tatsächlich vorhandene Unterschiede zwischen Frauen unbenannt. Erst als es in den 80er Jahren den Frauen – zumindest ansatzweise – gelang, sich ihr feministisches Betätigungsfeld in Lehre, Forschung, Institutionen oder Projekten zu erkämpfen, gewannen ideologische Auseinanderset­zungen – wie die Auseinandersetzung über die Differenz unter Frauen – an Bedeutung. Hinterfragt wurde, welche weibliche Lebensrealität theoretische Beachtung finden und welche politische Strategie Frauenunterdrückung beenden könnte, welche Auswirkungen Klasse, Ethnie, Geschlecht auf das handelnde Subjekt haben, ob Geschlechterver­hältnisse in sozialen Zusammenhängen konstruiert und somit kulturell dekonstruierbar sind, und ob die kulturelle Deutung des Geschlechterver­hältnisses als bloßes Konstrukt ohne Wirklichkeitsgehalt nicht vielmehr kolonial und ethnozentristis­ch sei.

Differenzierteren Fragestellungen folgten differenziertere Theorien, die jede für sich auch spezialisierte Berufskarrieren und Machtteilhabe im Wissenschaftsbe­trieb versprach.

Von der Solidarität zur Konkurrenz

Der Wettbewerb um beruflichen Zugang, Aufstieg und Anerkennung ließ Frauen in Konkurrenz zueinander treten und relativierte den Traum von Harmonie und Frauensolidarität. Die zum „Staatsfeminismus“ avancierten Frauenanliegen, die in Gleichbehandlun­gskommissionen, Frauenbeauftragten, Frauenministe­rinnen, Frauenreferaten usw. ihren Ausdruck fanden, konkurrenzierten mit autonomen Frauenprojekten, die in verstärktem Maß um Finanzierung, also Überleben, kämpften.

Noch ehe patriarchale Strukturen aufgebrochen wurden, entstanden für die Frauen ab Mitte der 80er Jahre härtere Bedingungen. Arbeitslosigkeit, verschärfte Konkurrenz am Arbeitsmarkt, sexistische Medienstrategien, Privatisierun­gspolitik und konservative Familienideologien drängten die Frauenbewegung in Abwehrkämpfe. Vor dem Hintergrund derökonomischen Krise mit ihren sozialen Ausgrenzungen, mobilisierten Deklassierungsängsten und wiederauflebenden Biologismen, vor allem aber vor dem Hintergrund einer staatlicherseits hintertriebenen Solidargemein­schaft, schien die Zeit reif zu sein für Antifeminismen und Reprivatisierung der „Frauenfrage“. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte waren es die Konkurrenzen unter Frauen, die sozialen Differenzen und politischen Fraktionierungen, die zur Stabilisierung des patriarchalen Systems vereinnahmt wurden. Die Fristenlösung, nach Jahrzehnten durchgesetzt, wurde und wird wieder verstärkt Angriffsziel klerikaler, konservativer Kräfte. Die Unterschiede weiblicher Lebensweisen werden betont, und es wird schwieriger, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Frauen sehen sich heute nicht nur als Opfer, sondern auch als Handelnde im Spektrum des Möglichen: Von Komplizinnenschaft über Anpassung bis zu den Widerspenstigen, Querdenkerinnen und Revolutionärinnen.

Frauen am Ende des 20.Jahrhunderts

Frauenprojekte, die Frauen neue Handlungsfelder und Arbeitsweisen eröffnet hatten, führen einen ständigen Überlebenskampf um marktwirtschaf­tliche Nischen oder staatliche Zuschüsse. Autonome Frauenprojekte geraten in Abhängigkeit von Institutionen. Frauenreferate, eben noch Ausdruck von Demokratiebes­trebungen, bekommen die Dominanz derübergeordneten Organisation zu spüren. Feministische Forschung dringt in die etablierte Wissenschaft vor und ist in Gefahr, vereinnahmt zu werden. Fach- und berufsspezifische Zusammenschlüsse von Frauen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Kunst drohen in Lobbyistinnen­tätigkeiten abzugleiten. Dennoch: Die Arbeit in Frauengruppen und -projekten hat die Frauen selbst verändert und ihren Blick für Demokratie und Selbstbestimmung geschärft. So leicht sind diese Erfahrungen nicht wegzuwischen. Neue Aufbrüche wie etwa das Frauenvolksbegehren zeigen, daß Frauen nicht gewillt sind, sich den patriarchalen Zuschreibungen und der Kapitaloffensive gegen ihre Rechte zu beugen. Eine neue Qualität in der Zusammenarbeit von Frauen ist entstanden und sie formiert sich um sozialökonomische Forderungen, die eine Durchbrechung neoliberaler Konzepte verlangen.

Auch das Management entdeckt die Frau – vielmehr die Sensibilität – als neue Führungsqualität und erhofft von Frauen in Leitungspositionen Anregungen für den Modernisierun­gsschub. Das berufliche Engagement der Frauen wird in kapitalistische Leistungsideologie kanalisiert, und den von Arbeitslosigkeit betroffenen Frauen wird die Alternative angeraten, sich selbständig zu machen, kreativ zu sein, Marktnischen auszuforschen – ungeachtet der zahlreichen Firmeninsolvenzen und der finanziellen Möglichkeiten.

Marxistinnen sind gefordert, die Geschlechterpro­blematik historisch und in ihrer aktuellen Bedeutung aufzuarbeiten und zu analysieren. Der Umfang des Problems, das kaum ein gesellschaftliches Politikfeld unberührt ließ, zeigt, wie eng die sogenannte Frauenfrage verstanden wurde: Sie ist nicht als Nebenwiderspruch faßbar. Mit der Veränderung kapitalistischer Verhältnisse löst sich die Frauenfrage nicht „automatisch“ auf. Der Kampf gegen patriarchale Strukturen einer Gesellschaft hat einen eigenständigen Stellenwert.

Der Feminismus orientiert auf die Aufhebung des Patriarchats als gesellschaftliches Unterdrückungsver­hältnis, das in allen Lebensbereichen wirksam ist. Damit wird auch eine Veränderung der Machtverhältnisse angestrebt zugunsten der Selbstbestimmung der Frauen und einer Demokratisierung der Gesellschaft. Aber der Streit um Inhalt und Formen der Emanzipation ist bei weitem nicht ausdiskutiert. Versuche, einen kämpferischen Feminismus zur wohlmeinenden Beliebigkeit zu verharmlosen und seine Inhalte konsumgerecht zu verwischen, sind auf der Tagesordnung.

Unsere Orientierungen

Die Entscheidung der Frau, eine ungewollte Schwangerschaft im Interesse ihrer Gesundheit oder Persönlichkeit­sentwicklung abbrechen zu lassen, kann nicht durch Außenstehende bewertet werden. Ihr Entscheidungsrecht in ganz Österreich durchzusetzen, erfordert die Verpflichtung für alle öffentlichen Spitäler, entsprechende Ambulatorien einzurichten und in einer humanen Atmosphäre, unter Einsatz der medizinisch gefahrlosesten und sanftesten Methoden den Abbruch zu gewährleisten.

Wir wollen die gleichberechtigte Teilnahme aller Menschen an gesellschaftlichen Entwicklungen. Eine Gesellschaft, in der Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft, eingeschränkt, ausgegrenzt und diffamiert werden, kann nur durch umfassende Demokratisierung erreicht werden. Noch läßt uns der tägliche Kampf gegen eine mächtige Bewußtseinsin­dustrie wenig Raum, um unsere Erfahrungen zu einem umfassenden Bild einer alternativen Gesellschaft weiterzuentwickeln. Eine Chance der Zukunftsgestaltung liegt im Austausch von Erfahrungen und Vorstellungen über künftig mögliche Lebensformen.

Mut zur Utopie heißt, auf unsere eigenen Bedürfnisse zu hören und sie nicht immer und überall geforderten Sachzwängen unterzuordnen. Mut zur Utopie heißt die Vorwegnahme möglicher Lebensformen, sei es in theoretischen oder in praktischen Versuchen. Mut zur Utopie heißt, hier und heute Alternativen zu entwickeln und auszuprobieren, Entwürfe zu konzipieren in solidarischer Auseinandersetzung mit allen Menschen, die gesellschaftliche Veränderungen anstreben.

Die Humanisierung der Beziehungen zwischen den Menschen schließt einen neuen, völlig veränderten Umgang mit der Natur ein. Nicht Raubbau, Ausrottung und Dezimierung der Artenvielfalt, zweifelhafte Reparaturmethoden, sondern Kenntnisse und Fähigkeiten sind zu erwerben, die den sparsamen Umgang mit Ressourcen ermöglichen, die natürlichen Kreisläufe zu schützen und zu bewahren.

Kapitel 5:

Frauenkampf im Spannungsfeld politischer Interessen

Die Frauenbewegung hat das Leben von Frauen und Männern verändert. Die Entschiedenheit, mit der Frauen antraten, für ihre Rechte zu kämpfen, setzt alle politischen Strömungen unter Zwang, ihr Verhältnis zur sogenannten Frauenfrage neu zu bestimmen.

Konservatives Dilemma

Auch die politischen Parteien versuchen, den Ansprüchen und Forderungen der Frauen auf ihre jeweilige Art Rechnung zu tragen. Konservative gerieten in das Dilemma, auf die gewachsenen Bedürfnisse der Frauen reagieren zu müssen, ohne aber der patriarchalen Gesellschaft einen wirklichen Preis abzuverlangen. Zu diesem Kunststück muß die Familienideologie herhalten. Mit einer Teilzeitoffensive und der Prämierung der Familienarbeit (in geringem Maß materiell, vor allem einer ideellen Honorierung wie die gewünschte verfassungsmäßige Verankerung des Familienbegriffs) zielen Konservative auf die Festigung der traditionellen (Haus)Frauenrolle. Im populären Konzept der Bürgerlichen wird die „Partnerschaft“ ständig beschworen, während es aber vor allem die Frau ist, die flexibel tätig sein soll, insbesondere in der Familie, aber auch daneben im Erwerb und in ehrenamtlichen Funktionen. Indessen bemühen sich bürgerliche Frauen-Clubs um eine Elitefrauenförde­rung. Die ständigen Angriffe vor allem kirchlicher Organisationen auf die Fristenlösung dienen den eigentlichen Absichten konservativer Familienpolitik: dem indirekten Gebärzwang.

Reformistische Politik

Während des Aufschwungs der Frauenbewegung konnten wichtige Reformen (z.B.Änderung des Familienrechts, gesetzliche Maßnahmen gegen Gewalt) durchgesetzt werden. Der größte Erfolg war 1975 die Fristenregelung (Straffreiheit für einen Schwangerschaf­tsabbruch bis zum vollendeten dritten Monat). Allerdings blieb die Fristenregelung halbherzig, da viele öffentliche Spitäler sie nicht durchführen und die Kostenfrage bis heute nicht gelöst ist. Die inkonsequente Verabschiedung von Gesetzen ohne Durchführungsbes­timmungen führt u.a. dazu, daß Reformen und Verbesserungen, die oft in langen Kämpfen erreicht wurden, unter kapitalistischen Bedingungen keineswegs gesichert sind. Das zeigt sich am Druck, Gesetze EU-konform zu gestalten, etwa die Aufhebung des Nachtarbeitverbotes für Frauen, die Bestrebungen, Wochenend- und Feiertagsarbeit einzuführen oder Bestimmungen im Sozialversiche­rungsrecht auszuhebeln. Trotz verfassungsrechtlicher Absicherung des Pensionsalters von Frauen bis zum Jahr 2019 (Gleichstellung erst 2033, wenn die Diskriminierung von Frauen beseitigt sein sollte) werden alle möglichen Tricks angewandt, das weibliche Pensionsanfallsal­ter zu erhöhen, sollen Frauen, die keine Kinder haben, mit späterem Pensionsantritt bestraft werden. Bereits für selbstverständlich gehaltene Rechte werden von den Vertretern des Kapitals nicht nur in Frage gestellt, sondern in konzertierter Aktion eliminiert.

Das installierte Frauenministerium ist ständigen Angriffen ausgesetzt und ohne nennenswertes Budget ausgestattet. Ministerien, die von Frauen aufgebaut wurden, gingen an männliche Anwärter. Neu war die Gründung eines Familienminis­teriums, das neokonservativen Wertvorstellungen entspricht.

Quotierung

Die Forderung nach Quotierung hat deutlich gemacht, daß trotz formaler Gleichberechtigung Frauen vom passiven Wahlrecht weitgehend ausgeschlossen sind. Im Nationalrat blieb der Anteil weiblicher Abgeordneter von der Einführung des Frauenwahlrechts bis zum Jahr 1983 unter zehn Prozent, 1997 sind es um die 25 Prozent Frauen. Weit geringer ist die weibliche Vertretung in den kommunalen und regionalen Parlamenten. In ganz Österreich gibt es nur eine verschwindende Anzahl weiblicher Bürgermeister. Frauen stellen zwar die Mehrheit der Bevölkerung, ihre Lebenszusammenhänge und Anliegen sind aber in den politischen Gremien ein Minderheitenpro­gramm.

Wird aber die Forderung nach Quotierung in den Bereichen Bildung und Arbeitsplätze nicht flankiert von einer beschäftigungspo­litischen Offensive, bietet sie einen Hebel für jene, die stets vom Aufspalten und Ausspielen profitierten. Wenn Frauen und Männer untereinander um Arbeits-/Ausbildungsplätze streiten, sind die Unternehmer die lachenden Dritten.

Frauen haben sich an gesellschaftlichen Auseinanderset­zungen aktiv beteiligt und auch eine frauenspezifische Dimension eingebracht, eigene Formen der politischen Aktion entwickelt. Zum anderen hätten Bewegungen, wie z.B. die ökologische und Friedensbewegung, ohne Frauen nicht Bedeutung erlangen können. Aber auch Wissenschaft und Forschung wurden zunehmend ein Feld kritischer Konfrontation. Ohne Frauenbewegung wäre der Bereich Gen- und Reproduktionstechno­logie nicht so schnell und in dieser Schärfe zum gesellschaftspo­litisch-kritisch zu betrachtenden Thema geworden. Die Diskussion um die soziale Verträglichkeit dieser neuen Technologien steht erst am Anfang, aber unberührt davon treiben Konzerne, Pharmaindustrie und technokratisches Medizinverständnis die Entwicklung voran.

Das Selbstverständnis der KPÖ

Reformen im Interesse der Mehrheit der Frauen sind auch im Kapitalismus möglich. Deshalb kämpfen KommunistInnen für sozial-ökonomische Verbesserungen. Darüber hinaus gilt es dafür zu sorgen, daß gesetzliche Maßnahmen und öffentlicher Druck dem Sexismus entgegenwirken. In diesen Bestrebungen wollen wir mit allen zusammenarbeiten, die ebenfalls Reformen und Bewußtseinsänderung durchsetzen wollen. In diesem Kampf geht es uns aber auch darum, die Grenzen des kapitalistischen Systems sichtbar zu machen.

Diese zeigen sich in den Fragen:

  • 1. wie der gesellschaftliche Reichtum verteilt ist;
  • 1. wer über die Nutzung der Arbeitskräfte, über den Inhalt der Arbeit bestimmt;
  • 1. wer über natürliche Ressourcen verfügt.

An diesen Grundfragen demokratischer Mitbestimmung und Mitentscheidung wird deutlich:

  • 1. daß die vollständige Emanzipation der Frauen und die Humanisierung der Beziehung zwischen den Geschlechtern den Macht- und Funktionsmecha­nismus des Kapitalismus gefährdet;
  • 1. daß patriarchale Kultur- und Herrschaftsformen mit dem kapitalistischen System untrennbar verbunden sind.

Aus diesen Einsichten heraus treten wir dafür ein, daß die Frauenbewegung alle Möglichkeiten zur eigenständigen Arbeit erhält. Kommunistinnen in der Frauenbewegung und in Gewerkschaften bemühen sich, zur Vernetzung aller Frauenaktivitäten beizutragen, Frauenforen zu organisieren. Wir verlangen von allen Bundesländern und Stadtverwaltungen, parteiunabhängige Frauenbeauftragte anzustellen und Frauenausschüsse einzurichten, um die Diskussion und den Erfahrungsaustausch unter den Frauen systematisch zu gestalten. Wir verlangen die langfristige finanzielle Absicherung von Frauenprojekten und den Ausbau von Frauenaktionsräu­men.

Anspruch und Wirklichkeit

Der Aufschwung der autonomen Frauenbewegung und der von ihr geführte Diskurs veranlaßte KommunistInnen zu einer kritischen Überprüfung des eigenen Selbstverständnis­ses. In Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Ansprüchen autonomer Frauengruppen entwickelte sich ein Lernprozeß, der Oberflächlichkeiten und Einseitigkeiten bisheriger Theorie und Praxis bewußt machte. In Aufarbeitung marxistischer Erkenntnisse wurde deutlich, daß politische Ansätze und revolutionäre Inhalte über Jahrzehnte verschüttet waren.

Die Vorstellung von Gleichberechtigung in einem System der Unterdrückungüber­sah, daß patriarchale Strukturen Männer privilegiert, aber auch deformiert hatten. Die Entfremdung manifestiert sich nicht nur im ökonomischen Ausbeutungsver­hältnis, sondern auch in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Diese tiefgreifenden Widersprüche kann der Klassenbegriff allein nicht erfassen. Daher ist die Kategorie „Geschlecht“ als soziales Strukturmerkmal in marxistische Analysen einzubeziehen. Die Dialektik von Klasse und Geschlecht umfassend zu untersuchen und in der Praxis zur Geltung zu bringen, stellt eine Herausforderung für alle kommunistischen Parteien dar.

Die KPÖ hat in der Vergangenheit aufgrund ihres schwierigen Kampfes gegen die herrschenden Machtverhältnisse stets das gemeinsame Wirken von Frauen und Männern betont. Die Gemeinsamkeiten resultieren aus der Klassenzugehörig­keit und der sozialistischen Perspektive. Dabei muß aber bewußt sein, daß soziale Herkunft, Rassismus, Sexismus die Menschen in der Arbeiterklasse und in der Partei sehr unterschiedlich betreffen.

Auch in der KPÖ gibt es sexistisches Verhalten von Genossen, prägen traditionelles Denken und auch Formen von Gewalt die Beziehungen zwischen Frauen und Männern. Festzustellen ist ein Widerspruch zwischen dem programmatisch erhobenen Anspruch auf Emanzipation und dem Handeln im Alltag.

Das neue Selbstverständnis der Frauen läßt Männer nicht unberührt, verlangt von ihnen Konsequenzen für ihr Selbstbild und ihr Handeln. Die bewußt geführte Auseinandersetzung zu diesen Fragen benötigt eine politische Kultur des produktiven Meinungsstreits und eine Weiterentwicklung der Organisation durch effiziente Formen, die Menschen berücksichtigen, die mit Kindern leben, die Familienarbeit leisten.

Marxismus – Feminismus

Feministische Theoretikerinnen haben die Beziehungen zwischen Männern und Frauen in ihren vielen Facetten ausgeleuchtet. Beschreibungen bleiben aber an der Oberfläche, wenn sie nicht durch eine Gesellschaftsthe­orie fundiert werden. Die pauschalen Angriffe auf die Männer schlechthin, allgemeine Verdächtigungen sind zwar verständlich, grenzen aber jene aus, die gemeinsame Ziele verfolgen, und entlasten nicht zuletzt das Patriarchat als Herrschaftsform. Für viele Frauen, die sich als Feministinnen bezeichnen, bedeutet Feminismus, den Kampf für ihre Interessen als Frauen gegen die männliche Vorherrschaft auf allen Gebieten zu führen.

Der Marxismus als radikale Theorie und Praxis will alle gesellschaftlichen Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein ausgebeutetes, verächtliches, verlassenes Wesen ist. Die KPÖ lehnt Vorstellungen und Konzepte ab, die einseitig den Geschlechterkampf als Schwarz-Weiß-Schema auffassen und Machtstrukturen der Gesellschaft, die sozial-ökonomische Entwicklungen und politische Herrschaftsformen außer Acht lassen. KommunistInnen versuchen, in den Geschlechterver­hältnissen die Klassenfrage aufzuzeigen, und in den Klassen die Beziehungen der Geschlechter herauszuarbeiten.

Im Gegensatz zu bürgerlichen Familienideologien erkannte die revolutionäre Arbeiterbewegung in der weiblichen Berufsarbeit eine emanzipatorische Voraussetzung für die ökonomische Unabhängigkeit der Frau und ihre soziale Gleichheit mit dem Mann. DieÜberbelastung der erwerbstätigen Frau sollte durch die Vergesellschaftung der Hausarbeit wegfallen. Dieser richtigen aber vereinfachenden Perspektive stand die expansive widersprüchliche kapitalistische Vergesellschaftung gegenüber: Neue Arbeitsbeziehungen und massenhafte Produktion von Haushalts- und Konsumgütern schafften zwar Freiräume, befreiten die Frauen aber dennoch nicht von der Verantwortung für den Reproduktionsbe­reich.

Die marxistische Familientheorie hat negative Tendenzen der Kleinfamilie nicht aufgearbeitet. Abkapselung, Isolation, Tradierung geschlechtshi­erarchischer Arbeitsteilung bringen immer wieder Unterdrückung hervor. Die Forderung nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Frauen sowie nach gesellschaftlicher Anerkennung der sozialen Mutterschaft entspricht zwar aktuellen Bedürfnissen, sie läßt aber die patriarchalen Geschlechterbe­ziehungen unberührt. So blieb auch das Thema Hausarbeit in der marxistischen Gesellschaftskritik der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts weitgehend ausgeblendet. Aber Bereiche, in die Kritik nicht vordringt, werden auch den Veränderungen entzogen.

Umbau und Neuorientierung der KPÖ

Eine lange Periode der Geschichte existierten – neben Haltungen, die sich neuen gesellschaftlichen Entwicklungen verschlossen – auch Auffassungen, die die Existenzfähigkeit einer selbständigen KPÖ anzweifelten. Autoritäre und patriarchale Strukturen, die unzureichende Einbeziehung der Lebens- und Sichtweisen von Frauen, das Unterdrücken und Abblocken von Konflikten und Widersprüchen in kommunistischen Parteien waren auch wesentliche Ursachen für Weltfremdheit und Stillstand.

In Aufarbeitung unserer Geschichte haben wir gelernt, daß es keinen Automatismus der gesellschaftlichen Entwicklung und daher auch keine Garantie dafür gibt, daß wir nicht scheitern. In dieser Einsicht liegt aber auch die Chance für unsere Erneuerung, die nicht nur unsere Partei mit ihrer widersprüchlichen Geschichte und ihrer besonderen Identität erfassen muß, sondern Veränderungsmöglichke­iten der gesamten „ArbeiterInnen­bewegung und Linken“.

Die Umgestaltung, die die KPÖ vollzieht, kann nur dann erfolgreich sein, wenn die antipatriarchale Orientierung, wie sie in der Grundsatzerklärung von 1994 verankert wurde, auf allen Ebenen aufgenommen wird. In den Statuten verankert ist der Anspruch, daß in allen Leitungen der Frauenanteil 50 Prozent betragen soll. Ebenso wurde die regelmäßige Überprüfung dieses Beschlusses sowie der Bedingungen, ihn – innerhalb der Parteistrukturen – zu verwirklichen, verlangt. Formen wie Quotierungen oder der „Reißverschluß“ bei Diskussionen haben sich bewährt. Dennoch konnte eine „Feminisierung“ der Strukturen bis heute nicht erreicht werden. Der weitgehende Ausschluß der Lebenswirklichkeit von Frauen in den inhaltlichen Auseinanderset­zungen bewirkt auch in der KPÖ entsprechende Strukturen und Spielregeln. Oft bleibt nur Anpassung, Mitmachen dieser Regeln und Normen übrig. Wobei es auch außerhalb, auch in Frauenstrukturen, schwer ist, sich dem herrschenden Politikverständnis zu entziehen. Dennoch hat die Frauenbewegung Impulse für eine neue Zusammenarbeit gegeben, die es kritisch zu diskutieren und auszuwerten gilt.

Frauenlobby

Wir brauchen Frauenlobbyismus, auch innerhalb der KPÖ, das sich positiv Aufeinanderbe­ziehen, Frauenanerkennung. Wir brauchen eine entsprechende Bildungsoffensive. Wir müssen kreativ werden, statt nur reaktiv zu sein.

Uns verbindet die Überzeugung, daß der Kampf um Emanzipation am wirkungsvollsten in organisierter Form geführt werden kann, daß sich politische Handlungsfähigkeit auf der Basis einer revolutionären Weltanschauung entwickelt. Die Kraft zum politischen Handeln ergibt sich nicht nur aus der persönlichen Betroffenheit, sondern auch aus der angestrebten Fähigkeit, die Gesellschaft zu analysieren und Perspektiven theoretisch zu erarbeiten. Es ist ein Vorzug der KPÖ, daß in ihr Erfahrungen unterschiedlicher Generationen, verschiedener Lebenszusammen­hänge, verschiedener sozialer Lebensgeschichten ganzheitliche Sichtweisen auf gesellschaftliche Verhältnisse ermöglichen und in eine gemeinsame Praxis einfließen können. In der KPÖ handeln und diskutieren viele mutige GenossInnen, die unverzichtbare – wenn auch oft zu wenig beachtete – Beiträge im antifaschistischen, im sozialökonomischen, im antiimperialis­tischen Kampf leisteten und leisten, die in Bündnissen und Aktionseinheiten in Gewerkschaften, in der Friedens- und Frauenbewegung ihre Kraft und Kreativität einbringen. Die gemeinsame Praxis und Diskussion ermöglicht, Veränderungen zu analysieren, „tiefere Einsicht“ (im Sinne des „Kommunistischen Manifests“) zu gewinnen und politisch zu handeln. Solidarischer Umgang (der den Meinungsstreit nicht ausschließt) und neue Erkenntnisse bereichern auch die Persönlichkeit der einzelnen Genossin, des einzelnen Genossen.

Eine sozialistische Perspektive bedeutet für uns, über die Zukunft neu nachzudenken:

Sind sparsamer Umgang mit Rohstoffen, Schutz der Natur ohne gesamtgesellschaf­tliche, ja globale Planung möglich? Imperialistische Politik hindert die große Mehrheit der Weltbevölkerung an der Entwicklung und unterwirft nun auch die einst sozialistischen Länder der kapitalistischen Verwertungslogik. Für ein sozialistisches Konzept ist daher die internationale Solidarität, die Entwicklung eines neuen Internationalismus grundlegend. Dieses Konzept muß auch die Ansprüche auf menschenwürdige Gestaltung der Geschlechterbe­ziehungen in Theorie und Praxis aufnehmen.

Unsere Orientierungen

Die marxistische Emanzipationsthe­orie fordert nicht nur die Gleichstellung und Emanzipation der Geschlechter, sondern die Veränderung einer strukturell patriarchalen Welt und ihrer Wertvorstellungen. Diese Perspektive verlangt die Abschaffung der systemataschen Unterdrückung der Frau und die Beseitigung der männlichen Privilegien. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die Überwindung der geschlechtshi­erarchischen Arbeitsteilung in der Produktion und im Bereich der Reproduktion. Dabei ist die Frage des Eigentums in Verbindung mit Demokratie eine Schlüsselfrage. Gemeinschaftliches Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln bedeutet nicht, daß Gegensätze zwischen den Geschlechtern gelöst sind. Es ist aber Voraussetzung dafür, daß das ökonomische Interesse des Kapitals an der Minderbewertung der weiblichen Arbeitskraft entfällt und so die bewußte Gestaltung menschlicher Beziehungen in den Vordergrund treten kann.

Diese Orientierung erfordert Alternativen, die nicht einseitig eine Vereinbarkeit von Beruf und Beziehungsarbe­it/Haushalt für Frauen anstreben, sondern für beide Geschlechter ermöglichen. Dazu sind gesellschaftliche Maßnahmen notwendig, die die Produktion und den privaten Bereich grundlegend umgestalten, beide Bereiche umfassend demokratisieren. Die Forderung nach Quotierung ist eine Voraussetzung für umfassende strukturelle Änderungen von Produktion, Reproduktion und politische Kultur. Wenn das Geschlechterver­hältnis auf allen gesellschaftlichen Ebenen, im Erwerb, in der Familie, im Alltag, in der Politik im emanzipatorischen Sinne Veränderungen erführe, hätte dies Umwälzungen auch in anderen Bereichen zur Folge. Diese Entwicklung birgt keinen Automatismus, aber eine potentielle Chance.

Die Emanzipation der Geschlechter erfordert umfassende Veränderungen von objektiven und subjektiven Strukturen der Gesellschaft und des Individuums. So wie der „Klassenkampf“ Autonomie, kulturelle Gegenwelten, politische und ideologische Gegenkonzepte und kollektive Identität der ArbeiterInnen­bewegung in Konfrontation mit den Herrschenden erfordert, braucht auch der Geschlechterkampf weiblichen Raum, weibliche Identität, Eigenständigkeit, Parteilichkeit und Autonomie. Dadurch werden Männerprivilegien berührt. Ohne den politischen Kampf gegen Männerprivilegien, ohne den kollektiven, aber auch individuellen Kampf jeder einzelnen Frau kann sich die weibliche Subjektwerdung nicht entfalten.

Was wir nicht einbringen, bleibt uneingebracht.

*) Unter Reproduktion verstehen wir alle nicht den Marktgesetzen unterworfenen Arbeitsleistungen wie Kindererziehung, Haushalts- und Beziehungsarbeit, die zur Wiederherstellung der Arbeitskraft und zum Fortbestand der Gesellschaft notwendig sind, und die überwiegend unentgeltlich von Frauen geleistet werden.

Beschlossen vom 30. Parteitag der KPÖ vom 17. bis 19. Oktober 1997

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