KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Kommunismus und Feminismus

Vor drei Jahren haben wir dem Parteitag das Frauenprogramm vorgelegt. Es wurde mit großer Mehrheit beschlossen und hat große Anerkennung vor allem auch außerhalb der Partei erhalten. In meiner Rede am letzten Parteitag hatte ich allerdings schon kritisch festgehalten: “Die Diskussion zum Frauenprogramm in Vorbereitung des Parteitages hat wenig Widerspruch erzeugt, so nach dem Motto: Es ist schon gut, wenn man was für die Frauen tut. Etwas verhalten war dann doch hier und da zu hören: Ein bisserl mehr hätte frau zur Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes der Arbeiterklasse – des Klassenkampfes sagen sollen – über die gemeinsame Unterdrückung durch das Kapital – das bleibt doch das “Wichtigste” oder ?” Ich habe gefordert, diese Diskussion laut und offen zu führen! Sonst bliebe das Programm Anspruch, der in der Praxis nicht eingelöst wird. Sonst werden wir auch beim nächsten Parteitag nicht die 50 Prozent Kandidatinnen für den Bundesvorstand gewinnen.”

Diese Diskussion ist nicht geführt worden und bricht erst jetzt wenige Wochen vor dem Parteitag ziemlich geballt auf. In einem Diskussionsbeitrag mehrerer Mitglieder des Bundesvorstandes, die ausreichend Möglichkeiten hatten, in die Programmdebatte einzusteigen, wird wenige Wochen vor dem Parteitag, nicht nur die soziale Kategorie Geschlecht in Frage gestellt, die These vom Haupt- und Nebenwiderspruch feiert darin Auferstehung.

Nicht die Feststellung, was alt am Kapitalismus ist die heutige Herausforderung, sondern das Neue zu begreifen. “Wir erleben den tiefgreifendsten Umbau der Gesellschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein neuer Typ des Kapitalismus wird durchgesetzt” heißt es zu Beginn des vorgelegten Dokuments mit dem Titel: Feministisch. Demokratisch. Kommunistisch.

“Das System von sozialstaatlichen Kompromissen, die das Kapital bei seiner Herrschaftsausübung eingegangen ist, hat weitgehend ausgedient. … Verfestigt werden auch die geschlechtshierarchischen Beziehungen zwischen Männern und Frauen…”. Was heißt das für die Lebensbedingungen der Mehrheit von Frauen, für einen Großteil der heutigen ArbeiterInnenklasse?

In einer Studie der Genossin Sissy Holzinger im Auftrag des AMS wird zusammengefaßt: “Laut Repräsentativbefragung machen die atypisch Beschäftigten in Österreich im Jahr 1999 zusammen fast ein Drittel aller Beschäftigten aus. Der größte Anteil, etwa 17 Prozent entfällt auf Teilzeitbeschäftigungen, gefolgt von ca. 4 Prozent mit geringfügiger Beschäftigung, 3 Prozent mit befristeten Dienstverhältnissen, nicht ganz 2 Prozent Neuen Selbstständigen, 1 Prozent die zu Hause arbeiten und 0,5 Prozent (19.000) LeiharbeiterInnen. Etwa 90 Prozent der Teilzeit- bzw. geringfügig Beschäftigten (3/4 aller atypischen) sind Frauen.” Neu ist, daß es spätestens seit Mitte der 90er Jahre eine deklarierte Politik gibt, auch alle weiteren der neoliberalen Doktrin unterworfenen Maßnahmen auf Kosten vor allem der Frauen und MigrantInnen umzusetzen, gepaart mit einer reaktionären Familienideologie.

Die Überprüfung jeder Maßnahmen auf ihre geschlechterpolitischen Auswirkungen muß die Situation von Frauen in Österreich zum Ausgangspunkt haben:

1. Die Frauenbeschäftigung in Österreich zeichnet sich durch einen relativ hohen Anteil von Teilzeit- bis geringfügiger Beschäftigung aus.

2. Die Einkommenssituation von erwerbstätigen Frauen ist unvergleichlich schlechter, die Lohnschere ist weiter auseinander gegangen.

3. Die Armutsgefährdung von Frauen ist deutlich höher als jene der Männer. So liegt das mittlere Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe unter der Armutsgrenze.

4. Die Situation von Migrantinnen ist noch prekärer als jene ausländischer Männer.

5. Außerdem gibt es Begünstigungen wie den AlleinverdienerInnenabsetzbetrag, die Anreize für ein männliches Familienernährermodell setzen.

Die Folgen:

Verbrauchssteuern treffen die kleinen Einkommen härter als die großen. Gebühren- und Abgabenerhöhungen gehen im hohen Ausmaß zu Lasten von Frauen.

Staatsausgabensenkungen im Bereich der sozialen Infrastruktur, im öffentlichen Verkehr, im Gesundheitswesen- im Kultur- und Bildungsbereich treffen vor allem Frauen.

Im Budget der schwarz-blauen Koalition wurden bisher vor allem Verbrauchsabgaben erhöht und Einschnitte im Pensionssystem durchgeführt, letzteres trifft wegen Unterbrechungszeiten und niedriger Einkommen auch verstärkt Frauen. Ausgabenseitige Kürzungen sind der nächste Schritt. Unter dem Titel “soziale Treffsicherheit” geht es um die Umwandlung sozialer Rechte in Richtung Armenfürsorge.

Zu nachteiligen Auswirkungen für Frauen und der Zementierung bestehender Geschlechterhierarchien führen aber auch weitere Maßnahmen, wie:

Der geplante Stellenabbau von 15.000 Personen bis 2003 im öffentlichen Dienst, der für Frauen in noch stärkerem Ausmaß als für Männer eine deutliche Einschränkung ihrer Berufsperspektiven bedeutet. Gerade der öffentliche Dienst bietet für Frauen vielfältige Arbeitsplätze, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und Entlohnung, flexiblerer Arbeitszeiten, die sich an den Bedürfnissen der Frauen orientieren, dem Behalten nach der Karenz etc. im Gegensatz zur Privatwirtschaft Vorbildcharakter hat.

Mit der im Regierungsprogramm festgeschriebenen “Förderung des Unternehmen Haushalt” wird das gesellschaftspolitische Ziel der Verdrängung von Frauen aus dem offiziellen Arbeitsmarktsgeschehen untermauert. Statt erhöhter Ausgaben für Kinder- und Altenbetreuung wird Erziehungsgeld bzw. ein minimaler Hausfrauenlohn in Aussicht gestellt, jedoch selbst in Kärnten ist nichts davon realisiert. Berufstätige Frauen, vor allem auch Migrantinnen werden dazu genötigt, das System der Hausangestellten des 19. Jahrhunderts zu reinstitutionalisieren.

 Auch die geplante Verlagerung von Tarifverhandlungen auf die betriebliche Ebene, wird die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen weiter verschlechtern.

Der Rückzug des Staates aus seiner sozialen Verantwortung heißt aber auch Mehrarbeit für Frauen – unbezahlt versteht sich. Deshalb lebe hoch die Familie. Ob Kinderbetreuungsscheck, Haushaltsmanagerin oder Lohn für Hausarbeit – das alles sind die Kampfbegriffe, um Frauen auseinanderzudividieren, aber auch Männer in ihrer “bevorzugten” Stellung am Arbeitsmarkt und ihrer Entlastung von Reproduktionsarbeit gegen Frauen aufzubringen. Um so bedeutender ist es, den Kampf um die positive Besetzung von Feminismus in seinem ursprünglichen Sinn, den Kampf um Frauenrechte als primär aufzunehmen.

Der Blick auf die historische Arbeiter- und proletarische Frauenbewegung zeigt, daß die revolutionäre Absicht nicht in jedem Fall ein Fortschritt für die Sache der Frauen war, schreiben wir im Frauenprogramm und genau darum geht es, wenn wir den Kommunismus neu besetzen, ihn von den dogmatischen frauen- und demokratiefeindlichen Sozialismus-Vorstellungen befreien. Feministisch heißt, sowohl die Lebensbedingungen von Frauen als auch Frauen als handelnde Subjekte in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellen; den gesamten weiblichen Lebenszusammenhang zu betrachten, heißt, den strukturellen Zusammenhang von Produktion und Reproduktion zu begreifen, Geschlecht ebenso wie Klasse als soziale Strukturkategorie zu begreifen, die soziale Ungleichheiten und Machtverhältnisse, Privilegien und Diskriminierungen beschreibt und gegenüber der Klassenstruktur Eigenständigkeit besitzt, daß der Geschlechterkampf nicht in Haupt- und Nebenwidersprüchen faßbar ist, daß es nicht nur um ökonomische Ausbeutung, sondern um das gesamte sexistische System, ebenso um patriarchale Unterdrückung geht, daß der Geschlechterkampf weiblichen Raum, weibliche Identität, Eigenständigkeit, Parteilichkeit und Autonomie braucht.

Und was lese ich im Diskussionsbeitrag einiger GenossInnen des Bundesvorstandes: “Völlige Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird es erst dann geben, wenn Frauen sich die Welt in all ihren Facetten angeeignet haben?” Meines Erachtens ein krasses Beispiel, wieviel patriarchale Welt in unseren Reihen ist.

  • Referat von Heidi Ambrosch auf der Frauenversammlung der KPÖ am 4./5. November in Sankt Radegund

 


Aktuelles:


KPÖ Oberösterreich: Jetzt Unterstützungserklärung unterschreiben!
(14.7.2021)

...mehr


Die Europäische Linke fordert einmal mehr das Ende der Blockade gegen Kuba
(13.7.2021)

...mehr


Die neue Juli Volksstimme 2021 ist da!
(13.7.2021)

...mehr


KPÖ Graz: Unsere Kandidatinnen und Kandidaten für Graz
(10.7.2021)

...mehr


38. Parteitag der KPÖ: In der ältesten Partei Österreichs übernehmen Junge das Ruder
(21.6.2021)

...mehr

Volksstimme - Politik & Kultur - Zwischenrufe links