KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Fragestellungen für den 31. Parteitag

Was tun gegen den neoliberalen Kapitalismus?  Was tun gegen den neoliberalen Kapitalismus!

Vorbemerkungen

Reflektieren wir die Entwicklung der KPÖ, so ist das Wichtigste an der  Berichtsperiode, dass die KPÖ in den zwei herausragenden politischen  Fragen – dem Aggressionskrieg der NATO gegen Jugoslawien und die  Installierung der schwarzblauen Regierung – mit der Teilnahme an  Widerstandsbewegungen und ihren in der Volksstimme und der  Öffentlichkeitsarbeit eingenommenen Standpunkten die prinzipiell richtige  Wahl getroffen, und sich in diesem Rahmen als eine selbstständige linke  Kraft profiliert hat.  

Darüber hinaus fällt die Bilanz widersprüchlich aus. Positive Momente  sind: Es wurden erste Beispiele für einen Neuaufbau der KPÖ gesetzt. Hier  sind der historische Wahlerfolg der KPÖ in Graz zu nennen, Fortschritte  in der Jugendpolitik, die Gewinnung junger Menschen für die KPÖ, die  weitere Stärkung des kommunistischen StudentInnenverbandes. Neue Zugänge  wurde in der ImmigrantInnenpolitik und Intellektuellenpolitik geöffnet.  

Die KPÖ konnte sich in der neuen Frauenbewegung verankern, mit den  VertreterInnen der slowenischen Volksgruppe in Kärnten gelang nach  Jahrzehnten eine Versöhnung. Es gibt erste Erfolge bei der Entwicklung  linker und kommunistischer Millieus. Bei den EP- bzw. NR-Wahlen (1999)  wurde seit 1995 der Abwärtstrend bei allgemeinpolitischen Wahlen gestoppt  und 1999 ein für unsere Verhältnisse beachtlicher Stimmengewinn erzielt.  So betrachtet fällt die Bilanz der in den letzten drei Jahren geleisteten  Arbeit keineswegs negativ aus. Um so mehr, als wir weiterhin mit einer  dramatischen finanziellen Lage umgehen müssen.

Trotzdem bleiben aber die großen strukturellen Probleme der Partei, der  organisatorische und mitgliedermäßige Rückgang und die fast lückenlose  mediale Ausgrenzung bestehen. Alarmieren muss uns vor allem, dass die  zuletzt abgehaltenen Kommunalwahlen in der Steiermark, in Tirol und in  Niederösterreich wieder Stimmeverluste brachten. (Eine zusammenfassende  Einschätzung der AK-Wahlergebnisse ist bei Abfassug des Textes noch nicht  möglich gewesen.)

Die Gesamtbilanz der AK-Wahl zeigt trotz des Gewinns  eines zweiten Mandats widersprüchliche Tendenzen. Markieren sie  angesichts der neuen innenpolitischen Konstellation – schwarzblaue  Regierung, SPÖ unter neuer Führung und in Opposition – eine neuerliche  Trendwende nach unten? Das wäre paradox, waren die letzten Monate doch  durch eine verstärkte Politisierung, Radikalisierung und durch  außerparlamentarische Bewegung gegen die neue Regierung gekennzeichnet.  

Die neue politische Lage schafft offenbar nicht nur neue Möglichkeiten,  sondern stellt uns auch vor neue politische Probleme, bzw. deckt alte  ungelöste Probleme auf. Das gilt übrigens für die gesamte Linke, die auf  die neue politische Lage noch keine adäquaten Antworten gefunden hat.  Unsere nur begrenzten Möglichkeiten, in die dazu laufenden  Diskussionsprozesse einzugreifen, spiegelt in letzter Konsequenz einen  Mangel an politisch weltanschaulicher Ausstrahlung wider.

Wir müssen uns  fragen, warum wir für die jetzt in Bewegung kommenden Menschen noch nicht  ausreichend als eine glaubwürdige linke Alternative erkennbar sind. Damit  stellt die neue innenpolitische Situation und die neue Radikalisierung in  Teilen der Gesellschaft die Methodik unserer Politik, unsere  Zielgruppenorientierung, unsere politische Kultur und unsere Strukturen  auf den Prüfstand. Dabei ist zu beachten, dass bevor wir das Wie unserer  Politik verändern, das Was geklärt werden muss.

Beginnen wir damit, uns selbst zu fragen: Für welche Vision einer humanen  Gesellschaft steht die heutige KPÖ? Mit welchen politischen und  kulturellen Mitteln wollen wir dafür wirken? Was kann eine – auch  wahlpolitische – Stärkung der KPÖ in diesem Sinn einer Emanzipation  bewirken? Der Parteitag ist eine Chance, einen Meinungsaustausch unter  allen politisch aktiven Kommunistinnen und Kommunisten darüber zu führen,  in welche Richtung sich unsere Partei verändern muß, um der neuen  politischen Lage gerecht zu werden.  

Wir sind zwar nicht in der Lage, bis zum Herbst einen Text vorzulegen, der  den Anspruch eines “Programmentwurfs” genügen könnte. Gelingen kann es  aber, ein veröffentlichungsfähiges politisches Dokument mit  programmatischem Gehalt zu erarbeiten. Ausgehend vom grundsätzlichen Ziel  unserer Partei, den Kapitalismus zu überwinden und die Werte der  Demokratie, des Feminismus und der internationalen Solidarität mit denen  des Sozialismus zu verbinden, sollten wir uns auf drei inhaltliche Punkte  konzentrieren:

1. Neoliberaler Umbau und kapitalistische Globalisierung

1.1.Was ist neu am neuen Kapitalismus?

Sinnvoll ist, von einer  grundsätzlichen Klärung der Begriffe “Neoliberalismus”, “neoliberales  Herrschaftssystem” auszugehen. Wir müssen den heutigen Kapitalismus als  ein globales Ausbeutungs-, Herrschafts- und Unterdrückungssystem nicht nur  verurteilen, sondern in seiner Funktionsweise verstehen lernen. Erst so  macht Sinn, über Alternativen zur globalen Durchsetzung des sogenannten  “freien Welthandels” a la MAI oder WTO zu reden.  

Der neoliberale Umbau hat Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen  (“Standortkonkurrenz”, Handelskriege etc.). Wie verändert sich das  Verhältnis zwischen kapitalistischen Zentren und Peripherie, wie zwischen  den entwickelten kapitalistischen Staaten? Welcher Zusammenhang besteht  mit der um sich greifenden Militarisierung und der Kriegsgefahr? Daraus  ergibt sich auch die Frage nach den derzeitigen Funktionen des Systems  der internationalen Organisationen, insbesondere nach der faktischen  Rolle, die die UN heute spielen und der, welche sie spielen sollten.

1.2. Der neoliberale Umbau des Kapitalismus

betrifft das praktische und  soziale Zusammenleben, umfaßt die ökonomischen, ja alle gesellschaftlichen  Verhältnisse, wie auch das Bewusstsein der Menschen. Im nationalen Rahmen  werden politische Strukturen, Eigentums-, Machtverhältnisse und  Lebensweisen verändert. Für viele Menschen bedeutet das – wenn nicht  Dauerarbeitslosigkeit – eine Prekarisierung des Lebens, wachsenden  existenziellen Druck auf die Frauen, Leistungsdruck in Betrieben und  Dienststellen. Wir müssen uns aber auch der Realität stellen, dass wir es  in den kapitalistischen Zentren nicht durchgängig mit einer Verelendung zu  tun haben. Teile der Gesellschaften, und keineswegs nur die herrschenden,  verbinden mit dem neoliberalen Modell die Hoffnung auf Wohlstand und  sozialem Aufstieg. Haben wir diesen Menschen etwas zu sagen?  

Man muss also die Frage differenzieren. Was beinhaltet das neoliberale  Gesellschaftskonzept der herrschenden Kreise, des Kapitals, der  politischen, medialen und kulturellen Eliten? Was unterscheidet  Sozialdemokratie und Grüne von anderen Trägern dieses Konsens? Und  andererseits: Was veranlasst, was beinhaltet und was bewirkt die Zustimmung  breiter Massen zu den neuen Konzepten kapitalistischer Herrschaft in der  Arbeitswelt und in der Gesellschaft? Auf welche Art hängt die Ersetzung  des sozialstaatlichen Herrschaftssystems (respektive des  sozialpartnerschaftlichen) durch ein neoliberales mit autoritären  Herrschaftsformen, rassistischen und sexistischen Ideologien zusammen?  Das Anwachsen der extremen Rechten in Europa und in Österreich und der  Charakter der FPÖ sind in diesem Zusammenhang zu diskutieren.

Die Entwicklung erfordert für die gesamte Linke, und nicht nur in  Österreich sondern in Europa, die neuen Fragestellungen und  Herausforderungen wahrzunehmen. Ein wichtiger neuer Aspekt ist die  gigantisch anwachsende Konzentration und Zentralisation des  Finanzkapitals. Ein weiterer ist der durch die Deregulierung der  Finanzmärkte und die Einführung des Euro durchgesetzte Monetarismus, der  die Bedingungen nationalstaatlicher Politiken drastisch verändert hat.  Transnationale Unternehmen und die internationale Spekulation entziehen  sich jeglicher Kontrolle und Regulierung.  Die EU stellt das Hauptinstrument bei der Durchsetzung des neoliberalen  Herrschaftssystems in Europa dar. Die Folgen sind heute spürbar in der  Entwertung demokratischer Rechte, der Einschränkung gewerkschaftlichen  Möglichkeiten, im Grunde in einer Nullifizierung der einzelnen Menschen.

2. Internationalismus und EU

Integration ist ein objektiver sozialer Prozess der Welt von heute. Das  ist so wahr, wie dass ihr kapitalistischer und imperialistischer Charakter  kaum Gegenstand der öffentlichen Debatten ist. Die EU schützt die Menschen  nicht vor den Auswirkungen der kapitalistischen Globalisierung, sondern  sie ist ein Teil davon. Wir stellen der herrschenden EU-Konzeption ein  anderes, ein demokratisches, soziales, nachhaltiges und friedliches  Entwicklungsmodell für unseren Kontinent entgegen, das auch die  Selbstbestimmung der Völker respektiert. Wie kann es aussehen?

2.1. Der Bundesstaat EU

In seiner Rede vom 12. Mai proklamierte der deutsche Außenminister,  Joseph Fischer, als sein Ziel, die EU rund um ein aus Deutschland und  Frankreich gebildetes “Gravitationszentrum” zu einem Bundesstaat  umzubauen. Damit ist offen ausgesprochen, dass ein Teil der herrschenden  Eliten aus der EU ein um ökonomische, politische und militärische Führung  in der Welt konkurrierendes imperialistisches Zentrum machen will. Alle  anstehenden europapolitischen Fragen, die Erweiterung, die  Institutionenreform, die Verfassungsdebatte, erhalten dadurch ihr Gepräge.  Nichts spräche auf diesem Hintergrund dafür, unsere grundsätzliche  Opposition gegen die EU und insbesondere die Entscheidung für die  Neutralität als Alternative zu NATO und den sich herauskristallisierenden  Militärstrukturen der EU abzuschwächen.

2.2. Was tun?

In ganz Europa diskutieren Bewegungen und Parteien links von  der Sozialdemokratie über Strategien. Trifft zu, dass die Nationalstaaten  als Instrumente der Regulierung und der Demokratie obsolet werden? Welche  internationalen und supranationalen Möglichkeiten gibt es, der Macht der  Konzerne und der Spekulation entgegenzutreten? Welche Formen von die  nationalstaatlichen Grenzen überschreitender Demokratie und Partizipation  sind denkbar?  

Wenn die Nationalstaaten als mögliche Ansatzpunkte für Gegenmacht ihre  Bedeutung behalten, in welcher Weise müssen sie durch internationale und  supranationale Institutionen ergänzt werden? Wie können demokratische  Rechte auf nationalstaatlicher Ebene gegenüber dem Brüssler Zentralismus  und der Allmacht der transnationalen Konzerne verteidigt und ausgebaut  werden?  

Speziell stellt sich dabei das Problem der EU, wenn sie sich immer  stärker von einem Staatenbund in einen Bundesstaat verwandelt. Wir werden  an der Austrittsoption festhalten, aber diese Entwicklung vorderhand nicht  stoppen können. Kann es einen Punkt geben, an dem sie unumkehrbar geworden  ist? Überdies stellt sich aber die Frage schon heute, welche Rolle  Reformforderungen an die EU im Rahmen einer sozialistischen  Alternativstrategie spielen können.  

Unter diesem Aspekt nehmen wir zur EU-Erweiterung Stellung. Durch sie soll  die Operationsbasis der transnationalen Konzerne Westeuropas vergrößert  werden. Das wird den sozialen Druck in der EU erhöhen und zu einer  weiterer Zerstörung gewachsener sozialer, politischer und wirtschaftlicher  Strukturen in Osteuropa führen.  

Wir akzeptieren aber auch nicht die Sicht, daß Europa deckungsgleich mit  der heutigen EU ist. Unser Ziel kann es nicht sein, bestehende Grenzen  aufrechtzuerhalten bzw. zu legitimieren, sondern wir wollen Grenzen öffnen  und abbauen. Wie lassen sich offene Außengrenzen der EU mit der  notwendigen Regulierung der Arbeitsmärkte verbinden, wie sich das  Wohlstandsgefälle in Europa verringern.  

Die heftige Reaktion der Zivilgesellschaften auf die  Regierungsbeteiligung der FPÖ zeigt: Integration findet auch auf der Ebene  der Völker und der politischen Bewegungen statt. Damit ergibt sich ein  neuer Ansatz für eine neue internationalistische Linke. Wir haben in den  letzten Jahren unsere Position insbesondere in der europäischen Linken  aber auch darüber hinaus ausbauen können. Wie können wir weitere Beiträge  zu einer internationalen Aktionseinheit der progressiven Kräfte leisten?  Bis zu welchem Grad können und sollen uns Diskussionen und Orientierungen  der Linken auf internationaler Ebene zur Weiterentwicklung eigener  Standpunkte veranlassen?

3. Zur gesellschaftspolitischen Rolle der KPÖ

Österreich befindet sich im größten politischen Umbruch seit 1945 –  Ausgang ungewiss. Für die KPÖ bedeutet das nicht nur die Notwendigkeit  einer Neuorientierung, sondern vor allem neue Chancen. Wesentliches  Merkmal der neuen Situation ist eine bisher nicht gekannte Politisierung  und das Entstehen einer anhaltenden außerparlamentarischen Opposition  gegen die neue Regierung. Ohne andere Zugänge und Erfahrungen unserer  Politik gering zu schätzen, ergeben sich daraus wichtige Anhaltspunkte für  die Funktionen der KPÖ.

3.1. Die sozialpolitische Funktion

Grundlage der KPÖ-Politik ist die Formulierung und Vertretung sozialer  Interessen der im Kapitalismus benachteiligten Menschen. Die KPÖ ist eine  Klassenpartei der vom Verkauf ihrer Arbeit abhängigen Männer und Frauen.  Die heutige Arbeiterklasse entspricht aber immer weniger dem  traditionellen Bild. Sie ist multiethnisch, ist mehrheitlich weiblich,  immer größere Gruppen fallen aus den traditionellen sozialen  Sicherungssystemen heraus.  

Das erfordert neue Vorstellungen von “Arbeiterklassen-Politik“ und neue  Antworten in der Sozialpolitik. Der neue SPÖ-Vorsitzende erklärte in einem  Interview die derzeitige soziale Entwicklung für unaufhaltbar. Die Linke  innerhalb wie außerhalb der Gewerkschaften darf sich aber gerade heute  nicht vom Kampf um eine menschengerechte Arbeitswelt abdrängen lassen. Das  erspart auch nicht die Auseinandersetzung um den Stellenwert der Arbeit in  der heutigen und zukünftigen Gesellschaft. Ist Arbeit gleichbedeutend mit  Erwerbsarbeit? Gerade hier wäre zu klären, welche Forderungen und  Politikformen in der Lage sind, das Menschenrecht auf soziale Sicherheit  mit den wachsenden Bedürfnissen nach einem selbstbestimmten Leben von  Männern und Frauen zu verbinden. Von besonderer Bedeutung ist das bei der  Entwicklung einer emanzipatorischen Arbeitszeitpolitik, die sowohl  Beschäftigungszielen wie einer neuen Arbeits- und Lebensqualität Rechnung  trägt.  

Neu durchzudenken ist die Frage der Beschäftigungspolitik. Kann man sich  in der Beschäftigungspolitik auf rein quantitative Ziele beschränken? Soll  sich die Linke vom Recht auf Erwerbsarbeit verabschieden? Falls nicht,  reicht der traditionelle Begriff von “Vollbeschäftigung” aus, um Politik  zu machen? Können wir traditionellen Begriffen neue Dimensionen verleihen?  

Die Verteidigung des Sozialstaats ist angesichts des neoliberalen Angriffs  notwendig. Inwieweit entspricht aber dieser Sozialstaat den vom neuen  Kapitalismus erzeugten sozialen Risken und den Wünschen der Menschen?  Ähnliche Fragen stellen sich in der Verteilungspolitik, die ins Zentrum  der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen rückt. Wie etwa lassen  sich in einem konkreten zeitgemäßen Begriff der Umverteilung die Aspekte  Arbeit, Zeit, Geld und Macht vereinen? Wie lassen sich  geschlechtsspezifische und generationsmäßige Dimensionen mit den  klassenmäßigen Aspekten der Verteilung verbinden?  

Die von der schwarz-blauen Koalition (und vor ihr von der rot-schwarzen)  beschlossenen Privatisierungen stoßen als solche kaum auf breiten  Widerstand. Selbst die davon Betroffenen kümmern sich vornehmlich um die  erhoffte Sicherheit der Arbeitsplätze und allenfalls um die  Arbeitsbedingungen aber nicht um die Eigentumsverhältnisse. Darin drücken  sich die von der Sozialdemokratie betriebene Entpolitisierung und  Entideologisierung der Arbeiterbewegung ebenso wie negative Erfahrungen  mit der alten Verstaatlichten und der Gemeinwirtschaft aus. Bei der  Entwicklung eigentumspolitischer Alternativen müssen wir auch von diesen  Erfahrungen ausgehen.

3.2. Die weltanschauliche Funktion

Neoliberalismus als Lebensweise läuft auf sozialen Darwinismus, Sexismus  und auf einen Rassismus der “Schönen, Tüchtigen und Anständigen” hinaus.  Das betrifft die allgemeinen Wertvorstellungen wie das tägliche Leben.  Jede Opposition dagegen muss sich auch auf das Gebiet der Weltanschauung  und Kultur erstrecken. Unser Profil zeichnet sich aber trotz Fortschritten  nicht durch zuviel sondern durch zuwenig weltanschaulich- kulturelle  Substanz aus.  

Das wichtigste Thema der Politik ist die Zukunft. In welcher Form kann  eine Alternative der Emanzipation entsprechend dem heutigen Stand von  Wissenschaft und Technik und den sich daraus ableitenden Lebensansprüchen  entwickelt werden. Wie lässt sich eine sozialistische Vision zeitgemäß  beschreiben? Wie sich die Dialektik zwischen Demokratie und Sozialismus  nicht nur allgemein behaupten, sondern beispielhaft entwickeln und  formulieren? Auch unsere Erfahrungen zeigen, dass die  weltanschaulich-kulturelle Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus, die  eine um die Humanität und die Vernunft ist, neue Bündnisse notwendig macht  und auch ermöglicht. Deshalb sind Antiintellektualismus bzw. Kultur- und  Theoriefeindlichkeit gerade heute so bedauerlich.

Der ideelle Kampf wird aber auch anhand der Geschichtsaufarbeitung geführt.  Seit mehr als einem Jahrzehnt wird über eine grundsätzliche Neubewertung  der österreichischen Zeitgeschichte diskutiert. Angesichts der  linksliberalen Hegemonie im antinazistischen Diskurs sollten wir niemandem  die Frage nach der mörderischen Wechselwirkung der kapitalistischen  Herrschaft mit den geistigen und massenpsychologischen Voraussetzungen der  Nazi-Diktatur ersparen.  

Doch ist das nicht der einzige Aspekt. Offensichtlich zielt die  Auseinandersetzung mit der Opfer/Täter-Problematik in Zusammenhang mit dem  Dritten Reich auf einen zentralen Punkt des nationalen  Selbstverständnisses der ÖsterreicherInnen, auf die Legitimation bzw.  Delegitimation eines österreichischen Nationalbewusstseins.  Auf die Vergangenheit bezogen geht es um die inhaltliche Berechtigung des  Widerstandskampfes, namentlich des kommunistischen, der für die  Wiederrichtung eines freien und demokratischen Österreich geführt wurde,  auf die Zukunft bezogen auch um die Frage, mit welchem Selbstverständnis  die ÖsterreicherInnen an den Integrationsprozessen in Europa teilnehmen.

Auf widersprüchliche Weise bleibt auch die Auseinandersetzung mit der  Geschichte unserer eigenen Bewegung ein Thema. Die KPÖ hat sich in den  letzten Jahren mit Fehlentwicklungen der eigenen Bewegung  auseinandergesetzt, mit den stalinistisch autoritären Vorstellungen vom  Sozialismus gebrochenen. Der Antikommunismus, der in den letzten  Jahrzehnten zur nahezu vollständigen Ausgrenzung der kommunistischen  Standpunkte aus den politischen Debatten geführt, hat, differenziert aber  nicht zwischen Positivem und Negativem in der Geschichte des Kommunismus  und der KPÖ. Seine strikte Ausgrenzung zielt darauf, einen  vorurteilsfreien Dialog über gesellschaftliche Alternativen zu  unterbinden. Wir ziehen daraus nicht die Schlussfolgerung, die Partei  umzubenennen, sondern uns mit der Frage auseinander setzen, wie wir uns  mit dem Antikommunismus sowohl mit seinen Argumenten als auch mit seiner  gesellschaftspolitischen Funktion besser konfrontieren können.

3.3. Die politische Funktion

In der mehrfach aufgeworfenen Frage, ob sich die KPÖ heute an allgemein  politischen Wahlen beteiligen soll, stecken mehrerer Probleme, darunter  ein prinzipielles: Lässt sich in der gegebenen politischen Situation  überhaupt eine eigenständige politische Funktion der KPÖ, oder allgemeiner  einer Formation links von SP und Grünen ausmachen? Man muss die Fragen  richtig stellen: Nicht ob die KPÖ Interessenspolitik im kommunalen und  gewerkschaftlichen Zusammenhang betreiben soll, ist das Problem, sondern,  ob sie sich darauf beschränken soll. Es ist auch ist nicht strittig, ob  die KPÖ grundsätzliche Kapitalismus-Kritik betreiben soll, “gegen den  Kapitalismus“ ist, sondern, ob sie sich darauf beschränken kann.  

Wenn wir uns als eine politische Kraft verstehen, lautet die Frage: Welche  Vorschläge zum wirksamen politischen Eingreifen können wir der wachsenden  Zahl von mit den bestehenden Zuständen unzufriedenen Menschen unterbreiten.  Das auf Sicht wesentlichste Instrument, um politische Prozesse zu  beeinflussen, ist die Beteiligung an autonomen, außerparlamentarischen  Bewegungen. Wird sich die Bewegung gegen Schwarzblau zu einer radikalen  Sozial- und Menschenrechtsbewegung entwickeln, entsteht auf diese Weise  ein neues politisches Subjekt ?  

Die KommunistInnen beteiligen sich an außerparlamentarischen Bewegungen,  versuchen aber nicht, sie parteipolitisch zu vereinnahmen. Es steht aber  die Frage: Wer kann solche Bewegungen in den Institutionen vertreten?  Bisherige Politikansätze, namentlich der SPÖ und der Grünen stoßen zwar  zunehmend auf Ablehnung. Trotzdem glauben wenige an politische  Alternativen. Was machen wir anders als die etablierten politischen  Kräfte, wenn wir in Gremien und Institutionen vertreten sind?  

Immer ist Politik auch auf den Gewinn von Macht gerichtet und damit an die  Fähigkeit politisch gebunden, strategisch zu handeln. Das ist der Sinn von  Organisierung. Wie lassen sich aber Emanzipation, Kampf um Machtgewinn und  Organisation miteinander in Einklang bringen? Welche neuen Erfahrungen aus  den Bewegungen und insbesondere der Frauenbewegung sind dabei zu  berücksichtigen?  

Wir müssen aber auch über politische Strategie im engeren Sinn  diskutieren. In der Auseinandersetzung mit der schwarzblauen Regierung  müssen wir uns offensichtlich auf einen längeren Kampf einstellen. Welche  Schritte zur Veränderung sowohl des sozialen wie des politischen  Kräfteverhältnisses lassen sich jetzt bestimmen? Welche Forderungen sind  dazu geeignet?  

Wir treten für die möglichst rasche Ablösung der schwarz-blauen Regierung  ein. Wir haben uns aber bislang nicht dazu geäußert, wie wir es mit  alternativen Regierungskonstellationen, wie mit einer “rot-grünen  Regierung” halten.  

Was würde sich durch “Rot-Grün” inhaltlich ändern? Wie würden sich die  Voraussetzungen für außerparlamentarischen Druck, wie die politische  Atmosphäre verändern?  

Notwendig ist die Einschätzung der SPÖ in der Opposition und ihrer neuen  Führung sowie der Grünen. Können/sollen wir inhaltliche Forderungen an die  parlamentarische Opposition stellen? In welcher Weise werden, soweit  absehbar, Gewerkschaften, ÖGB und AK sich neu orientieren? Wie können wir  effektiv an den diesbezüglichen Debatten teilnehmen? Einzuschätzen sind  auch die Kräfte links von SPÖ und Grünen, insbesondere, was die  Möglichkeit betrifft, in der neuen politischen Situation eine linke  wahlpolitische Alternative ins Spiel zu bringen, die breiter als die KPÖ  ist. Welche sozialen, politischen und kulturellen TrägerInnen könnten für  eine solche Orientierung gewonnen werden. Wie ist im Rahmen eines solchen  politischen Kampfes die Funktion der KPÖ zu bestimmen?

  • Beschlossen vom Bundesvorstand am 26. Mai 2000

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