Feministisch. Demokratisch. Kommunistisch.
Entwurf eines politisch-programmatischen Dokuments für den 31.
Parteitag
Der Machtantritt einer blau-schwarzen Koalition
markiert einen Einschnitt in der österreichischen Nachkriegspolitik.
Was wir erleben, ist aber weit mehr als nur die Ersetzung einer
Regierungsmannschaft durch eine andere. Der österreichische Kapitalismus
wird umfassend umgestaltet – und zwar nicht erst seit Februar 2000.
Parlamentsparteien, ExpertInnen und Medien sind sich seit geraumer
Zeit darin einig, daß es zu den Grundzügen dieses Umbaus, das heißt
zur neoliberalen Gesellschaftspolitik, keine Alternative gibt. Dem
widersprechen wir.
Wir meinen, daß ein neuerlicher Regierungswechsel,
weg von Schwarzblau, zu wenig wäre, wenn er nicht mit einem grundlegenden
Wechsel der Politik verbunden ist. Von den etablierten parlamentarischen
Oppositionsparteien, der SPÖ und den Grünen, wird aber ein solcher
Politikwechsel nicht ausgehen. Er wird von ihren Führungen einschließlich
der des ÖGB ja nicht einmal angestrebt.
Ein alternativer Ansatz in der österreichischen
Politik wird sich daher in erster Linie auf außerparlamentarischen
Widerstand gegen die schwarz-blaue Regierung, auf Bewegungen gegen
Rassismus, Sexismus und Sozialabbau stützen. Die KPÖ will dazu beitragen,
eine politische Alternative zur schwarzblauen Regierung und zum
neoliberalen Umbau zu formulieren.
1. Neoliberaler, globaler Kapitalismus
1.1. Wirtschaftlicher und sozialer Umbau
Wir erleben den tiefgreifendsten Umbau der Gesellschaft
seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein neuer Typ des Kapitalismus
wird durchgesetzt. Das System von sozialstaatlichen Kompromissen,
die das Kapital bei seiner Herrschaftsausübung eingegangen ist,
hat weitgehend ausgedient. Die Gesellschaften werden global der
Erzielung maximaler Börsengewinne und Erträge aus Finanzspekulationen
untergeordnet. Regierungen, Gewerkschaften, Traditionen und Gewohnheiten,
soferne sie diesem neuen Kapitalismus entgegenstehen, werden, falls
nötig, auch brachial bei Seite geschoben. Diese Realität muß man
im Auge haben, wenn man von Neoliberalismus und Globalisierung spricht.
Auch wenn sich die Durchsetzung des Neoliberalismus
auf eine Umgestaltung der Beziehungen zwischen Lohnarbeit und Kapital
zu ungunsten der Arbeit bezieht, ist dies doch nicht seine einzige
Konsequenz. Verfestigt werden auch die geschlechtshierarchischen
Beziehungen zwischen Männern und Frauen, Jung und Alt werden gegeneinander
ausgespielt; das im Verhältnis zwischen Zentren und Peripherien
der kapitalistischen Welt angelegte Unrecht wächst.
Der neoliberale Umbau verändert auch die Sozialstruktur
der heutigen Gesellschaft: Während ein Teil der abhängig Beschäftigten
seine Arbeitskraft noch zu einem guten Preis verkaufen kann und
über ein beträchtliches Konsumniveau verfügt, verdient ein anderer
Teil, Frauen, Ältere, weniger Qualifizierte und Qualifizierte, deren
Kenntnisse nicht mehr gebraucht werden, immer weniger und deren
soziale Unsicherheit wächst. Mehrkinder-Familien und Arbeitslose
geraten in die Armutsfalle.
Diese Differenzierungen haben auch Konsequenzen
für die Politik: Die Zahl und das politische Gewicht der bisher
als Kernschichten der Arbeiterklasse bezeichneten Gruppen, also
der inländischen , mehrheitlich männlichen Erwerbsarbeiter in der
industriellen Güterproduktion nehmen ab. Die Mehrheit der heute
abhängig Beschäftigten, die eine neue, nach Kultur, Lebensweise,
Gewohnheiten und Wertvorstellungen sehr differenzierte Gruppe geistig
und körperlich Arbeitender bilden, arbeitet im Dienstleistungssektor.
Frauen, Immigrantinnen, in immer größerer Zahl Menschen in ungeschützten
Arbeitsverhältnissen, bilden heute, unabhängig von Bildungsniveau
und Qualifikation – Unqualifizierte wie AkademikerInnen – das Gros
der Menschen, die sich zwar selbst nicht als Arbeiterklasse verstehen,
deren Leben aber doch durch deren klassische Merkmale geprägt wird:
Entfremdung, soziale Unsicherheit, Ausschluß von der Bestimmung
über Ergebnisse und Formen der geleisteten Arbeit. Dies gilt auch
für Menschen, die sich als Gewinner der Modernisierung sehen, umso
mehr aber für diejenigen, die mit Arbeitslosigkeit, Verschuldung
oder Verarmung umgehen müssen.
1.2. Rassismus, Sexismus und Rechtsextremismus in der Mitte der
Gesellschaft
Der Übergang zu sozialreaktionären Regimes ist
auch ein kulturelles Phänomen, er ist eine neue Art zu denken und
zu fühlen. Er knüpft an der Diskreditierung der bisherigen politischen
Verhältnisse an. Der Bürokratismus, die Privilegierung der politischen
Klasse, autoritäre Zustände in den Institutionen, wurden von vielen
Menschen solange noch hingenommen, wie es gesellschaftspolitischer
Konsens war, daß der Staat ein allgemein akzeptiertes Maß an sozialer
Sicherheit aufrecht zu erhalten habe. Jetzt, da er diese Funktionen
immer weniger ausfüllt und auch die sozialdemokratischen Partei-
und Gewerkschaftsführungen einen durchgehenden Abbau sozialer Rechte
zur Notwendigkeit erklären, bricht jahrelang angestaute Frustration
auf. Mit seinen bisherigen politischen Trägern gerät das gesamte
System, das sich fälschlich als einzig denkbare Form von Demokratie
deklariert hat, ins Gerede.
Der Ausverkauf öffentlichen Eigentums und damit
der wirtschaftlichen Substanz Österreichs an transnationale Konzerne,
was zu einer noch größeren Übermacht bei der Durchsetzung ausschließlich
an Maximalprofit orientierten Entscheidungen führt, zieht Sozialstaat
und Demokratie den Boden unter den Füßen weg. Die heutige Politik
wird als kommunikatives Spiel rivalisierender politischer und medialer
Klüngel um Geld und Macht erkennbar.
Im neoliberalen Kapitalismus wird mit dem sozialen
Leben auch die Demokratie prekär. Der bisherige soziale Konsens
wird durch sozialen Darwinismus, einen Rassismus der Schönen, Tüchtigen
und Anständigen und durch die Aufwertung des traditionellen Rassismus
ersetzt. Die Konkurrenz der Konzerne, die weltweit agieren, wird
nicht nur auf alle Bereiche der Wirtschaft übertragen, sondern auch
als Leitbild für jede(n) Einzelne(n) durchgesetzt: Jede(r) sei der
Unternehmer seiner Arbeitskraft. Öffentliche Aufgaben werden zur
Angelegenheit privater Initiative erklärt. Aus dem öffentlichen
Bildungssystem entsteht ein Bildungsmarkt , aus dem öffentlichen
Gesundheitssystem ein Gesundheitsmarkt , aus der öffentlichen Altersversorgung
ein privater Vorsorgemarkt .
Rechtsextremismus, Sexismus und Rassismus entstehen
nicht an den Rändern der Gesellschaft, sondern in ihrer Mitte; sie
dienen der Durchsetzung neoliberal kapitalistischer Strukturen.
Eine Parallele mit dem historischen Faschismus,
der zur Durchsetzung der Kapitalinteressen eine terroristische Diktatur
errichtete und damit auch das mörderische Potential des in der europäischen
Kultur enthaltenen rassischen Antisemitismus freisetzte, läßt sich
allerdings nicht umstandslos herstellen. Vor allem, weil der neoliberale
Umbau und die Rechtsentwicklung der Gesellschaft sich heute parlamentarischer
Formen bedienen und sich auf Zustimmung fast der gesamten politischen,
wirtschaftlichen und medialen Eliten stützen können.
Kein Zufall ist allerdings, daß die FPÖ, die
die dynamischste Rolle bei der Durchsetzung des Neoliberalismus
spielt, aus einer Sammelbewegung der ehemaligen Nationalsozialisten
hervorgegangen ist. Die modernste Partei der extremen Rechten ist
gleichzeitig und nicht ohne Grund die der alten Nazis. In Struktur
und politischer Methodik unterscheiden sich alter und neuer Rechtsextremismus
so sehr und so wenig voneinander wie die Strategien und corporate
identities der Konzerne von damals und heute, deren Interessen sie
gleichermaßen bedienen.
1.3. Materielle Grundlagen des Neoliberalismus
Die technischen und technologischen Entwicklungen
und die drastisch verschärfte Ausbeutung haben das Kapital in einer
bisher nicht gekannten Art konzentriert, zentralisiert und zu neuen
Formen der Monopolisierung geführt. Die unsoziale Steuer- und Budgetpolitik
, die Privatisierungen und Deregulierungen sowie Aufhebung aller
Kapitalverkehrskontrollen im nationalen wie im internationalen Maßstab
in den letzten Jahrzehnten haben das Finanzkapital gegenüber allen
anderen Formen des Kapitals anwachsen lassen.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion und des mit
ihr verbundenen Staatensystems in Osteuropa, die gegenüber dem kapitalistischen
Teil der Welt einen Machtfaktor darstellten, haben zudem die Kräfteverhältnisse
in der Welt verschoben. Der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts hat
daher in vielfacher Weise ein anderes Gesicht erhalten.
1.4. Die Verantwortung der Sozialdemokratie
Daß die sozialdemokratischen Führungen der 80er
und 90er Jahre das von ihnen übernommene Erbe der Kreisky-Ära verwirtschaftet
haben, ist evident. Sie handelten zudem nicht ohne Eigennutz. Namen
wie Androsch, Vranitzky oder Streicher stehen für die Verschmelzung
sozialdemokratischer Spitzenpolitik und sich neu bildendem österreichischen
Großkapital.
Auch wenn es heute gilt, den Sozialstaat mit
seinem Solidarprinzip und seiner Umverteilungsfunktion zu verteidigen,
so muß linke Politik darüber hinausgehen. Notwendig ist die grundlegende
Reform des Sozialsystems, die unterschiedliche Erwerbsbiografien
berücksichtigt. Ein Versuch, die in der Hinterdreinsicht verklärten
Zustände der 70er-Jahre wieder herzustellen, wäre zum Scheitern
verurteilt. Vor allem, weil dieser Zustand mit seiner sozialpartnerschaftlichen
Illusion, soziale Errungenschaften seien im Kapitalismus ohne Kampf
zu erreichen bzw. zu erhalten, den jetzigen herbeigeführt hat.
1.5. Neuaufteilung von Reichtum, Macht und Zugang zum Wissen
Eine Alternative zum neoliberalen Kapitalismusmodell
aus sozialistischer, demokratischer und feministischer Sicht zu
formulieren, verlangt vor allem, Verteilungsfragen zu formulieren
und radikal zu stellen: die nach der Verteilung des Reichtums, die
nach der Verteilung der Macht und die nach dem Zugang zum Wissen.
Die neue Verteilung des Reichtums ist ihrem Inhalt
und ihrer Voraussetzung nach von einer neuen Qualität der Selbstbestimmung
der Menschen, einer neuen Qualität der Demokratie nicht zu trennen.
Demokratie, Gleichberechtigung, Durchsetzung der Menschenrechte
und des Rechts auf Individualität und Differenz werden im neoliberalen
Kapitalismus zu einem Hauptauseinandersetzungspunkt. Sie kollidieren
mit der Logik dieses Systems, die eine der Entdemokratisierung ist.
Die Erfahrungen der Zwischenkriegszeit beweisen
zudem, daß nur eine Linke, die sich an die Spitze des Kampfes um
demokratische Rechte stellt, die sich mit dem Kampf um Menschenrechte
und die Gleichberechtigung der Menschen identifiziert, einen erfolgversprechenden
Widerstand gegen die Rechtsentwicklung und das Anwachsen der faschistischen
Gefahr leisten kann. Deshalb ergab sich die Notwendigkeit zum Bruch
mit autoritären Vorstellungen und Traditionen des Sozialismus aus
allgemeinen theoretischen Überlegungen, historischen Erfahrungen
und aus Notwendigkeiten des heutigen politischen Kampfes.
2. Die kapitalistische Globalisierung
Globalisierung und Internationalisierung sind
objektive Prozesse in der Welt. Durch ihre kapitalistische Form,
die alle sozialen Gebilde einschließlich der Nationalstaaten einer
weltweiten kapitalistischen Konkurrenz unterwirft, über deren Ergebnisse
die Finanzmärkte entscheiden, wird ihr zivilisatorisches Potential
in eine Bedrohung für die übergroße Mehrheit der Menschen verwandelt.
Alle tradtionellen politischen Parteien, nicht nur die Konservativen
und Liberalen, sondern auch die sozialdemokratischen und Grünen
unterwerfen sich den Zwängen der kapitalistischen Form der Globalisierung.
Auch die schwarz-blaue Regierung in Österreich
steht dazu nicht im Widerspruch. Im Gegenteil. Sie beweist, daß
der Rechtspopulismus, das häßliche Gesicht der kapitalistischen
Globalisierung, die Zuspitzung zum Rassismus darstellt.
Zur Globalität der kapitalistischen Wirtschaft,
die eine der ökonomischen Ausbeutung und der politisch wie kulturellen
Dominanz ist, gehört auch die Marginalisierung, der heute vier Fünftel
der Menschheit unterworfen sind, die Deformierung, Zerstörung oder
Behinderung regionaler Wirtschafts- und sozialer Systeme bis hin
zum Souveränitäts- und Kompetenzverlust traditioneller nationalstaatlicher
Strukturen. Supranationale Strukturen wie die EU, denen nationalstaatliche
Souveränitätsrechte übertragen werden, um sich in den weltwirtschaftlichen
und weltpolitischen Zusammenhängen besser behaupten zu können, dienen
vor allem den Interessen der Mächtigen. Den traditionellen Eliten
werden neue – transnationale – hinzugefügt. Das Resultat ist nicht
mehr Selbstbestimmung, sondern Entdemokratisierung und Dominanz.
Kapitalistische Globalisierung in der heutigen
Form ist also nicht eine ökonomische Entwicklung, die zur Ohnmacht
zwingt, sondern beruht auf dem neuartigen Zusammenwirken der ökonomischen
Interessen der mächtigsten Kapitalgruppen und der imperialistischen
Staaten mit der herrschenden Politik.
Charakteristischer Weise wird in Europa und in
Nordamerika der Widerstand, der seinem Inhalt nach nicht nur ein
demokratischer Kampf, sondern auch ein Klassenkampf ist, zur Zeit
in den seltensten Fällen von Institutionen und Organisationen der
traditionellen Arbeiterbewegung, von Gewerkschaften und politischen
Parteien angeführt. An der Spitze von politischen Bewegungen gegen
den Neoliberalismus und die kapitalistische Globalisierung stehen
meist neue soziale und politische Bewegungen, die sich gegen die
Ausgrenzung von Arbeitslosen, gegen Sexismus, gegen Ausbeutung durch
ungerechte Welthandelsbeziehungen, für die Menschenrechte von ImmigrantInnen,
für ökologische Vernunft und gegen Rechtsextremismus und Rassismus
wenden.
Diese Bewegungen in ihrer Radikalität, mit ihren
neuen Formen der Aktion und Kommunikation sind Ansätze einer neuen
Linken und Arbeiterbewegung. Zwischen ihnen und der traditionellen
Linken besteht heute noch eine große Distanz. Diese Trennung ist
ein zentraler Aspekt der Krise der Linken.
Ziel der erneuerten KPÖ ist es, in Anerkennung
unterschiedlicher politischer Kulturen, einen Dialog und neue Allianzen
in den sozialen Bewegungen und zwischen ihnen und der systemüberwindenden
Linken zu initiieren. So kann eine politische Bewegung entstehen,
die dem neoliberalen Kapitalismus und seiner für Gesellschaft und
Kultur zerstörerischen Tendenz wirksamen Widerstand entgegensetzt.
3. Unterschiedliche Entwicklungen auf der Linken
Auch im traditionellen Sinn kann man von einer
Linken im Sinne einer einheitlichen politischen Formation nicht
in Österreich, nicht in Europa und auch nicht weltweit sprechen.
3.1. Die “Neue Mitte” der Sozialdemokratie
Mit dem Anspruch, eine neue oder linke Mitte
zu bilden, treten die großen westeuropäischen Sozialdemokratischen
Parteien auf. Mit dieser Wortbildung wird vor allem ausgedrückt,
daß sie die zentralen Dogmen des neoliberale Kapitalismusmodells
akzeptiert haben, aber an einer gewissen linken Rhetorik festhalten
wollen. In der sozialdemokratischen Begriffswelt der Neuen Mitte
dominieren die bekannten Formeln: Modernisierung, Neues Unternehmertum
etc. Selbst, wenn die neuen Sozialdemokraten die Zwänge, die die
außer Kontrolle geratenen Finanzmärkte erzeugen, zugestehen, dann
zu keinem anderen Zweck, als eine Politik der Anpassung an sie zu
rechtfertigen. Dort, wo sie soziale Mindeststandards fordern, dürfen
diese keinesfalls die durch den Neoliberalismus gezogenen Grenzen
überschreiten. Logische Folge: Auch die sozialdemokratische Mehrheit
unter den 15 Regierungen in der EU hat keine Abkehr der Union von
den neoliberalen Dogmen oder eine andere Entwicklungsrichtung der
EU zu einer Sozialunion oder einer Beschäftigungsunion bewirkt.
Nicht zuletzt unter diesen Voraussetzungen ist
nicht zu erwarten, daß die neue SPÖ-Führung – selbst auch nur auf
parlamentarischer Ebene – und die sozialdemokratisch geführten Gewerkschaften
oppositionsfähig werden. In ihrem jetzigen Machtverlust zahlen sie
den Preis, nicht nur für die politische Arroganz der unmittelbaren
Vergangenheit, sondern auch für die jahrzehntelange Verwandlung
in eine den Kapitalismus bejahende und mit-organisierende Kraft.
3.2. Die systemüberwindende Linke
In der Durchsetzung des neoliberalen Kapitalismus
spiegelt sich auch die Schwäche desjenigen Teils der Linken wider,
der die Überwindung des Kapitalismus grundsätzlich anstrebt. Nach
der Befreiung vom Faschismus verfügte dieser in fast allen kapitalistischen
Ländern Westeuropas über einen beträchtlichen politischen Einfluß.
Der Kalte Krieg und die mit ihm verbundene unkritische Loyalität,
die die meisten kommunistischen Parteien gegenüber Stalinismus und
Poststalinismus eingenommen haben, hat dazu beigetragen, dieses
politische Kapital zusammenschmelzen zu lassen. Eine Konsequenz
dessen bestand in einem selbst heute noch nachwirkenden theoretischen
Dogmatismus und einem Parteimodell, auch in der KPÖ, die diese von
vielen gesellschaftskritischen, innovativen und revolutionären
Tendenzen der Gesellschaft, insbesondere von
der Frauen-, der Jugend- und der Ökologiebewegung und der künstlerischen
Avantgarde getrennt haben.
Die KPÖ kämpft dafür, daß sich im Kampf gegen
den neoliberalen Umbau und die jetzige schwarzblaue Regierung eine
neue pluralistische Linke als selbständiger politischer Faktor herausbildet,
die das kapitalistische System in Frage stellt. Eine solche linke
Allianz aus verschiedenen linken, feministischen und sozialistischen
Tendenzen sowie links orientierten gewerkschaftlichen Kräften kann
auch den Kampf um parlamentarische Vertretungen auf allen Ebenen
aufnehmen. Dazu wollen die KommunistInnen durch die Erneuerung ihrer
Partei beitragen. Wir können dabei an Ergebnissen der Diskussionen
der letzten zehn Jahre anknüpfen. Um den Inhalt dieses neuen Nachdenkens
und auch um den qualitativen Unterschied gegenüber autoritären Vorstellungen
zu unterstreichen, sprechen wir von einem neuen, demokratischen
und feministischen Kommunismus.
4. Was heißt feministischer und demokratischer Kommunismus?
Die Wurzeln der kommunistischen Bewegung reichen
weit zurück. Der Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung hat die
Vorstellung einer Welt ohne Unterdrückung und Ausbeutung hervorgebracht.
Seit Marx weiß die kommunistische Bewegung, daß die kapitalistische
Gesellschaft auch die objektive Möglichkeit für die Verwirklichung
einer solchen Gesellschaft hervorbringt. Kommunismus ist seither
nicht mehr nur Utopie, sondern reales Ziel von Generationen und
eine gesellschaftliche, politische und kulturelle Bewegung von vielen
Millionen Menschen auf der ganzen Welt.
Der heutige Entwicklungsstand der menschlichen
und technischen Produktivkräfte sowie ihre weitgehende Vergesellschaftung
selbst unter kapitalistischen Bedingungen verweisen auf die Möglichkeit
einer Gesellschaft, in der nach Abschaffung kapitalistischen Privateigentums
an den Produktionsmitteln und mit der Überwindung patriarchaler
Strukturen alle Klassenunterschiede und alle Diskriminierungen nach
Geschlecht und Rasse abgeschafft sind; in der schließlich die ‘freie
Entfaltung des Einzelnen die Bedingungen der freien Entfaltung aller’
und umgekehrt ist. Dieses ist das 1994 in einer Grundsatzerklärung
formulierte programmatische Ziel der KPÖ, das weiterhin seine Gültigkeit
behält.
Realistischerweise kann man sich den Übergang
zu einem solchen aus der heutigen Perspektive noch sehr fernen Gesellschaftszustand,
nicht anders als ein eine ganze historische Epoche umfassendes ökonomisches,
politisches und kulturelles Ringen alter und neuer Tendenzen vorstellen.
Das Neue kann sich nur auf revolutionäre Weise durchsetzen. Das
verlangt, daß die fortgeschrittensten ökonomischen, technischen
und sozialen Strukturen genützt werden, und sich die Individuen
gegenüber den kapitalistischen Sachzwängen emanzipieren. Das bildet
den Inhalt einer sozialistischen Umgestaltung.
4.1. Stalinismus und Poststalinismus
Die heute bestehende Skepsis, was die Verwirklichung
des Kommunismus betrifft, verweist auf die zweite Bedeutung des
Begriffs: die im Gefolge der russischen Oktoberrevolution entstandene
politische Bewegung. Zu dieser gehören nicht nur ihr Beitrag zum
Sieg über den Faschismus und den menschlichen Fortschritt im allgemeinen,
sondern auch der tragische Abstand ihrer Projekte vom Ideal der
Emanzipation. Im Stalinismus wurde dieses bis zur Unkenntlichkeit
deformiert. So verschmolzen im Bewußtsein vieler Menschen Stalinismus
und Kommunismus zu einer Einheit. Neuer Kommunismus bedeutet in
erster Linie, daß diese Verbindung historisch überwunden ist, daß
sich die KommunistInnen vom Stalinismus und allen autoritären Vorstellungen
des Sozialismus unwiderruflich getrennt haben. Das wurde dadurch
möglich, daß die westlichen KPen und auch die KPÖ nicht in erster
Linie durch den Stalinismus geprägt wurden, sondern durch die Teilnahme
der KommunistInnen am Widerstandskampf, an der Frauen- und Friedensbewegung
und auf vielfache Weise durch ihre Beiträge, die sie für demokratische
und soziale Fortschritte der Menschen geleistet haben. An dieser
Tendenz der Widerständigkeit und den damit verbundenen Elementen
einer demokratischen politischen Kultur knüpfen wir heute an, wenn
wir die KPÖ weiter umgestalten.
Unser heutiges Kommunismus-Verständnis verbindet
wissenschaftliche Sicht auf Gesellschaft und Politik mit den Werten
der sozialen Gerechtigkeit, des Feminismus, mit Demokratie und internationaler
Solidarität.
5. Soziale Gerechtigkeit
Wir kämpfen für das Recht der Menschen auf ein
besseres Leben, auf gleichberechtigten Zugang aller Mitglieder der
Gesellschaft zu Wissen und Kultur, auf das Recht auf Individualität
und Differenz.
5.1. Humanisierung der Arbeit
Die Grundlage des Kampfes für die Überwindung
des Kapitalismus ist der Kampf um eine selbstbestimmte Form der
menschlichen Arbeit, die alle Aspekte – Demokratisierung, Humanisierung,
Neuaufteilung zwischen den Geschlechtern, soziale Sicherheit, ökologische
Nachhaltigkeit, Arbeitszeitgestaltung und kollektive Interessensvertretung
– als grundlegende Menschenrechte einschließt.
Dreh- und Angelpunkt der neoliberalen Gesellschaftspolitik
ist die Arbeitslosigkeit und die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse.
Im Unterschied zu den Verfechtern des shareholder values geht unser
Bild von der Gesellschaft aber davon aus, daß die Wirtschaft dem
Menschen und nicht umgekehrt der Mensch der Wirtschaft zu dienen
hat. Wir verteidigen die in Generationen errungenen sozialen Rechte
und den Sozialstaat mit seinem Solidarprinzip und seiner Umverteilungsfunktion.
Dabei reicht aber eine Politik nicht aus, die den Status quo verteidigt.
Die Linke muß den Kampf um die gesellschaftliche Beherrschung der
neuen Produktivkräfte und den Streit um einen entsprechende Arbeits-
und Lebensweise aufnehmen.
Der Gesellschaft wird die Arbeit nicht ausgehen.
Sie verändert aber ihren Charakter. Gerade im Sinne der menschlichen
Emanzipation ist der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, für Arbeitszeitverkürzung
ohne Lohn- und Gehaltsverluste, und die Umwandlung ungeschützter
Arbeitsverhältnisse in reguläre Arbeitsverhältnisse zentral.
In diesem Sinn kämpfen wir für eine Emanzipation
der Menschen in der Arbeit, die gleichzeitig eine Voraussetzung
für die Verwirklichung der Vision einer Emanzipation der Menschen
von der Arbeit bildet. Wir treten für die gesellschaftliche Anerkennung,
die soziale Absicherung und die gerechte Aufteilung aller Formen
von Arbeit und nicht nur der Erwerbsarbeit ein.
Der Neoliberalismus verspricht durch den von
ihm betriebenen Umbau der Arbeitswelt durch die Flexibilisierung
der Arbeitszeiten, durch Deregulierung und neue Selbständigkeit
einen Freiheitsgewinn für den und die Einzelne. Für uns bedeutet
Freiheitsgewinn in der Arbeitswelt vor allem Arbeitszeitverkürzung
ohne Lohnverluste, inhaltliche Anreicherung und Vielseitigkeit der
Arbeit und eine Erweiterung der Autonomie der Menschen bei der Bestimmung
ihrer Arbeitszeiten. Das setzt Demokratie und Mitspracherecht am
Arbeitsplatz voraus und die Durchsetzung des Rechtes auf lebenslange
Qualifikation.
5.2. Selbstbestimmung und demokratische Kontrolle ermöglichen
Während die VertreterInnen des neoliberalen Kapitalismus
alle nur irgendwie profitabel zu betreibenden Industrien und Dienstleistungen
dem Dogma der Privatisierung unterwerfen, streben wir eine Eigentumsordnung
an, die den Menschen ein Höchstmaß an Selbstbestimmung und demokratischer
Kontrolle ermöglicht. Wir treten bei der Umgestaltung der Gesellschaft
für eine gemischte Wirtschaft unter Einschluß vielfältiger – auch
privater – Eigentumsformen und dezentrale wirtschaftliche Verantwortung
ein. Dazu gehört aber auch ein leistungsfähiger innovativer öffentlicher,
gemeinwirtschaftlicher Sektor. Die geschichtliche Erfahrung zeigt,
dass nur ein demokratisch verwaltetes öffentliches Eigentum ein
Schritt zur Vergesellschaftung ist.
Daraus folgt auch, daß wir den von der schwarz-blauen
Regierung wie schon von den früheren SP-geführten Regierungen betriebenen
Ausverkauf der wirtschaftlichen Substanz Österreichs ablehnen. Dabei
geht es um den gemeinwirtschaftlichen Sektor ebenso wie um jene
Verstaatlichungen, die nach der Befreiung vom Faschismus durchgeführt
worden sind. Es wird sich erweisen, daß dieser Ausverkauf eine substanzielle
Einschränkung der wirtschaftlichen Regulierungsmöglichkeiten und
der demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten darstellt. Der neoliberale
Kapitalismus will die wachsende Umverteilung zugunsten der Profit-
und Kapitaleinkünfte weiter fortsetzen. Die Profite sollen nachhaltig
rascher wachsen alle anderen Einkommen. Das hat in den vergangenen
beiden Jahrzehnten bereits zu einem ständigen Sinken des Anteils
der Arbeitseinkommen am Volkseinkommen und zu einer Polarisierung
der Einkommen und der Vermögen geführt.
Der Staat verstärkt diese Entwicklung, indem
Kapital und große Vermögen der Besteuerung weitgehend entzogen sind
und immer weniger zur sozialen Sicherheit beitragen. Private Investmentfonds
sollen über die Börse die sozialen Risken insbesondere im Alter
anstatt öffentliche Versicherungssysteme übernehmen. Widerstand
gegen den neoliberalen Kapitalismus will diese Entwicklung stoppen
und umkehren. Die Finanzierungsbasis der öffentlichen Sozialversicherungssysteme
muß auf die Wertschöpfung der Unternehmen umgestellt und neue Risken,
wie prekäre Arbeitsverhältnisse bzw. die Lebens- und Arbeitssituation
der Frauen, erfaßt, gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit durschgesetzt
und die Mindeststandards auf existenzsichernde Einkommmenshöhen
abgestellt werden.
6. Feminismus und Kommunismus
Wahr ist, daß der Begriff Feminismus bürgerlichen
Ursprungs ist, er wurde erstmals im Prozeß gegen Olympes de Gouges
1793 gebraucht, die postulierte Daß auch die Menschenrechte ein
Geschlecht haben . Der frühe Sozialist Fourier griff ihn auf, als
Ausdruck der Freiheits- und Gleichheitsbestrebungen der Frauen,
die ihre Interessen vertreten und Rechte einfordern.
6.1. Bürgerlicher und sozialistischer Feminismus
Es ist das Verdienst feministischer Theoretikerinnen,
die soziale Kategorie Geschlecht begründet zu haben, und zwar zu
Zeiten, da ein dogmatisches Marxismus-Verständnis meinte, die Geschlechterverhältnisse
in Kategorien von Haupt- und Nebenwidersprüchen beschreiben zu können.
Feministinnen haben den Blick auf den Sexismus, als Strukturmerkmal
kapitalistischer, wie nicht kapitalistischer Gesellschaften, als
einem System von Vorurteilen, Herabwürdigungen und Benachteiligungen
geschärft. Unterdrückung der Frauen beschränkt sich nicht auf die
Welt der Produktion, sondern findet in allen gesellschaftlichen
Bereichen statt. Aus dieser Sicht entwickelte sich eine fundamentale
Kulturkritik.
Wir verwenden den Begriff Feminismus im Hinblick
auf seinen klassenmäßigen Inhalt, das heißt im Hinblick auf die
Tatsache, daß die Arbeiterklasse in ihrer Mehrheit weiblich ist;
weil Arbeit eben nicht nur in Lohnarbeit besteht, sondern auch die
von Frauen unentgeltlich geleistete Reproduktionsarbeit einschließt;
und weil von sexistischer Benachteiligung Frauen aller gesellschaftlichen
Schichten betroffen sind.
6.2. Kampf um Selbstbestimmung
Zentraler Wert des Feminismus ist das Recht auf
Selbstbestimmung, das sich aus der Analyse der Machtverhältnisse,
der Bedeutung der Sexualität, von der Kritik der herrschenden Werte
und Normen bei der Unterdrückung der Frau ergibt.
Wir kämpfen für die Überwindung der geschlechtshierarchischen
Arbeitsteilung in der Produktion und im Bereich der Reproduktion,
ein neues Konzept der Einheit von Arbeit und Leben, die den Menschen
– Kinder, Frauen, Männer – in den Mittelpunkt rückt, und allen eine
eigenständige Existenzsicherung, das Recht auf Bildung, Qualifikation
und Berufsarbeit gewährt.
Das erfordert die umfassende Demokratisierung
von Produktion und Reproduktion, wobei die Forderung nach Quotierung
eine Voraussetzung für umfassende Änderungen von Strukturen und
politischer Kultur ist. Sie birgt keinen Automatismus aber eine
potentielle Chance.
Wir verwenden den Begriff Feminismus weil der
Kampf gegen den Sexismus Autonomie, kulturelle Gegenwelten, politische
und ideologische Gegenkonzepte und kollektive Identität erfordert.
Dadurch werden Männerprivilegien berührt. Ohne den politischen Kampf
gegen Männerprivilegien, ohne den kollektiven, aber auch individuellen
Kampf jeder einzelnen Frau kann sich die weibliche Subjektivität
nicht entfalten.
Die “neue Frauenbewegung” Ende der 60er Jahre
rührte, indem sie die geschlechtsständische Ordnung zum Thema machte,
an ein Grundproblem der kapitalistischen Gesellschaft. Wie alle
oppositionellen sozialen Bewegungen wirkte sie widersprüchlich:
einerseits ermutigte sie zur Selbstbefreiung, andererseits trug
sie mit ihren Erfolgen auch zur Modernisierung der kapitalistischen
Gesellschaft bei.
Bürgerlicher Feminismus übersieht die Kehrseite
der von ihm geforderten bürgerlichen Freiheiten, ihren individualistischen
Charakter, der soziale Ungleichheit nicht ausschließt, sondern voraussetzt.
Sozialistischer Feminismus solidarisiert sich mit den von sozialer
Benachteiligung am meisten betroffenen Frauen, verbindet die Kritik
am Sexismus mit der Kritik der kapitalistischen Strukturen.
Im Zuge der zunehmenden Ausdifferenzierung von
Lebenslagen und Lebensformen, der sog. Individualisierung der Lebensweise
beider Geschlechter verbreiten sich auch eine postmoderne Skepsis
gegenüber “großen Theorien”. So bleibt die Analyse des “weiblichen
Lebenszusammenhanges” der wichtigste Zugang für die Mobilisierung
der Frauen und zum Verständnis der Verschränkung kapitalistischer
und patriarchaler Herrschaft. Sie bietet damit eine Grundlage, zukunftsweisende
gesellschaftliche Alternativen und politische und soziale Handlungsanforderungen
zu entwickeln. Linker Feminismus schließt eine Kritik am liberalen
Gleichheitsbegriff, als auch fundamentale Machtkritik ein. Es geht
um die Frage, welche Zielrichtungen und Lebensvorstellungen politisch
und sozial verträglich sind. Ohne diese Diskussion wird sich neoliberaler
Konsens durchsetzen: die Ausrichtung auf Vereinzelung und deren
Kompensation mit Karriere und Geld einerseits, sowie die Zunahme
sozialer und ökonomischer Ungleichheit auch zwischen Frauen andererseits.
7. Neuer Internationalismus
7.1. Gegen kapitalistische Unterdrückung
Wir verstehen den neoliberalen Kapitalismus als
ein globales Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem. Darin liegt
auch die Ursache für den Hegemonismus in der Politik der kapitalistischen
Großmächte und namentlich der USA und des von ihr dominierten NATO-Bündnisses,
die ihre derzeitige Rolle als die weltbeherrschende Macht dauerhaft
befestigen wollen. Das beschwört immer teurere Rüstungen herauf
und zunehmende Rivalitäten der kapitalistischen Großmächte. Der
von der NATO unter Verletzung des Völkerrechts geführte Krieg gegen
Jugoslawien hat deutlich gemacht, daß die imperialistischen Großmächte
zu militärischen Interventionen greifen. Ihrer Propaganda ist es
gelungen, politische Rückendeckung in NATO- und EU-Staaten für den
Krieg zu schaffen. Auch in Europa ist der Frieden zerbrechlich geworden.
Diese Politik ist gekennzeichnet durch Militarisierung, durch die
Schaffung von Feindbildern zu deren Rechtferigung, durch Einmischung
in die Angelegenheiten beliebiger Staaten mit politischen und wirtschaftlichen
Mitteln, durch die Schaffung militärischer Stützpunkte und Protektorate.
Der Kampf um Frieden und weltweite Abrüstung bleibt daher ein zentraler
Bestandteil unserer Politik.
Wir widersetzen uns dem neoliberalen Regime eines
ideologisch beschönigend als freier Welthandel bezeichneten Systems,
wie es von internationalen Organisationen wie IWF, Weltbank und
WTO unter der Führung der kapitalistischen Großmächte durchgesetzt
wird.
Ein deregulierter, der politischer Kontrolle
entzogener Welthandel, bedeutet grenzenlose Macht für die transnationalen
Konzerne, Aufrechterhaltung ihres Technologiemonopols und Kontrolle
über die internationalen Organisationen.
Die Weltherrschaft der transnationalen Konzerne
und der kapitalistischen Großmächte wird heute von Widerstandsbewegungen
gegen den Neoliberalismus wie der Landlosenbewegung in Brasilien
oder den Zapatisten in Mexico in Frage gestellt. Aber auch in den
kapitalistischen Metropolen selbst. In Europa und in Nordamerika
haben sich breite zivilgesellschaftliche Bewegungen mit einer anti-neoliberalen
Stoßrichtung entwickelt. Das Scheitern des Multilateralen Abkommens
über Investitionen (MAI) und der weltweite Widerstand, der zum Scheitern
der WTO-Gipfelkonferenz in Seattle beigetragen hat, stellen wichtige
Erfolge dieses neuen, sich über soziale, politische und konfessionelle
Unterschiede verbreiternden Internationalismus dar.
Die Macht der transnationalen Konzerne kann nicht
ohne die Entwicklung von demokratischer Gegenmacht auf nationaler
und internationaler Ebene, ohne neue politische Instrumente zur
Regulierung der internationalen Waren- und vor allem der Finanzmärkte
eingeschränkt bzw. gebrochen werden.
Deshalb beteiligen sich die KommunistInnen am
Kampf um eine neue Weltwirtschaftsordnung und sind solidarisch mit
regionalen und internationalen demokratischen Gegenbewegungen wie
auch mit Versuchen von Staaten, sich aus der Abhängigkeit und Ausbeutung
zu befreien. Neue Formen der Kooperation und eine Kultur der offenen
vorurteilsfreien und kritischen Diskussion sind Ausdruck einer neuen
Qualität solidarischer Beziehungen zu den unterschiedlichsten progressiven
politischen, sozialen und staatlichen Kräften. Das schließt Akzeptanz
der Unabhängigkeit und Souveränität aller an diesem Prozeß beteiligten
Kräfte und das Recht auf Kritik ein, wo Werte der Demokratie und
des Friedens, der ökologischen Entwicklung und die Beziehungen der
Geschlechter betroffen sind.
7.2. EU und Europäische Integration
Doch auch die innerimperialistischen Widersprüche
vertiefen sich: In der EU haben sich die transnationalen Kapitale
Westeuropas eine Plattform geschaffen, das US-Kapital in seiner
weltbeherrschenden Stellung herauszufordern. Die EU ist ein im Kern
imperialistisches neoliberales Projekt, das unter Ausschluß demokratischer
Kontrolle neue Rahmenbedingungen für die Innen- und Außenpolitik
der europäischen Staaten setzt.
Tatsächlich muß den transnationalen Konzernen
Gegenmacht auch auf internationaler Ebene gegenüber gestellt werden.
Bezogen auf die EU würde das bedeuten, den Inhalt und die Logik
des bisherigen EU-Projekts umzukehren. Dazu wäre das Ziel eines
europäischen Friedens- und Sozialprojekts eine positive Vision.
Seit Abschluß des Maastricht-Vertrages hat sich
die Zusammensetzung der Regierungen in den einzelnen EU-Staaten
und damit auch der Steuerungsorgane der Union von Mitte rechts zu
Mitte links verschoben. Diese politische Veränderung hat aber nichts
am neoliberalen Charakter der EU-Integration geändert. Unseren Maßstab
für die Beurteilung jeder einzelnen Maßnahme der EU bilden die demokratische
und sozialen Fortschritte oder Rückschritte, die sie für die Menschen
bedeuten. Die bisherige Logik der EU-Entwicklung kann sich nicht
anders als im Resultat vielfältiger nationaler und internationaler
Kämpfe ändern. An solchen Kämpfen für eine europäische Sozialpolitik
mit dem Vorrang für Beschäftigung, soziale Sicherheit, Gleichberechtigung
und ökologische Nachhaltigkeit beteiligen sich die Kommunisten.
Wir verschließen uns also keineswegs einer Politik
mit europäische Dimensionen, wenn sie zur realen Ausweitung der
BürgerInnenrechte führt. Die demokratischen Rechte der Menschen
dürfen unter dem Vorwand der Integration aber nicht – wie es die
EU betreibt – abgebaut, sondern sie müssen erweitert werden. Wir
treten dafür ein, daß ein einklagbarer politischer und sozialer
Grundrechtekatalog auf europäischer Ebene geschaffen wird.
Es müssen Entscheidungsmechanismen durchgesetzt
werden, die eine demokratische Selbstbestimmung der Bevölkerung
der EU- Staaten gewährleisten.
Dazu gehört auch der Verzicht auf die Übertragung
von immer neuen Kompetenzen an die EU und die Überprüfung von bestehenden
nach dem Prinzip der Subsidiarität. Im primären EU-Recht ist zu
verankern, daß die BürgerInnen jedes Mitgliedstaats jederzeit das
Recht haben, über einen Austritt aus der EU frei zu entscheiden.
Auch deshalb, weil wir auf dem Hintergrund der heute dominierenden
Entwicklungsperspektiven der EU diese Option offen halten wollen.
Die Militarisierung der Europäische Union, das heißt die Schaffung
eines westeuropäischen Militärpakts, der die EU in Stand setzen
soll, vorderhand nur in Europa und angrenzenden Regionen, zu intervenieren,
droht zu einem weiteren destabilisierenden Faktor der Weltpolitik
zu werden. Aus diesen friedenspolitischen Gründen hält die KPÖ die
Paktfreiheit einiger Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für
einen positiven Beitrag zur Entwicklung auf unserem Kontinent. Die
KPÖ setzt sich für die Verteidigung und Weiterentwicklung der österreichischen
Neutralität im Sinne eines selbstbestimmten Beitrages zu einer europäischen
Friedens- und Abrüstungspolitik ein.
Die KPÖ ist Teil der neuen, pluralistischen europäischen
systemüberwindenden Linken, in der Parteien, Bewegungen und zivilgesellschaftliche
Gruppen auf gleichberechtigter Basis zusammenzuarbeiten.
8. Demokratie und Kommunismus
Wir verstehen unter Demokratie Selbstbestimmung
der Menschen in allen Lebensbereichen, in den großen und kleinen
Fragen der Gesellschaft. Wir haben uns daher von der Gegenüberstellung
von kollektiven und individuellen Menschenrechten, von sozialen
Rechten und politischen Freiheiten verabschiedet.
8.1. Die Grenzen der heutigen Demokratieform
Dabei stellt Demokratie weder geschichtlich noch
aktuell eine absolute Größe dar. Sie war und ist durch spezifische
Ein- und Ausschlüsse gekennzeichnet, in denen sich Machtverhältnisse
und Interessensgegensätze ausdrücken. Demokratische politische Verfassungen
haben in keinem kapitalistischen Staat der Welt soziale Ungleichheiten
und geschlechtshierarchische Benachteiligungen aufgehoben. Die heute
Herrschenden halten es mit der parlamentarische Demokratie für vereinbar,
daß ein beträchtlicher Teil der hier Lebenden, Arbeitenden, Steuer-
und Sozialversicherungsbeiträge zahlenden Menschen vom Wahlrecht
ausgeschlossen ist, weil er keine Staatsbürgerschaft besitzt. Was
seinerseits nur politischer Ausdruck einer vielfältigen sozialen
Diskriminierung ist. Ein so geartetes Verständnis von Demokratie
scheint auch nicht zu irritieren, daß die Frauen, immerhin 52 Prozent
der österreichischen Bevölkerung, in allen politischen, wirtschaftlichen
und wissenschaftlichen Leitungsinstanzen unterrepräsentiert sind.
Auf der Grundlage parlamentarischer Verfassung
wird durch die Monopolisierung und Manipulation der Informationsverbreitung
die Verfälschung und Aufhebung demokratischer Rechte betrieben.
Deutlicher Ausdruck dessen ist der über die EU koordinierte Ausbau
der polizeilichen Überwachung in allen Mitgliedsstaaten. Diese Orwell’sche
Begriffsumkehrung – Konsequenz der Machtkonzentration im heutigen
Kapitalismus – hat zur Folge, daß immer mehr Menschen an dieser
Demokratie zweifeln. Sowohl wachsende Wahlenthaltung als auch das
Vordringen anti-demokratischer, autoritärer Ideologien sind der
Beweis.
8.2. Die revolutionäre Qualität des Kampfes um Demokratie
Somit werden Fragen der politischen Mitbestimmung
der Rechte der Individuen, der Gleichheit, der Verteidigung und
des Ausbaus der demokratischen Rechte zu Hauptkonfrontationspunkten
mit dem neoliberalen Kapitalismus. Der Kampf um Demokratie gewinnt
eine revolutionäre Qualität.
Wir verstehen Demokratie nicht als einen einmal
gegebenen Zustand, sondern als einen dynamischen Prozess der täglich
gestaltet und von neuem gegen die Herrschenden erkämpft werden muss.
Wir haben uns von einem Politikmodell getrennt, das die Aufgabe
der Kommunistischen Partei darin sah, mittels der Ergreifung der
Staatsmacht die Gesellschaft ausschließlich von oben her umzugestalten.
Heutige KommunistInnen wollen nicht die Macht ergreifen , sondern
sie den Menschen überantworten. Wir richten deshalb unser Augenmerk
nicht nur auf die staatlichen Strukturen und Apparate, sondern auf
die zivilgesellschaftliche Aktivierung der Menschen.
Der italienische Marxist, Antonio Gramsci, hat
darauf aufmerksam gemacht, dass kapitalistische Herrschaft nicht
nur auf den Staat und seinen Apparaten beruht, sondern auch auf
der ideellen Vorherrschaft im komplexen System der bürgerlichen
Gesellschaft. Doch ist diese Zivilgesellschaft auch der Ort, in
dem die Menschen ihren Alltag selbst bestimmen können, und in dem
auch die Hegemonie neuer, sozialistischer, feministischer und demokratischer
Werte sich herausbilden kann. Dafür kämpfen die Kommunisten.
Die KommunistInnen treten für die Freiheit von
Wissenschaft und künstlerischem Ausdruck ein. Die Kunst kann nicht
dem Wirken von Marktkräften und dem Entstehen eines neuen Mäzenatentums
unter neoliberalen Vorzeichen überlassen werden. Die soziale Absicherung
von Künstlern und Künstlerinnen, die Finanzierung künstlerischer
Institutionen und Ausbildungswege ist eine gesellschaftliche Aufgabe
und muß staatlich finanziert werden.
Das heutige Verhältnis der KommunistInnen zur
Kunst ist auch dadurch definiert, daß sich ihre Bewegung der Auseinandersetzung
mit der künstlerischen Avantgarde stellt und öffnet.
Unsere Politik besteht nicht in abstrakter Aufklärung
.
KommunistInnen leben mit und in der Gesellschaft,
übernehmen auf kommunaler, betrieblicher und gewerkschaftlicher
Ebene und in sozialen Initiativen Verantwortung bei der konstruktiven
Lösung von großen und kleinen Problemen des täglichen Lebens.
Unser demokratisches Selbstverständnis schließt
die Glaubens und Gewissensfreiheit, die Achtung religiöser und atheistischer
Weltanschauungen ein. Die Erfahrung zeigt, daß sowohl der kommunistische,
als auch der christliche oder anders religiös motivierte Humanismus
Ausgangspunkt für den gemeinsamen Einsatz für ein besseres, sicheres,
friedliches, freies, sozialeres und solidarisches Leben der Menschen
auf der Welt sein können.
8.3. Gegen jeden Nationalismus
Nationalismus und Chauvinismus waren seit je
Ideologien, mit denen die Herrschenden es verstanden, große Teile
der Bevölkerungen an ihr System zu binden. So begründeten sie nicht
nur Aggression und Unterdrückung nach außen, sondern auch staatliche
und kulturelle Ausgrenzung im Inneren. Dabei stellen Staat und Nation
nicht einfach ideologische Gebilde dar, sondern sind Strukturen
der heutigen bürgerlichen Gesellschaft, in denen sich auch soziale
und politische Kämpfe früherer Generationen niedergeschlagen haben.
Die meisten heute bestehenden sozialen Errungenschaften
und demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten sind daher auf nationalstaatlicher
Ebene eingerichtet. Die erkämpften Errungenschaften und Rechte gilt
es auszuweiten und für alle zugänglich zu machen. Diese Souveränitätsrechte
der Menschen sind kein Hindernis, sondern eine Voraussetzung für
die Herstellung demokratischer Rechte auf europäischer und internationaler
Ebene.
KommunstInnen lehnen Nationalismus und jede Ideologie
der Überlegenheit und Ausgrenzung ab. Wir treten für die Herstellung
voller politischer und sozialer Gleichberechtigung aller in Österreich
lebender Menschen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft ein. Das
schließt aktives und passives Wahlrecht, die optionale Doppelstaatsbürgerschaft
und gleichwertige soziale Rechte und Pflichten ein.
8.4. Demokratie und Antifaschismus
Die Debatte um die Demokratie hat in Österreich
eine spezifische historische Dimension: die Wiedergewinnung demokratischer
Freiheiten ist nicht zu trennen vom Sieg über den Faschismus und
die Wiedererrichtung der staatlichen Unabhängigkeit Österreichs.
Nach dieser Befreiung hätte die Chance auf eine tiefergreifende
demokratische Erneuerung, und auf eine Überwindung derjenigen Strukturen
bestanden die den Faschismus hervorgebracht hatten. Dies wurde aber
unter den Vorzeichen des kalten Krieges und der kapitalistischen
Restauration nicht realisiert. An die Stelle einer offenen Auseinandersetzung
mit der faschistischen Vergangenheit trat eine verlogene Konstruktion:
Österreich, in dem es Opfer des Faschismus und WiderstandskämperInnen,
wo es Nazi-Verbrecher und MitläuferInnen gab, wurde widerspruchsfrei
als erster Opfer des Nationalsozialismus deklariert. Über die Verstrickung
zahlreicher ÖsterreicherInnen in die Nazi-Verbrechen und über die
historischen Wurzeln des Antisemitismus wurde ein Schleier des Schweigens
gebreitet. Die aus ihrer Verantwortung entlassenen faschistischen
Eliten integrierten sich alsbald in den kapitalistischen Wiederaufbau
und beteiligten sich an der politischen Ausgrenzung der WiderstandskämpferInnen,
vor allem der KommunistInnen.
Doch auch die einfache Umkehrung des Opfermythos
in die These, alle Österreicher und Österreicherinnen seien durchwegs
Nationalsozialisten und Mitläufer gewesen, übergeht den wesentlich
von den KommunistInnen geleisteten Widerstand gegen die Nazi-Diktatur.
Ganz offensichtlich paßt dieser auch heute nicht in das Bild, das
die herrschenden Klasse von der österreichischen Geschichte zeichnen
will. Daher bleibt eine wichtige Aufgabe der KPÖ, die geschichtliche
Erfahrung des Faschismus und des Widerstandskampfes gegen ihn lebendig
zu halten.
Die KPÖ hat sich im Unterschied zu allen anderen
österreichischen Parteien nach 1945 nicht neu konstituieren müssen.
Sie hat zwischen 1938 und 1945 als eine illegale Kampforganisation
weiterbestanden. Die KPÖ braucht sich ihrer Vergangenheit nicht
zu schämen. Sie hat sich aber die ehrliche, bisweilen auch schmerzhafte
Auseinandersetzung mit den Fehlern, die sie gemacht hat, nicht erspart.
Die Beiträge, die die KommunistInnen zum Sieg über die Nazi-Diktatur,
zum Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen, zum politischen
und sozialen Fortschritt und zur internationalen Solidarität geleistet
haben, behalten ihre Gültigkeit auch unter den heutigen wesentlich
geänderten gesellschaftlichen Bedingungen. Damit sind sie auch wesentlicher
Bestandteil jener Erneuerung, vor der die Linke und die ArbeiterInnenbewegung
heute steht.
Beschlossen vom Bundesvorstand der KPÖ
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