Über
den Widerstand gegen Schwarz-Blau
Ein
Jahr seit der letzen Wahl, sieben Monate schwarzblaue Regierung,
sieben Monate Widerstand - Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen: Soviel
steht fest: Die schwarzblaue Koalition ist keine vorübergehende
Erscheinung. Hinter ihr stehen mehr als der persönliche Ehrgeiz
Wolfgang Schüssels und zwei Parteien. Hinter ihr stehen die vorherrschenden
Kapitalinteressen, und wie nun auch klar ist, der Segen der Europäischen
Union. Man liest im Weisenbericht, der jene Maßnahmen beendete,
die man fälschlich "Sanktionen" nannte:
"Die
FPÖ ist eine rechtspopulistische Partei mit einer rechtsextremen
Ausdrucksweise.... Sie ergreift keine Maßnahmen gegen Mitglieder,
die sich fremdenfeindlicher Äußerungen bedienen... Führende Mitglieder
versuchen FP Kritiker zu kriminalisieren... " Aber das führt
dann zur paradoxen Schlußfolgerung: "Es ist unsere wohlerwogene
Auffassung, daß die Regierung für die gemeinsamen europäischen Werte
eintritt!"
1. Über
die Maßnahmen der EU-14
Manche,
die sich im Februar weiß Gott was von der EU versprochen haben,
haben zur Kenntnis nehmen müssen: Wer sich im Kampf gegen den Rechtsextremismus
und Rassismus auf Brüssel verlassen will, ist verlassen. Die KPÖ
hat von allem Anfang an eine kritische Position zu den Maßnahmen
der EU-Vierzehn eingenommen. In einer Erklärung des Bundesvorstandes
vom März 2000 heißt es: "Die Maßnahmen sind ambivalent und
heuchlerisch... Die Behandlung österreichischer Delegationen bei
den EU-Ministerräten ist durchaus unterschiedlich. Wo es zur Sache
geht, wie z.B. bei den Finanzministern ist sowieso "business
as usual"... Die Werte-Heuchelei wird etwa im Hinblick auf
die Türkei sichtbar.... Für das Anwachsen des Rassismus in der EU
ist das verkörperte neoliberale Kapitalismusmodell verantwortlich,
wie auch die Linke im Europaparlament erklärte." Was wir aber
- trotz dieser deutlichen Kritik - nicht getan haben, ist uns mit
der Regierung zu solidarisieren, uns sozusagen am "nationalen
Schulterschluß" zu beteiligen. Deshalb haben wir auch nicht
wie Gusenbauer und Van der Bellen die Aufhebung der "Sanktionen"
verlangt.
Weil
der Begriff "Sanktion" für die symbolischen Gesten ziemlich
inadäquat ist, und wir uns nicht an der allgemeinen Verblödung der
Menschen beteiligen wollten.
Hieß
es in dem Beschluß des Bundesvorstandes: Wir werden auch angesichts
der EU-Maßnahmen jeden Eindruck einer Identifizierung mit der Regierung
"gegen das Ausland" vermeiden. Hier sind wir bei einem
prinzipiellen Punkt. Wir können uns nicht auf den Standpunkt stellen:
Wir haben jetzt die extreme Rechte in der Regierung, aber das ist
eine rein nationale Angelegenheit. Der Kampf gegen Rechtsextremismus
und Rassismus ist nämlich im Gegenteil ein internationaler Kampf:
Weil
die Rechte ein internationales Netzwerk bildet und Jörg Haider immer
mehr zu ihrer europäischen Integrationsfigur wird;
weil
der Staatsrassismus international organisiert wird. und drittens
weil: die Basis des Rassismus und des Rechtsextremismus die Herrschaft
der transnationalen Konzerne, die Durchsetzung des neoliberalen
Kapitalismus-Modells darstellt, und das ist kein nationaler, sondern
ein europäischer und ein globaler Prozeß.
Das
erfordert auch, daß wir unsere grundsätzliche Kritik an der EU nicht
abschwächen, sondern zuspitzen; ihr eine neue Dimension, nämlich
die der internationalen Auseinandersetzung hinzufügen. Wir halten
weiter an der Option eines Austritts aus der Europäischen Union
fest, auch wenn das derzeit keine kurzfristig zu realisierende Option
ist. Übernächste Woche wird es zwar in Dänemark eine Volksabstimmung
darüber geben, ob der Euro eingeführt werden soll oder nicht. In
Österreich wird er nächstes Jahr eingeführt werden. Dann wird die
Sozial- und Wirtschaftspolitik noch direkter von den Finanzmärkten
und den autoritären Entscheidungen der Europäischen Zentralbank
abhängig sein. Notwendig ist beiden entgegenzutreten:
Durch
eine Tobin-Steuer, das heißt eine Steuer auf kurzfristige Kapitaltransfers.
Auch das ist ein internationaler Kampf.
Die
Europäische Zentralbank, das Hauptinstrument zur Durchsetzung der
monetaristischen sozialreaktionären Währungspolitik muß einer demokratischen
Kontrolle unterworfen werden.
Wir
treten für Arbeitzeitverkürzungen ein, die am besten im internationalen
Gleichschritt erkämpft werden.
Deshalb
müssen sich die Linken, die Gewerkschaften, die Sozial- und Frauenbewegungen
international vernetzen. Der Transnationalisierung der Eliten muß
der Internationalismus der Menschen entgegengesetzt werden. Das
ist der Sinn der Euromarsch-Bewegung an der wir uns beteiligen,
und das ist der Sinn der großen Demos nächstes Wochenende in Prag.
2.
Auf dem Weg zum Schlanken Staat
Ich
habe schon erwähnt, daß die heutige Regierung eigentlich die EU-konformste
der letzten Jahre ist. Die Hilflosigkeit mit der die EU-Regierungen
auf die Regierungsbeteiligung der FP reagiert haben und die Unfähigkeit
der SPÖ, auch nur auf parlamentarischer Ebene eine Opposition darzustellen,
haben dieselbe Ursache. Die FP praktiziert als Regierungspartei
das gleiche Politikmuster wie über die eineinhalb Jahrzehnte als
Oppositionspartei: Sie vertritt die neoliberalen wirtschafts- und
sozialpolitischen Vorgaben der EU am brutalsten und kritisiert gleichzeitig
deren sozialen Folgen. Das aktuelle Beispiel dazu ist die Budgetpolitik.
Zugunsten
zusätzlicher 0,4 Prozent Defizitsenkung wurden für das Budget 2000
bereits am 1. Juli Steuer- und Abgabenerhöhungen im Ausmaß von 7
Mrd. Schilling wirksam, die im kommenden Jahr bereits zumindest
13 Mrd. Mehreinnahmen bringen werden. Es sind dies ausschließlichen
Massensteuern, wie die zusätzliche Energieabgabe auf Strom, die
motorbezogene Versicherungssteuer, die Tabaksteuer, das Autobahnpickerl,
die Paßgebühr u.a.. Darüber hinaus wurden heuer bereits die Rezept-
und Spitalsgebühr erhöht. Ab nächstes Jahr ist bei der Inanspruchnahme
einer Ambulanz ohne Arztüberweisung jeweils 250.-Schilling, im Jahr
maximal 1000.- zu bezahlen. Öffentlich Bedienstete zahlen einen
zusätzlich erhöhten Pensionssicherungsbeitrag.
Dem
steht ein Programm zur Senkung der sogenannten Lohnnebenkosten zugunsten
der Unternehmer im Ausmaß von 15 Mrd. Schilling und weitere Unternehmerbegünstigungen
gegenüber. Neben dieser reinen Umverteilungsaktion nach oben wurde
die Politik gegenüber den Arbeitslosen verschärft. Und der jetzt
vorliegende Bericht der Arbeitsgruppe, die sich im Auftrag der Regierung
mit der "sozialen Treffsicherheit" beschäftigt, zeigt
an, in welche Richtung der Zug weiter fahren soll:
Unfallrenten
sollen künftig besteuert werden, bei einvernehmlicher Lösung des
Dienstverhältnisses sollen Arbeitslose vier Wochen auf die Unterstützung
warten müssen, die Mitversicherung von Lebenspartnern wird abgeschafft,
wenn keine Versorgungspflicht besteht und last not least: Studiengebühren
sollen wieder eingeführt werden.
Einen
gravierenden Angriff auf das bestehende soziale System hat schwarz-blau
bereits im Bereich des Pensionssystems mit der Anhebung des gesetzlichen
Pensionszugangsalters um eineinhalb Jahre gestartet. Darüber waren
sich ÖVP und SPÖ bereits einig. Wir haben in einem umfangreichen
Dossier den Nachweis erbracht, daß nicht das Pensionssystem in der
Krise ist, auch nicht die demografischen Entwicklungen zur Verlängerung
der Lebensarbeitszeit zwingen, sondern eine politische Weichenstellung
zugunsten des neoliberalen sogenannten "Dreisäulenmodells"
erfolgt, das die FPÖ seit längerem propagiert.
Aus
dem öffentlichen Umlagesystem soll ein privater Vorsorgemarkt entstehen,
aus dem öffentlichen Bildungssystem ein Bildungsmarkt, dem Gesundheitssystem
ein Gesundheitsmarkt. Dem privaten Kapital werden neue Verwertungsmöglichkeiten
geschaffen, Staat und Unternehmer aus der Verpflichtung zur Mitfinanzierung
der sozialen Sicherheit entlassen. Das einzig sichere daran ist
die Verteilungswirkung nach oben und der soziale Darwinismus, der
"Rassismus der Schönen, Tüchtigen und Anständigen". Kaum
waren diese Belastungen beschlossenen, verkündete Grasser nach einer
Tagung der EU-Finanzminister, daß die Regierung binnen zweier Jahre
ein Null-Defizit-Budget erreichen wolle. Seither gibt es keine Wirtschafts-
und keine Sozialpolitik mehr sondern nur mehr eine Null-Defizitpolitik.
Nur
mehr wenige trauen sich in der Öffentlichkeit überhaupt etwas zu
sagen Der Budgetexperte des WIFO Gerhard Lehner wagte es noch am
9. September im "Wirtschaftblatt", in dem er die Euro-Konvergenzkriterien
"bis zu einem gewissen Grad als Willkürakt" und jede politische
Fixierung auf sie als "fragwürdig" bezeichnete. Daß Staatsschulden
ein "schlechteres Image" hätten als jene der Unternehmen
sei nicht plausibel. Genau das ist der Hauptinhalt des Null-Defizit-Mythos
den die Regierung derzeit verbreitet und gegen den auch dem Grünen
Wirtschaftsprofessor Van der Bellen nichts einfällt. Im Konsens
aller Parlamentsparteien wird der Staat zur "Österreich AG"
umdefiniert.
Um nicht
falsch verstanden zu werden. Auch wir sind keine Anhänger der öffentlichen
Verschuldung. Die wachsenden Budgetdefizite wurden notwendig, weil
vermehrte Staatsausgaben nicht durch stärkere Besteuerung von Profiten,
Kapital und großen Vermögen finanziert wurden. Dieses System nennt
man Keynesianismus. Das Ergebnis war, mit dem Anwachsen der Staatsschuld
wurde für das Finanzkapital eine stabile, fast risikolose und äußerst
profitable Einkommens- und Akkumulationsquelle geschaffen. Bis zu
einem Viertel des jährlich dem Bund verbleibenden Steueraufkommens,
das selbst wieder zu mehr als 80 Prozent aus den Massensteuern stammt,
ging in den Zinsendienst.
3. Wer
zahlt die Steuern?
Wenn
wir die Null-Defizit-Hysterie kritisieren fragen wir: Wer zahlt
die Steuern und wer hat was davon? Das ergibt, daß die Nutznießer
der Staatsverschuldung in der Vergangenheit auch wieder die Nutznießer
der Budgetsanierung sein werden.
Das
läßt sich an dem vom Finanzminister vorgelegten Budgetplan bis 2003
deutlich ablesen. So steigt die direkte zusätzliche Belastung der
ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen durch die ein- und ausgabenseitigen
Maßnahmen der Regierung zwischen 2001 und 2003 von 32,1 Mrd. Schilling
im kommenden Jahr auf 44,7 Mrd. Schilling im Jahr 2003, während
die der Unternehmer von 14,6 Mrd. auf faktisch Null zurückgehen
wird, dann nämlich, wenn die Lohnnebenkosten und die Körperschaftsteuer
wie geplant gesenkt wird.
Die
indirekten Belastungen sind dabei aber gar nicht berücksichtigt.
Sie ergeben sich aus der Abschöpfung von zeitweiligen Überschüssen
in einzelnen Töpfen der Sozialversicherung, durch die Ausgliederungen,
Privatisierungen und die zusätzlichen Belastungen, der Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes. Nicht zuletzt aber durch die sozialen
Folgen des neuen Finanzausgleichs, der zugunsten des Null-Defizits
aus den Ländern und Gemeinden 30 Mrd. Schilling herauspressen wird.
Man geht nicht fehl, wenn man den Beitrag der ArbeiterInnen, Angestellten
und PensionistInnen unter dem Titel "Sanierung" mit Zahlen
über 70 Milliarden ATS veranschlagt.
Wie
demagogisch vorgegangen wird, zeigt die Diskussion um die Privatstiftungen.
In ca. 1800 dieser Stiftungen sollen an die 600 Mrd. Schilling veranlagt
sein. Das macht im Durchschnitt über 300 Millionen Schilling pro
Stiftung. Es ist aber bekannt, daß es in Österreich zumindest 50
Milliardäre gibt, die samt und sonders "stiften" gegangen
sind.
Geht
man davon aus, daß Stiftungskapital eine 8prozentige Rendite abwirft,
so bedeutet das einen jährlichen steuerfreien Vermögenszuwachs von
knapp 50 Mrd. Schilling. Die Besteuerung der Stiftungserträge, die
die Regierung angekündigt hat, soll nun 2,2 Mrd. Schilling erbringen.
Das sind nicht einmal 5 Prozent dieses jährlichen Vermögenszuwachses.
Die Lohnsteuerbelastung der Arbeitseinkommen beträgt dagegen effektiv
im Durchschnitt mit 17,7 Prozent also mehr als das Dreifache. Natürlich
ist von der schwarz-blauen Regierung nichts anderes als eine symbolische
Besteuerung der Reichsten in der Gesellschaft zu erwarten. Aber
wie soll die SPÖ gegen diese Umverteilung opponieren? Die SPÖ hat
diese Privilegien bekanntlich eingeführt. Und nicht nur das: Sie
hat beispielsweise auch die Vermögenssteuer abgeschafft. Würden
die geschätzten 600 Milliarden Schilling, die in Stiftungen angelegt
sind, mit der 1prozentigen Vermögenssteuer belegt, so würde das
mit 6 Milliarden Schilling etwa das dreifache der geplanten Stiftungszwischensteuer
bringen.
Würde
sie mit der 25prozentigen KEST besteuert, das ist der Steuersatz,
der auf jedes Sparbüchel angewendet wird, so kämen immerhin 12.5
Milliarden Schilling herein. Und käme der Spitzensteuersatz der
Einkommenssteuer zur Anwendung, so wären es 25 Milliarden Schilling.
Damit läuft das Regierungsprogramm gesellschaftspolitisch auf einen
gewaltigen Schritt auf den in Richtung des von und der Industriellenvereinigung
geforderten "Schlanken Staat" hinaus. Ist da erstaunlich,
daß die Regierung Schüssel-Grasser bei der EU Anerkennung findet.
Nicht erstaunlich ist, daß der SPÖ dazu keine Alternative einfällt,
entsprechen diese Maßnahmen in allen Einzelheiten dem, was Tony
Blair in Großbritannien oder Rotgrün in der BRD durchsetzen. Das
ist der neoliberale Konsens, der in der gesamten EU herrscht. Das
Beispiel zeigt auch, daß jede alternative Politik, sei es traditionelle
oder sei es neue Sozialpolitik, sei es die Finanzierung der Hochschulen,
sei es die Frauenpolitik oder anderes - eines müssen sie gemeinsam
haben. Sie erfordern eine alternative Verteilungspolitik. Dabei
müßten drei Punkte durchgesetzt werden:
Die
Kapital- und Vermögensbesteuerung ist auf das in der EU durchschnittliche
Niveau anzuheben;
die
Steuerprivilegien des Finanzkapitals wie im Stiftungsrecht müssen
beseitigt werden;
eine
Wertschöpfungsabgabe ist zur nachhaltigen Sicherung des Sozialsystems
erforderlich.
Heißt
das nun, daß zwischen der jetzigen und jeder anderen Regierungskonstellation
auf der Basis des Neoliberalismus kein Unterschied besteht? Bürgerblockregierungen
gab es nur in der 1. Republik, die Sozialdemokratie war seit 1945
mit der Ausnahme der vierjährigen VP-Allein-Regierung in allen Regierungen
vertreten.
4. Der
rechte Populismus
Der
Abstieg der SPÖ zur Mittelpartei verlief parallel zur Durchsetzung
neokonservativer, angebotsorientierter und monetaristischer Wirtschaftspolitik.
Der neueste Tiefpunkt der neoliberalen Anpassung der SPÖ ist der
Verkauf der Bank Austria durch die Wiener Sozialdemokraten. Mit
einem Federstrich entledigte sie sich der Verantwortung für 60.000
Arbeitsplätze und entschlägt sich auch ihrer Eingriffsmöglichkeiten
in der Wirtschaftspolitik. Damit ist klar, in welcher Kontinuität
die jetzige Regierungspolitik steht.
De FPÖ
hat stets die raschere Umsetzung neoliberaler Politik gefordert,
als noch sozialpartnerschaftliche Rücksichtnahmen vorherrschten.
Sie hat aber gleichzeitig von den sozialen Folgen dieser Politik
profitiert, in dem Maß in dem sie umgesetzt wurde. Ihr rechter Populismus
besteht darin, daß sie aus der Opposition heraus - soziales Unrecht,
Privilegien, Obrigkeitsstaatlichkeit, eigentlich linke Themen -
aufgegriffen hat, um sie in ihre reaktionäre, rechte, sexistische,
minderheitenfeindliche Argumentation einzubauen. Ihre Bedenkenlosigkeit
stellt sie die modernste Politikkonzeption des Neoliberalismus dar.
Der rechte Populismus zielt europaweit darauf, dem neoliberalen
Kapitalismus eine neue Basis von Zustimmung sowohl von Modernisierungsgewinnern
als von sozial Benachteiligten zu schaffen. Seine Gefährlichkeit
besteht darin, daß er die soziale Frustration mit Aggressivität
gegen Minderheiten - ethnische, sexuelle, sozial ausgegrenzte -
auflädt. Und das verbindet sich in Österreich noch mit den ideellen
und psychologischen Langzeitwirkungen des Faschismus. Das heißt
auch, wir können dem rechten nicht mit einem linken Populismus kontern.
Linker Populismus funktioniert nicht. Daher sind Fragen des Antirassismus
oder des Kampfes gegen Minderheitenfeindlichkeit keine Rand- oder
Nebenthemen. Wir sind für die soziale, politische und rechtliche
Gleichstellung aller in Österreich lebender Menschen, für das kommunale
Wahlrecht, für die Öffnung der Gemeindebauten etc.
5. Außerparlamentarische
Bewegungen
Wenn
aber auf parlamentarischer Ebene kein Widerstand gegen den neoliberalen
Umbau zu erwarten ist, dann muß es heute vor allem um die Entwicklung
außerparlamentarischen Widerstands gehen. Die vielfältige Bewegung
gegen schwarzblau stellt ein wichtiges neues Phänomen der Innenpolitik
dar. Diese Bewegung ist mehr als die Wiener Donnerstagsdemonstrationen.
Nicht nur, weil bei Regierungsantritt in Salzburg, in Klagenfurt,
in Graz, in Linz, in Bludenz und in anderen Städten demonstriert
wurde. Zu dieser Bewegung gehören die großen Demos im November und
im Februar. Dazu gehört auch das Pfeifkonzert gegen die SP- und
VP-Politiker, die sich auf die Demos draufsetzen wollten, vor allem
gehört dazu aber die große und breite Politisierung, die zahllosen
Diskussionsforen und die Websites, also die zivilgesellschaftliche
Entwicklung der letzten Monate.
Viele
Aktivisten erkennen, daß SPÖ und Grüne ist keine Alternative zur
derzeitigen Regierung darstellen. Aber die meisten erkennen noch
keine andere Alternative. Und das ist nicht nur parteipolitisch
zu verstehen, sondern vor allem inhaltlich. Daher ist die wichtigste
Aufgabe der KPÖ an der Politisierung und Radikalisierung der Proteste
zu arbeiten.
Inzwischen
herrscht weitgehende, wenn auch nicht vollständige Einigkeit in
der KPÖ darüber, daß wir uns an dieser Bewegung beteiligen sollen.
Ich gehe nun nicht darauf ein, daß noch im November letzten Jahres
in der KPÖ gefordert wurde, zur ersten großen Demonstration nicht
(!) aufzurufen. Das nütze der SPÖ, hieß es.
Im Februar
wurde verlangt, man solle unser Engagement gegen Schwarzblau aufs
"Symbolische" beschränken. Und noch vor ein paar Wochen
hieß es, daß unsere sichtbare Teilnahme an den Donnerstagsdemonstrationen
"nur mehr lächerlich" sei.
Das
Mißverständnis, das sich hier ausdrückt, ist nicht nur eines in
der Einschätzung der innenpolitischen Lage, sondern vor allem eines
der Funktionen kommunistischer Politik. Meiner Auffassung nach haben
KommunistInnen dort zu sein wo Widerstand gegen das bestehende System
geleistet wird. Aber richtig ist, wir können uns nicht aufs Dabeisein
beschränken. Wir müssen mitdiskutieren, wir müssen politisieren.
Darum sind die Diskussionsforen der Bewegung gegen Schwarzblau in
den kommenden Wochen auch so wichtig.
Eine
weitere seltsame These lautet: Diese neuen Bewegungen seien "kleinbürgerlich".
Wahr ist zwar, daß sich der Widerstand gegen schwarzblau außerhalb
der traditionellen Linken und Arbeiterbewegung entwickelt hat, aber
vermessen wäre es, dies zum alleinigen Kriterium ihrer Einschätzung
zu machen.
Wenn
man über "Arbeiterklasse" spricht, muß man zur Kenntnis
nehmen, daß es sich dabei um etwas anderes als noch vor 15 oder
20 Jahren handelt. Die Mehrheit der Menschen, die heute "die
Arbeiterklasse" bilden, arbeitet im Dienstleistungssektor.
Da gibt es neben schlechten und schlechtbezahlten Jobs sehr anspruchsvolle
Tätigkeiten, Umgang mit neuen Technologien hohe soziale Kompetenz,
Bildungselemente, die in der heutigen Arbeiterklasse wirken. Wir
müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß die Mehrheit der heutigen Arbeiterklasse
weiblich ist, genau so wie die Mehrheit der herrschenden bürokratischen,
politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Eliten eben
männlich ist. Für das Bild der heutigen Arbeiterklasse ist daher
die hochqualifizierte Krankenschwester, die Computerexpertin, u.a.
so typisch, wie vor 15 Jahren der Stahlwerker in der verstaatlichten
Industrie es gewesen ist. So betrachtet ist Feminismus, also das
politische Selbstbewußtsein der neuen Frauenbewegung, nicht irgendeine
Ideologie jenseits der Klassen im luftleeren Raum, sondern zentraler
Aspekt eines modernen, heutigen Arbeiter-Klassenbewußtseins. Und
schließlich die Prekarisierung der Arbeitswelt, hunderttausende
Teilzeitbeschäftigte, darunter die Mehrheit Frauen. Neue Selbständige,
atypische Arbeitsverhältnisse, die immer mehr in klassische Produktionsbereiche
vordringen. Prekarisierung ist nicht nur ein Problem, wie manche
sagen, von "Problem- oder Scharniergruppen", sondern die
Prekarisierung betrifft die gesamte Klasse direkt und indirekt.
1,5 Millionen Menschen wechseln während eines Jahres ihre Beschäftigungsverhältnisse,
verfügen also über keinen Dauerarbeitsplatz. Hier entwickelt sich
einerseits ein neues Feld der Vertretungspolitik aber auch eine
neue politische Kultur. Wenn die Bewegung gegen Schwarzblau typisch
ist, dann für eine auf diesem Hintergrund entstehende neue Protestkultur,
das heißt eine demokratische Tendenz in der heutigen Gesellschaft.
Dann
gibt es noch einen wichtige Aspekt: Geht man nur von den offiziellen
Daten aus, so ergibt sich, daß ein Fünftel der abhängig Beschäftigten
Immigrantinnen und Immigranten sind. Würde man die Angehörigen der
zweiten und dritten Generation dazu rechnen, so wird sich dieser
Anteil auf ein Drittel erhöhen. Heutige Arbeiterklassen-Politik
muß also internationalistisch sein. Das kommt im spontanen Antirassismus,
der in der heutigen Jugend wirkt, sehr deutlich zum Ausdruck Daher
ist der Antirassismus nicht als eine Art humanistische Über-Ideologie
jenseits der Klassen verstehen, sondern ist ebenso wie der Feminismus
ein Aspekt eines modernen Klassenbewußtseins.
Das
müssen wir nicht nur uns selbst, sondern vor allem auch in ÖGB und
Arbeiterkammer klarmachen, deren Führungen glauben, mit der Beteiligung
an der Demo am 19. Februar und dem Aktionstag im Juni ihre Schuldigkeit
getan zu haben. Tatsächlich steht aber die Gewerkschaftsbewegung
vor einer großen, fast könnte man sagen, geschichtlichen Herausforderung.
Unsere Funktion kann dabei sein, das Verbindende zwischen traditioneller
Arbeiterbewegung und neuen sozialen Bewegungen herauszuarbeiten.
Dabei
können wir uns nicht darauf beschränken, den neuen sozialen Bewegungen
zu erklären, "ohne Arbeiterbewegung geht nix". Sondern
es geht umgekehrt darum, in den traditionellen Strukturen und Organisationen
klarzumachen, daß die neuen Bewegungen eine große Chance und Verantwortung
darstellen. Wir brauchen dazu keine "euphorische Einschätzung"
der Bewegungen gegen Schwarzblau, sondern es geht darum einen Brückenschlag
zwischen dieser und der traditionellen Arbeiterbewegung zustande
zu bringen. Daran muß die KPÖ arbeiten. Die strategische Bedeutung
eines solchen Brückenschlags könnte sogar über die Auseinandersetzungen
mit der jetzigen Regierung hinausreichen: Er wäre nämlich ein beträchtlicher
Schritt auf dem Weg zu einer breiten, pluralistischen Allianz gegen
den Neoliberalismus.
- Referat von Walter Baier bei der Parteikonferenz
am 16. September 2000
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