Ein Mann katapultiert die KPÖ nach oben
Glaubwürdigkeit ist Kalteneggers Kapital.

Er ist der Mann, der vor fünf Jahren ganz Österreich aufhorchen ließ und auch manche Anfrage aus dem Ausland provozierte: Ernest Kaltenegger, kommunistischer Stadtrat in Graz. Während die Kommunistische Partei überall sonst in Österreich ums Überleben kämpft und sich bei Wahlen mit Promillezahlen begnügen muss, schaffte sie 1998 den Sprung in den Stadtsenat und setzt jetzt sogar dazu an, die FPÖ zu überholen. Bei zehn Prozent lag die KPÖ laut Umfrage zwei Wochen vor der Wahl, die FPÖ nur noch bei elf.

Kaltenegger schaffte die perfekte Einheit von Person und Programm, wobei die Person und die damit verbundene Glaubwürdigkeit das ist, was bei den Wählern zieht. Profiliert hat sich Kaltenegger mit Mietrechtsfragen. Wer in Graz ein Problem mit seiner Wohnung hat, geht zu ihm, praktisch seit Jahrzehnten. Als er vor fünf Jahren das Wohnungsreferat in der Stadtregierung angeboten bekam, zögerte er. So wie die Konkurrenz wohl damit rechnete, dass er sich an der Realität "derstessen" werde, wenn es gilt, knappe Finanzmittel mit überbordenden Wünschen in Einklang zu bringen, so musste er selber fürchten, dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden zu können.

Er wagte und gewann: Auch als Stadtrat darf man als einfacher Bürger einfach zu ihm kommen und wo immer es ihm möglich ist, wird geholfen, selbst wenn Kaltenegger die Privatschatulle aufmachen muss. Jeder Slogan im Wahlkampf sitzt: "Auch das ist Kultur - ein Bad für jede Gemeindewohnung", "Ohne Privilegen geht's auch", "Wer ihn will, muss ihn wählen". Platz 3 im Gemeinderat winkt. Auch wenn Kaltenegger ihn knapp verfehlt - zu den Wahlsiegern gehört er in jedem Fall.

Claudia Gigler
Kleine Zeitung, Graz 18. 1. 03