Heiliger Franziskus

Kein Wunder, dass sich der kommunistische Stadtrat Ernest Kaltenegger ein Fünkchen einer Chance ausrechnet, diesmal die Freiheitlichen zu überholen. Kaltenegger war in der vergangenen Periode für das Wohnungsreferat zuständig. In den ärmeren Siedlungen von Graz wird er verehrt wie der heilige Franziskus.

Der Kommunist hilft mit Geld aus der eigenen Portokasse. Zu ihm kommt man, wenn der Strom abgeschaltet wurde, ein Delogierungsbefehl droht oder kein Geld für die Heizung da ist. Rund 60 Prozent seines Nettogehaltes als Stadtrat hat Kaltenegger für die Hilfe bedürftiger Grazer Bürger reserviert. In Haushaltsbüchlein, die jeder einsehen kann, sind Name, Adresse und Summe handschriftlich festgehalten. Zum Beispiel ein Ölofen oder Essensgutscheine, bei der Caritas einzulösen. Es sind viele ausländisch klingende Namen darunter. "Wir fragen nicht nach dem Aufenthaltsstatus", sagt der Kommunist. Kaltenegger ist stolz auf die Sanierung trister Wohnsiedlungen. Eine Kulturhauptstadt könne es sich nicht leisten, sagt er, dass seine Menschen ohne Bad und Dusche leben. Das Projekt ist im offiziellen Katalog für 2003 angeführt. Was daran kommunistisch sei? - "Wort und Tat in Deckung zu bringen und die Leute nicht auf das Jenseits vertrösten", sagt er. Vom Sozialismus, wie er geherrscht hatte, will Kaltenegger freilich nichts mehr hören, und wie er sich einen neuen Sozialismus vorstellt - nun, das bleibt auch recht vage. Es muss keiner Angst haben, der ihn wählt. In Künstler- und Kirchenkreisen schätzt man sein soziales Engagement. Im Stadtsenat ist er beliebt und respektiert. Beim letzten Mal kam Kaltenegger auf knapp acht Prozent.

(Aus Profil 3/03)

Artikel: Kaltenegger spendete bereits 2 Millionen Schilling