KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

KPÖ und Stalin-Opfer



Mit der Unterstützung des Bundesvorstandes der österreichischen Kommunistischen Partei (KPÖ) veröffentlichten der ehemalige Bundesvorsitzende Franz Muhri und der aktuelle Parteivorsitzende Walter Baier ein Buch über östereichische Stalin-Opfer aus der eigenen Partei. Ein in und ausserhalb der Partei viel beachtetes Buch.

Die KPÖ ist eine Mini-Organisation, die aufgrund von Geldquellen, die während der Besatzungszeit aus den unter sowjetischer Verwaltung stehenden Industriebetrieben und später aus Osthandelsgeschäften erschlossen wurden, über ein millionenschweres Firmenimperium verfügt (auf dessen finanzielle Erträge jedoch durch schikanöse Prozessführung der Deutschen Treuhandgesellschaft nicht zugegriffen werden kann). Diese Struktur begünstigt einen ideologischen Konservativismus. Einer der Hauptstreitpunkte zwischen den zur «Öffnung tendierenden» und den «orthodoxen» Kräften in der Partei war und ist dabei nicht zufällig die Frage der Opfer der stalinistischen Säuberungen in der ehemaligen Sowjetunion: Denn trotz oder gerade wegen ihrer Kleinheit waren österreichischen Kommunisten überproportional im Apparat der Kommunistischen Internationale vertreten. Und die mit Unterstützung der KPÖ und der Roten Hilfe in die UdSSR geflüchteten Schutzbündler bildeten mit ihren Familien die grösste Opfergruppe: Von den etwa 750 Emigranten aus den Reihen der Februarkämpfer 1934 kehrten bis zum Jahr 1941 200-220 in ihre faschistisch regierte Heimat zurück. 160 meldeten sich zu den International Brigaden. Mindestens 190 verhaftete der NKWD (bei hundert zusätzliche Fällen ist das Schicksal unbekannt).
Selbst nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten dauerte es deshalb volle zwei Jahre bis - unter dem Druck von linken Kräften, die sich in einer «Memorial»-Gruppe sammelten - das Bildungsreferat der KPÖ 1991 eine parteioffizielle Publikation unter dem bezeichnenden Titel «Spät aber doch» publizierte. In dem folgenden Jahrzehnt arbeiteten Wissenschaftlerinnen die Thematik auf. Die Partei selbst hüllte sich in betretenes Schweigen. Erst heuer hat sich die KPÖ - vielleicht auch unter dem Eindruck eines weiterer Verluste bei den Nationalratswahlen 1999 - entschlossen, «auf die lange Bank geschobenen Parteiprobleme einer offenen Aufarbeitung zuzuführen» (Vorsitzender Walter Baier).

Stalin und wir

Das zu diesem Zweck publizierte Buch fand in der österreichischen Presse weithin Beachtung. Der Band besteht im wesentlichen aus einer Liste rehabilitierterund nicht-rehabilitierter Stalin-Opfer in der ehemaligen UdSSR. Im Anhang dazu versucht der ehemalige und zwischenzeitlich verstorbene Parteivorsitzende Franz Muhri zu beweisen, dass «das ganze Ausmass der Repression [in der UdSSR] weder in der Partei noch in der Bevölkerung allgemein bekannt war». Von solchen Rechtfertigungen hebt sich der Beitrag des jetzigen Parteivorsitzenden wohltuend ab. Er liefert eine auf weite Strecken beachtenswerte theoretische Analyse über Aufstieg und Niedergang des Stalinismus, verknüpft mit einer klaren politischen Positionierung: «Stalinismus ist ein Exzess der Macht, der nicht auf die Aufgaben der Erziehungsdiktatur gründete»; «Stalinismus bedeutet (...) systematisch praktizierter Anti-Kommunismus»; «Wo immer das stalinistische Prinzip sich im kommunistischen Diskurs bemerkbar macht, repräsentierte es die zerstörerischen beziehungsweise selbstzerstörerischen Kräfte der Linken».
Der orthodoxe KPÖ-Flügel, der über ein eigenes, in der Partei ungehindert vertriebenes Fraktionsorgan «Neue Volksstimme» verfügt, reagierte auf die Veröffentlichung mit hasserfüllten Attacken: «Nichts zieht sich mit solcher Kontinuität durch Walter Baiers politische Aussagen, wie der Kampf gegen den Stalinismus'».
Wenn frau/man das in einem solchen politischen und organisatorischen Bezugsrahmen politisch Mögliche zum Massstab macht, dann ist «Stalin und wir» tatsächlich ein Markstein in der Parteigeschichte. Wenn frau/man die vorliegende Aufarbeitung der Geschichte mit der Erforschung brauner Flecken durch die SPÖ oder gar der historischen Sichtung des «Ehemaligen»-Problems durch ÖVP und FPÖ vergleicht, haben Baier und Muhri ebenfalls allen Grund zur Selbstzufriedenheit. Wenn frau/man allerdings in Betracht zieht, dass der für die KPÖ schwierigste Problemkreis, nämlich den «hausgemachten» Stalinismus in den Jahren 1945 bis 1955 inklusive der Menschenraub, begangen durch kommunistischen (Staats-)Polizisten, und die von der Kader-Kommission veranstalten «Schauprozesse en miniature» mehr als ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch des «real existierenden Sozialismus» nicht einmal noch andiskutiert wurde, dann sinkt das vorliegende Buch zu einem Beweismittel für verspielte Chancen herab.

Fritz Keller in: Vorwärts, Sozialistische Wochenzeitung der Partei der Arbeit (Schweiz), 30. November 2001


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