KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS
Institutionen der neoliberalen Globalisierung/WTO

Eine schrecklich nette Familie

Seit 1995 legt die WTO die Regeln im Welthandel fest. Ihre Entscheidungen sind für das ökonomische Geschehen auf dem Globus von einschneidender Bedeutung: zwischen den 140 Mitgliedsstaaten werden neunzig Prozent des Welthandels abgewickelt.

Von Gerhard Klas

Seit dem 30. November 1999 ist die Welthandelsorganisation (WTO) auch einer breiteren internationalen Öffentlichkeit bekannt. An diesem Tag trafen sich Regierungsvertreter und Konzernchefs zur "Milleniumsrunde" der WTO in Seattle und lösten dadurch die größte Demonstration in den USA seit den Anti-Kriegs Protesten 1968 in Chicago aus.

Die WTO, die sich den grenzenlosen Handel der Waren und Dienstleistungen auf ihre Fahnen geschrieben hat, ist aus vielen Gründen zum Stein des Anstosses geworden. Gewerkschaften fürchten einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen und schlechtere Arbeitsbedingungen, Umweltorganisationen kritisieren die umwelt- und artenschädigende Streitschlichtung der WTO, Verbraucherschutzverbände sehen die Rechte der Konsumenten gefährdet, Bauernverbände aus Europa bangen um ihre Subventionen und Regierungen der Entwicklungsländer sowie Dritte-Welt-Gruppen konstatieren ein weiteres Auseinanderdriften zwischen Nord und Süd durch die Politik der WTO.

Das Primat der Ökonomie

Bisher haben die Entscheidungen der WTO diese Kritik weitgehend bestätigt. Seit 1995 legt sie als einzige international anerkannte Vertragsinstitution die Regeln im Welthandel fest. Neben dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, zuständig für den internationalen Finanzsektor, ist die WTO die dritte supranationale Institution mit entscheidendem Einfluss, die eng mit den beiden anderen kooperiert. Ihre Entscheidungen sind für das ökonomische Geschehen auf dem Globus von einschneidender Bedeutung: zwischen den 140 Mitgliedsstaaten werden neunzig Prozent des Welthandels abgewickelt.

Entsprechend der drei WTO-Säulen gibt es jeweils einen Rat für Waren, Dienstleistungen und geistiges Eigentum. In allen Bereichen gilt das Prinzip der "Meistbegünstigung", wonach alle handelspolitischen Zugeständnisse, die zwei Mitgliedsstaaten einander machen, automatisch auch gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten gelten. Einzige Ausnahmen sind Freihandels- und Sonderwirtschaftszonen wie etwa die EU und die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA, die ihre interne Handelspolitik selbstständig bestimmen können.

Das Primat der Ökonomie ist unantastbar: Die Bestimmungen zur gegenseitigen Handelserleichterung in der WTO schließen auch Sonderzölle und -behandlungen aus politischen Gründen aus. Gemäß dieser sogenannten "Nichtdiskriminierung" wären die handelspolitischen Boykotte gegenüber dem Apartheidsregime in Südafrika nicht WTO-konform gewesen.

Sozialarbeiter als WTO-Chef

Die Biographie des neuen Generaldirektors, der die WTO-Behörde mit ihren 500 MitarbeiterInnen in Genf leitet und von der mindestens alle zwei Jahre tagenden Ministerkonferenz gewählt wird, liest sich wie ein Zugeständnis an die Kritik aus den Entwicklungsländern und von Nichtregierungsorganisationen. Als ehemaliger Sozialarbeiter und Gewerkschaftsfunktionär scheint WTO-Direktor Michael Moore nicht den neoliberalen Klischees zu entsprechen. Mit dem Neuseeländer steht erstmals ein Nicht-Europäer an der Spitze der Welthandelsorganisation. Seine erste Rede als Direktor hielt er im September 1999 in Marrakesch. Das Publikum stellten dort nicht etwa Vertreter der Triadenmächte, sondern er sprach als erster WTO-Direktor auf einem Treffen der Gruppe der 77, einem Zusammenschluß von Ländern aus der Dritten Welt, die sich als gemeinsame Interessenvertretung gegenüber den Industrienationen verstehen. "Die WTO ist eine Familie, in der jedes Mitglied seinen gleichberechtigten Platz am Tisch hat", ließ er seine Zuhörer wissen.

Tatsächlich funktioniert die WTO formal nach dem Prinzip "ein Land, eine Stimme" — mit Ausnahme der EU, deren Stimmen in der Hand des EU-Aussenhandelskommissars Pascal Lamy gebündelt sind. Das unterscheidet die WTO von einer Institution wie dem IWF, wo die Stimmenanteile nach den finanziellen Einlagen gemessen werden. Den Entwicklungs- und Schwellenländern kommt deshalb eine besondere Rolle zu. Ihre kollektive Abwehrhaltung gegenüber der Politik der Quad-Gruppe (USA, Kanada, Japan und EU) in der WTO hatte die letzte Ministerkonferenz in Seattle zum Scheitern gebracht. Zuvor war es der Quad-Gruppe immer wieder gelungen, ihren Informationsvorsprung, den sie dank ihrer kostspieligen Beraterstäbe hat, für sich auszunutzen.

Nun stehen die Forderungen der Entwicklungsländer zumindest bei den öffentlichen Verlautbarungen der WTO an erster Stelle. Die Regierungen der Entwicklungsländer kritisieren mehrheitlich nicht die Liberalisierung des Weltmarktes, sondern fordern vielmehr ihre konsequente Umsetzung, z.B. die Eliminierung von Importquoten in der Textilindustrie und die Beseitigung von Subventionen in der Agrarwirtschaft. Ihre Kritik richtet sich gegen ein Handelssystem, das der Quad-Gruppe einen mehr oder weniger versteckten Protektionismus durch eine Reihe allgemein formulierter Ausnahmeklauseln zugesteht, der in den Entwicklungs- und Schwellenländern aber mittels des WTO-Schiedsgerichts sanktioniert wird.

Auch das Schiedsgericht selbst, der "Dispute Settlement Body" (DSB) und die Berufungsinstanz (appelate body), sind so strukturiert, daß die Länder der Dritten Welt keine Möglichkeit haben, ihre Interessen gegenüber der Quad-Gruppe durchzusetzen. Vergeltungsmaßnahmen für ein Land, dass ein Schiedsurteil des DSB nicht umsetzt, sind nur für den Kläger möglich. Die Sanktionsmöglichkeiten eines Landes aus der Dritten Welt haben aber wegen des irrelevanten Vergeltungspotentials kaum eine abschreckende Wirkung auf die USA oder die EU.

Definitiver Fahrplan

Seit der Tagung des World Economic Forum im Januar, einem Stelldichein der maßgeblichen Entscheidungsträger auch der WTO, gibt es wieder einen definitiven Fahrplan für die Welthandelsorganisation: Die nächste Ministerkonferenz wird Anfang November im Katar stattfinden. In diesem Kleinstaat am persischen Golf sind politische Demonstrationen verboten und nur einige Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die dort einen Alternativgipfel planen, werden ein Einreisevisum erhalten.

Doch auch die Vorbereitungen des offiziellen Gipfels stehen auf wackeligen Füssen. International agierende Konzerne machen erheblichen Druck für ein Investitionsschutzabkommen in der WTO, um eine Sicherung ihrer Auslandsinvestitionen zu erhalten. Dazu zählt etwa die Enteignung von Privateigentum. Dies widerstrebt jedoch vielen Regierungen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die trotz der Bemühungen, die sich vor allem die EU um ihre Gunst macht, nach wie vor einer neuen und erweiterten Verhandlungsrunde kritisch gegenüberstehen.

Die ehemaligen Generaldirektoren der WTO und ihrer Vorläuferorganisation GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), Renato Ruggiero, Peter Sutherland und Arthur Dunkel, sehen sogar das gesamte Welthandelssystem in Gefahr. Ursache dafür seien die handelspolitischen Spannungen zwischen der EU und USA, vor allem im Agrarhandel und der Steuerpolitik, die zunehmende Fragmentierung des globalen Handelssystems durch regionale und bilaterale Handelsabkommen und die Zweifel an der Arbeit internationaler Institutionen, die seit dem gescheiterten Gipfel von Seattle beständig zunehmen würden. ?W

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