KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS
Transnationale Konzerne

Wettlauf um die ersten Plätze

Transnationale Konzerne sind zu wesentlichen Akteuren der weltweiten Deregulierung avanciert. Ihre finanzielle Potenz übertrifft jene vieler Nationalstaaten. Serie: Neoliberalismus und Freihandel, Teil 2.

Von Gerhard Klas

 

Transnationale Konzerne (TNCs), während des Kalten Krieges oftmals noch Trittbrettfahrer der Politik, sind heute zu wesentlichen Akteuren der weltweiten Deregulierung avanciert. Mittels intensiver Lobbypolitik ihrer Interessenverbände und wirtschaftlichen Drucks auf Nationalökonomien bestimmen sie die Entscheidungen von Regierungen und supranationalen Wirtschaftszusammenschlüssen.

TNCs sind "in mehreren Geschäftsbereichen — eingeschlossen Handel, Vertrieb, Herstellung, Forschung und Entwicklung — außerhalb ihres Heimatlandes involviert und stützen sich finanziell auf Unternehmen in zwei oder mehr Ländern; Entscheidungen des Managements basieren auf regionalen und globalen Alternativen". Dieser Definition entsprechen gemäß des "World Investment Reports 1997" der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) über 45.000 Konzerne mit 280.000 ausländischen Tochterunternehmen. 1970 betrug die Zahl der TNCs gerade einmal 7.000. Die Mehrzahl der Unternehmen hat ihren Sitz in den USA, der EU oder in Japan — den Triademächten. Mittlerweile stammen 7.900 TNCs aus den Ländern des Südens. Zu den führenden hundert TNCs hat es jedoch nur einer außerhalb der Triade geschafft: der südkoreanische Konzern Daewoo.

Die finanzielle Potenz der TNCs übertrifft jene vieler Nationalstaaten. Bei einem Vergleich der hundert stärksten ökonomischen Strukturen fällt auf, daß 51 TNCs und nur 49 Nationalstaaten das Rennen machen. Laut Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen übertrifft der Konzernumsatz von General Motors das Bruttoinlandsprodukt von Dänemark, Ford führt vor Südafrika; Toyota, Exxon und Shell teilen sich die Ränge vor Norwegen und Portugal.

Das Universum der TNCs ist nicht nur groß, sondern auch hochgradig konzentriert. Über die Hälfte der Umsätze der Top 200 stammen aus nur fünf wirtschaftlichen Bereichen: Handel, Automobile, Bankwesen, Einzelhandel und Elektronik. Bei Autos kommt auf die fünf größten Firmen fast 60 Prozent des weltweiten Umsatzes. Ebenfalls fünf Firmen teilen sich über die Hälfte des Weltumsatzes bei der Elektronik.

So liegt es z.B. bei einem von der UNCTAD geschätzten Auslandsvermögen der Siemens AG von knapp 50 Millarden US-Dollar auf der Hand, daß Investitionsentscheidungen des Konzerns weitreichende Folgen für die Volkswirtschaft eines Gastlandes und ihre Bevölkerung haben können.

Kampf der Giganten

Im globalen Konkurrenzkampf werden nur wenige produkt- und branchenbeherrschende Giganten überleben. Der High-Tech-Konzern Siemens will mit dazugehören. "Grundsätzlich schrumpft die Zahl der ‘Global Players’ eher; denn in der Regel verträgt ein Arbeitsfeld langfristig nur fünf bis sechs Wettbewerber mit eigener Systementwicklung", erklärt Siemens-Vorstandssprecher Heinrich von Pierer. Im Hinblick auf den verschärften Wettbewerb will der Konzern nur dann ein Geschäftsfeld weiterführen, wenn er mittelfristig darin weltweit Platz eins oder zwei einnehmen kann. Nach Ansicht des Siemens-Finanzchefs ist nur in dieser Position ausreichend Gewinn zu erzielen. Deshalb will sich Siemens, wie andere Großkonzerne auch, durch eine entsprechende "Portfolio-Strategie" auf Kerngeschäfte konzentrieren. Das heißt, daß mit gezielten Zukäufen eine monopolartige Marktposition eingenommen werden soll. Geschäftsbereiche, die dieses Kalkül stören, stoßen die Konzerne rigoros ab.

So hat Siemens in den Jahren 1996 und 1997 sieben Geschäftsfelder mit einem Umsatzvolumen von 5,7 Milliarden Mark verkauft, darunter angestammte wie die gesamte Rüstungselektronik mit 3.800 Beschäftigten. Dafür übernahm der Konzern vom bisherigen Konkurrenten, der US-amerikanischen Firma Westinghouse, die konventionelle Kraftwerkssparte für 2,6 Milliarden Mark und rückte damit in der weltweiten Rangliste von Platz drei auf zwei. "Produzierende TNCs, besonders in der Elektronik und der Transportausrüstung, haben seit den späten 80er Jahren globale integrierte Produktionsnetzwerke aufgebaut, um maximale Effizienz zu erzielen", analysiert die UNCTAD in ihrem "World Investment Report 1996". Diese "betriebswirtschaftliche Globalisierung" innerhalb eines Konzerns löst die internationale Arbeitsteilung ab, die zuvor in mehr oder weniger abgeschotteten Nationalökonomien vollzogen wurde. Leo Mayer, Mitarbeiter des Vereins für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung in München (isw), spricht in diesem Zusammenhang "von einer neuen Phase im historischen Prozeß der Internationalisierung des Kapitalismus".

Betriebswirtschaftliche Globalisierung

Am Beispiel der Siemens AG beschreibt Mayer die Dimension der "betriebswirtschaftlichen Globalisierung". 1997 waren bei Siemens erstmals mehr als die Hälfte der Belegschaft in ausländischen Konzernbetrieben beschäftigt. Sie arbeiten in über 300 Fertigungsstätten außerhalb Deutschlands, die in 120 Ländern angesiedelt sind. Allein 50.000 Menschen beschäftigt Siemens in US-amerikanischen Betrieben, im asiatischen Raum sind es 45.000, die in den Tochtergesellschaften des Konzerns ihre Haut zu Markte tragen.

Der Geschäftsführer der Siemens Components Singapur nennt in einer Konzernzeitung als Gründe für den Aufbau einer Chipfertigung in Singapur "die Infrastruktur der Telekommunikation, die Energie und Wasserversorgung sowie das Transportwesen, die hervorragend funktionieren". Darüber hinaus verfüge Singapur über ein sehr gutes Bildungswesen, daß Fachkräfte in einem Maß zur Verfügung stelle, "wie man es sonst nur in hochentwickelten Industrieländern findet". Dem diktatorisch regierten Stadtstaat attestiert der Geschäftsführer "politische Stabilität", derzufolge "wir auch keinerlei Sorge haben", daß sich an den günstigen Bedingungen "Entscheidendes ändern wird". "Hier sind wir in der Lage, unseren Betrieb 365 Tage jeweils 24 Stunden laufen zu lassen", lobt er die Produktionsbedingungen. Die größte Einsparung ergebe sich jedoch aus den "deutlich niedrigeren Personalkosten". Alles in allem würden die Fertigungskosten für Siemens in Singapur um 40 Prozent niedriger liegen als in Deutschland. Mit den europäischen Siemens-Fabriken im österreichischen Villach und im bayrischen Regensburg ist die Chipproduktionsstätte in Singapur via "Datenleitungen zu einem durchgehenden System der Fertigungssteuerung und -überwachung vernetzt", erklärt der Geschäftsführer. Außerdem sei der Flughafen in Singapur "dermaßen exzellent" organisiert, daß "man davon ausgehen kann, daß alles, was um 16 Uhr das Endfließband verläßt, am nächsten Tag um 10 Uhr in unserem Distributionslager in Fürth liegt."

Verstreut über die ganze Welt verbinden TNCs in konzerninternen Netzwerken die technologischen Vorteile mit Niedriglohn in auswärtigen Standorten. Zulieferung und Produduktion organisieren sie über verschiedene Tochterunternehmen in der ganzen Welt. Die weltweit 73 Millionen Beschäftigten der TNCs (Stand 1995) stehen also in einem weltweiten und unmittelbaren Kooperations- und Konkurrenzverhältnis, daß für sie allerdings nur schwer zu durchschauen ist. Dabei wäre auch hier eine internationale Organisierung von Nöten, denn gerade die hundert größten TNCs stehen an der Spitze der "Job-Killer". Zwischen 1993 und 1995 feuerten sie vier Prozent ihrer Belegschaft, während ihr Auslandsumsatz im selben Zeitraum um 26 Prozent stieg, so ein UNCTAD-Bericht.

European Roundtable of Industrialists (ERT)

Den expansionswütigen TNCs reichen die bestehenden Produktionszonen in Singapur, China und Mexiko aber längst nicht aus. Mittels ihrer Interessenverbände betreiben sie in der Welthandelsorganisation WTO, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Europäischen Kommission, den Nationalregierungen der G-7-Staaten und sogar in der UNO penetrante Lobbypolitik.

"Die Industrie kennt die Lösungen" behauptet etwa der "Europäische Runde Tisch der Industriellen" (ERT), der einflußreichste Lobbyverband der TNCs auf europäischer Ebene, in seiner bereits 1993 erschienenen Denkschrift "Beating the crisis". Die Aufgabe der Politik sei es, diesen Lösungen den Weg zu bereiten, führt der ERT weiter aus.

In ihrer 1997 veröffentlichten Studie "A Stimulus to Job Creation" beschreiben die Konzernchefs ihre Vorstellungen von Regierungsverantwortung: "Auf höchster Ebene (der EU, Anm. des Autors) ist es ihre Aufgabe, für ein makroökonomisches Umfeld zu sorgen, das günstigste Bedingungen für Unternehmen jeder Größe schafft. Das beinhaltet stabile Wirtschaftsbedingungen, stabile Wechselkurse und die vollständige Entwicklung des europäischen Binnenmarktes, einschließlich steuerlichen und finanziellen Bedingungen, die den Unternehmen entgegenkommen."

Der ERT pflegt regelmäßige Kontakte zu den Regierungsvertretern im EU-Ministerrat und vor allem zur Europäischen Kommission. Studien und Politikrichtlinien publiziert ERT häufig unmittelbar vor Konsultationsgesprächen und EU-Gipfeln. In einem bereits 1984 veröffentlichten Papier "Missing Links" und seinen Nachfolgepublikationen nahm der ERT etwa die verkehrpolitischen Entscheidungen der EU vorweg. Mit dem Trans-European-Networks (TENs) lieferte ERT den Grundriß für den Ausbau des Verkehrsinfrastrukturnetzes in der EU. Die EU-Gremien haben weitgehend den im Grundriß formulierten Vorstellungen entsprochen.

Insgesamt unterhält der ERT 11 ständige Arbeitsgruppen zu einzelnen Schwerpunktthemen. Eine Arbeitsgruppe zum Bildungsbereich arbeitete gemeinsam mit der Europäischen Rektorenkonferenz (CRE) eine Denkschrift zum "lebenslangen Lernen" aus. Nachdem ERT und CRE erfolgreich bei Kommission und Ministerrat interveniert hatten, gipfelte ihre Initiative sogar im "Europäischen Jahr des lebenslangen Lernens 1996". "Der auf zahlreichen europaweiten Konferenzen an nationale Bildungspolitiker herangetragene neoliberale Bildungsansatz versteht ‘lebenslanges Lernen’ nicht (…) als lebenslangen Zugang zu Bildungseinrichtungen, sondern betont die ‘Verantwortung des Individuums, sich selbst beschäftigbar zu halten’", so der grüne Europarlamentarier Schneider. Seit vielen Jahren ist der ERT zudem an den Bemühungen zur Liberalisierung des Investitionssektors beteiligt. Er unterstützt das MAI, sitzt mit im wirtschaftlichen Beirat der OECD, und befürwortet, genauso wie die Kommission, eine Vereinbarung innerhalb der WTO. Im Rahmen der Ministerkonferenz der WTO in Genf insistierte der ERT für einen Beschluß in Richtung Investitionsschutzabkommen. Bei seinem Bemühen, Staaten zum Vergleich ihrer Investitionsklimata zu ermutigen und in Richtung einer Deregulierung zu wirken (sog. "benchmarking"), begrüßt der ERT ausdrücklich die Konvergenzkriterien zur Europäischen Währungsunion. "Die Maastricht-Kriterien haben einen enormen Druck auf jedes Land in der EU ausgeübt, sogar auf die, die nicht beabsichtigen, an der Währungsunion teilzunehmen. (…) Eine höchst außerordentliche Finanzreform ist überall in Europa durchgeführt worden. Das ist das Ergebnis der Maastricht-Kriterien. Das wichtigste ist nun, diesen Druck aufrecht zu erhalten. Italien wird innerhalb von zwei Jahren mehr Reformen erleben, als in den letzten 20 Jahren", triumphierte ein Sprecher des ERT im Februar 1997.

Nächste Folge: Widerstandsperspektiven

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