KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Entfesselte Globalisierung

Globale Ent-Fesselung

Mit Hilfe von Mythen wird insinuiert, die kapitalen Interessen der Menschen seien ident mit den Interessen des Kapitals.

Von Manfred Bauer

Am vergangenen Sonntag ist die dritte UN-Armutskonferenz zu Ende gegangen. Ihre mehr als dürftige Ausbeute, die sich in Wahrheit als Ausbeutung mit geänderten Mitteln darstellt: Die Entwicklungs- und Schwellenländer sollen sich ab sofort aussuchen dürfen, von welchen Staaten sie künftighin Waren oder Dienstleistungen beziehen; dies garantiere eine "effizientere Mittelverwendung", wie es im vorläufigen Abschlussmemorandum zur Konferenz heißt.

Von wegen Dienstleistungen aussuchen! Wenn das internationale Finanzkapital beschließt, zum Beispiel gegen die Währung eines Schwellenlandes zu spekulieren, weil es sich durch eine kurzfristige Devisentransaktion ein höheres Maß an Kapitalakkumulation verspricht als davon, Aktien eines internationalen Gemeinschaftsunternehmens zum Bau eines Staudammes zu zeichnen, dann werden keine supranationalen Organisationen und schon gar nicht die UNO verhindern können, dass sich das entfesselte Finanzkapital keinen Deut um eine "effizientere Mittelverwendung" in einem Entwicklungsland schert und es einmal mehr eine Seifenblasen-Ökonomie produziert. Eine Seifenblasen-Ökonomie, die etwa das Zinsniveau für globale Anleger hinaufschraubt, während sich das Investitionsklima für realwirtschaftliche Geschäfte massiv verschlechtert (der ökonomische Crash und die politische Destabilisierung in Indonesien entstanden im Gefolge einer solchen Seifenblasen-Ökonomie). Die Interessen des globalen Finanzkapitals haben sich auf dieser UN-Konferenz einmal mehr durchgesetzt und sind bereits tiefer in sämtliche Nationalstaaten verstrickt, als dies konservative oder neoliberale Politiker zuzugeben bereit sind. Staaten, die versuchen, sich aus der weltweiten Umklammerung des Kapitals zu befreien, werden mit Sanktionen gezwungen, im Würgegriff neoliberaler Wirtschafts- und Sozialpolitik zu verharren. Supranationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank oder die Welthandelsorganisation zerstören vor allem in den Trikont-Staaten (Asien, Lateinamerika und Asien) soziale und wirtschaftliche Strukturen, indem sie vorgeben, diese Strukturen zu reformieren. Die Öffnung der Märkte weniger für Produkte aus den entwickelten Ländern und mehr für spekulatives Kapital aus den Off-Shore-Zentren und eine massive Umverteilung von unten nach oben werden von den supranationalen Institutionen mit einem Achselzucken hingenommen. Politik und sozialpolitischer Diskurs haben diese Entwicklung bislang nur unzureichend zur Kenntnis genommen. Die Entgrenzung der Ökonomie hat Wachstumsbedingungen geschaffen, die zunehmend nationale und internationale soziale und ökologische Kosten verursachen. Selbst die Handlungsmöglichkeiten der nationalen Sozialstaaten der vermögenden Hemisphäre reichen immer weniger aus, um die bei ihnen verbleibenden Prozesse und Ergebnisse sozialräumlicher Segregation aufzufangen und zu gestalten, gegebenenfalls aufzuheben. Eine übernationale Handlungsebene für die Lösung dieser Probleme ist nicht vorhanden, wo sie modelliert wurde, dort dominieren die VertreterInnen der Risikogesellschaft, wie das von den EZB-Interessen unterminierte EU-Regime beweist.

Als Folge der entfesselten Globalisierung entsteht auch innerhalb der sozialstaatlich flankierten Wirtschaftszentren ein neues und immer größer werdendes Armutspotential, das nicht trotz, sondern als Folge allgemeiner Wohlstandsmehrung letztlich ausgegrenzt wird. Wiewohl heute mehr denn je Armut in weltweiten wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen begründet ist, tritt sie nach wie vor besonders auf der nationalen und regionalen Ebene in Erscheinung: Hier laufen die entscheidenden sozialen Prozesse ab, hier versucht Politik, mit dem Problem umzugehen oder das Problem schlicht zu umgehen. Obwohl in globalen Zusammenhängen stehend, ist die Bearbeitung von Armut auf eine weitgehend nationale Ebene festgelegt, gleichzeitig aber in ihrer gesamten Politik von globalen Rahmenbedingungen abhängiger denn je.

Dabei hat das globale neoliberale Paradigma auf nationalstaatlicher Ebene eine neue Qualität staatsmonopolistischer Politik hervorgebracht. Sie ist charakterisiert durch die Außösung sozialer Sicherungssysteme, die radikale Privatisierung öffentlichen Eigentums und eine massive Rücknahme staatlicher Regulierungsmaßnahmen. Mit dieser Entwicklung erfolgt Hand in Hand eine massive Þskalpolitische Entlastungsoffensive für das Kapital und damit eine stete Umverteilung des Einkommens von unten nach oben.

Der antisoziale Kurs als Mechanismus zur Konstruktion sozialer und politischer Hegemonie bedient sich in der argumentativen Verbreitung vielfach Mythen (z.B. der österreichische Mythos vom NulldeÞzit) und Codes ("keine Schulden für unsere Kinder"), die insinuieren, die kapitalen Interessen der Menschen seien mit den Interessen des Kapitals ident: Geht es den Unternehmen gut, geht es auch denen gut, die darin arbeiten. Werden die Reichen reicher, werden auch die weniger Reichen ein wenig reicher. Der Shareholder-Value transformiert zur Wertikone, der sich alle anderen Werte unterzuordnen haben, bis sie schließlich zur Wertlosigkeit verkümmern. Die neoliberale Propaganda funktioniert optimal — auf nationaler und internationaler Ebene.

Internationale Netzwerke und Projektinitiativen, die diese Zusammenhänge empirisch und theoretisch untersuchen und in den politischen Diskurs stellen, orientieren daher zunehmend auf sozial- und steuerpolitische Gegenentwürfe, die globale Steuerungsmaßnahmen mit nationalen verzahnen. Die von belgischen Parlamentariern jüngst geforderte TeilÞnanzierung der Mindestsicherung über die Fiskaleinnahmen aus der Tobin Tax geht z.B. von der Überlegung aus, auf internationaler Ebene eine Stabilisierung der Wechselkurse zu erreichen, um die Realökonomie der nationalen Volkswirtschaften wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Mit den Einnahmen aus der Devisenumsatzsteuer ließen sich sowohl internationale als auch nationale sozialpolitische Projekte Þnanzieren. Eine vertiefte Stabilität der internationalen Realwirtschaft würde überdies weiteres Potential für eine weltweite Armutsbekämpfung — auch in den so genannten reichen Ländern — eröffnen.

In diesem Zusammenhang fordern etwa die Österreichische Armutskonferenz und ihr angeschlossene Projektgruppen eine neue Qualität wirtschaftlicher Demokratie mit einer Verzahnung nationaler und internationaler Elemente: "Sonst schaffen wir vielleicht eine andere Regulation des Kapitalismus im Norden und damit vielleicht eine gerechtere Verteilung im Norden. Aber: Eine gerechte Verteilung macht nur Sinn, wenn das, was zur Verteilung ansteht, auch auf anständige Weise zustande gekommen ist."

Bei all diesen Überlegungen geht es schließlich um einen verschärften Blick auf den potenziellen Reichtum und darauf, dass einer entfesselten Globalisierung die Dimension der globalen Ent-Fesselung immanent ist: Dann nämlich, wenn globale und nationale Sachzwänge und Schranken als politisch überwindbar erkannt werden.

Aktuelles:


KPÖ Oberösterreich: Jetzt Unterstützungserklärung unterschreiben!
(14.7.2021)

...mehr


Die Europäische Linke fordert einmal mehr das Ende der Blockade gegen Kuba
(13.7.2021)

...mehr


Die neue Juli Volksstimme 2021 ist da!
(13.7.2021)

...mehr


KPÖ Graz: Unsere Kandidatinnen und Kandidaten für Graz
(10.7.2021)

...mehr


38. Parteitag der KPÖ: In der ältesten Partei Österreichs übernehmen Junge das Ruder
(21.6.2021)

...mehr

Volksstimme - Politik & Kultur - Zwischenrufe links