KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Idiotische Idee?

Die Asienkrise wird inzwischen auch vor dem Hintergrund systemischer Risiken der entfesselten Finanzmärkte analysiert.

Von Manfred Bauer

James Tobin, US-Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften von 1981, schlug 1972 unter dem Eindruck des Zusammenbruchs des Bretton Wood-Systems der fixen Wechselkurse vor, "etwas Sand ins Getriebe" der deregulierten Finanzwirtschaft zu streuen. Denn ein zentrales Problem des globalen Marktes sei die Geschwindigkeit, mit der Kapital transferiert werde. Er warnte: "Güter und Arbeit reagieren sehr viel langsamer auf internationale Preissignale als flüssige Mittel. Die Preise auf Güter- und Arbeitsmärkten verändern sich sehr viel langsamer in Reaktion auf Angebots- oder Nachfrageüberhänge als die Preise für Finanzaktiva einschließlich der Wechselkurse."

Schnelle Gewinne

Durch die langsame Preisbildung im grenzüberschreitenden Güterhandel können ständig sogenannte "Arbitragegewinne" erzielt werden. Das sind Gewinne aufgrund kurzfristiger Zins- und Wechselkursschwankungen zwischen verschiedenen Ländern. Geldkapital ßießt nicht dorthin, wo es zur Investition gebraucht wird, sondern in Quellen, die schnellen Gewinn garantieren.

Die Tobin-Steuer, also eine Umsatzsteuer auf grenzüberschreitende Geldgeschäfte (Devisentransaktionen), würde die kurzfristigen und spekulativen Devisentransaktionen der globalen Finanzspekulanten verringern und für eine größere Stabilität im internationalen Währungsregime sorgen. Überdies würde die Tobin-Steuer eine eigenständige Zinspolitik ermöglichen, weil nicht jede kleinste Zinsdifferenz dazu einladen würde, die Währung zu wechseln. Bei einem Steuersatz von 0,1 Prozent und einem erwarteten Rückgang der Umsätze auf den Devisenmärkten um 50 Prozent kämen jährliche Einnahmen von 250 Milliarden Dollar zustande. Zur Bekämpfung der primären Armut und der gravierendsten Umweltschäden wären laut UNO jährlich 225 Milliarden Dollar nötig.

1995, unter dem Eindruck der Mexikokrise, wurde die Idee Tobins von MitarbeiterInnen des UN-Entwicklungsprogramms aufgegriffen, wobei zunächst nicht so sehr die finanzpolitische Lenkungsfunktion, sondern der Ertrag der Steuer und dessen Verwendung im Mittelpunkt der Überlegungen stand. Die Krisen in Südostasien, in Russland und in Brasilien und der spektakuläre Zusammenbruch des US-Hedgefonds LTCM machte einer breiten globalen Öffentlichkeit die massiven Risiken deutlich, die die Volatilität und Instabilität deregulierter Finanzmärkte mit sich bringen. Seither gibt es einen starken zivilgesellschaftlichen Diskurs auf globaler Ebene um eine neue internationale Finanzarchitektur mit re-regulierten, anti-neoliberalen Rahmenbedingungen.

Systemische Risiken entfesselter Finanzmärkte

1999 wurde dann auf Vorschlag der G7 ein "Forum für Finanzmarktstabilität" gegründet, das Vorschläge für eine Reform des internationalen Finanzsystems erarbeiten soll. Im ersten Zwischenbericht, datiert mit April 2000, sind implizit auch selbstkritische Einsichten des globalen finanzpolitischen Mainstreams zu entdecken. So wird etwa die Asienkrise, wofür zuvor noch in typisch neoliberaler Manier "schwache Aufsichtsbehörden" verantwortlich gemacht wurden, inzwischen auch vor dem Hintergrund systemischer Risiken der entfesselten internationalen Finanzmärkte und ihrer Spekulanten analysiert. Kurzfristige Kapitalströme, Ausdruck und Wesen des globalen Kasinokapitalismus, werden etwa als "massives Stabilitätsrisiko" interpretiert. Gleichzeitig werden neue nationale und internationale Netzwerke begründet, bestehend aus PolitikerInnen, Angehörigen der Zivilgesellschaft und Personen aus dem wissenschaftlichen Milieu, die sich für eine der Tobin-Steuer ähnliche Devisenumsatzsteuer einsetzen:

ParlamentarierInnen Frankreichs, Belgiens und Kanadas befürworten eine Devisenumsatzsteuer, die PDS und die Grünen in Deutschland haben diesbezügliche parlamentarische Initiativen gestartet, im Europaparlament ist ein Antrag zur Unterstützung der Tobin Tax im Jänner 2000 mit nur vier Stimmen Mehrheit abgelehnt worden, der indische Ministerpräsident Vajpayee hat sich für eine Gebühr auf Kapitalßüsse zwischen Industrieländern und auf Gewinntransfers aus Entwicklungsländern ausgesprochen und die finnische Regierung unterstützt ebenfalls die Besteuerung von Devisentransaktionen. Globaler Motor außerparlamentarischer Initiativen und Netzwerkprojekte für eine Stabilisierung der Finanzmärkte im Interesse der Menschen und für eine sozial gerechte und umweltverträgliche Entwicklung ist die 1998 in Frankreich gegründete Organisation ATTAC. Ihr haben sich weltweit bereits zahlreiche Initiativen angeschlossen.

"Idiotische Idee"

Massiver Widerstand gegen die Tobin Tax hingegen kommt aus den USA, weil gerade dort die massivsten Interessen an einer destabilisierten Finanzwelt im Spiel sind. ExpertInnen haben berechnet, dass alleine die US-Fonds bei Einführung der Tobin Tax Renditen in zweistelliger Milliardenhöhe verlieren würden. Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger von 1999, Robert Mundell, bezeichnet sie aggressiv als "idiotische Idee". Von George Bush jr., berüchtigt für sein präzises Vokabular, sind bis dato noch keine diesbezüglichen Kommentare überliefert. Die seltenen Signale aus dem politischen Establishment der USA, die diesbezüglich Hoffnung aufkeimen ließen, verhallten mit der neuen Ausrichtung ihrer Sender: Clintons Finanzminister Lawrence Summers etwa plädierte jahrelang für die Einführung einer Tobin-Steuer. Bis er Finanzminister wurde.

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