KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS
WEF-Widerstand Salzburg/Reportage

Der Widerstand geht vom Volksheim au


Ganz Salzburg war vergangenes Wochenende im Ausnahmezustand. Anlässlich der WEF-Tagung wurde der Ernstfall geprobt: Wieviel Kontrolle und Polizeiwillkür lassen sich die Menschen gefallen? Wer leistet Widerstand?
Von Martin Wachter

Die Festung Hohensalzburg wird tausendfach per Ansichtskarte in die ganze Welt verschickt. Wenn sich Milliardäre als Vertreter von Microsoft, Shell, Nike, McDonald?s, Daimler Chrysler, Siemens und Co. im Namen des World Economic Forums (WEF) in der Mozartstadt ein Stelldichein geben, ist?s vorbei mit der Mozartkugelidylle. Dann herrscht am Fuße der Festung eine Woche lang Ausnahmezustand. Die Einheimischen verstehen die Welt nicht, und für TouristInnen ist der Salzburg-Besuch für die Katz.
Die Festspielstadt an der Salzach darf von Schüssel und Haiders Gnaden und durch eifrige Mithilfe der ?Kronen-Zeitung?, von ?News? und anderen Einheitsmedien nicht Chicago werden. Die Bundesregierung probt mit Strassers Heerschar Zustände wie im nordirischen Belfast. Sie wollen aus Österreich ein Musterland der internationalen Staaten- und globalen Konzerngemeinschaft machen. Nach ihren Vorstellungen ist dann Schluss mit lustig. Demokratische Rechte werden eingeschränkt oder vorübergehend ausgesetzt.

Terrorkontrolle und Hubschraubereinsatz

Auf wenig Gegenliebe stieß die Absperrung der Stadt rund um das Kongresszentrum bei den Eingeborenen. ?Ich kann eine ganze Woche mein Kaffeehaus zusperrn. Für den finanziellen Totalschaden in dieser Zeit kann ich mich beim Salzamt beschweren?, ärgert sich Hans, der Kaffeesieder, der bei einem Kollegen außerhalb des Sperrbezirks sein unfreiwilliges Exil an der Bar verbringt. Werner, der Familienvater, erzählt von seinem achtjährigen enttäuschten Filius, dem seine Eisgelüste durch Polizeigewalt vermiest wurden. Besondere Erzürnung ruft der nächtliche Hubschraubereinsatz hervor. Den MozartstädterInnen wurde der Schlaf geraubt, weil die lärmende Stahllibelle im Tiefflug an ihren Fenstern vorbeidonnerte. Nach heftigen Protesten wurden die Nacht- und Morgenflüge reduziert.
?Wenn jetzt in Salzburg eine Bürgerinitiative mit einer Volksbefragung gegen die Abhaltung von Internationalen Kongressen und gegen die damit verbundenen Polizeimaßnahmen aktiv würde, hätten sie 80 Prozent der Bevölkerung hinter sich?, analysiert Andy die Lage. Er freut sich über das Chaos, welches bei den aus ganz Österreich herbeigekarrten Polizeibeamten herrscht. Zuerst hat er versucht, mit den ?Ordnungshütern? zu reden. Das brachte nur Scherereien. Danach hielt er den Polizisten seinen Städtischen Bücherei-Ausweis unter die Nase, und nannte eine x-beliebige Straße in der Stadt. Das half ihm weiter.
Eine Busfahrt durch die Stadt wäre reif für einen Hollywood-Bürgerkriegsthriller über Beirut oder Belfast. Ein Wagen der Linie 55 kreuzt Sonntag morgens um 10 Uhr im Zickzackkurs die City. Hunderte schwerbewaffnete Polizeibeamte stehen Spalier. Der öffentliche Stadtbus wird gestoppt. Polizisten kontrollieren die Fahrgäste. Alle nicht in Salzburg lebenden Passagiere müssen aussteigen. Einer Schülerin wird im forschen Ton kundgetan, warum es jetzt nicht geduldet wird, ohne Ausweis durch die Stadt zu fahren. Die ?Ausländer? werden aufgefordert, sich in einer Reihe aufzustellen. Ein Uniformierter lichtet mit einem Fotoapparat die Gesichter ab. Sein Kollege nimmt deren Personalien auf.
Der Schreiber dieser Zeilen hat zurückgemault, dass er es satt hat, immer 150 bis 200 Schilling für ein Taxi zu zahlen, nur weil er mit dem Bus, auf dem Bahnhof steht, nicht zum Bahnhof fahren kann. Daraufhin wird der Rucksack nicht durchsucht, sondern gleich mitgenommen. Die Rocktascheninhalte samt Geldbörsel werden ebenfalls eingezogen. ?Den Wachter lasst?s mit dem nächsten Bus weiterfahren?, tönte es nach einem Weilchen aus dem Inneren des großen Einsatzwagens. Die Schnüffler von der Bundespolizei hatten im Zetteldurcheinander der Brieftasche den Presseausweis gefunden.

Wo der Widerstand zu Hause ist

Ganz Salzburg ist anno WEF-Tagung unter Kontrolle der von Kanzler Schüssel und Innenminister Strasser beorderten Söldner. Nein, das stimmt nicht. Trotz Belagerungszustand gibt es in der Salzburger Elisabethstraße eine Enklave des Widerstands. Das Volksheim der KPÖ wurde seinem Namen gerecht. Immer wieder formierte sich von diesem Platz aus der Widerstand gegen die Einschränkung der individuellen Bewegungsfreiheit. Dort sammelten sich die TeilnehmerInnen der Demonstrationszüge. Dorthin kehrten die Protestierenden nach getaner Arbeit zurück, weil es ansonsten nur rare Rückzugsgebiete in der Stadt gab.
Edgar Wolf, der ?Hausherr? im Volksheim, hat mit seinen Freunden durch Dauereinsatz und Beharrlichkeit erfolgreich das demokratische Recht auf Widerstand durchgesetzt. Leicht war diese Aufgabe nicht.
?Zwei Monate haben wir mit der Polizeidirektion über die Abwicklung der Demonstration zur WEF-Tagung verhandelt. Das war sehr mühsam. Die Beamten waren bemüht, eine akzeptable Lösung für alle Betroffenen anzupeilen. Doch im entscheidenden Moment fehlte den Sicherheitsverantwortlichen das letzte Quentchen Mut, um Nägel mit Köpfen zu machen. Zwei Demonstrationsrouten wurden abgelehnt. Nach zähen Verhandlungen konnten wir eine Stehkundgebung am Bahnhofsvorplatz, eine Ewigkeit weg vom Hauptschauplatz der Nabelschau der Reichen, erreichen?, schildert der junge Salzburger Bezirkssekretär der KPÖ. Seiner Meinung nach ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die KPÖ mit allen ihren Möglichkeiten den zahlreichen Organisationen in Salzburg eine Bühne des Widerstands anbietet.
?Die kapitalistische Ausbeutung von Mensch und Natur ist die Ursache dafür, dass die halbe Menschheit verarmt ist, hungert und in miserablen Verhältnissen lebt. Das Recht, auf die Straße zu gehen und gegen die Milliardäre im Kongresshaus zu demonstrieren, fordern wir ein. Nicht mehr und nicht weniger?, bekräftigt Edgar sein Engagement.

Rollenspiele, tarnen und täuschen

Sonntag Vormittag. Schnürlregen in Salzburg, der Himmel wolkenverhangen, besonders düster ist er über dem Kongresszentrum. Mittags hört der Regen auf. Vor dem Volksheim stehen sich die Menschen der Kamerateams im Weg. Auch die Polizeivideofilmer dokumentieren die Szene. Dann kommt es bei einigen zur Verwandlung: Aus Menschen mit lachenden Gesichtern werden vermummte Gestalten. Noch mehr Kamerateams, noch mehr Polizisten in grauen Overalls. Mit den schwarzen Schienbeinschützern, Brust- und Rückenpanzern wirken die Einsatzkräfte eher wie ein Schwarm genmanipulierter Maikäfer auf Sommerfrische.
Am Bahnhofsvorplatz hat die Polizei ein kleines Viereck mit Gitterzaun abgegrenzt. Der Platz füllt sich mit ein paar Tausend DemonstrantInnen: AktivistInnen von StudentInnengruppierungen und politischen Jugendorganisationen, KommunistInnen, Ausländervereine, Demokratische Offensive, GewerkschafterInnen, Grüne, Sozialistische Linkspartei und viele andere mehr. Sie haben eines gemeinsam. Sie sind mit einer Welt nach dem Diktat der Konzerne und Banken nicht einverstanden. Flugblätter werden verteilt und gelesen. Die Musik spielt, und der Polizeihubschrauber steht mit lärmendem Getöse 30 Meter über den Köpfen der Versammelten.
Nach dem politischen Teil beginnt nach fünf Uhr das ?Rahmenprogramm?. Die magische Anziehungskraft des Salzburger Kongresszentrums hindert nicht nur die schwarze Wolke am Weiterziehen. Beharrlich versuchen vorneweg die ?Vermummten?, sich einen Zugang in das Sperrgebiet zu verschaffen. Der Rest ist bekannt. Er wird für Bilder in den Fernsehberichten und Schlagzeilen in den Medien sorgen – und für Rechtfertigungen für den größten Polizeieinsatz der 2. Republik. Kurz vor Mitternacht löst sich der Krampf. Am Bahnhofsvorplatz dröhnt noch immer Musik aus den Boxen. Der Mitorganisator der Wiener Donnerstagdemos, Kurto Wendt, verabschiedet die Menge mit den Worten. ?Super, klass, dass ihr alle so lang durchgehalten habt. Das gibt Kraft, das ist Solidarität. Der Widerstand geht weiter.? Da war auch der Himmel gerührt. Es begann wieder zu regnen.

Martin Wachter betreibt mit Freunden die UHUDLA-NetzWerkGenossenschaft, eine linke Internetargentur mit Nachrichtendienst: www.uhudla.at.

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