KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Wiederverstaatlichung in Großbritannien?



75% der britischen Bevölkerung votieren laut einer Untersuchung der Tageszeitung “The Guardian” für die Wiederverstaatlichung der Eisenbahn, die 1996 privatisiert wurde.

Schon unter Margaret Thatcher, der Galionsfigur aller Neoliberalen, war der öffentliche Sektor mit Brachialgewalt demoliert worden. Die Gewerkschaften und vor allem die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – LehrerInnen, KrankenpflegerInnen und SozialarbeiterInnen – wurden als faul, privilegiert und unfähig stigmatisiert. “Mehr Privat, weniger Staat”, lautete das Credo, denn private Firmen würden effizienter und besser arbeiten als staatliche Institutionen. So wurde 1996 unter Thatchers Nachfolgern die staatliche British Rail für ein Butterbrot privatisiert. Die Argumente klingen bekannt: Durch Wettbewerb auf einem freien Markt würden alle profitieren.
Der Großteil des Schienennetzes wurde um 1,9 Mrd. Pfund (50% unter dem Buchwert) an das private Unternehmen Railtrack verkauft. Railtrack betreibt als Monopolist die rund 37.000 Kilometer des Schienennetzes, 2.500 Bahnhöfe sowie Brücken und Signalanlagen. Railtrack wiederum verkauft die Nutzungsrechte für diese Infrastruktur jährlich in Form von Lizenzen an 25 private Zuggesellschaften weiter. Jährliche Einnahmen dabei: rund 3 Mrd. Pfund (ca. 65 Mrd. Schilling). Damit nicht genug: An die 100 Unternehmen, die alle auf Gewinn aus waren, kümmerten sich nun um die Zuginfrastruktur. Denn zu den 25 Bahngesellschaften kamen Frachtgesellschaften und eine Vielzahl weiterer Firmen, die für die Reinigung, Verpflegung, Sicherung, Logistik und andere Dienstleistungen zuständig waren.

Die Folgen der Privatisierung

Eine Fahrt in einem britischen Zug, der, je nach Strecke, einem von 25 Betreibern gehört, ist laut Zeitungskommentatoren und jenen, die es schon persönlich erlebt haben, eine Erfahrung für sich. Überfüllte, veraltete, verdreckte Waggons und Verspätungen strapazieren die Geduld der Bahnfahrenden. Zwischen 1997 und 1998 waren 258.000 Züge stark verspätet, 47.000 wurden ganz annulliert. Und die Preise sind Spitzenklasse im europäischen Vergleich. Während eine Reise zweiter Klasse von Wien nach Krems (80km) 166 Schilling kostet, beträgt der Preis für eine einfache Fahrt zweiter Klasse der vergleichbaren Strecke von Oxford nach London 340 Schilling. Eine Monatsfahrkarte zweiter Klasse für diese Strecke kostet sagenhafte 6.500 Schilling. Zudem steigen die Bahnpreise weit stärker als die Inflationsrate. Preissteigerungen von 20 Prozent sind keine Seltenheit. Selbst das Privatisierungsorgan der österreichischen Neoliberalen, “Die Presse”, muss einbekennen, dass die Tarife “in vielen Fällen bereits die höchsten der Welt” sind.

Die Katastrophe

In London kamen bei einem Zugunglück im Oktober 1999 40 Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Es war nicht das erste schwere Zugunglück. Die aus Kostengründen erfolgten Stellenstreichungen bei den Angestellten verlängerten auch die Arbeitszeiten der Zugführer. Die absoluten Zahlen von Eisenbahnunfällen sind dramatisch angestiegen – von 989 Unfällen im Jahr vor der Privatisierung auf 1.864 im Jahr 1998. 1995/96 gab es dabei 28 Tote, 1997/98 waren es 48. Die Gewerkschaften hatten auch mehrmals – erfolglos – darauf hingewiesen, dass die Sicherheit der Passagiere durch ein veraltetes Sicherheitssystem gefährdet ist. Die schon 1989 ausgesprochene Empfehlung einer Expertenkommission, ein ausfallsicheres computergesteuertes Sicherheitssystem für Züge einzuführen – viele Bahnen in Europa verfügen über dieses Sicherheitssystem -, wurde in den Wind geschlagen. Erfolgreich hat sich die Geschäftsleitung von Railtrack mehrmals den Kosten für die Installation dieses Sicherheitssystems entziehen können – die Argumentation, dass Investitionsaufwendungen für den Aktienkurs der gerade privatisierten Gesellschaft schlecht wären, wurde von der Politik hingenommen. Mit dem gleichen Argument waren auch externe Sicherheitsprüfer, welche “unrealistische Standards” einfordern würden, erfolgreich abgeschmettert worden. In einem Bericht zum Zugunglück von London-Paddington wurde zudem festgehalten, dass das Sicherheitsdirektorium in einem potenziellen Interessenkonflikt stecke, denn als Teil von Railtrack gehöre es einem Unternehmen an, das der kommerziellen Logik verpflichtet ist. Die Financial Times Deutschland schrieb dazu: “Das seit der Privatisierung von British Rail im Jahr 1996 praktizierte Modell krankte an einem deutlichen Interessenkonflikt: zwischen den für den einwandfreien Netzbetrieb erforderlichen langfristigen Investitionen einerseits und den kurzfristigen Gewinninteressen der Aktionäre andererseits. Deshalb strichen die Railtrack-Manager Mittel für Reparatur und Ausbau des Netzes zusammen. Es kam zu verheerenden Zugunglücken.”

Die Profiteure?

Entgegen den ursprünglichen politischen Beteuerungen waren bis 1999 weitere 4,2 Milliarden Pfund (91 Mrd. Schilling) an Subventionen für die privaten Unternehmungen und deren Geschäftsbetrieb gewährt worden. Die privaten Bahngesellschaften nutzen ihre Monopolposition, um trotz schlechter Ergebnisse fette Dividenden (im Oktober 2001 wurden 88 Millionen Pfund ausgeschüttet) und Gratifikationen an das Management zu zahlen. Der Vorsitzende von Railtrack “verdiente” 409.000 Pfund (8,8 Millionen Schilling) pro Jahr. Die Wochenzeitung “Die Zeit” bezeichnet die Privatisierung der Eisenbahn “als Desaster”. “Das fragmentierte, unübersichtliche System, das geschaffen wurde, ist ineffizient, kennt keine Verantwortungsstruktur und kann gelegentlich lebensgefährlich sein.” Interessante Schlussfolgerung: “Nicht alle staatlichen Dienstleistungen eignen sich zur Privatisierung, vor allem nicht natürliche Monopole. Eine zivile Gesellschaft braucht kommerzfreie Zonen.”
Neben dem Transportsystem sind auch das Gesundheitswesen und das Erziehungssystem von mangelnden Investitionen, Unterbezahlung, Personalmangel und niedrigen Standards zerfressen und liegen weit unter dem europäischen Durchschnitt. Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation könnten 25.000 Briten, die jährlich an Krebs sterben, gerettet werden, wenn die Krankheit rechtzeitig diagnostiziert und behandelt würde. Und ein Fünftel aller Briten verfügt nicht mehr über die mathematischen Grundkenntnisse, um das Wechselgeld zu zählen.
Trotz des Widerstands von New Labour gegen Wiederverstaatlichungen dürften diese nun auf die politische Tagesordnung kommen. Die private Schienengesellschaft Railtrack musste vor kurzem unter Insolvenzverwaltung gestellt werden. Jene rund 250.000 Kleinanleger, die auf den Erfolg der 1996 als Volksaktie gefeierten Railtrack-Aktie bis zuletzt vertraut hatten, werden – so viel ist schon klar – durch die Finger schauen.

Didi Zach

Weitere Infos unter:
http://www.zeit.de/2001/11/Politik/200111_society.html
http://www.wsws.org/de/1999/okt1999/padd-o20.shtml


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