KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Eure Armut kotzt mich an


Dieser Spruch brüskierte einst Deutschland. Was in Zeiten relativer sozialer Absicherung als Provokation gegenüber dem fetten Wohlstandsgetue gedacht war, ist heute angesichts steigender Armut und sozialer Ausgrenzung eine ernstzunehmende Kampfansage. Von Bärbel Danneberg

Gestern in der U-Bahn. Ein Mädchen, so um die 16, geht bettelnd durch das Abteil. Welches Gefühl stellt sich ein? Sozialschmarotzer, geh zur Bahnhofsmission oder was arbeiten? Mitleid? Armes Ding oder blödes Kind, schäm dich? Den meisten Fahrgästen ist Gleichgültigkeit anzusehen, manchen Peinlichkeit, ein junger Mann kramt ein paar Cent hervor, die anderen Leute schauen weg. Was ist davon zu halten, dass sich die Bilder bettelnder Menschen, mülltonnenkramender Alten, längerwerdender Schlangen vor Klostersuppenküchen oder zahnloser Mitmenschen auch jüngeren Alters häufen? Die Armut wird sichtbarer, penetranter, eure Armut kotzt mich an, sie belästigt mich, macht mich unsicher und zeigt mir, dass auch ich unter gewissen Umständen dazugehören könnte.

Die Umstände sind leicht erzählt: Arbeitslosigkeit, Schulden, Delogierung, Scheidung, Kreditrückzahlungen, Kinder, Alimente, Illegalität, Alleinerziehend, Leichtfertigkeit, Krankheit, Konsum, Alter, Abhängigkeit, Gutgläubigkeit, Flucht - also die ganz gewöhnlichen Lebensumstände, die manchmal bedrohlich nahe kommen können. Bis zur Existenzbedrohung. Unter der blauschwarzen Regierung ist die Chance, in Tuchfühlung zu diesen bedrohlichen Lebensumständen zu kommen, ungleich größer geworden. Euer Reichtum kotzt mich an: "In den letzten Jahrzehnten ist der Lohnanteil am Volkseinkommen deutlich zurückgegangen, die Besitzeinkommen und die Einkünfte aus Finanzvermögen sind dramatisch angewachsen. Der Staat hat diese Verschiebung in seiner Steuerpolitik nicht nur nicht berücksichtigt, sondern die Vermögenssteuer weitgehend sogar noch abgeschafft", analysiert die Armutskonferenz anlässlich der jüngsten Debatte um eine Steuerreform. "Knapp 42 Prozent der Steuereinnahmen sind aus der Umsatz- und den Verbrauchssteuern, 30 Prozent aus der Lohnsteuer und nur 16 Prozent des Steueraufkommens entstehen aus der Einkommens-, Körperschafts- und Kapitalertragssteuer." Besonders aufreizend ist: Der Lohnanteil am Volkseinkommen ist in den vergangenen Jahrzehnten von 72,3 Prozent auf 66,2 Prozent zurückgegangen, während sich die Gewinneinkommen gegenüber 1964 vervierfacht haben und die Besitzeinkommen um das Fünfzigfache gestiegen sind. Die Armutskonferenz verlangt: Fair steuern, soziale Polarisierung verhindern - "ein progressiveres Steuersystem und ein Steuersystem, in dem die direkten Steuern einen höheren Stellenwert einnehmen, ist eine notwendige Bedingung für ein finanziell nachhaltiges Sozialsystem in Österreich."

Diese soziale Schieflage, von der blauschwarzen Regierung im Zuge der Null-Defizit-Option und damit verbundener Sozialkahlschläge verursacht bzw. vorangetrieben, wird vom blauen Koalitionspartner mit Blick auf künftige Wahlen nun für eine Oppositionspolitik trotz Regierungsverantwortung missbraucht. Die von Jörg Haider via Medien verkündete Steuerreform soll den Eindruck erwecken, für die "kleinen Leute" da zu sein. Die freiheitlichen Steuervorstellungen, die ein Abgehen von der Individualbesteuerung signalisieren, lassen allerdings Schlimmes ahnen. So etwa liebäugelt die FPÖ schon seit langem mit der Flat-tax, einem Steuermodell nach US-Vorbild, das feinere Differenzierungen nicht kennt und soziale Befindlichkeiten nicht oder nur wenig berücksichtigt. Oder das Familiensplitting, das Vorteile für Besserverdienende und kinderreiche Familien mit nur einem Erwerbstätigen, in der Regel der Mann, bringt. Das wäre neben dem Kindergeld ein weiterer Magnet für die Nichterwerbstätigkeit von Frauen, also ein weiterer Grund für weibliche Armut und soziale Ausgrenzung.
Die Politologin Sieglinde Rosenberger hat vergangene Woche erläutert, worum es beim Volksbegehren "Sozialstaat Österreich" geht, dessen Eintragungswoche vom 3. bis zum 10. April läuft: Verfassungsrechtlich soll festgelegt werden, dass jedes Gesetz einer Sozialverträglichkeitsprüfung unterzogen werden soll. Für die Finanzierung des Sozialstaates soll jeder Mensch einen seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten. Berücksichtigt werden sollte nicht nur die Lohnsumme, sondern auch das Kapital und das Vermögen. Als dritte zentrale Forderung des Volksbegehrens ist die Absicherung vor sozialen Risken vorgesehen.

Der Politologe Emmerich Tàlos ergänzt: Maßnahmen, die sozial unverträglich wären — etwa "Maßnahmenpakete der unsozialen Treffsicherheit" der VP/FP-Regierung — könnten dann vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft werden. Auch in Anbetracht der Untätigkeit der Regierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei die "Verankerung der sozialen Verantwortung" notwendig.

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