ANDREAS ZUMACH, taz, 3. 3. 06
Deal widerspricht der bisherigen US-Behauptung der Unzuverlässigkeit
internationaler Rüstungskontrollregimes
GENF taz Ein besseres Geschenk an seinen iranischen Amtskollegen Mahmud
Ahmadinedschad als die gestrige Unterschrift unter das Nuklearabkommen mit
Indien hätte US-Präsident George W. Bush kaum machen können. Just am
Vorabend der alles entscheidenden Iran-Beratungen der Internationalen
Atomenergie-Agentur (IAEO) in Wien hat Bush deren ohnehin zunehmend
schwierigen Bemühungen zur Verhinderung der atomaren Proliferation einen
Bärendienst erwiesen.
Ahmadinedschad wird jetzt mit noch größerem Widerhall im eigenen Land und
darüber hinaus nicht nur in der islamischen Welt die "Doppelstandards" der
USA beim Umgang mit den Nuklearprogrammen anderer Länder geißeln können.
Indien habe seine Atombomben wie sein Nachbar Pakistan "auf legitime Weise"
erworben, versuchte Washingtons UNO-Botschafter John Bolton den
indo-amerikanischen Nuklearpakt zu rechtfertigen. Die beiden Staaten hätten
"nie so getan, als ob sie das Streben nach Nuklearwaffen aufgegeben hätten"
- anders als Iran. Der habe schließlich den Atomwaffensperrvertrag
unterzeichnet und wolle dennoch heimlich Atombomben bauen.
Washington darf sich nicht wundern, wenn Boltons Äußerung im Iran und
anderswo geradezu als Aufforderung verstanden wird, aus dem Abkommen
auszusteigen, auch weiterhin nicht beizutreten (Pakistan, Israel) oder den
vollzogenen Austritt nicht wieder rückgängig zu machen (Nordkorea).
Washingtons Nuklearpakt mit Delhi, der auf eine durch internationale
Kontrollen gewährleistete strikte Trennung zwischen "zivilem" und
militärischem Atomprogramm Indiens setzt, bringt die US-Regierung in
Widersprüche zu ihrer bisherigen Behauptung der Unzuverlässigkeit
internationaler Rüstungskontrollregimes. Eine Behauptung, mit der die
präventive Militärstrategie von 2002 sowie der Irakkrieg begründet wurden
und mit der demnächst vielleicht auch Angriffe gegen Iran gerechtfertigt
werden. Wie die IAEO die ihr von den USA zugedachte Rolle wahrnehmen soll,
die strikte Trennung zwischen "zivilem" und militärischem Atomprogramm
Indiens - eines Nichtmitglieds des Sperrvertrages - zu überwachen, ist
bislang nicht geklärt.