KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Software Patente aus Gewerkschaftlicher Sicht

Eine Analyse von Franz Schäfer


Anfang Juli 2005 wird im Europa Parlament in zweiter Lesung der Direktive zu "Computer Implemented Inventions" die entscheidende Abstimmung zur Einführung von Software-Patenten in Europa stattfinden. Dieser Text soll

* einen Überblick über die Gefahren von Software Patenten aus gewerkschaftlicher Sicht geben,

* einen Überblick über die Positionierung der relevanten politischen Kräfte geben und

* Strategien für den Kampf gegen Software Patente zusammenfassen.

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1.) Software Patente aus Gewerkschaftlicher Sicht

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Software Patente werden von den Befürwortern als Mittel zum "Schutz von geistigem Eigentum" proklamiert. Es wird Argumentiert, dass diese einen "Anreiz für Innovation" bieten und die Europäische Wirtschaft stärken würden. Nichts davon ist wahr, denn Software ist auch jetzt schon mehr als ausreichend rechtlich durch das Urheberrecht geschützt.

Durch die Softwarepatentierung sollen nicht bloß Computer Programme an sich "geschütz" werden, sondern auch die abstrakten Ideen und Algorithmen, die hinter den Programmen stehen. D.h. oft nur eine Beschreibung dessen was als Anforderung an die Programme gestellt wird. Berühmtes Beispiel dafür ist der so genannte "Fortschrittsbalken" (in Europa zum unter der Nummer EP0394160 zum Patent angemeldet. Ein "Gruselkabinett" an weiteren absurden Patenten ist u.a. unter http://patinfo.ffii.org/patente.html zu finden.)

Das Minenfeld:

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Da es in Software sehr leicht ist, in wenigen, schnell geschriebenen Zeilen Programmcode, relativ komplexe Aufgaben zu lösen wird jedes zukünftig geschriebene Programm wohl gleichzeitig hunderte bis tausende Patente verletzen. Programmieren wird nur noch möglich sein wenn ein eigenes, nur dafür zuständiges Anwaltsbüro zur Verfügung steht, das sich darum kümmert mögliche Patentverletzungen zu eruieren und Lizenzen für die Benutzung dieser Patente zu verhandeln, etc.. Softwareentwicklung in diesem rechtlichen Minenfeld ist sicherlich nicht besonders attraktiv und nur noch für große Konzerne möglich. (Große Konzerne können sich die Rechtsabteilungen leisten und schließen mit anderen Konzernen so genannte "Cross-Licensing" Verträge ab in denen sie sich gegenseitig versichern ihre Patente nicht ein zu klagen.) Noch weniger als kleine Betriebe es sich leisten können ein eigenes Anwaltsbüro einzurichten um Software zu entwickeln gilt dies für Freie Software ("Open Source"). Nutznießer der Patent-Bürokratie sind große Konzerne und natürlich Patent-Anwälte. Von diesen Beiden Gruppen gab es auch das massivste Lobbying.


Software Patente, Outsourcing und die globale Hierarchie der Ausbeutung:

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Das Argument, dass die europäische Wirtschaft von Softwarepatentierung profitieren würde kann nicht bestätigt werden. Abgesehen davon, dass die Produktivität nicht gerade steigert, wenn ein Großteil der Kosten für Software Entwicklung in unproduktive Anwaltsstreitigkeiten investiert werden müssen, ist dieses Argument auch in einer zweiten Hinsicht falsch: Etwa 75% der, ohne entsprechende rechtliche Grundlage, bereits vom Europäischen Patentamt vergebenen ca 30000 Software Patenten, die mit einem Schlage Gültigkeit erlangen würden, falls sich Europa dazu entschließt Software Patente einzuführen, gehören Konzernen aus den USA und Japan. (Dort sind Software Patente bereits erlaubt). Europa würde sich, falls dies Patente gültikeit erlangen, massiv Schaden.

Als Argument für Software Patente wird die Vermeidung des "Abfluss von Intelectual Property" in 2. und 3. Welt Länder angeführt. Abgesehen davon, dass solche protektionistischen Positionen bedenklich sind, ist dieses Argument in zweifacher Hinsicht falsch:

a.) Solange es in diesen Ländern nicht auch eine Softwarepatentierung gibt, würde sich die Software Entwicklung ohnehin dorthin verlagern, da dort ohne bürokratische Patenhürden entwickelt werden kann.

b.) Allerdings ist für den Fall, dass Software Patente auch in Europa eingeführt werden, zu erwarten, dass über WTO & Co versucht wird diese Länder dazu zu zwingen ebenfalls Software Patente einzuführen. Denn:

Die Konzerne haben keineswegs etwas dagegen die Software Produktion in Billiglohnländer zu verlagern ("Outsourcing" / "Offshoring"), sie wollen dabei aber die Kontrolle ("Geistiges Eigentum") über das was entwickelt wird behalten. Die ArbeitnehmerInnen in diesen Ländern sollen also billige ProgrammiersklavInnen abgeben, während das was sie Entwickeln den Konzernen aus den reichen Ländern gehören soll. Software Patente sind ein Werkzeug um die globale Hierarchie der Ausbeutung zu stabilisieren und auszubauen.

Für die ArbeitnehmerInnen in Europa hätte diese Entwicklung unmittelbar negative Auswirkungen in mehrfacher Hinsicht:

* Arbeitsplätze in der europäischen Software Produktion, die im wesentlichen in Klein- und Mittelbetrieben passiert, wären akut gefährdet, da Software Patente nur den großen Konzernen dienlich wären.

* Die wenigen großen Konzerne würden Software-Patente im Wesentlichen für Offshoring in Billiglohnländer nutzen.


Interoperabilität und was Software Patente für KonsumentInnen bedeuten

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Software beinhaltet unzählige Schnittstellen zu anderen internen und externen Software-Teilen. Zum Beispiel intern: In einem Programm müssen Daten von einem Modul in ein anderes weitergeleitet werden. Zum Beispiel extern: Der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Programmen benötigt das Konvertieren von unterschiedlichen Formaten. Das Internet lebt vom Datenaustausch.

Konzerne die ihre Monopolstellung sichern wollen, haben natürlich ein gewisses Interesse daran, dass Daten sehr leicht in ihre Programme importiert werden können. Allerdings sehr wenig Interesse am reibungslosen Export, denn dieser würde den KonsumentInnen einen leichten Umstieg zu Konkurrenzprodukten ermöglichen. Die Kontrolle über Schnittstellen ist also ein wesentliches Element um Monopolstellungen abzusichern und um aktive Preispolitik betreiben zu können. Für die AnwenderInnen bedeutet eine Monopolstellung wesentlich höhere Preise, da der Einsatz billigerer Konkurenzprogramme oder Freier Software nicht mehr Möglich ist.

Software Patente sind, neben dem zunehmenden Einsatz von DRM ("Digital Rights Management"), ein Versuch der Konzerne die Schnittstellen der Programme zu kontrollieren, d.h. ein Datenformat oder ein Übertragungsprotokoll das patentiert ist, darf ohne teure Lizenzgebühren nicht mehr verwendet werden. Derzeit gibt es meist noch die Möglichichkeit mittels aufwendigem "Reverse Engineering" die Datenformate zu öffnen, selbst wenn der Hersteller dieser Programme diese nicht selbst offen gelegt hat. Software Patente würden das Aus dafür bedeuten.

Zusammenfassend bedeutet die Softwarepatentierung also:

* Förderung der Monopolbildung von Großkonzernen


* starker Preisanstieg bei Softwarprogrammen


* das Ende von Freier Software

Willkommen in der Welt der digitalen Wegelagerer!

Wenn wir bedenken wie wichtig Software und Informationsinfrastruktur für alle Bereiche unseres Lebens und der Wirtschaft sind, wird ersichtlich welches gigantische Schadenspotential in Software Patenten steckt.


Jenseits des Neoliberalismus

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Sehen Software Patente also auf den ersten Blick so aus als hätten wir es hier einfach damit zu tun als sollte hier ein neues Gebiet in die Logik der Marktwirtschaft einverleibt werden in dem hier Ideen zur Ware gemacht werden soll, so ist das Gegenteil der Fall: Software Patente sind der reinen Marktlogik diametral entgegengesetzt: Software Produktion wird, wie wir oben gesehen haben, zum Spießrutenlauf durch Patentbürokratie in einem rechtlichen Minenfeld. Software Patente fördern, wie oben dargelegt wurde, die Monopolbildung, da damit die Kontrolle über Interoperabilität möglich wird. Dies führt nicht zu mehr Marktkonkurenz, sondern zu wesentlich mehr Macht und Kontrollmöglichkeiten für die Konzerne.

Die Einführung von Software Patenten hat also mit Neoliberalismus, der Idee also dass die Logik der Märkte schon alles optimal regeln würde, wenn diese nur möglichst wenig "behindert" würden, nichts mehr viel zu tun. Software Patente sind jenseits des Neoliberalismus - sie sind ein Schritt in Richtung "Diktatur der Konzerne".

Zusammenfassung:

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Software Patente

* verhindern Innovation, da sie Software-Entwicklung zum rechtlichen Minenfeld machen.


* sind für große Konzerne von Vorteil, um gegen kleinere Konkurrenten und gegen Freie Software ("Open Source") vorgehen zu können.

* behindern die Interoperabilität und dienen damit extrem der Monopolbildung im Software Bereich.

* verursachen erhebliche Preiserhöhungen und Qualitätsverschlechterung für Software.

* könnten das Ende von Freier Software bedeuten.

* sind Werkzeug, um eine globale Hierarchie von Kontrolle und Ausbeutung zu stabilisieren und auszubauen.

* sind nur für Konzerne und Patentanwälte nützlich.

* sind jenseits der Logik der Marktwirtschaft ein Schritt in Richtung: "Diktatur der Konzerne".



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2.) Übersicht über die Positionierung relevanter politischer Kräfte zur Frage der Software Patente

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Frits Bolkestein

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Der rechsliberale Bolkestein, der unter anderem, für die nach ihm benannte "Dienstleistungsrichtlinie" unrühmliche Bekanntheit erlangte, gilt als glühender Verfechter von Software Patenten. In einer Rede am Vorabend der Abstimmung zur ersten Lesung der Software Patentdirektive drohte er dem Europäischen Parlament damit, dass falls sie nicht "richtig" abstimmen würden, man die Sache eben unter Umgehung des Parlaments auf der Ebene der Europäischen Patentkonvention löse.


Abstimmungsverhalten der Europäischen Parteien

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Das Abstimmung zur ersten Lesung der Direktive am 24. September 2003:

http://swpat.ffii.org/papers/eubsa-swpat0202/plen0309/vote/analysis.html

im Einzelnen:


Die Europäische Linke (GUE/NGL)

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War von Anfang an entschieden gegen Software Patente, stimmte völlig im Einklang mit unseren (Software Patent Gegnern) Empfehlungen der unterstützte unser Arbeit im Kampf gegen Software Patente.

Grüne

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Sehr gute Unterstützung für unser "Lobbying von unten" gegen Software Patente und ein dazu passendes extrem gutes Abstimmungsverhalten der gesamten Fraktion.


Liberale Parteien (ELDR)

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Ein extrem gespaltenes Abstimmungsverhalten. Etwa die Hälfte der Abgeordneten stimmte zu 100% für Software Patente, die andere Hälfte ziemlich zu 100% dagegen. Erklärt könnte diese Spaltung durch den oben ausgeführten Widerspruch zwischen Software Patenten und Marktwirtschaft.

Europäische Volksparteien (EPP-ED)

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Ebenfalls gespalten, aber anders als bei den Liberalen existierte bei der Abstimmung im September 2003 hier eine relativ große Gruppe an Abgeordneten die etwa die Hälfte der Amendments ablehnte und der anderen Hälfte zustimmte, die also eine "etwa zu 50% für Software Patente" Haltung einnahmen. Hier wurde offensichtlich Versucht den Spagat zu schaffen um einerseits die Interessen der Konzerne zu vertreten die klar für Software Patente sind und andererseits die Klientel an KMUs nicht zu vergraulen, für die die Einführung von Software Patente eine existentielle Bedrohung darstellt. Joachim Wuermeling, ein CSU Abgeordneter war einer der Vertreter und radikaler Befürworter der Direktive.


Europäische Sozialdemokratie (PSE)

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Ebenfalls gespalten, aber bei der ersten Lesung im Abstimmungsverhalten meist mehr pro-Software Patente eingestellt als die Volksparteien. Die, ursprünglich von Microsoft ausgearbeitete Direktive, wurde vor allem von der Britischen Labour Abgeordneten Arlene McCarthy getragen und von vielen ihrer FraktionskollegInnen aus ganz Europa unterstützt. So stimmte auch die Österreichische Abgeordnete Dr. Maria Berger zu etwa 80% für die Einführung von Software Patenten.

Dem gegenüber steht inzwischen eine Rhetorik die sich gegen Software Patente ausspricht und eine relativ gute Arbeit in den Ausschüssen und ein extrem gutes Positionspapier des französischen Sozialdemokraten Michel Rocard, das genau unserer Kernargumente in der Kritik an den Software Patenten aufgreift.


Industrieellenvereinigung

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Ist klar für die Einführung von Software Patenten.


Arbeiterkammer

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Ist durch ein gut argumentiertes Papier, das vor der Abstimmung im September 2003 an die Abgeordneten geschickt wurde sehr positiv aufgefallen.


Wirtschaftskammer

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Hat relativ widersprüchliche Positionen zu Software Patenten. Einige kleinere Software Firmen haben im Rahmen der UBIT versucht hier positiven Einfluss auszuüben. Das "Kompromisspapier" das dabei entstanden ist, ist aber eher mehr pro als kontra Software Patente zu werten.

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3.) Strategien im Kampf gegen Software Patente

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Bei der Abstimmung zur zweiten Lesung der Software Patentdirektive im Europäischen Parlament ist eine absolute Mehrheit der Stimmen notwendig um die von Kommission und Ministerrat getragene Pro-Software Patentdirektive noch verhindern zu können.

Die Direktive müsste dabei entweder zur Gänze Abgelehnt werden, oder es werden jene Amendments aus der ersten Lesung bestätigt die sich für klare Begrenzungen der Patentierbarkeit aussprechen und die Interoperabilität explizit sicherstellen.

auf http://www.ffii.org werden wir jedenfalls vor der Abstimmung zur zweiten Lesung noch eine detaillierte Analyse der zur Auswahl stehenden Amendments und eine Abstimmungsempfehlung veröffentlichen.

Anwesenheit ist Entscheidend

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Da absolute Mehrheiten notwendig sind und das Ergebnis in jedem Falle sicher knapp ausgehen wird ist es entscheidend, dass möglichst alle Abgeordneten sich nicht nur gegen Software Patente aussprechen sondern am Tag der Abstimmung auch tatsächlich anwesend sind. Wir werden jedenfalls nicht nur das Abstimmungsverhalten sondern auch die Anwesenheit der Abgeordneten genau beobachten und diese Informationen nach der Abstimmung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.


Öffentlichkeit Schaffen

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Die meisten der Abgeordneten dürften durch unser Lobbying inzwischen ziemlich genau über die Problematik der Software Patente informiert sein, wichtig erscheint es daher ihnen die Abstimmung in sofern leicht zu machen, als dass wir auch ihre WählerInnen davon informieren welche richtungweisende Entscheidung für das 21. Jahrhundert hier gefällt wird. Die Argumente gegen Software Patente sollten also noch in möglichst vielen Medien verbreitet werden. Ebenfalls geplant sind zahlreiche Kundgebungen und Online-Aktivitäten (Banner, Demos).

Franz Schäfer, Mai 2005, Dieser Text unterliegt der GNU Free Documentation

Licence (Copyleft): http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html

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