KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Manfred Gross,
Vorsitzender des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB)
und Mitglied im ÖGB-Bundesvorstand

Drei-Klassen-Medizin - nein danke!


Volksstimme 27/2001


Der ÖGB geht jetzt zur Aktion über: Am Donnerstag dieser Woche findet für die Erhaltung der Sozialversicherung in Selbstverwaltung eine Großdemonstration statt. Die Gewerkschaft will die von der schwarzblauen Regierung eingeleitete Privatisierung der Sozialversicherung verhindern.

Der Beschluss des ÖGB-Bundesvorstandes, den Angriff der Regierungsparteien auf die Selbstverwaltung der Sozialversicherung mit einer Großdemonstration zu beantworten und Kampfmaßnahmen anzudrohen, ist als Signal zu werten – als Signal in Richtung einer Veränderung in der Konfliktkultur der Gewerkschaften, die von der Regierung überfahren und vom Sozialpartner ausmanövriert werden.
Es war nur zu offensichtlich, wie im Vorfeld der Sitzung des Bundesvorstandes des ÖGB versucht wurde, diesen in Sozialpartnerverhandlungen über die Reform der Krankenversicherung zu binden, und gleichzeitig den entscheidenden Schlag gegen die Selbstverwaltung der Sozialversicherung einzuleiten. Über eine Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) sollen die Mehrheitsverhältnisse im Hauptverband der Sozialversicherungsträger umgebaut, ein Vetorecht der Regierung durchgesetzt und führende GewerkschafterInnen mit Funktionsverbot belegt werden. Es ist müßig, darauf hinzuweisen, dass diese ASVG-Novelle putschartig im Nationalrat durchgezogen werden soll – ohne Begutachtungsfrist wird dem Parlament am Freitag eine Beschlussvorlage hingeknallt.

Diesmal ist es freilich nicht nur die rigide, undemokratische Vorgangsweise allein, die den ÖGB erbost. Es ist vor allem der Inhalt der Änderungen, welcher alle Alarmglocken schrillen lässt. Die Regierungsvorlage bedeutet de facto die Ausschaltung der Selbstverwaltung und degradiert den Hauptverband zum Vollzugsorgan der Regierungspolitik. Damit wäre der Weg frei zum Totalumbau der Sozialversicherung, der von ÖVP- und FPÖ-PolitikerInnen und WirtschaftsbundfunktionärInnen kurz und bündig auf die Formel gebracht wird: "Weg von der Pflichtversicherung –hin zur Versicherungspflicht!" Also: Privatisierung der Sozialversicherung.

Bezogen auf die Krankenversicherung heißt das: Wahl der Versicherung durch die Versicherten. Das klingt gut, bedeutet aber in der Praxis die Spaltung der Versicherten in drei Gruppen: die "BestverdienerInnen", die sich eine teure Versicherung mit entsprechender Leistungsdichte leisten können; die "NormalverdienerInnen", die für eine Risikoabdeckung höhere Beiträge werden leisten müssen; und schließlich die "KleinverdienerInnen" und Erwerbsarbeitslosen, die nur mehr Mindestleistungen empfangen oder überhaupt durch die Maschen rutschen werden. Es wird also eine Zwei- oder Drei-Klassen-Medizin geben anstelle eines bisher wohl reformbedürftigen, aber im internationalen Vergleich doch höchst effektiven und im Prinzip solidarischen Versicherungsmodells.

Der ÖGB hat also erkannt, dass es längst nicht mehr nur um quantitative Verschlechterungen, sondern um eine Änderung des Prinzips geht: Ganz im Geist neoliberaler Umbaulogik soll die Sozialversicherung insgesamt von einem umlagefinanzierten System hin zum Kapitaldeckungsverfahren geführt werden. Einfacher gesagt: Das gigantische Beitragsvolumen der Sozialversicherung – insgesamt rund 465 Milliarden Schilling – soll in den Kreislauf der privaten Kapitalverwertung langsam, aber sicher umgelenkt werden, was den Versicherungen und Banken Bombengeschäfte verspricht. Die "Amerikanisierung" der Sozialversicherung im schlechtesten Sinne des Wortes soll das österreichische, organisch gewachsene und solidarisch organisierte Sozialversicherungssystem ablösen – mit allen damit verbundenen negativen, unsozialen Konsequenzen. Das müssen InteressenvertreterInnen ebenso wissen wie die Versicherten selbst, wenn sie die Kommentare der Regierungsparteien hören, die ihrerseits tarnen, täuschen, vernebeln ...

Es geht also auch nicht allein um den "Fall Sallmutter", wie das verschiedentlich dargestellt wird. Kollege Sallmutter ist vielmehr das Symbol für diese Entwicklung. Er versteht sich – im Sinne der Selbstverwaltung – als Versichertenvertreter. Die herrschende Politik braucht an der Stelle des Präsidenten einen Regierungsvertreter, will sie ihr fatales Werk verwirklichen. Deshalb wird hingeschlagen, diffamiert und denunziert. Der ÖGB ist gut beraten gewesen, nicht nachzugeben und der schwarzblauen Front gegen den Präsidenten die Stirn zu bieten. In diesem Zusammenhang wird auch das Spiel des "Sozialpartners" erkennbar. Während mit dem ÖGB noch über "sachliche Lösungen" verhandelt wurde, kamen Leitl & Co bereits mit der Regierung überein, dass mit Präsident Sallmutter gleich die ganze Selbstverwaltung gekippt werden soll.
Die Wirtschaftskammer hat einen Zweifrontenkampf geführt und – vorerst –gewonnen. Der Sieg könnte sich aber für sie wie für die ÖVP als Pyrrhussieg erweisen, weil zum Teil auch deren Interessen negativ berührt werden und nicht zuletzt deshalb, weil nun auch der ÖGB gezwungen ist, auf der zweiten Ebene neben den Sozialpartnerverhandlungen zu agieren: In der direkten Auseinandersetzung mit den Unternehmern.
Das ist für die österreichische Gewerkschaftsbewegung, die bisher – viel zu lange – der direkten Konfrontation ausgewichen ist, neu. Schüssel, Riess-Passer, Khol und Westenthaler, aber auch Leitl und Freunde haben eine Situation herbeigeführt, die dem ÖGB aber keinen Spielraum mehr lässt. Und so waren die Beschlüsse des Bundesvorstandes fernab moralischer Beurteilungen der einzig richtige Weg, um die Errungenschaften der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung zu verteidigen. Und alle demokratisch und sozial bewegten Menschen sollten mithelfen, der Zerstörung des sozialen Bestandes Einhalt zu gebieten. Es geht um sehr, sehr viel!

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