KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Franz Stephan Parteder,
KPÖ-Landesvorsitzender Steiermark,
Klubsekretär KPÖ-Gemeinderatsklub Graz
Mail franz.parteder@stadt.graz.at 


Fortschrittliche Kommunalpolitik als Beitrag zur Entwicklung gesellschaftspolitischer Alternativen


Referat auf der wissenschaftlich-politischen Konferenz "Arbeiterbewegung, neue soziale Bewegungen und gesellschaftspolitische Alternativen" im Rathaus Berlin-Schöneberg. (September 2003)


Ziel meines Beitrages ist es, auf den inneren Zusammenhang zwischen der Basisarbeit von KommunistInnen in den Gemeinden und unseren allgemeinen Aufgaben hinzuweisen, die Notwendigkeit einer schlüssigen Vermittlung dieses Zusammenhanges in unserer theoretischen und programmatischen Arbeit zu begründen sowie auf wichtige Veränderungen des Stellenwertes der Kommunalpolitik in unserer Gesamtstrategie einzugehen.


I

Die Landesorganisation Steiermark der Kommunistischen Partei Österreichs konzentriert sich seit mehr als 10 Jahren auf die Kommunalpolitik. Das war eine strategische Entscheidung. Die ohnehin vorhandene Schwäche unseres Einflusses auf gesamtnationaler Ebene – wir erreichen bei Nationalratswahlen bestenfalls 0,5 % der gültigen Stimmen, es gibt mehr ungültige Stimmen als solche für die KPÖ – wurde zu Beginn der Neunzigerjahre zu einer Existenzfrage für die Partei. Der Untergang der realsozialistischen Gesellschaftssysteme in Ungarn und Jugoslawien wirkte – verstärkt durch den Bürgerkrieg in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens direkt und negativ auf das Alltagsbewusstsein der Menschen bei uns ein. Graz liegt etwa 50 Kilometer von der Grenze Sloweniens und etwa 70 Kilometer von der Grenze Ungarns entfernt. Die dortigen Erschütterungen wirkten auf uns viel direkter ein, als dies etwa in Frankreich oder Schweden der Fall war.

Da wir vorhatten, KommunistInnen zu bleiben, mussten wir einen Weg finden, um unsere Existenz als politische Partei zu sichern und einen neuen Zugang zu den arbeitenden Menschen zu finden. Die grundlegenden Erkenntnisse des Marxismus waren unserer Meinung nach ja durch das Ende des Realsozialismus in Osteuropa nicht widerlegt worden, es ging und geht aber sehr wohl darum, neue Aktionsformen zu suchen und zu finden, um aus der gesellschaftlichen Defensive zu kommen, Wege zum gesellschaftlichen Fortschritt zu öffnen und an den Sozialismus heranzuführen. Diese neue Gesellschaftsordnung kann aber nur dann erreicht wird, wenn alle Erfahrungen der gesellschaftlichen Entwicklung – auch die negativen bei bisherigen Sozialismusversuchen – berücksichtigt und neue Organisationsformen des Widerstandes und des Kampfes in unsere Konzeptionen aufgenommen werden.

Nur sehr kleine Teile der Bevölkerung halten eine grundlegende Umwälzung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung für ein erstrebenswertes Ziel. Darüber hinaus wirken die Erschütterungen nach dem Ende des Realsozialismus in Osteuropa und angesichts des Vormarsches des Neoliberalismus noch nach.

Wir stellen uns deshalb die Aufgabe, durch praktische Basisarbeit möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass wir uns verändern und mit dem medial vermittelten Zerrbild unserer Bewegung nichts zu tun haben. Es geht uns darum, in Gemeinden und Betrieben Namen und Gesicht zu bekommen und Teile jener Bevölkerungsschichten zu erreichen, deren Interessensvertretung von den technokratischen Modernisierungsparteien faktisch aufgegeben worden ist. In diesem Zusammenhang hat die Kommunalarbeit eine besondere Bedeutung. Die steirische KPÖ betrachtet ihre kommunalpolitische Verankerung als wichtige Grundlage einer Politik, die gemeinsam mit großen Teilen der Bevölkerung entwickelt werden kann. Dabei erlangen KommunistInnen und Kommunisten soziale Kompetenz. Diese Kompetenz wollen wir umfassend nutzen, damit die Veränderung der Politik von unten kommen kann, in der Gesellschaft, in den Gemeinden und nicht zuletzt in der KPÖ selbst.

In Graz haben wir eine wichtige Etappe auf diesem Weg zurückgelegt. Die Gemeinderatswahl in der zweitgrößten Stadt Österreichs mit knapp 250.000 EinwohnerInnen brachte uns fast 21 Prozent der gültigen Stimmen, 12 Mandate im Gemeinderat, 2 Stadträte und 25 Mandate in den Bezirksversammlungen. Stadtrat Ernst Kaltenegger ist für Wohnen zuständig, Stadträtin Wilfriede Monogioudis für Konsumentenschutz, Gesundheit und Wirtschaftsbetriebe.

Dieser Erfolg hat eine Vorgeschichte. Ohne die mühselige Arbeit über viele Jahre hinweg, ohne die Konzentration auf Themen wie Wohnen und Privilegien wären Ernst Kaltenegger und die KPÖ-Graz nicht so weit gekommen. Besonders wichtig ist es, dass wir jetzt keine Aussätzigen der Gesellschaft mehr sind. Wir werden in Graz und auch darüber hinaus als kommunistische Partei akzeptiert und ernst genommen. Wer wie viele GenossInnen unter uns Jahrzehnte der Ausgrenzung und der antikommunistischen Hetze durchstehen musste, der weiß diese Situation zu schätzen.

Dieser Wahlausgang bewirkt – wie es in einem Beschluss des Bundesvorstandes der KPÖ vom 28. 2. 2003 heißt - österreichweit ein verstärktes Interesse für die KommunistInnen, für ihre Vorschläge, ihre praktischen Initiativen und ideologischen Haltungen. Es ist dadurch möglich geworden, die Isolierung unserer Partei in der Gesellschaft zu überwinden und bei klugem politischen Handeln auch an anderen Brennpunkten der sozialen Entwicklung, aber auch in Bundesländern und schließlich österreichweit zu einer auch wahlpolitisch sichtbaren Alternative zum bestehenden Parteiensystem zu werden. Mit dem Ergebnis der Gemeinderatswahl in Graz haben wir den empirischen Beweis dafür angetreten, dass die KPÖ als selbständige und bündnisfähige Partei Zukunft hat. Die in Graz praktizierte Orientierung auf Schwerpunkte wie die Kommunalpolitik könnte auch für ganz Österreich Beispielwirkung haben.

Fragen der Orientierung der Partei auf die Basisarbeit, Probleme der Kommunalpolitik und ihrer Unterstützung auf allen Ebenen und Fragen der Verbindung dieser lokalen Aufgaben mit unseren gesellschaftspolitischen Zielen sollten unserer Meinung nach eine stärkere Rolle als bisher spielen. Die ideologische, politische und organisatorische Orientierung der Partei sollte auch unter diesem Gesichtspunkt überprüft und diskutiert werden.

Das ist deshalb wichtig, weil die Gemeinden in Österreich immer mehr zu Brennpunkten gesellschaftlicher Widersprüche werden. Während die arbeitenden Menschen von den Gemeinden zu Recht umfassende soziale Dienstleistungen und demokratische Mitentscheidungen fordern, werden die Möglichkeiten, diese Ansprüche auch einzulösen, durch die Untergrabung der finanziellen Grundlagen der Kommunen und durch restriktive Bestimmungen der EU und des Gesetzgebers in Österreich auf kommunaler Ebene zunehmend eingeschränkt.

Die Gemeinden sind keine unabhängigen politischen Subjekte im politischen System, in den Gemeinden werden aber viele Widersprüche deutlicher und sichtbarer. Auch und gerade der Konflikt zwischen dem Anspruch auf Autonomie und der sich konträr dazu entwickelnden Finanzlage macht deutlich, dass Kommunalpolitik als Teil der Gesamtpolitik, als Feld einer allgemeinen politischen Auseinandersetzung zu sehen ist.

Noch einmal: Durch eine kluge und fortschrittliche Kommunalpolitik können wir Ansehen bei der Bevölkerung gewinnen, können an sozialen Brennpunkten und gemeinsam mit Teilen der Arbeiterklasse arbeiten, die von den herrschenden Parteien vergessen werden, wir können Alternativen entwickeln und gleichzeitig aufzeigen, dass diese Alternativen an Systemgrenzen stoßen, und wir machen Erfahrungen in und mit dem politischen System des Kapitalismus, die unsere Einsichten in die Funktionsweise des bürgerlichen Staates vertiefen.

Als Beispiel dafür möchte ich die Diskussion um ein mögliches Regierungsbündnis von SPÖ, KPÖ und Grünen im Grazer Rathaus anführen. Dieses Bündnis wäre rechnerisch möglich gewesen, hätte uns als KPÖ aber in die missliche Lage gebracht, als Juniorpartnerin die Sozialabbaumaßnahmen und Privatisierungsschritte, die der herrschenden Logik entsprechen, mitzutragen und zu begründen. Der innere Zusammenhang zwischen unserer Arbeit vor Ort und unseren Zielen wäre zerrissen, unsere Verbindung mit jenen Menschen, die hoffen, dass wir anders sind als die anderen Parteien, wäre nicht mehr gegeben gewesen.

"Die Stadtregierung muss den bei den Wahlen sichtbar gewordenen Wunsch nach einer Änderung der bisherigen Politik und nach einer stärkeren sozialen Orientierung aufgreifen. Deshalb darf die Finanzsituation der Stadt nicht zum Vorwand für Sozialabbau und Privatisierungen genommen werden. Notwendige Reformen und Veränderungen dürfen nicht ohne oder gegen die Bevölkerung, sondern sollen gemeinsam mit den AktivbürgerInnen beraten und beschlossen werden." So lautet der Vorspruch des Programms für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung, mit dem die KPÖ in die Verhandlungen um die Bildung einer neuen Grazer Stadtregierung für die Periode 2003 – 2008 gegangen ist. Wir haben uns auch in den Verhandlungen an diese Vorgaben gehalten.



II

Wir wollen eine Partei für das tägliche Leben und für die großen Ziele der arbeitenden Menschen sein. Ich weiß nicht mehr, wer es als Ziel für Programme kommunistischer Parteien formuliert hat, dass sie alltagstauglich und zugleich perspektivisch sein müssen. Genau das ist notwendig.

Die gesellschaftliche Praxis auf dem Felde der Kommunalpolitik ermöglicht uns auch, einen spezifischen Beitrag zur Programmatik zu liefern, der gerade jetzt notwendig ist. Beim Parteiprogramm geht es um Grundlegendes, es ist – wie wir wissen – die aufgepflanzte Fahne, die zeigt, wofür wir stehen. Andererseits mussten wir bei der Sozialdemokratie und seit einiger Zeit auch bei Parteien, die sich historisch aus der kommunistischen Weltbewegung herleiten, feststellen, dass es ihnen weniger darum geht, neue Erfahrungen in ein marxistisches Programm einfließen zu lassen, als darum, die programmatischen Aussagen einer politischen Taktik oder Strategie anzupassen, für die der Spruch vom "Ankommen" in der Gesellschaft bzw. in der Regierung sehr viel aussagt.

Wir sind in Graz mit über 20 Prozent der gültigen Stimmen in der Stadtregierung angekommen. Wir betrachten unsere Position aber nicht aus dem Gesichtspunkt der Annäherung an das, was ohnehin die meisten sagen und tun. Wir wollen die Stellung, die wir erreicht haben, ausnützen, um Angriffe auf die arbeitenden Menschen abzuwehren und um die Bedingungen für gesamtgesellschaftliche Veränderungen zu verbessern.

Ohne Verallgemeinerung geht das nicht. Deshalb haben wir – parallel zur Arbeit in Graz – aber nicht ohne den Einfluss dieser Arbeit auf unsere Theoriebildung ein Landesprogramm der KPÖ-Steiermark ausgearbeitet. Das ist auch unser Beitrag zur Programmdebatte in der KPÖ. Es wurde auf dem 32. Parteitag als eine gleichberechtigte Grundlage für die weitere Programmdiskussion anerkannt und wird bei der Ausarbeitung unseres Bundesparteiprogramms, die jetzt auf der Tagesordnung steht, hoffentlich eine große Rolle spielen.

Ich kann heute nicht auf alle Aspekte dieses Programms eingehen und referiere deshalb nur seinen Aufbau:

Wir wollen Wesen und Funktionsweise des heutigen Kapitalismus gründlicher darstellen und erklären, was hinter den Schlagworten "Globalisierung" und "Neoliberalismus" steckt.

Wenn Menschen für kommunistische Politik gewonnen werden sollen, müssen wir ihnen nahe bringen, was Sozialismus sein könnte. Deshalb gehen wir erstmals in einem Landesprogramm der KPÖ auf unsere Vorstellungen vom Sozialismus und wie wir ihn gestalten wollen, ein.

Wir erläutern unsere radikal-demokratische Reformstrategie, mittels welcher der aktuelle Kampf gegen den "Katalog der Grausamkeiten" erfolgreich geführt und ein neuer Entwicklungstyp von Demokratie und eines Sozialstaates erstritten werden könnte.

Unser aktuelles Aktionsprogramm enthält die Palette der Forderungen, die für die Durchsetzung einer sozialen, ökologischen, demokratischen und antipatriarchalen Wende der Gesellschaft notwendig sind. Unsere Alternativen für die Steiermark sind ein Versuch, diese durch Gesellschaftsanalyse gewonnenen Erkenntnisse zu konkretisieren.

Die Grundsätze unseres Wirkens als KommunistInnen werden im Schlussteil des Programmentwurfs dargestellt.


Die Kommunalpolitik spielt in diesem Landesprogramm eine stärkere Rolle als das bisher in der KPÖ der Fall war. Die entsprechenden Passagen lauten:

"Kommunale Betriebe – Spielball internationaler Konzerne

Bei der Auslieferung der öffentlichen und kommunalen Versorgungsbetriebe an das private Kapital geht es auch um die Autonomie der Gemeinde. Ihre Betriebe sind Machtfaktoren, die wie früher die Banken und Industriebetriebe in Staatshand den privaten Eigentümern auf gleicher Ebene gegenübertreten konnten. Was nach der Enteignung des Staates bleibt, ist der abhängige Sicherheitsstaat. Was nach der Enteignung der Gemeinden bleiben wird, ist die Statthalter-Gemeinde.

Mit dem Abbau des öffentlichen Sektors in den Bereichen Energie- und Wasserversorgung, öffentlicher Verkehr und Post wird das Rad der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zurückgedreht, müssen den Ansprüchen der AktionärInnen genügen und höchstmögliche Profite erwirtschaften. Diese Ziele werden nur durch die Abschaffung von Arbeitsplätzen, den Verkauf von möglichst viel Energie und Wasser und der Einsparung von Umweltmaßnahmen erreicht. Die Kommunen hingegen sind dem Gemeinwohl verpflichtet, die Gewinne können in die Modernisierung von Anlagen, in den Umweltschutz oder in andere kommunale Bereiche gesteckt werden.

EU, Bund und Länder engen durch Abschaffung (Getränkesteuer) oder Beschneidung kommunaler Steuern (Werbesteuer), durch Ausdünnung oder Abschaffung von Fonds zur Gewährung günstiger Kredite (Wasserwirtschaftsfonds) oder durch willkürliche Bedarfszuwendungen die vielstrapazierte Autonomie der Gemeinden immer mehr ein.

Auch auf kommunaler Ebene erfolgt die massive Umverteilung zum Finanzkapital auf Kosten der SteuerzahlerInnen, die ihren Ausdruck in den Budgets in Form hoher Zinszahlungen für die wachsenden Schulden der Gemeinden findet."

"Gemeinden – Brennpunkte gesellschaftlicher Widersprüche

Eine zweite Hauptschiene, auf welcher der Widerstand und progressive Reformen transportiert werden können, sind die Gemeinden. Das politische Engagement der Menschen ist dort am wichtigsten, wo sie leben und selbst Teil der gesellschaftlichen Verhältnisse sind. Hier sind die Erwartungen der BürgerInnen an das politische Engagement auch am größten. Deshalb sind Kommunen ein entscheidendes Gebiet für die politische Auseinandersetzung.

In der Gemeinde ist das medial vermittelte Surrogat von Politik, welches auf Bundesebene vorherrscht, weniger stark gegen uns wirksam. Wohnen, soziale Unterstützung, Kinderbetreuung, öffentlicher Verkehr, Stadtentwicklung, Gesundheit, die Situation der Frauen: Anhand solcher und ähnlicher Themen kann die KPÖ, die in der ArbeiterInnenklasse in gewerkschaftlichen und kommunalen Positionen verwurzelt ist, auf kommunaler Ebene gesamtgesellschaftliche Widersprüche aufzeigen und gleichzeitig Lösungsvorschläge machen, die bei einer Änderung der Prioritäten auch realistisch sind.

Unsere Kommunalpolitik steht immer im Spannungsfeld zwischen einer sozialen Servicefunktion und damit verbundener pragmatischer Selbstbeschränkung einerseits und einem gesellschaftsverändernden Anspruch andererseits. Sie zielt auf solidarisches und sozial orientiertes Handeln und Ermunterung zur Selbsttätigkeit anstelle von Stellvertreterpolitik."

Zusätzlich zu diesen Festlegungen erscheint es mir notwendig zu sein, in der jetzigen Etappe der Programmdiskussion genauer auf die Verbindung von außerparlamentarischen Aktivitäten und der Arbeit in Gremien einzugehen.

Im Abschnitt Grundsätze unseres Wirkens als KommunistInnen sagen wir:
"KommunistInnen setzen auf Kraftentfaltung, den Erfahrungs- und Erkenntniszuwachs der Werktätigen im außerparlamentarischen Kampf, erblicken in deren Mobilisierung den Hauptweg der Entwicklung von Widerstand und Gegenmacht, initiieren und unterstützen soziale und ökologische, antimilitaristische und antifaschistische, demokratische politische Aktionen. Sie gehen davon aus, dass entscheidend für die Veränderung des Kräfteverhältnisses und die Verwirklichung radikal-demokratische Programmatik das Zustandekommen einer starken progressiven außerparlamentarischen Bewegung und deren Voranschreiten sind. KommunistInnen unterstützen daher die Betriebs- und PersonalrätInnen der Arbeiter und Angestellten, die Initiativen der Arbeitslosen, der Ausgegrenzten und Armen, der Verbraucher und MieterInnen, kleinen PächterInnen sowie Genossenschaften in Stadt und Land, die demokratischen Frauen-, Jugend- und Kulturorganisationen, die antifaschistischen und antimilitaristischen Zusammenschlüsse, die Bewegungen für den Frieden, für den Schutz der BürgerInnen- und Menschenwürde, für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, für die Linderung der Not der Menschen in der Dritten Welt. Sie kämpfen zugleich für starke parlamentarische Vertretungen von Linken auf allen Ebenen, die eng mit den WählerInnen verbunden sind, ihre Hauptstützen in der außerparlamentarischen Bewegung haben und alle parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen, um diese voranzubringen."

Mir geht es darum, die konkreten Erfahrungen, die wir an exponierter Stelle in Graz mit der Verbindung von außerparlamentarischen Kämpfen, beispielsweise gegen die Privatisierung von öffentlichem Eigentum, mit der Arbeit im Rathaus machen, besser zu verallgemeinern und diese Verallgemeinerungen in unser Programm aufzunehmen.

Wir müssen präzise formulieren, was unser Erfolg für unsere Gesamtpolitik bedeutet, wir müssen die Erfahrungen der Verbindung von parlamentarischer und Basisarbeit, von Partei und Gemeinderatsklub gründlich studieren. Und wir müssen begreifen, dass wir in Österreich in einer Situation sind, die sich – was die Stellung der KP in der Gesellschaft betrifft - grundlegend von der in anderen europäischen Ländern unterscheidet. Wir sind eine sehr kleine Partei, die in der zweitgrößten Stadt eine sehr starke Position hat. Dort sind wir auch eine kleine Partei, aber eine mit vielen Mandaten. Was wir in Graz tun oder lassen, wird österreichweit beobachtet. Ernst Kaltenegger ist der bekannteste Kommunist Österreichs geworden. Und das bedeutet: Man muss sich bei uns nicht daran gewöhnen – und hier zitiere ich den österreichischen Schriftsteller Erwin Riess – "dass radikale Linke lächerlich, wirkungslos und weltfremd zu sein haben".



III

Nun zu meinem dritten und letzten Anliegen.

Fortschrittliche Kommunalpolitik kann auf vielfältige Weise zur Entwicklung gesellschaftspolitischer Alternativen beitragen. Das reicht vom Erproben neuartiger Initiativen und Einrichtungen, die eine soziale Entwicklung in der Kommune befördern, bis zu Formen der direkten Beteiligung der Bevölkerung an der Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten in der Gemeinde. Diese Erfahrungen verdienen es, untersucht und verallgemeinert zu werden.

Dabei ist unser Ziel kein kommunaler Kommunismus. Es ist auch so, dass wir in unserer praktischen Arbeit sehr rasch an die Grenzen stoßen, die uns durch die EU und durch die österreichische Bundespolitik gezogen werden.

Es geht um die klassische Aufgabe des Heranführens einer Mehrheit der werktätigen Bevölkerung an die Frage der Gesellschaftsveränderung in Richtung Sozialismus und auch an die Frage der Macht. Hier muss jede kommunistische Partei, die wirklich die Lehren aus dem Scheitern des Realsozialismus ziehen will, von Anfang an solche Formen der inneren Organisation und des Zusammenarbeitens mit den Leuten finden, die Machtmissbrauch und Entfernung von den Massen ausschließen. Gerade hier finden sich auf kommunaler Ebene viele gute Beispiele: Wie arbeiten Menschen unterschiedlicher Weltanschauung in Bürgerinitiativen zusammen, wie gelingt es, die Konzentration auf ein gemeinsames Ziel mit innerer Demokratie und mit Debatten zu verbinden? Das Pochen auf die Avantgardefunktion einer Kommunistischen Partei und auf die Lehre von der Partei Neuen Typs helfen in diesem Zusammenhang wenig.

Es gibt sehr gute Argumente, auch bei den Klassikern, für die Verteidigung von Parteistrukturen. Die Kommunistische Partei soll ja die Vereinigung all jener sein, die für die Überwindung des Kapitalismus auf revolutionärem Wege und für die Ersetzung der Diktatur des Kapitals durch die Macht der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten (also der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung) eintreten. Trotzdem kann man einige Begriffe nach der Erfahrung von mehr als hundert Jahren kommunistischer Bewegung seit dem Erscheinen von "Was tun?" und vor allem nach den Erscheinungsformen und der Bilanz der Herrschaft kommunistischer Parteien in den Staaten des Realsozialismus nicht mehr unhinterfragt verwenden.

Es geht darum, diese Erfahrungen in unsere Theoriebildung und in unsere tägliche Arbeit einfließen zu lassen. Das gilt auch für das sogenannte Avantgardedenken.

Eine formelhafte, sektiererische Selbstproklamation der KPÖ als Avantgarde des Proletariats könnte zwar für das Selbstbewusstsein einiger Parteimitglieder positiv sein, sie würde in der realen Auseinandersetzung aber zu keiner Verstärkung unserer Position und der Rolle der Arbeiterbewegung in der Gesellschaft führen. Aus der Geschichte unserer Bewegung haben wir gelernt, dass ein falscher Avantgardebegriff schweren Schaden anrichten kann, angerichtet hat und zum Vorwand für despotische Tendenzen und Herrschaftsformen genommen wurde. Wir müssen in unserer Praxis die Lehren daraus ziehen. Eine klare Position dazu ist eine notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Führung einer auf Emanzipation der arbeitenden Menschen gerichteten Bewegung, eine notwendige Voraussetzung, aber keine hinreichende.

Es steht uns gut an, bescheiden aufzutreten und auch von den Erfahrungen anderer Gruppen und Bewegungen zu lernen. Wir müssen herausfinden, wie wir Schritt für Schritt vorankommen. Genau hier sollten unsere Analysen der Arbeit auf kommunaler Ebene ansetzen, um zu Verallgemeinerungen zu kommen.

Zurückweisen eines falschen Avantgardedenkens und ideologische, organisatorische sowie politische Selbstaufgabe sind aber zwei paar Schuhe. Die Kommunistische Partei darf nicht hinter Bewegungen und Moden hinterherlaufen, sie muss versuchen, die Entwicklung und die Bewegungsgesetze der Gesellschaft zu prognostizieren und zu beeinflussen. Ihre Existenzberechtigung zieht sie auch daraus, eine treibende Kraft in allen fortschrittlichen Bewegungen, in allen Klassenkämpfen zu sein. Es ist besser, wenn sie dies gemeinsam mit anderen sein kann, es sind aber auch Situationen möglich, in denen die KP notwendige Wahrheiten allein ausspricht.

Es ist unsere Aufgabe, durch theoretische und praktische Arbeit herauszufinden, was zu einem bestimmten Zeitpunkt zu tun ist, und das auch mit Mut und geistiger Unabhängigkeit auszusprechen. Wir müssen dabei den Mut haben, auch dem "linken" Konformismus und modischen Ideen, die unter "linkem" Gewand einher kommen, zu widersprechen. Wenn es sein muss, müssen wir auch gegen die Strömung schwimmen, wir müssen aber immer an der Seite der am meisten ausgebeuteten Klassen und Schichten und an der Seite jener Kräfte in der Gesellschaft und im politischen Leben sein, die am fortschrittlichsten sind.

Wie diese Aufgaben miteinander zu verbinden sind, das kann man in der Kommunalpolitik sehr gut lernen.


*****

Ich hoffe, dass ich in meinem Beitrag darstellen konnte, dass Kommunalpolitik nicht nur etwas für SpezialistInnen und auch keine niedrigere Form der Politik als die Teilnahme an Bewegungen oder als die Formulierung für sich genommen kluger Aussagen ohne Verbindung mit der gesellschaftlichen Praxis ist. Wir haben auf der Ebene der Gemeinden die Möglichkeit, unserer Bewegung Namen und Gesicht zu geben und den Leuten zu zeigen, dass wir eine nützliche Partei sind. Hier gibt es auch die Möglichkeit des Zusammenwirkens und der gemeinsamen Arbeit auch auf parlamentarischer Ebene mit anderen linken Persönlichkeiten, wie das in der Zusammensetzung unserer Gemeinderatsfraktion und auch in der Person der zweiten Stadträtin in Graz zum Ausdruck kommt, die ursprünglich von der Alternativen Liste kommt.

Uns schließlich: Woran erinnern sich die Menschen, wenn sie an die Leistungen der fortschrittlichen Arbeiterbewegung in der Vergangenheit denken, am ehesten? Es sind dies das "Rote Wien" der Zwischenkriegszeit mit seinen Gemeindebauten, es ist die vorbildliche Kommunalpolitik der Fünfziger- und Sechzigerjahre in Italien oder Frankreich - und auch, wenn man sich in den ehemaligen sozialistischen Ländern umschaut, so sind es am ehesten Dinge des Alltags, die positiv im Gedächtnis bleiben.

Auch daran sollten wir denken, wenn wir darangehen, neue Gesellschaftsmodelle zu entwerfen. Haltbar ist letzten Endes nur das, was der Bevölkerung ganz konkret nutzt.


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