KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Voggenhubers (un-)heimlicher Vorstoß: Auslöschung Österreichs als völkerrechtliches Subjekt



Friedenswerkstatt Linz/Neutralität/Voggenhuber
Linz, 18. 11. 2002
Friedenswerkstatt Linz - Waltherstraße 15b, 4020 Linz - Tel. 0732/771094 - Fax 0732/797391 - mail: friwe@servus.at - Web: www.friwe.at

- Van der Bellen: Neutralität mit Ablaufdatum

- Friedenskräfte und Neutralitätsbefürworter können nur auf die eigene Kraft vertrauen



Über den Vorstoß von Johannes Voggenhuber, Grünes Mitglied im EU-Konvent, für die Einführung einer EU-Beistandsverpflichtung und die Abschaffung der Neutralität, ist in dem Medien berichtet worden. Nicht berichtet wird jedoch über eine Stellungnahme zur Zukunft der EU von Johannes Voggenhuber, die dieser bereits im September publiziert hat, und die etwas verschämt auf der Web-Page der deutschen Grünen zu finden ist ("Elemente einer europäischen Verfassung").

Dort finden sich unter der Rubrik "Grüne Vorschläge für die Weiterentwicklung der GASP" folgende Forderungen:


- Zusammenlegung der diplomatischen Dienste

- Gemeinsame Vertretung in internationalen Organisationen

- Ein Vizepräsident der Kommission soll die Funktion des Hohen Vertreters für die Aussenpolitik übernehmen
- durchgehende Einführung des Mehrheitsprinzips auch im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik
- Über den Entwurf der Verfassung der Europäischen Union soll ein EU-weites Referendum abgehalten werden.

Die Forderungen Voggenhubers bedeuten in Konsequenz:

- Auflösung aller österreichischen Botschaften

- Ende eines österreichischen Sitzes in Organisationen wie UNO, OSZE, etc.

- das definitive Ende jeglicher eigenständiger Außenpolitik, geschweige denn Neutralitätspolitik

- Mehrheitsentscheidungen über Krieg und Frieden

- Die Entscheidung über die Liquidierung der österreichischen Nachkriegsverfassung (Neutralitätsgesetz, Staatsvertrag) soll nicht mehr von der östereichischen Bevölkerung getroffen werden, sondern in einem EU-Referendum, d. h. de facto in den großen EU-Staaten entschieden werden.

Ende der Neutralität - Auslöschung Österreichs als völkerrechtliches Subjekt



Der Vorstoß Voggenhubers ist eine dreifache Kriegserklärung: er ist eine Kriegserklärung gegen die kleinen Ländern in der EU, an die neutralen Länder, und vor allem ist er eine Kriegserklärung an die 2. Republik. Denn letztendlich bedeuten diese Vorschläge eine Auslöschung Österreichs als völkerrechtliches Subjekt.

Ziel ist die vollständige Zentralisierung der EU-Außen-, Militär- und Rüstungspolitik. Bereits 1995 hatte der damalige EU-Kommissar Hans van den Broek, zuständig für äußere Angelegenheiten, in einer Stellungnahme für den Außenpolitischen Ausschuss des EP eine "angemessene Kombination von Diplomatie und der Fähigkeit zur Projektion militärischer Gewalt" (1) für die EU gefordert. Im Oktober 2002 posaunt Javier Solana, Mr. GASP der EU hinaus, worauf es hinausläuft: "Die EU wird eine Weltmacht!" (2) Der Vorstoß Voggenhubers zur vollständigen Zertrümmerung der Neutralität geschieht in einem Klima, in dem die EU alles daran setzt, als Militärmacht zu den USA aufzuschließen. Auf allen Ebenen laufen gewaltige Rüstungsprogram me: Atomwaffen, Marschflugkörper, Raketen, Militarisierung des Weltraum, Kampfflugzeuge - und Militärhubschrauber, militärische Transportkapazitäten, Flugzeugträger, U-Boote, usw. Ab 2003 soll die EU-Interventionsarmee einsatzbereit sein - für Kriegseinsätze von Zentralafrika bis zum Ural. Der Vorsitzende des EU-Militärstabes General Hägglund: "Man hat gesagt, die USA werden den Krieg führen und die EU wird für den Frieden zuständig sein, indem sie zivile und humanitäre Aufgaben ausführt. Das war so und bezieht sich auf die Vergangenheit, aber das stimmt für die Zukunft nicht." (EU-Observer, 22. 1. 2002).

In einer Zeit, in der es aus friedenspolitischer Sicht wichtiger denn je wäre, dass neutralen und blockfreie Staaten weder beim USA-NATO- noch beim Deutsch-EU-Militärblock mitmarschieren, kommt vom Grünen Voggenhuber eine Initiative, die darauf hinausläuft, Österreich als politisches und völkerrechtliches Subjekt von der großeuropäischen Landkarte zu tilgen. Im Zentrum dieser Großmachtsambitionen steht wiederum Deutschland als stärkstes EU-Land. Wir erinnern uns an die Aussagen des eh. maligen deutschen Außenministers Kinkel, der bereits 1993 gemeint hat, dass "nun Deutschland ein drittes Mal vesuchen wird, woran wir zwei Mal gescheitert sind." (4) Die Vorschläge Voggenhubers sind weitgehend ident mit denen des deutschen Außenamtes.

Der Hass auf die 2. Republik


Nachkriegsösterreich wurde von den Deutschnationalen und (ehemaligen) Nationalsozialisten gehasst. Denn das Österreich, das nach 1945 entstand, hatte zumindest in einigen Punkten Konsequenzen aus der Verstrickung in Weltkrieg und Holocaust gezogen: Mit dem Neutralitätsgesetzt verpflichtete sich die 2. Republik auf die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen zu verzichten; mit dem Staatsvertrag wurde das Anschlussverbot an Deutschland festgeschrieben; mit den beiden Verstaatlichtengesetzen wurde eine großer gemeinwirtschaftlicher Sektor geschaffen, um zu verhindern, dass - wie vor 1938 - ein wirtschaftlicher Anschluss einem politischen und militärischen Anschluss den Weg ebnet. Die "Ehemaligen" und ihre Nachfolgeorganisationen in Österreich - der VdU (aus dem schließlich die FPÖ hervorging) - bekämpften daher von Anfang an Neutralität und Staatsvertrag. Nach den Vorstößen von Voggenhuber hat die Friedenswerkstatt Linz in der Ausgabe ihrer neuesten Ausgabe der guernica daher folgende Frage an die Grünen gerichtet:


"Geht nun nach der Krise der FPÖ der Stafettenstab für die Zerstörung eines kleinen, neutralen und unabhängigen Österreichs auf die Grünen über? Sollen erstarkte Grüne vollenden, wozu schwächlende Freiheitliche sich nicht mehr in der Lage sahen: Der "Missgeburt Österreich" (Jörg Haider) den Garaus zu machen - elegant europäisch, ohne den alt-rechten Mundgeruch. Voggenhubes Vorschläge sind in vielem deckungsgleich mit den Vorstellungen des deutschen Außenamtes. Wir wollen nicht vorverurteilen, aber die österreichischen Grünen haben Erklärungsbedarf, ob sie diese Positionen Voggenhubers mittragen. Bislang ist zumindest kein Ton der Distanzierung bekanntgeworden. Wir hoffen auf eine Klarstellung noch vor dem 24. November." (guernica 5-2002, S. 7)

Van der Bellen: Neutralität bekommt Ablaufdatum


Die gestrigen Äußerungen Van der Bellens zu den Vorschlägen Voggenhubers sind alles andere als ein Anlass zur Beruhigung. Im Gegenteil: Van der Bellen hat den "wichtigen Input und wichtigen Diskussionsbeitrag" (O-Ton VdB) Voggenhubers zum Anlass genommen, um der Neutralität ein grünes Ablaufdatum umzuhängen. Nämlich bis die "Europäische Verteidigungsunion" fix ist. D. h. Statt die Neutralität als Instrument für die Überwindung von Militärblöcken einzusetzen, gilt sie den Grünen als Platzhalter, bis eben jener Militärblock vollständig ausgeformt ist. Das ist ein Freibrief für Voggenhuber seine Politik fortzusetzen.

Auf die eigene Kraft kommt es an!


Voggenhuber wurde 1999 mit Friedens- und Neutralitätslosungen ins Europäische Parlament gewählt. Mittlerweile ist er zum (Afghanistan-)Kriegsbefürworter und Neutralitätsfeind mutiert - eine beispiellose WählerInnenbetrugsaktion. Daraus sollten Friedenskräfte und Neutralitätsbefürworter ihre Lehren ziehen. Für die Zeit nach dem 24. November können wir nicht auf die Farbenkombination der Regierung vertrauen, sondern nur auf unsere eigene Kraft. Ohne Bewegung von untern wird nach dem 24. November in jeder Farbkombination die Zerstörung der Neutralität verstärkt fortgesetzt. Am 14. Dezember wird in Linz ein Treffen stattfinden, um über den Widerstand gegen EU-Armee und Euro-Militarisierung zu beraten. Wir laden alle Interessierte recht herzlich dazu ein.



Nähere Informationen

Friedenswerkstatt Linz, mailto:friwe@servus.at

Anmerkungen:

(1) Hans van den Broek, Positionspapier für den Außenpolitischen Ausschuss des Europaparlaments, 1995

(2) in: Die Welt, 14. 10. 2002

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