Von Hilde Grammel (4.11.2011)
Österreich rangiert immer noch auf den letzten Plätzen unter den EU-Staaten, was die Unterschiede zwischen Frauen- und Männerlöhnen betrifft (diese liegen bei 25,5 Prozent), ein Trend der sich bei den Pensionen fortsetzt; auch lässt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu wünschen übrig, was nicht nur den fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen, sondern auch der mangelnden Bereitschaft der Männer geschuldet ist, sich 50:50 an Haus-, Kindererziehungs- und Pflegearbeit zu beteiligen und nicht zuletzt den Usancen in der Wirtschaftswelt, wonach Berufstätige keine Arbeitsverhältnisse vorfinden, die berücksichtigen, dass sie auch familiäre Verpflichtungen haben. Frauen sind diejenigen, die für diese Verhältnisse und politischen Versäumnisse bis heute zahlen. Und zwar mit Mehrfachbelastung, mit Armut und Abhängigkeit, sodass die vorgefundenen Verhältnisse und dies nicht nur, weil demnächst der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen auf dem Kalender steht getrost auch als strukturelle Gewaltverhältnisse bezeichnet werden können. Die folgenden Zahlen sprechen Bände: Die durchschnittliche Frauenpension in Österreich liegt noch immer bei 808 Euro brutto, jene von Männern bei 1.329 Euro. Zur Erinnerung: Frauen waren die großen Verliererinnen der Pensionsreform 2003, wonach nicht mehr die letzten und besten Verdienstjahre zur Berechnung der Pensionshöhe herangezogen werden, sondern die gesamte Lohnarbeitszeit.
Auf Initiative von Frauenministerin Dohnal wurde 1992 gleichsam als Ausgleich für die Lohndiskriminierung (Berufe, in denen überwiegend Frauen tätig sind, gelten noch immer weniger als Männerberufe) und die aus pensionsrechtlicher Perspektive verlorenen Jahre der Kinderbetreuung und die dem beruflichen Wiedereinstieg falls er glückt folgenden Jahre der Teilzeitarbeit per Verfassungsgesetz ein um fünf Jahre früheres Pensionsantrittsalter für Frauen festgelegt. Erst wenn Gleichberechtigung erreicht ist, sollen Frauen ebenso wie Männer mit 65 in Pension gehen. Im Jahr 1992 stellte man sich vor, dass dies im Jahr 2033 der Fall sein würde, 2024 soll damit begonnen werden, das Pensionsantrittsalter für Frauen sukzessive auf 65 anzuheben. Mittlerweile sind fast 20 Jahre vergangen und die Daten und Fakten sehen noch genauso beschämend aus wie zuvor, wobei die frauenpolitischen Stagnationsjahre der Blau-Schwarz-Orangen Regierungen eine große Rolle spielten, aber nicht nur.
An dem Verfassungsgesetz wird gerade herumgedoktert. Es sind der ÖVP-Seniorenbund, der seit der Pensionsreform 2003 hinlänglich bekannte Sozialforscher Bernd Marin, das WIFO, aber auch ÖGB-Präsident Foglar und die Arbeiterkammer, die einer Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters eine Lanze brechen. Immer mehr gut qualifizierte und verdienende Frauen, die länger als bis 60 arbeiten möchten und sich diskriminiert fühlen, wenn sie gegen ihren Willen in Pension geschickt werden, wenden sich an den EuGH und prozessieren sich ins Berufsleben zurück, weil ihre Pensionierung mit 60 dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Das sei ihnen unbenommen und überhaupt soll jede Frau, die länger als bis 60 arbeiten will, dies auch können.
Dass daraus aber bestimmte politische Kräfte gleich eine allgemein gültige Regelung ableiten möchten, kennen wir nicht nur, sondern zeigt einmal mehr, dass sie ihre Männerprivilegien gerne weiter genießen möchten. Herr Marin etwa meint, dass der Alterungsprozess bei Frauen mit dem früheren Pensionsantrittsalter zusammenhinge. Er rät Frauenorganisationen, einen Deal dahingehend zu machen, dass sie einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters zustimmen und dafür im Gegenzug ein Gleichbehandlungspaket bekommen erhebt sich nur die Frage, warum nicht in den letzten 20 Jahren mehr in diese Richtung getan wurde. Einzig 1992 wurde im Zuge der Dohnalschen Initiative die Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten für die Pension durchgesetzt. Frauen sollen, geht es nach ÖGB-Präsident Foglar, länger arbeiten, damit sie die ihnen für eine merklich über der Armutsgrenze liegende Pension fehlenden Beitragsjahre wettmachen können so als hätten Frauen nicht schon genauso viele Beitragsjahre wie Männer, ginge es mit rechten Dingen zu. Und ÖVP-Seniorenbund-Präsident Andreas Khol, scheinbar noch immer die schwarz-blaue Ära unbeschränkten Schaltens und Waltens vor Augen habend, meint sogar, für eine Anhebung des Frauenpensionsalters brauche es gar kein Verfassungsgesetz.
Männer ernten in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit oftmals die Früchte einer durchgehenden Berufslaufbahn, während Frauen, zum Beispiel im Handel, in Berufssparten tätig sind, in denen es im Alter überhaupt keine Bienniensprünge (Anhebung des Einkommens in Zwei-Jahres-Schritten) mehr gibt Frage an die GewerkschafterInnen: Wieso nicht? Frauenministerin Heinisch-Hosek entgegnet den FreundInnen der Anhebung des weiblichen Pensionsantrittsalters richtigerweise, dass viele Frauen, auch wenn sie bereits über 50 sind, teilzeitbeschäftigt sind und dass lange, schlechte Einkommenszeiten keine höhere Pension ergeben. Faktum ist auch, dass der Staat sich jährlich eine Milliarde Euro erspart, wenn das Pensionsantrittsalter von Frauen um nur ein Jahr hinaufgesetzt wird, von den Ersparnissen der privaten Pensionskassen gar nicht zu reden, denn diese können das Geld ohnehin sehr gut gebrauchen, um es in Spekulationsgeschäften anzulegen.
Anstatt über die Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen nachzudenken, sollten wir eine allgemeine Senkung des Pensionsantrittsalters fordern, damit auch junge Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen, einen finden.
Und darüber, wie sich diese Diskussion in den Ohren jener anhört, die prekär beschäftigt sind und bisher kaum einen oder überhaupt keinen Pensionsanspruch haben, sollten die Herr- und Frauschaften auch mal nachdenken.
Die Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen löst diese Probleme jedenfalls überhaupt nicht.