Von Hilde Grammel (25.10.2013)
Für die Maskulisten aller Couleur, von der FPÖ, über Väterrechtler zu Pro-Life-Aktivisten und Christen-Partei ist sie der Hort des Bösen schlechthin: die Gender-Politik, wie sie seit dem Amsterdam-Vertrag in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens implementiert wird. Während es dieser im Kern darum geht, überkommene Geschlechterstereotypen zu hinterfragen und eine Gleichbehandlungsagenda durchzusetzen, orten konservative Kreise Maßnahmen zur ideologischen Geschlechtsumwandlung, so zu lesen im Handbuch freiheitlicher Politik, einem Leitfaden für Führungsfunktionäre und Mandatare der FPÖ. Mit Hilfe des Frankenstein-Projekts der Gender-Politik, befürchtet etwa der inzwischen wegen Verhetzung verurteilte Karlheinz Klement, sollen Buben zu Mädchen gemacht werden. Das trifft natürlich mitten ins Herz jener, die noch echte Männer sein wollen und stolz darauf sind, halten sie sich doch für das stärkere und überlegene Geschlecht. Der Frau hingegen fallen die Aufgaben der Hüterin von Familie, Heim, Kindern und Alten quasi naturgegeben zu und somit eine dienende Rolle, die in der Biologie begründet sei. Der Gender-Wahnsinn wird als Bedrohung erlebt, als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, und hat die Welt der Maskulisten nachhaltig erschüttert: Überall formieren sie sich, um gegen die Widernatürlichkeit von politischer, ökonomischer und rechtlicher Gleichstellung der Geschlechter vorzugehen. Kindergärten werden ebenso bekämpft wie Kinderlosigkeit, Sexualerziehung und Abtreibungsrechte, Quotenpolitik, Feministinnen und Kampfemanzen, die institutionalisierte Frauenpolitik, mit einem Wort, alles, was Frauen zu einem selbstbestimmterem Leben verhilft und sie aus der Abhängigkeit von Männern befreit. Besagter Karlheinz Klement geht sogar so weit zu fordern, Kinderlose aus dem Pensionssystem auszuschließen, da sie ihrer Aufgabe, für Nachwuchs für das staatliche Gemeinwesen zu sorgen, nicht nachgekommen seien. Dafür soll jede Mutter, die ihr Neugeborenes zur Adoption freigibt, eine Prämie von 15.000 Euro erhalten. Schließlich geht es ja darum, heimische Familien dazu zu ermuntern, den Bestand des eigenen Volkes gegen den Kinderreichtum der Zuwander*innen zu sichern.
Aus alledem wird klar, dass zur Vergangenheitsbewältigung in Österreich auch eine Umkrempelung des tradierten Geschlechterrollenverständnisses gehört. So gesehen ist Europa gut für dieses Land hinter den Bergen und dem Wald, weil es lernt wie widerwillig auch immer , dass es andere Standards gibt als die überkommenen, in denen es sich so bequem eingerichtet hat und die dafür verantwortlich sind, dass Frauen noch immer unsichtbar und unbezahlt den Männern zuarbeiten und dafür sorgen, dass viele gesellschaftliche Mikro- und Makrosysteme überhaupt erst funktionieren.
Während Gender Mainstreaming in rechten Kreisen als Erziehung zur Geschlechtsumwandlung gehandelt wird, gibt es an diesem Konzept auch kompetentere Kritik von feministischer Seite. Demnach ist Gender Mainstreaming eine bloße Gleichstellungsstrategie, die darauf vergisst, die Forderung nach Aufwertung der von Frauen geleisteten Arbeit konsequent zu stellen. Verkürzt ausgedrückt, geht es vielmehr darum, Frauen ein Leben wie Männer es seit jeher führen, als autonome Subjekte, zu ermöglichen, also um die Durchsetzung hegemonialer Männlichkeit. Weibliche Erfahrungen und Lebensmuster werden dabei systematisch abgewertet und ausgeblendet, inklusive der Vor- und Fürsorgearbeiten für andere. Die angepeilte Gleichstellung zwischen den Geschlechtern wird nur im Rahmen des bestehenden Systems angestrebt. An dessen Überwindung und dies war das ursprüngliche Anliegen des feministischen Aufbruchs in seiner Radikalität wird nicht mehr gedacht, nur an die Ermöglichung der Teilhabe daran für Frauen. Dies passt sich nahtlos in die selbstgesteckten Ziele der EU ein, Europa im globalen Wettbewerb zu einem der führenden Wirtschaftsräume zu machen, weil Gender Mainstreaming darauf abzielt, die vorhandenen Humanressourcen, inklusive der weiblichen, bestmöglich zu nutzen.
Es reicht aber nicht aus, die strukturelle Gewalt der Gesellschaft durch die Nicht-Definition des weiblichen Subjekts beziehungsweise seine Einverleibung in und Subsumierung unter hegemoniale Männlichkeit unterlaufen zu wollen, weil dadurch Männlichkeit einmal mehr aufgewertet wird. Mit der Erringung weiblicher Freiheit hat dies alles herzlich wenig zu tun.
Literaturhinweise:
Birge Krondorfer: Gender und sein Mainstreaming. Notizen aus feministischer Perspektive. In: Weiblicher Eigensinn und Gesellschaftspolitik. Hg. von Brigitte Lehmann und Sybille Summer. Wien: ÖGB-Verlag 2013
Hans-Henning Scharsach: Strache im braunen Sumpf. Wien: Kremayr & Scheriau 2012.