KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die FKP ein halbes Jahr nach der Niederlage

Über ihre künftige Strategie beriet die PCF Anfang Dezember

Von Bernhard Sander (24.12.2007)

Am 8./9. Dezember 2007 hat die französische Kommunistische Partei auf einem Konvent über ihr erneut schlechtes Abschneiden bei den zurückliegenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen debattiert. Die Partei, die 1981 noch fast eine Dreiviertel Million Mitglieder zählte und auf heute gut 130.000 geschrumpft ist (AktivistInnen vielleicht 35.000), ist in einer Identitätskrise, die viele Parallelen zum deutschen Parteibildungspro­zess aufweist. Von Bernhard Sander.

Es sind sicherlich eine Reihe welthistorischer Ereignisse, die den Blutsturz der Partei markieren (Kriegsrecht in Polen, Scheitern in der ersten gemeinsamen Regierung der Linken 1983, sowjetischer Einmarsch in Afghanistan, die „insgesamt positive Bilanz“ des Realsozialismus und sein Zusammenbruch 1990), doch die Gründe liegen tiefer.

Der frühere Minister LePors[1] geht von Eric Hobsbawms These aus, das 20. Jahrhundert sei ein kommunistisches Jahrhundert gewesen: Ein Teil der Menschheit habe mit einem machtvollen Voluntarismus in der Führung der Angelegenheiten der Welt und der Beherrschung der Natur sein Schicksal meistern wollen. Die Kommunistische Partei habe seit der Befreiung vom Faschismus für Jahrzehnte das politische Leben und das der Linken bestimmt.

Aber der dabei vorherrschende Staatsbegriff habe an Konsistenz verloren, an Faszination gegenüber der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Klassen hätten sich zwar nicht aufgelöst, aber es gäbe mehr Stratifikation. Selbst der Begriff der Bourgeoisie sei heute komplexer und weniger einleuchtend durch die zahlreichen Schichten, die in Beziehung zu Kapitalfunktionen stehen. In die Arbeiterklasse eingeschrieben zu sein, bedeutete früher für die Arbeiter, sich eine „Bürgerschaft im Kampf“ zu verschaffen und gesellschaftlich mit eigenen Werten zu existieren. Heute bildeten die Stahl- und Kohle-Kumpels oder Docker und Bahner aber keinen Block mehr.

Hier setzt auch der Soziologe Bernard Pudal an,[2] der davon spricht, dass die Identität, die die Partei in den Jahren 1930 bis 1950 geformt habe, zerbrochen sei. Soziologisch war die KP ein Erfolg, weil die Erfahrung als Parteiaktivist eine Erfahrung des sozialen und politischen Fortschritts war. Durch die KP wurden Menschen aus der Arbeiterschaft politisch legitimiert. Heute bilden die Träger dieses Projekts nur einen Teil der Anhänger der KP. Daneben stehen die 13.000 Mandat­sträger bis hinunter in die lokalen Gebietskörper­schaften, 700 Bürgermeister, Abgeordnete mit ihren mehr oder weniger professionali­sierten Zuarbeitern und den staatlichen Finanzressourcen, deren Verschränkung mit verschiedenen Teilen der künstlerischen und intellektuellen Mittelschichten und der Staatsbediensteten diese Städte und Regionen tragen.

Diese Komplex mit den örtlichen Kräften verwobenen Parteistrukturen leben seit Jahrzehnten durch die Zusammenarbeit mit der Sozialistischen Partei, mit der sie in „republikanischer Disziplin“ dem jeweils bestplatzierten linken Kandidaten eine Vorsprung gegenüber dem bürgerlichen und rechten Lager zu sichern versuchen, woraus sich eine gewisse Unbeweglichkeit des Apparates und eine Ablehnung von Experimenten begründen lässt.

LePors verweist auf die Veränderungen in der französischen Gesellschaft. Neben dem Wandel durch Ausfaserung der arbeitenden Klassen nennt er den räumlichen Wandel: Verstädterung, Verdichtung des Transport- und Kommunikation­swesens, die zu einem Verständnis der Nachbarschaft und der Endlichkeit des Planeten beigetragen habe. Die Moralvorstellungen über Familie, Partnerschaft usw. seien in Bewegung. All diese Entwicklungen könne man nicht in die Kategorien, wie sie von Marx im 19. Jahrhundert entwickelt worden sind, übersetzen.

Der Soziologe verweist ebenfalls auf den begrifflich nicht von der Partei erfassten Wandel, vor allem auf die Spaltung zwischen den MigrantInnen und den immer qualifizierteren und kultivierteren Teilen der Lohnarbeiterschaft. Er macht aber noch eine weiteren, dynamischen Teil in der Anhängerschaft der KP aus: die Bewegung der prekarisierten Bühnenarbeiter z.B. oder andere von Staatszuschüssen abhängige Beschäftigte am Rande des öffentlichen Dienstes, die zu größerer Radikalität drängten.

Im Resultat einer völligen ideologischen und theoretischen Unordnung sieht Pudal eine lähmende „demokratische Dezentralisierung“, in der es unmöglich werde, wirkliche Strömungen zu bilden, kompetente Mannschaften, auf Basis konsistenter Programme. Auch Anicet LePors konstatiert die ideologischen Auflösungsersche­inungen und pocht darauf, dass die Linke nur auf der Basis eines neuen theoretischen Verständnisses der Welt und seiner Übersetzung in ein politisches Projekt bestehen könne.

Man dürfe die Entwicklungen und insbesondere die Globalisierung nicht nur in ihren negativen Seiten sehen. Es könne sich ein „Goldenes Zeitalter öffentlicher Dienste in der Welt öffnen. Die Frage der gesellschaftlichen Aneignung im internationalen Maßstab bei Wasser- und Bodenschätzen oder bestimmten Produktionen“ stelle sich dringlich. Ähnlich geht es um die Frage, welches Erbe bewahrt werden müsse. Das Konzept der „Bürgerschaftlichke­it“, für das man als Kommunist gekämpft hat, könne eine bindende Klammer sein.

Für das ehemalige Politbüro-Mitglied LePors müssen die Parteien neu erfunden werden, eine Zentralität könne nur von der Basis der „Individualisierung der Bürger“ aus gesucht werden. Eine Partei, die noch den Namen kommunistisch verdiene, müsse als Bezugspunkt für die Zukunft dienen, auch um den Preis, dabei in der Minderheit zu bleiben. Und auch der Soziologe wird etwas pathetisch: „Die ganze Geschichte ihrer völligen teilweise heroischen Hingabe an die Partei, von der Maurice Thorez sagte, man müsse sie ‚verteidigen wie unseren Augapfel‘, ist in Frage gestellt.“ In ehrlicher Trauerarbeit müsse man sich von der Vergangenheit trennen und gleichzeitig das positive Bild von dieser Vergangenheit bewahren. Die Französische Kommunistische Partei will die Reflexion. Dabei handele es sich aber nicht um „diese schmerzhafte Innenschau, die uns gewisse Medien weismachen wollen“.[3]

Neben der Feststellung von der „Allmacht des Geldes“ und der „Politik des Show-biz“ bei Sarkozy finden sich eine Reihe neuer Elemente sowohl in der Analyse der aktuellen Präsidenten-Mehrheit (Kult des Erfolges – Mitgefühl für das Frankreich, das leidet – wachsende Durchlässigkeit gegenüber den Ideologien des „Jeder für sich“) als auch in der Analyse der aktuellen Auseinanderset­zungsfelder: Kaufkraftsicherung durch Lohnerhöhung, Verteidigung der öffentlichen Dienste, Rente 2008 usw.

Einerseits muss es immer noch der große Wurf sein (Wer? Was? Wie und für wen produzieren?), andererseits gibt es Ansätze, die neuen Realitäten aufzugreifen. So wird hinsichtlich der Lohnarbeit konstatiert, dass zunehmend Initiative, Reflexion und Zusammenarbeit erforderlich seien. „Von daher der enorme Druck auf die Beschäftigten, die Unterwerfung unter die Erfordernisse der Finanzrentabilität als einzige Möglichkeit zu verinnerlichen“. Und im Hinblick auf die Globalisierung wird zumindest das Übergewicht der Finanzmärkte und des globalen Kreditbedarfes als Untersuchungsge­genstand benannt, wenn auch wieder mit der alten, an den Stamokap gemahnenden Floskel: „Diejenigen, die den größten Profit aus der kapitalistischen Globalisierung ziehen, sind nur eine ganz kleine Minderheit der Menschheit“.

Im Hinblick auf die Partei bleibt es offenbar vorläufig bei der Vorgabe eines Selbstverständnis­ses als Weltanschauun­gspartei. Der Kommunismus sei das Ziel, um aus der Vorgeschichte der Menschheit heraus zu gelangen. Er charakterisiere einen Weg, der das Gegenteil der Tabula rasa des Linksradikalismus sei. Es gehe immer um die wirkliche Bewegung. Wenn über die Organisationsfrage nachgedacht werde, könne man diese nicht denken ohne Bezug auf diesen Weg einer demokratischen Umgestaltung der Gesellschaft, wie sie von einem sich selbst bewussten Volk errichtet werde. Da man nur als Sammlungsbewegung erstarke, sei bezüglich der Partei und der Strategie keine Hypothese auszuschließen.

Die Debatte hat eben erst begonnen. Das Ende scheint in jeder Hinsicht offen und wird mit geprägt von den anderen Kräften der Linken wie der LCR, die Pudal als „Durchlauferhitzer“ einschätzt und der Sozialistischen Partei, die sich qualvoll den Positionen ihrer Präsidentschaf­tskandidatin Royal anverwandelt. Diese Etappe schließt die Kommunalwahlen im März 2008 mit ein.

[1] L´Humanité 5.10.07
[2] Le Monde 6.12.07
[3] Olivier Bartigolles Einleitungsreferat zur Parteikonferenz 8./9.12.07 www.pcf.fr

Quelle: SozialismusNews 01–08, 13.12.2007, Web www.sozialismus.de

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