(2.12.2011)
Berlin (epd). Nach langer schwerer Krankheit ist die Schriftstellerin Christa Wolf am Donnerstag in einer Berliner Klinik gestorben. Sie wurde 82 Jahre alt. Wolf war die bekannteste Autorin der DDR. Zu den berühmtesten Werken der Erzählerin gehören »Nachdenken über Christa T.«, »Kindheitsmuster«, »Kassandra« und »Medea. Stimmen«. 1980 wurde sie mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Neben vielen anderen Würdigungen erhielt sie 2002 auch den Deutschen Bücherpreis und 2010 den Thomas Mann Preis. Im November 1989 gehörte Christa Wolf zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs »Für unser Land«. Sie betonte wiederholt, sie sei »keine Staatsschriftstellerin« gewesen. Auf die Frage, warum sie die DDR nicht wie andere Autoren verlassen habe, sagte Wolf stets, sie habe für sich keine wirklich sinnvolle Alternative zu einem Leben in der DDR gesehen.
Süchtig nach Aufrichtigkeit
"( ) Hatte Christa Wolfs Kassandra-Ruf Gehör gefunden? Erweist sich uns die Macht des Wortes? Letztlich vermag nur die Gewalt des Faktischen zu überzeugen. Angst als produktive Kraft. Aber darüber hatte sie ja in »Störfall« geschrieben. Die Reaktionen der Ich-Erzählerin, die manch einer damals hysterisch genannt haben mochte, sind Klarsicht, sind Weitsicht geschuldet. Heute finde ich es nicht mehr überzogen, wenn Christa Wolf die »ungeheure technische Schöpfung« aus unbefriedigten menschlichen Sehnsüchten erklärt. »Lebensersatz«, sagt sie, »Ersatz für Liebe«. Alles, »was wir Fortschritt nennen«, sei nichts als »Hilfsmittel, um starke Gefühle auszulösen«.
Eine irritierende Aussage, nicht wahr? In der DDR war Irritierendes nicht gefragt, auch wenn es dringend benötigt wurde. Und im heutigen Stimmengewirr scheint es, als würde es Irritierendes kaum mehr geben. Dabei ist die Widerstandsleistung so anders nicht: Dem offiziell Verkündeten, Verlautbarten, bis hin zu den scheint's sachlichen Informationen ist grundsätzlich mit Skepsis zu begegnen.
Eine anstrengende Lebenshaltung, fürwahr. Es ist davon auszugehen, dass Christa Wolfs Leben anstrengend war. Das Schreiben: immer mühsamer, dem schwächer werdenden Körper abgetrotzt. Der Mutlosigkeit auch. Der Enttäuschung. ( )"
aus: Irmtraud Gutschke zum Tode von Christa Wolf
Vom Träumen, vom Kämpfen.
( ) „Prosa baut tödliche Vereinfachungen ab … Sie hält die Erinnerung an eine Zukunft in uns wach, von der wir uns bei Strafe unseres Untergangs nicht lossagen dürfen. Sie unterstützt das Subjektwerden des Menschen. Sie ist revolutionär und realistisch: sie verführt und ermutigt zu Unmöglichem. ( )“
aus: Eine Erinnerung: Friedrich Schorlemmer
Quelle: nd-online