KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Politisches Referat: einzigartige Solidarisierungskraft von Frauen nutzen

Von Heidi Ambrosch (1.3.2011)

Liebe Genossinnen, liebe Genossen, werte Gäste!

Die KPÖ-Frauenpolitik wird von zwei Frauenkollektiven in Wien erarbeitet, es sind dies die Arge Feminismus und Elfema. Und obwohl die Zusammensetzung der beiden Kollektive fast aus denselben Frauen besteht, ist es uns gelungen, vielfältige Projekte in Gang zu bringen, am Laufen zu halten oder zu initiieren. Über Elfem wird Susanne im Anschluss sprechen.

In der Arge Feminismus bereiten wir die Frauenseminare aber auch das Volksstimmefest vor, besprechen wir den Inhalt der Volksstimme, unser Auftreten bei Wahlen oder in aktuell gesellschaftlich relevanten Bündnissen, stellen unsere Überlegungen an für die internationalen Frauentage und vieles mehr. Fast alle darin wirkenden Frauen sind zugleich Mitglieder im Bundesvorstand, in der Wiener Leitung oder aber der Volksstimmere­daktion, sind Autorinnen auf der KPÖ-Homepage. Susanne ist außerdem Bezirksrätin, andere sind in zivilgesellschaf­tlichen feministischen oder auch gemischten Bündnissen aktiv.

Die 2 mal im Jahr durchgeführten Frauenseminare, für die Bärbel Mende-Danneberg uns ihr Haus in Krug/Waldviertel zur Verfügung stellt, sind zu zentralen Fix- beziehungsweise Orientierungspun­kten geworden, wo wir uns mit Bdf-Aktivistinnen und anderen Interessierten in einer Anzahl von 15–25 Frauen zu den verschiedensten Themen austauschen, uns feministische Theorie zueignen, um diese in unseren Praxen neu zu verknüpfen. Es geht uns um die Durchdringung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die wir in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung für die politische Bildungsarbeit begteifen. In der letzten Periode arbeiteten wir mit historischen Beiträgen von Simone de Beauvoir und Hannah Arendt als auch mit aktuellen feministischen Beiträgen zu Themen wie Prekarisierung der Lebensverhältnisse, Grundeinkommen – wir setzen uns mit Männlichkeitskon­struktionen, Fragen des Verhältnisses von Staat und Geschlecht auseinander. Wie wir diese Auseinanderset­zungen nachhaltig zusammenfassen können, damit sie in die gesamte Partei zurückwirken ist ein nicht gelöstes Problem.

Obwohl wir ein ganzes Seminar der Überarbeitung des Frauenprogramms der KPÖ widmeten, ist es uns nicht gelungen, eine neue Fassung vorzulegen. Zu tiefgreifend sind die Problemverschi­ebungen, die wir gesellschaftlich, politisch und auch in der KPÖ wahrnehmen, als dass jetzt schon ein solcher Entwurf erarbeitet werden könnte. Der Wunsch nach einem aktuellen frauenspezifischen Grundsatzpapier bleibt und ich hoffe, wir können dieses in der kommenden Periode erarbeiten. Für ein gänzlich neues Dokument – liebe Genossinnen und Genossen – brauchen wir allerdings mehr Ressourcen, wozu ich noch kommen werde. Denn gleichzeitig sind wir ja immer wieder gefordert, den feministischen Blickwinkel in die allgemeinen Dokumente einzubringen, nicht als Extrakapitel, sondern als lila faden alle KPÖ-Dokumente durchziehend.

Anhand des Beispiels unseres letzten Seminars möchte ich euch verdeutlichen, wie wir gelernt haben vorzugehen: das Thema war Solidarität und unser Anliegen war, der gesellschaftlichen Entsolidarisierung systematisch entgegen zu arbeiten. Wir wollten also nicht nur eine Bestandsaufnahme des Vorfindlichen leisten, sondern wir widmeten uns dem Begriff und erarbeiteten uns seine Aufgabe, seine Bedeutung sowohl historisch als auch in seinen Bedeutungen für uns heute und jetzt. Auf der Subjektseite versuchten wir die Frage zu beantworten, wie es möglich ist in einem ent-solidarisierten Umfeld solidarisch zu handeln und wie dies gemeinsam geschehen kann, aber auch welche Behinderungen objektiver und subjektiver Art erkannt werden müssen und ebenfalls der politischen Bildungsarbeit als Aufgabe zugeführt werden sollten. Dabei gilt es die strukturellen Behinderungen frei zu legen: KPÖ-Frauen sind anders als KPÖ-Männer zum Teil mit entgegengesetzten Anforderungen konfrontiert. Sie müssen nicht nur Beruf und Politik sondern beides auch mit Familie vereinbaren. Es müssen nicht immer Kinder oder der/die Lebenspartnerin sein, oft sind es auch die Pflegeanforde­rungen, die den Frauen überantwortet werden. Die eigenen Interessen als weibliches Geschlechtswesen zu erforschen, erfordert sich gesondert mit der verschwiegenen Frauengeschichte auseinanderzu­setzen, marxistische Theorie mit feministischer zu verbinden und sich sowohl in die gemischten Strukturen als auch zusätzlich in diverse Frauenzusammenhänge einzubringen. Und nicht selten bleibt die nötige Organisationsarbeit im Hintergrund, wer besorgt den Raum, macht die Aussendungen, schaut wie der Saal gestaltet werden kann etc. auch das bleibt in gemischten Organisationen oft zusätzlich an weiblicher Aufmerksamkeit hängen. Ich schwinge hier keine moralische Keule, aber es ist wichtig festzuhalten, dass Genossen im allgemeinen über ein beträchtliches mehr an zeitlichen wie bekannterweise auch an materiellen Ressourcen verfügen sich ihrer Interessenslagen bewusst zu werden, sie zu bearbeiten und sie entsprechend einbringen zu können. Das prägt selbstverständlich die Kultur in der Partei und muss als ein konservatives strukturelles Problem begriffen werden, was sicher u.a. dazu führt, dass sich in den letzten Jahren bedeutend mehr Männer als Frauen der KPÖ anschließen, übrigens ein europaweiter Trend in den Linken Parteien. Wir müssen das begreifen nicht nur um den Genossinnen der Partei gerechter zu werden, sondern um präziser zu fassen, was wir von einer solidarischen Gesellschaft erwarten.

Ich möchte diese strukturellen blinden Flecken mit einigen aktuellen Diskursen verknüpfen. Frauen haben in einer unglaublichen Aufholjagd die ihnen seit den 60er Jahren eröffneten Bildungswege in Anspruch genommen und sind heute was die schulischen und sogar was die universitären Abschlüsse betrifft den Männern voraus. Die Wahl der Fächer etc. bleibt weiterhin geteilt, ist aber jetzt nicht mein Thema. Sie haben sich sogenannte männliche Durchsetzungskraft zugeignet, verbinden sie innovativ wie das heute so schön heißt mit den ihnen von klein auf antrainierten softskills und selbst im Wirtschaftsführun­gsetagen will man Quoten einführen, weil die Männerbunde die gläserne Decke am liebsten zu betonieren würden. Denn diese neue auch auf geschäftliche Konkurrenz mit Männern trainierte Weiblichkeit macht Angst, ist sie doch auch eine Bedrohung für den für alle immer unsicherer werdenden Arbeitsplatz. Gleichzeitig ist das Ernährermodell eines der Vergangenheit, was die Abhängigkeit von Frauen leichter materiell regeln ließ. Männliches Überlegenheit­sgerangel wird in vielen Fällen zur Farce und es ist daher kein Zufall, das antifeministische Debatten um sich greifen, ein aggressiver werdender Sexismus in der Werbung feststellbar ist, rechtsradikale Väter Sturm laufen. Historisch sei in diesem Kontext angemerkt, dass ebenfalls nicht zufällig nach dem verlorenen Vietnamkrieg Rambo oder Conan Filme die Kinoleinwände bespielten.

Aber all das ist nicht Thema des aktuellen linken Diskurses, in denen Männer wie bereits ausgeführt, den Ton angeben können. Und so bleibt die Durchdringung der gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Linken auf halber Strecke stecken und irgendwie hilflos defensiv sind die vorgebrachten Vorschläge.

Im Resolutionsantrag „Von den Stärken der Frauen lernen“ zitieren wir Frigga Haug:

„In diesem Sinne müssten wir darum kämpfen, dass Frauen (und allen Menschen) genug Zeit eingeräumt ist, Menschlichkeit, als Sorge für sich, andere und die Natur als Lebensbedingung zu entfalten. D.h. auch, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Einzelnen sich ungeachtet ihrer Verschiedenheit entwickeln können. Das beinhaltet auch, Fähigkeiten von anderen zu fördern, zu bejahen, zu unterstützen, statt sie gegeneinander zu richten. Strukturen zu schaffen, in denen das miteinander Kooperieren als alle bereichernd und genussvoll erfahren werden kann. Den gemeinsamen Genuss auch im Denken als Ziel setzen zu können.“

Und wir verweisen auf die einzigartige Solidarisierun­gskraft von Frauen, wie sie in der Vorbereitung zu einer bundesweiten Demonstration für Frauenrechte am 19. März zum Ausdruck kommt. Die Unterlagen findet ihr in eurer Parteitagsmappe und ich weiß, dass einzelne Genossinnen dazu noch sprechen werden. Daher schließe ich an dieser Stelle mit einer persönlichen Anmerkung:

Wenn ich auf diesem Parteitag in der Frauenversammlung noch einmal als Frauensprecherin zur Verfügung stehe, so auch in der Überzeugung, dass es das letzte mal sein wird. Was weder Anlass zur Erleichterung bei einigen auslösen noch als Rückzug gewertet werden soll, vielmehr bin ich heute sicher, dass wir auf dem Weg sind, dass ein Wechsel nicht nur möglich, sondern auch spätestens am nächsten Parteitag nötig ist.

Danke für eure Aufmerksamkeit.

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