KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Kurier interviewt Mirko Messner zur Bundespräsidentenwahl

(2.12.2016)

Am 2. Dezember erschien ein Kurier-Interview mit Mirko Messner, Bundessprecher der KPÖ, über die Bundespräsiden­tenwahl und die Rolle der KPÖ in Österreich heute. Hier der Volltext des per Email geführten Interviews, den Kurier-Artikel finden Sie hier: www.kurier.at

Im Verlauf des Wahlkampfes zur Bundespräsiden­tenwahl wurde Alexander Van der Bellen vom freiheitlichen Lager mehr oder weniger explizit als Kommunist bezeichnet. Wie beurteilen Sie diese Vorgangsweise?
Durch nichts außer durch demagogische Kalkulation begründet. Lächerlich bzw. verlogen in der Aussage.

Offenbar setzt die FPÖ darauf, dass das Wort Kommunist in Österreich in besonderer Weise negativ besetzt ist. Wie können Sie sich das erklären?
Das liegt doch auf der Hand: Die österreichischen Kommunistinnen und Kommunisten haben den größten Beitrag sämtlicher Parteien zum antinazistischen Widerstand und somit zum Wiedererstehen Österreichs geleistet. Die österreichische Unabhängigkeit­serklärung trägt die Unterschrift der Vertreter der SPÖ, der ÖVP und der KPÖ. Die Nazis dagegen, die Österreich ausradiert hatten, waren das Gründungspotential der FPÖ. Der Antikommunismus war ihre Doktrin von Anbeginn ihres kurzen tausendjährigen Reiches, und er wurde im Kalten Krieg zu einer Art gesellschaftlichem Konsens. Interessanterweise wurde er nach dem Untergang des sogenannten Realsozialismus neu entdeckt und wird von den Wächtern der Nacht wie immer schon gegen jede Regung verwendet, die ihnen gegen den Strich geht.

Sie haben sich nun erneut klar für Van der Bellen ausgesprochen. Was versprechen Sie sich davon?
Dass möglichst viele bisherige und neue Wählerinnen und Wähler der KPÖ ihn wählen, auch wenn sie sich berechtigterweise schwertun damit; er ist natürlich ja kein kommunistischer Kandidat, sondern einer der liberalen Mitte, des EU-Mainstreams, aber eben auch der alternative, bessere Kandidat. Hofer ist der Kandidat des reaktionärsten Establishments, der österreichisch gewendeten Deutschnationalen, und er sollte nicht die Gelegenheit bekommen, das autoritäre Potential des Bundespräsiden­tenamts im Dienste der Rechtsextremen und der Sozialdemagogen zu nutzen.

Die KPÖ unterstützt die „Offensive gegen Rechts“. Die „Neue Linkswende“ ist hingegen nicht mehr in der OGR vertreten. Dass diese Gruppierung nun einen Tag vor der Wahl eine Demo unter dem Motto „F*ck Hofer“ veranstaltet, halten Sie das für sinnvoll oder für kontraproduktiv?
Würde ich in Wien wohnen, wäre ich bei dieser Demo nicht dabei, weil sie in der Vorwahlsituation dem Norbert Hofer nützt.

… also Van der Bellen schadet. Warum?
Weil sie den Hasspredigern der FPÖ die Möglichkeit bietet, sich medial und in den sozialen Netzen schnell noch einmal als Opfer darzustellen. Die nachhaltige politische Katastrophe ist allerdings nicht diese Demo, sondern die Bereitschaft von SPÖ und ÖVP, der FPÖ hinterherzulaufen und in Gesetze zu verwandeln, was letztere an menschenfeindlichen Ideen so absondert. Kern und Lopatka befinden sich im Wettrennen um die Gunst der FPÖ. Sie sind es, die zur Zufriedenheit ihrer rechten Parteiflügel der FPÖ den Raum geben, in dem sie sich entfalten kann, sie sind es, die dafür verantwortlich sind, dass die gesamte Mitte nach rechts abrutscht. Das ist das wahre Problem.

Was die Parteien der Mitte betrifft, so konnte man aber in den letzten 20 bis 30 Jahren das Phänomen beobachten, dass auf bestimmten Politikfeldern weder ein Beibehalten eines gemäßigten Kurses noch das Anpassen an rechtspopulistische Forderungen anhaltenden politischen Erfolg zu haben scheint. Wie kann man dieser Situation überhaupt entkommen?
Ich sehe keinen gemäßigten Kurs, eher einen Extremismus der Mitte, die entschlossen ist, die Reste des europäischen Sozialmodells zu vernichten. Es geht auch um mehr als um ein Anpassen an „Rechtspopulisten“. Da geht es schon um eine autoritäre Wende des Neoliberalismus unter Einbeziehung der Rechtsextremen, die sich in vielen Staaten der EU abzeichnet. Es sind die asozialen Schikanen der Austeritätspolitik, gerichtet gegen jene Menschen, die prekär oder von Löhnen wohnen und leben müssen, die kein würdiges Leben mehr erlauben, und die die Menschen verzweifeln lassen oder zornig machen. Es ist die Privatisierung öffentlicher sozialer Systeme, es ist der Sozialabbau und die Bevorzugung der Banken und Konzerne, die viele Menschen aus der Arbeiterklasse und der Mittelschicht den sogenannten „Rechtspopulisten“ zutreiben, weil es diesen auf diese Weise leicht gemacht wird, mit sozialer Demagogie und nationalistischer Hetze die Frustrierten einzusammeln. Viele sehen nicht, dass die FPÖ in Wirklichkeit ein Bodyguard der Reichen ist, und wenn sie es sehen, ist es ihnen vielfach wurscht, Hauptsache, dem eleganteren Teil des Establishments wird politisch eine drübergezogen.
Wie man dieser Situation überhaupt entkommen kann? Einfach. Indem man auf den Kommandobrücken andere politische Beschlüsse fasst. Wer hindert das politische Personal der EU bzw. der EU-Staaten daran, die Macht der Konzerne und Banken zu beschneiden? Nur sie selbst, weil sie zu einem großen Teil damit beschäftigt sind, die Drehtüren zwischen Politik und großer Ökonomie zu nutzen. Wer hindert sie, die 1.000 Milliarden Euro, die den EU-Staaten jährlich durch legale und illegale „Steuervermeidung“ entgehen, einzutreiben? Nur sie selbst. Es fehlen ihnen einfach der Mut und der Wille, sich mit dem einen Prozent ganz oben anzulegen. Ohne dem gibt es aber keine Änderung zum Besseren.

Kann die „Neue Linkswende“ als kommunistische Gruppierung betrachtet werden?
Nein.

Wie sieht es mit den bereits einmal geäußerten Bestrebungen aus, durch Bündelung verschiedener Kräfte eine neue Linkspartei zu schaffen? Ist die OGR möglicherweise eine Startrampe dafür?
Aber nein. Es gibt andere Plattformen, die gezielt auf eine Sammlung der linken Kräfte hinarbeiten – zum Beispiel den „Aufbruch“. Von einer neuen Linkspartei zu sprechen ist derzeit noch sehr verwegen. Es wäre schon sehr viel gelungen, wenn eine linke Wahlallianz die politische Bühne betritt. Notwendig wäre das in dieser Zeit, in der die traditionelle Parteienlandschaft durcheinander­gerüttelt wird. Zwei meiner Meinung nach durchaus gelungene Versuche in dieser Richtung hat es ja in letzter Zeit bereits gegeben – Europa Anders und Wien Anders, das dabei ist, als kleine, aber feine Alternative in einigen Wiener Bezirken seine Wurzeln und seinen Einfluss zu entfalten.

Sehen Sie es unter Umständen auch als notwendig an den Kommunismus im Parteinamen hinter sich zu lassen?
Was die zukünftige Generation betrifft, wird sie selbst darüber entscheiden. Meine Meinung ist, dass es nicht notwendig ist, das „K“ im Namen zu streichen; es ist notwendig, an einer linken Sammlung, die sowohl jene SozialdemokratInnen einschließt, die sich selber ernst nehmen, als auch linke ChristInnen, MigrantInnen, gewerkschaftlich Tätige, linke Grüne und andere.

Linke Politik scheint derzeit, was aktuelle Wahlergebnisse oder -Umfragen betrifft, nicht hoch im Kurs zu sein. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Und was sind die Chancen linker Politik in den nächsten Jahren/Jahrzeh­nten?
Erstens stimmt das nicht für überall, nicht für Regionen im Süden Europas, nicht für England, nicht für die USA. Bernie Sanders hat in den USA den demokratischen Sozialismus wieder in Diskussion gebracht, und zwar massiv. Er hätte im Unterschied zu Clinton die Chance gehabt, mit seinem glaubwürdigen sozialen Programm Trump zu schlagen. Und zweitens muss die Linke hierorts daran arbeiten, links von der Sozialdemokratie, die sich und ihrem Anhang untreu geworden ist, und links von den rasant sich dem Mainstream anpassenden Grünen einen dritten Block zu bilden, der die politischen Kräfteverhältnisse ändert – im nationalen und europäischen Rahmen. Darum sind wir ja auch Teil der Europäischen Linkspartei.

Sie haben Bewegungen wie „Podemos“ oder „Syriza“ angesprochen. In Österreich lässt sich beobachten, dass das Potenzial der Protestwähler größtenteils in Richtung FPÖ abwandert, weil auch starke Alternativen fehlen. Woran liegt es, dass die politische Linke in Österreich so zersplittert scheint, dass sich – analog etwa zu den liberalen NEOS – bisher noch immer keine Linkspartei als Alternative etablieren konnte?
Die politische Linke in Österreich scheint nicht nur zersplittert zu sein, sondern ist es ja derzeit auch. Da gibt es derzeit eine einzige Partei links von SPÖ und Grünen – die KPÖ –, die in der Lage ist, bundesweit zu kandidieren, aber deren Erfolge, wie wir wissen, sich in Grenzen halten. Da gibt es einerseits Linke in der SPÖ, die noch immer nicht den Bruch mit der Partei wagen, die ein Teil des Problems geworden ist, und andere, die sich von der Sozialdemokratie wütend abgewendet haben, zunächst auf die Palme hinauf sind und dann wieder hinunter und hinein ins Private. Es gibt aktive Gewerkschafter und Gewerkschafte­rinnen, die sich von der SP verlassen fühlen und dabei sind, ihrerseits diese zu verlassen, es gibt Grüne, die genug haben vom Anpasslertum der Führung, es gibt viele regionale und kommunale, soziale und kulturelle Initiativen mit unterschiedlichen weltanschaulichen Akzenten; das alles und mehr ist ein bedeutendes gesellschaftliches Potenzial, das zu sich finden muss, sich aufeinander beziehen und gemeinsam in einen Kampf um politische Repräsentation treten muss. Das wird der Linken allerdings nicht nur durch ideologische Propaganda und Welterklärung gelingen, sondern durch konkretes soziales, kulturelles und menschenrechtliches Engagement überall dort, wo es nötig ist und sie die Kraft dafür aufbringt.

Ist für die nächsten Nationalratswahlen ein Linksbündnis denkbar? Seit mehreren Jahren gibt es diese Idee. Könnte dies aus der „Aufbruch“–Initiative heraus entstehen und wie stark gestaltet die KPÖ diese Stoßrichtung mit? Ist das auch ein finanzielles Problem?
Wir sind im „Aufbruch“ dabei, als Gleiche unter Gleichen. „Aufbruch“ hat Kraft, das hat sich bei der ersten Aktionkonferenz im Juni dieses Jahres gezeigt, als sich in Wien mehr als tausend überwiegend jüngere Menschen versammelt haben. Ich sehe die Möglichkeit, dass sich für die nächsten Nationalratswahlen aus dem „Aufbruch“ so ein Linksbündnis entwickelt; sicher bin ich mir allerdings nicht, denn die Selbstfindungspro­zesse im „Aufbruch“ benötigen Zeit, viel Zeit, und es kann passieren, dass vorgezogene Nationalratswahlen den „Aufbruch“ überrollen. Darum haben wir uns in der KPÖ auch entschieden, auf jeden Fall auch auf eine selbständige Kandidatur vorbereitet zu sein. Ein finanzielles Problem ist das immer, so oder so. Aber das kann überwunden werden.

Am erfolgreichsten war die KPÖ in den vergangenen Jahren in der Steiermark, mit einer regional spezifischen, serviceorientierten Politik. Ist diskutiert worden, die Parteiarbeit auch bundesweit ähnlich zu gestalten?
Die KPÖ ist nicht nur in der Steiermark, sondern auch anderswo, wo sie kommunale Vertretungen errungen hat, bemüht, regionalspezifisch zu arbeiten. In Graz ist ihr das in besonderem Maß gelungen, und ich bin überzeugt, dass es ihr die Bevölkerung bei den Grazer Gemeinderatswahlen im Februar danken wird. Die Politik auf Bundesebene ist allerdings keine XXL-Kommunalpolitik, sondern hat eine eigene Dynamik. Wir bemühen uns, mit dieser Dynamik so gut wie möglich zurechtzukommen.

Wie kommunistisch ist die KPÖ noch? Wieviel „Revolution“ und welche „sozialistische Entwicklung“ wünscht sich die KPÖ?
Revolution ist ein großes Wort. Ja, was nötig wäre, ist ein grundlegender Bruch mit dem finanzmarkgetri­ebenen Kapitalismus, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden lässt – auch bei uns. Was wir uns wünschen, ist eine Abkehr vom Diktat der Profitmaximierung, die das ökonomische Werkel beherrscht, und die die Menschen fertig, die Demokratie immer hohler und die Natur kaputt macht. Eine solidarische Gesellschaft – das ist die alternative „sozialistische Entwicklung“, die wir uns wünschen, und für die wir gemeinsam mit anderen Kräfte entwickeln wollen. Was wir heute vor Ort organisieren müssen, ist vor allem die Verweigerung der Zustimmung zum neoliberalen Kurs und die Zuversicht, dass Ohnmacht überwunden und sozialer Widerstand organisiert werden kann. In den Kommunen, in der Region und auf nationaler Ebene.

Was bleibt von Fidel Castro? Wie stark haben sich die Erfahrungen aus dem Realsozialismus auf Kuba auf die Programmatik der KPÖ ausgewirkt?
Ich war als politischer Tourist ein einziges Mal in Kuba, vor Jahren. Was ich gesehen habe ist, dass die kubanische Welt mit der österreichischen nicht verglichen werden kann. Sie kann mit der lateinamerika­nischen verglichen werden, und da ist sie in vielerlei Hinsicht beispielgebend. Kubas Bevölkerung ist aufgrund des allen frei zugängigen Bildungssystems sicherlich die gebildetste Amerikas, das Gesundheitssystem ist trotz seiner in vieler Hinsicht mangelhaften materiellen Ausstattung ein großes, effektives Sicherheitsnetz für alle – trotz des noch immer wirkenden US-Embargos. Fidel Castros Hartnäckigkeit im Kampf gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner war für die KPÖ wie für viele andere Linke vor allem ein moralischer, symbolischer Kraftquell, der Realsozialismus in Kuba weniger ein Element der aktuellen KPÖ-Programmatik. Zu unterschiedlich sind die nationalen Voraussetzungen. Mitglieder der KPÖ waren und sind aber bis auf den heutigen Tag in konkreten Solidaritätsi­nitiativen aktiv. Was von Fidel Castro bleibt? Mit seinem Namen und den Namen seiner Mitstreitenden bleiben die sozialen, antirassistischen, kulturellen und internationalis­tischen Errungenschaften der kubanischen Revolution verbunden; ich hoffe, dass es Kuba gelingt, diese zu erhalten. Und weiterzuentwickeln. Und die noch immer existierende Armut in vielen gesellschaftlichen und privaten Bereichen genauso wie die im Laufe der Zeit dichter gewordenen bürokratischen Hemmnisse zu beseitigen und die soziale und künstlerische Kreativität und Lebenslust der Bevölkerung zu befördern. Das wünsche ich den Kubanern und Kubanerinnen.

Volltext des per Email geführten Interviews, den Kurier-Artikel finden Sie hier::
KURIER 02.12.2016, „KPÖ: Van der Bellen ist nicht unser Kandidat“


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