KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Mirko Messner über KPÖ PLUS und die politische Situation im Herbst 2017

Von: Mirko Messner (19.9.2017)

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Seit ich für die KPÖ bei bundespolitischen Wahlen antrete – und ich bin so wie manche andere auf der Liste von KPÖ PLUS bereits Angehöriger der älteren Generation –, habe ich noch keine so tiefgreifende Krise des österreichischen Parteiensystems erlebt. Parteien färben sich um, nennen sich plötzlich »Bewegung«, langjährige Berufspolitike­rInnen tun über Nacht so, als hätten sie mit dem kaputten Parteiensystem nichts zu tun, die Sozialdemokratie beteuert, sich wieder ihrer Stammwählerschaft zuwenden zu wollen und veröffentlicht gleichzeitig Pläne zur Zerstörung des sozialen Wohnbaus, SpaßkandidatInnen erklären die Welt – irgendwie scheinen sie sich alle zu bemühen, dem Wort Frank Zappas gerecht zu werden, der (sinngemäß) gemeint hat, die Politik sei die »Unterhaltungsab­teilung« der Ökonomie. Das Programm allerdings, das diese Abteilung bietet, hat keine unterhaltsamen Folgen für jene vielen Menschen, deren Situation immer unerfreulicher und frustrierender wir­d.

Anders gesagt: Das Wachstum des Rechtspopulismus ist nicht nur Folge sozialer und wirtschaftlicher Verwerfungen, sondern einer tiefgreifenden politischen Krise, die sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfasst hat, was sich auch in den verzweifelten Kostümkämpfen manifestiert, die wir jetzt im Zuge des Wahlkampfs erleben. Je mehr Machtspielraum die Politik der Ökonomie und den »Investoren« gewährt, umso unglaubwürdiger wird sie, umso dramatischer, aber auch skurriler die Inszenierungen ihrer »Kompetenz«, die im Grunde vor allem in einem Punkt tatsächlich gegeben ist: im Niederreißen sozialer und demokratischer Errungenschaften, vorbehaltlich der Unterschiede im dabei an den Tag gelegten Tempo.

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Es liegt auf der Hand, dass einiges in Österreich und weltweit schief läuft; dass es nicht gerade ein Ausdruck irdischer Gerechtigkeit ist, wenn ein paar Dutzend Männer mehr Vermögen in der Hand haben als die halbe Menschheit. Oder wenn hierzulande ein Prozent der Bevölkerung über mehr als ein Drittel des gesamten Vermögens verfügt – und andererseits die Armut auch bei uns um sich greift; wenn sich immer mehr Menschen fragen müssen, wie sie im nächsten Winter Miete und Heizung bezahlen sollen; wenn die Finanzmärkte, die multinationalen Konzerne und die Reichsten der Reichen die europäischen Staaten einerseits jährlich um 1.000 Milliarden Euro Steuer hintergehen, anderseits soziale Errungenschaften abgebaut und der eingeborenen Bevölkerung Schutz- und Asylsuchende als Sündenböcke vorgeführt werden.

Es liegt auf der Hand, dass dieses System viel mit Entdemokratisi­erung, ökologischem Wahnsinn und regionalen Kriegen zu tun hat, aber wenig mit sozialer Vernunft. Also im Grunde reif zum Abdanken ist. Aber es hat in unseren Breiten die passive Zustimmung der Bevölkerungsmeh­rheit; diese passive Zustimmung, die Bereitschaft, die Parteien zwar als unglaubwürdig anzusehen und sie – oder ihre rechtsextremen Mitbewerber – immer wieder zu wählen, steht im Gegensatz zur gleichzeitigen Einsicht in breiten Bevölkerungsschichten, dass der real existierende Kapitalismus über kein menschengerechtes Zukunftsprogramm mehr verfügt. Diesen Gegensatz aufzulösen, daraus politischen Widerspruch im Sinne von »Widersprechen« zu formen, auch indem den herrschenden Parteien die wahlpolitische Zustimmung entzogen wird, ist die Aufgabe der gesellschaftlichen Linken.

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Wenn die gesellschaftspo­litischen Analysen der Linken stimmen, dann hat sie, haben wir eine große Verantwortung. Dass es die passive Zustimmung (s. o.) gibt, dafür muss sich die Linke, müssen wir uns auch selbst an der Nase packen. Es muss uns gelingen, in den politischen Raum, den die Sozialdemokratie verlassen hat, eben nicht nur nachzurücken und dort ihre fallengelassene Agenda aufzunehmen, sondern ihn mit neuen Inhalten, partei- und bewegungsförmigem demokratischen, sozialen und kulturellen Widerstand gegen die Anmaßungen der neoliberalen Zerstörungspolitik zu besetzen. Im Staat, in dem wir leben, müssen wir den Raum erkämpfen für eine neue Kultur des Zusammenlebens, jenseits jeglichen völkischen Nationalismus – gegen die Verschiebungen der liberalen und sozialdemokra­tischen Mitte nach rechts, gegen Rechtsextremismus und gegen den Deutschnationa­lismus der FPÖ. Es muss uns gelingen, weil ansonsten die politische Kultur in unserer Gesellschaft noch weiter nach rechts abrutschen wird, und das wird unser aller Leben nicht verbessern.

Das Zeug dazu haben wir; wir haben die nötigen Erfahrungen; wir sind, um ein Wort der Linzer KPÖ-GenossInnen zu verwenden, die ExpertInnen für den Alltag, und wir sind, um die Aussage zu erweitern, unbescheiden genug zu behaupten: Wir haben Vorschläge sowohl für eine Gesellschaft jenseits des Zwangs der kapitalistischen Profitmaximierung als auch dafür, was sofort getan werden kann – so wie in Graz, wo die KPÖ seit vielen Jahren den praktischen Nachweis führt, was glaubwürdige Kommunalpolitik im Interesse der 95 Prozent bedeutet.

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Wir, die Akteure und Akteurinnen des Wahlprojekts KPÖ PLUS, sehen dieses als längerfristiges Vorhaben. Das macht mich zuversichtlich auch für die Nationalratswahl, weil die Energie und die Nerven, die wir gemeinsam dafür aufwenden, gut aufgehoben sind.

Ich bin jedenfalls froh, als alter Kommunist gemeinsam mit der Jungen Grünen Flora Petrik und der parteilosen Unabhängigen Ulli Fuchs das Spitzentrio für KPÖ PLUS bilden zu können. Ich bin froh, dass der Schriftsteller Erwin Riess und der zum Grazer kommunistischen Symbol gewordene Ernest Kaltenegger solidarisch auf der Bundesliste mitkandidieren. Und ich empfinde es als Ehre, die Liste der 254 Kandidatinnen und Kandidaten anführen zu dürfen. So viel Pathos muss erlaubt sein.

Erstveröffentlicht in Volksstimme Nr. 9/September 2017. Infos zur Volksstimme finden sich hier 


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