(6.2.2017)
Das „neue“ Regierungsabkommen verpflichtet sich einmal mehr einer Umverteilungslogik von unten nach oben statt umgekehrt. Heidi Ambrosch, Frauenvorsitzende der KPÖ kritisiert: „Diese Logik für Frauen und eigenständige Existenzabsicherung neuerlich einen wesentlichen Rückschritt!“ Der Österreichische Frauenring mit über 40 Mitgliedsorganisationen vertritt über eine Million Frauen. Ambrosch: „Trotzdem werden seine Stellungnahmen nicht gehört – das entspricht der unsäglichen Verquickung der herrschenden Politik mit der medialen Macht. Auch im Jahr 2017 nehmen wir den Ruf der Frauen nach zwanzig Jahren unerfülltes FrauenVolksBegehren auf: Lauter Frauen. Lauter!“
Die Frauenpolitik im Wartesaal
Frauenringvorsitzende Ablinger zum Regierungsprogramm.
Die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben sich auf ein neues
Arbeitsprogramm geeinigt, das unter anderem wichtige Impulse für den
Arbeitsmarkt liefern soll. Bei der Durchsicht des 36-seitigen Papiers würde
allerdings schnell klar, dass die Frauenpolitik auf dem Abstellgleis gelandet
ist, kritisiert Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen
Frauenrings.
Im Regierungsprogramm fänden sich zwar durchaus positive Aspekte –
Ablinger begrüßt etwa die nach deutschem Vorbild geplante Frauenquote in
Aufsichtsräten von börsenotierten Unternehmen und von Unternehmen mit mehr als
1.000 MitarbeiterInnen. Ein flächendeckender Mindestlohn von mindestens
1.500 Euro würde ebenso besonders Frauen zugutekommen. Und nicht zuletzt vom
Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen würden Frauen profitieren. Insgesamt
gebe es, so Ablinger, „aus frauenpolitischer Sicht aber Anlass für
Kritik“.
„Statt auf zentrale, langjährige Forderungen etwa im Bereich Gewaltschutz,
Unterhaltsreform, eigenständige soziale Absicherung und geschlechtergerechte
Bezahlung zu fokussieren, präsentiert die Regierung ein Verbot der
Vollverschleierung im öffentlichen Raum und unterstellt damit, dass die Burka
das große Thema wäre“, meint Ablinger. So würden auf dem Rücken von Frauen
rechtspopulistische Diskurse befeuert. Auch in der Verpflichtung des Staats, im
öffentlichen Dienst „weltanschaulich und religiös neutral
aufzutreten“ – gemeint sind vor allem PolizistInnen, StaatsanwältInnen
oder RichterInnen – sieht Ablinger vor allem das von Integrationsminister
Sebastian Kurz zuletzt geforderte Kopftuch-Verbot im öffentlichen Dienst
durchgesetzt. In einem nicht-laizistischen Staat wie Österreich, in dem
Konkordat und Religionsrahmengesetze den Kirchen umfassende Rechte
(Schulbücher, Theologische Fakultäten u.v.m.) zubilligen, erscheint diese
Forderung paradox.
„Wer Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft und Frauen in ihrer
Selbständigkeit stärken will, muss bei ökonomischer Eigenständigkeit,
Bildungschancen und Arbeitsmarktpolitik ansetzen“ sagt Ablinger. Ein
Kopftuchverbot würde zuallererst Ressentiments gegen Minderheiten und
insbesondere gegen Frauen dieser Minderheit schüren. „Als Maßnahme für
Gleichstellungspolitik sei es gänzlich ungeeignet“, so Ablinger.
Die Frauenring-Vorsitzende übt auch Kritik an den geplanten Verschärfungen im
Bereich Asyl, wie die Streichung des Taschengelds für Personen, die kein Asyl
erhalten, vor Ablauf der Ausreisefrist oder die Verpflichtung zu gemeinnütziger
Arbeit. Diese Maßnahmen würden Frauen besonders hart treffen. Verbesserungen,
um asylsuchende Frauen und Mädchen effektiv vor Gewalt zu schützen, fehlen, so
Ablinger, hingegen im Programm der Regierung.
„Es gibt, so heißt es, nun erstmals ein Programm mit genauem Zeitplan –
die Politik für Gleichberechtigung wird allerdings einmal mehr in den Wartesaal
verbannt. Das ist eine herbe Enttäuschung, gerade angesichts des jüngsten
Gender Gap Reports“, sagt die Frauenring-Vorsitzende. Dieser stellte vor
kurzem fest, Gleichstellung wird, wenn sie im aktuellen Tempo weiterkriecht,
erst in 170 Jahren erreicht sein.
„Es ist enttäuschend, dass es nicht eine einzige jener frauenpolitischen
Forderungen in das Regierungsupdate geschafft hat, die Frauenorganisationen,
der Frauenring und seine Mitgliedsorganisationen seit Jahrzehnten
einfordern“, resümiert Ablinger.
Als Mindestprogramm verweist Ablinger darum auf die lang bekannten Forderungen: