(25.4.2016)
KPÖ-Bundessprecher Messner zur ersten Runde der Bundespräsidentschaftswahl
Der Sieg des FPÖ-Kandidaten in der kommenden Stichwahl kann verhindert werden, und zwar durch möglichst viele zusätzliche Stimmen für Alexander Van der Bellen. Dazu müssen auch die KommunistInnen beitragen. Der sich im Ergebnis der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl manifestierende Zerfall des traditionellen österreichischen Parteiensystems und der Rechtsruck sind allerdings Ausdruck einer sozialen und politischen Krise, die mehr erfordern, nämlich eine grundlegende Antwort auf die soziale, politische und moralische Krise des Landes. Die österreichische Linke innerhalb wie außerhalb der KPÖ ist vor die Aufgabe gestellt, ihre Kooperation ernsthaft anzugehen.
So, wie die erste Runde der Bundespräsidentenwahl ausgegangen ist, kann es
durchaus passieren, dass der künftige Präsident Österreichs ein Mann ist, der
Österreich als einen Teil der deutschen Nation bezeichnet. Die Folgen des
schlampigen Umgangs der österreichischen politischen Klasse mit der
österreichischen Nation und ihren verfassungsmäßigen Grundlagen, dem
antifaschistischen Auftrag des Gründungsdokuments der Zweiten Republik, kommen
an der Staatsspitze an.
Deutlich weniger als ein Viertel sämtlicher gültiger Stimmen für die
Kandidaten der Regierungspartei – das ist in seiner Dimension weit mehr als
Ausdruck einer Proteststimmung. Es ist sowohl die Folge tiefgreifender
Unzufriedenheit als auch nationalistischer, rechtsextremer Stimmungen, die im
Kandidaten der FPÖ, Norbert Hofer, ihr Ventil gefunden haben.
Norbert Hofer versucht zu beruhigen: Er wäre als Bundespräsident „Schutzherr
aller Österreicher“. Abgesehen davon, dass dies in der Tradition der
xenophoben Linie des „Österreich zuerst“ zu verstehen ist. So weichgespült
kann er gar nicht auftreten, dass nicht verstanden würde, was er meint mit der
Ankündigung, man werde schon sehen, was ein blauer Bundespräsident alles
machen kann. Als Marko-Germane, als Exponent einer dem Führerprinzip
verpflichteten Partei, würde Hofer wohl nicht zögern, das autoritäre
Potential des Bundespräsidentenamtes auszureizen – und das in einer Zeit
andauernder und vielfältiger Krise europäischer Dimension.
Die SPÖ ist dabei, gemeinsam mit der ÖVP – geltendes Recht brechende –
Asylgesetze zu beschließen, in der vergeblichen Hoffnung, nach rechts
abwandernde Stimmen zu halten, und macht in einem Anflug von durch die Rechten
geschürten Militarisierungswahn zwei Milliarden Steuergelder für die
Aufrüstung von Polizei und Bundesheer locker. Das in einer Situation, in der
unter anderem die desaströsen Verhältnisse im unterfinanzierten Schul- und
Bildungswesen unerträglich werden, in der das Wohnen für immer größere Teile
der Bevölkerung unerschwinglich wird. Übrigens, die bittere Ironie der
Geschichte: Der Oberbefehlshaber des unter einem SP-Minister aufgerüsteten
Bundesheeres hieße nach einer für den FPÖ-Kandidaten positiven Stichwahl
Norbert Hofer.
Österreich ist nicht Norbert Hofer. Die Solidarität mit den Flüchtenden, die
die Zivilgesellschaft und die Kirchen im vergangenen Sommer so eindrucksvoll
geübt haben, ist Beweis eines anderen Österreich.
Die Strategie der SPÖ und der ÖVP, sich dem europäischen und
österreichischen Rechtstrend anzupassen, indem sie der xenophoben,
antimuslimischen und nationalistischen Stimmungen und der FPÖ hinterherlaufen,
hat am vergangenen Sonntag einen spektakulären und abgrundtiefen Absturz
erlebt. Diese Strategie, mitsamt dem seit Jahren andauernden Abbau sozialer
Errungenschaften – und nicht die herbeigeredete „Flüchtlingskrise“ –
ist es, die Österreich in die Niederungen der rechtspopulistisch dominierten
europäischen Staaten zu führen droht.
Das muss verhindert werden. Österreich braucht eine politische Alternative,
die nur aus einer breiten politischen Kooperative links von der, auf den Niessl
gekommenen, Sozialdemokratie und links von den Mainstream-Grünen entstehen
kann. Je rascher sich diese formt, umso größer die Chance, nach den kommenden
Nationalratswahlen feststellen zu können: Ja, die österreichische politische
Landschaft hat sich grundlegend geändert, und die Linke hat im Zuge des
Zusammenbruchs des Alten ihre Chance genutzt. Sie ist aus dem Ringelspiel der
kleineren Übel ausgestiegen und macht ihre eigene Politik, einschließlich
parlamentarischer Opposition – im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung,
für ein Österreich, das nicht den Rechtspopulisten überlassen wird, für eine
solidarische österreichische Gesellschaft, für eine politische Kultur, die
nicht mit dem neoliberalen europäischen Strom mitschwimmt, sondern die
demokratische und soziale Opposition in Europa stärkt.
Wenn das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl die Gedanken vieler Menschen, die
sich fragen, wie das alles weitergehen soll, in diese Richtung fliegen lässt,
dann hat es auch einen guten Zweck erfüllt. Und der geht über die Stimme für
Van der Bellen in der Stichwahl weit hinaus.