KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Eine Frauensache im Herrenhaus

Die derzeit geltenden Bestimmungen im Strafrecht über einen Schwangerschaftsabbruch sind der gesellschaftspolitische Kompromiss eines Jahrhundertkampfes der Frauen- und ArbeiterInnenbewegung. Von Bärbel Danneberg

Dieser Minimalkonsens, der das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper auf eine Frist von drei Monaten beschränkt, wird nun wieder zunehmend in Frage gestellt. Da ist die Rede von der angeblich zu geringen Mitentscheidung des Mannes bei einem Schwangerschaftsabbruch (Sozialminister Haupt), da werden Frauen vor Abtreibungskliniken mit Plastikembryonen zwangsbeglückt und Medien, die das aggressive Vorgehen von sog. “Lebensschützern” anprangern, geklagt (wie etwa die Volksstimme).

Wer alt genug ist, kann sich erinnern: “Weg mit dem Klassenparagraphen 144” wurde Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre skandiert. Das “Aktionskomitee zur Abschaffung des § 144”, das eine ersatzlose Streichung dieses Paragraphen forderte – zumindest aber die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zum dritten Monat –, war ein breites (Frauen-) Bündnis bis hinein in kirchliche Kreise und eine Antwort auf den Versuch der “Aktion Leben”, den Schutz des ungeborenen Lebens im Strafrecht zu verankern. Der Fristenregelungs-Antrag des SPÖ-Bundesfrauenkomitees an den legendären 21. Bundesparteitag 1972 in Villach wurde mit zehn Gegenstimmen angenommen – fünf Gegenstimmen wegen des Fehlens einer klaren Aussage zur vollständigen Streichung des § 144. Bis zum Inkrafttreten der Fristenlösung sollten noch drei Jahre – in denen der Bundesrat Einspruch erhob, der Nationalrat einen Beharrungsbeschluss fasste und die Landesregierung Salzburg eine Verfassungsklage einreichte – vergehen.

Wer älter ist, wird sich auch daran erinnern können: Mit der Strafgesetznovelle aus dem Jahr 1937 und durch das 203. Bundesgesetz zum Schutz des keimenden Lebens wurden die Bestimmungen des Strafgesetzes zum Schutze der Leibesfrucht drastisch verschärft. Unter Hitler wurde die Todesstrafe auf illegale Abtreibung verhängt, weil ein derartiger Eingriff “die Lebenskraft des deutschen Volkes fortgesetzt beeinträchtigt”.

Wer uralt ist, wird sich, und zwar mit Schaudern, schließlich an jene Zeit erinnern: Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit, viele Kinder, die nicht satt zu bekommen waren, das monatliche weibliche Bangen vor dem Unglück Schwangerschaft, dunkle Hinterzimmer, Stricknadeln, Küchentisch, Blut und nicht selten Tod für jene, die es sich nicht mit viel Geld richten konnten. Eine Frauensache eben, deren gesetzliche Handhabung im Herrenhaus ausgedacht war und bis zur Strafrechtsreform das alte Recht aus dem Jahr 1803 zur Grundlage hatte.

Man muss nicht Geschichte gelernt haben, um zu wissen, dass sich das allgemeine Rechtsbewusstsein ebenso ändert wie Wertvorstellungen und Wertordnungen. Das drückt sich im Strafrecht aus, das auch ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaftsordnung ist. So etwa wurde nach römischem Recht der Embryo nicht als strafrechtlich geschütztes Objekt angesehen. “Einen lückenlosen Zusammenhang zwischen Moral und Strafrecht, zwischen den Grundwerten und dem Strafrichter gibt es nicht”, meinte SPÖ-Abgeordneter Fischer in der Parlamentsdebatte vom 11. Mai 1977 zur Vorbereitung des Volksbegehrens betreffend Bundesgesetz zum Schutz des menschlichen Lebens. “Die SPÖ tritt für den Schutz des werdenden Lebens ein, sie wendet sich aber gegen die mittelalterliche Vorstellung, dass der Staat moralische Werte unter allen Umständen mit dem Strafrecht verteidigen und schützen muss.”

Wer den Werdegang und die unzähligen Diskussionen um die Straffreiheit eines Schwangerschaftsabbruchs ein wenig mit verfolgt hat, weiß, dass Rechtsbegriffe sehr zäh sein können. Aber auch: dass sie über Nacht ausgehebelt werden können. Das haben auch die Frauen der ehemaligen DDR schmerzlich erfahren müssen, die nach dem Mauerfall plötzlich in den Genuss gesamtdeutschen, also kapitalistisch-patriarchalen Rechts kamen, das noch dazu kurz zuvor bezüglich Abtreibung verschärft worden war. Um diese Rechtsbrüchigkeit wissend ist es kein Zufall, dass seit dem Beginn der Kämpfe gegen den Abtreibungs-Klassenparagraphen dessen Streichung aus dem Strafgesetzbuch gefordert wird. Denn noch immer wird Abtreibung bei uns strafrechtlich verfolgt – mit Ausnahme der in der Fristenlösung festgelegten gesetzlichen Bestimmungen. Die Sorge, dass Frauen dann bis zum Geburtstermin abtreiben würden, zeugt von einer großen Ahnungslosigkeit gegenüber weiblichen Menschen. Eine Sorge, die in Zusammenhang mit der derzeit ohne Fristsetzung möglichen Abtreibung behinderter (und in der gehandhabten Praxis nicht lebensfähiger) Föten bereits den Herrn Frauenminister und Tierarzt ereilt hat.

Die Gefahr, dass sich unter dem Vorwand einer Ethik-Diskussion im österreichischen Recht etwas ändern könnte, ist relevant. Vor allem, wenn man die Standpunkte von ÖVP und FPÖ zur damaligen Fristenlösungsdebatte nachliest*). Die jahrzehntelange Wühlarbeit all jener, die sich mit der gesetzlich verankerten Fristenlösung nie abfinden wollten, scheint Früchte zu tragen – unter tatkräftiger Mithilfe von selbsternannten “Lebensschützern” und deren aggressivem Gebete vor den Eingangstüren von Ambulatorien, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Das alles geschieht in einem politischen Klima der Rechtswende, dem Schlag auf Schlag Errungenschaften, die sich Frauen erkämpft haben, geopfert werden sollen. Die bestimmende “Frauensache” in der schwarzblauen Politik lässt sich in Kurzformeln fassen: Die Frau als Brüterin und Hüterin, die Frau als Arbeitsmarktreserve für soziale Wischarbeiten in einem asozialen System – wer wollte nicht in diesem weiblichen Kreislauf längst vergangen Geglaubtes wiederentdecken? n

*) Z. B. in: Raimund Sagmeister: “Fristenlösung – wie kam es dazu?”, Verlag Anton Pustet, Salzburg-München 1981

Der Kommentar wurde leicht gekürzt und erschien zuerst am 8. 6. 02 auf www.volksstimme.at

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