KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Kommunalpolitik aus Frauensicht

Diskussionsbeitrag von Elke Kahr auf der KPÖ-Kommunalkonferenz am 17. 11. 2001

Über Kommunalpolitik aus Frauensicht kann man am besten dann reden, wenn in
einer Partei Strukturen geschaffen werden, die es den Frauen ermöglicht,
Kommunalpolitik auch wirklich zu betreiben und nicht nur von außen zu sehen.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass in Graz und in der Steiermark mehr
als die Hälfte der KPÖ MandatarInnen Frauen sind. Derzeit haben wir in der
Steiermark 20 Mandate - davon sind 11 Frauen. In Graz überlassen wir das
auch nicht dem Zufall - sondern wir haben seit 3 Gemeinderatsperioden (also
seit 1988) die Quotenregelung als Prinzip. Ich selbst bin Obfrau meiner
Fraktion und meine Stellvertreterin ist eine Frau.

Auch wenn nicht immer von allen dieses Prinzip als wichtig gesehen wird, so
meine ich doch, dass in einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung
Frauen sind, eine fortschrittliche Partei in ihrem Auftreten, bei den
KandidatInnenlisten und auch bei ihren RepräsentantInnen diese Tatsache
widerspiegeln muss.

Der Einsatz für die Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft war nie
einfach und nie leicht. Jede Errungenschaft für uns Frauen ist nicht vom
Himmel gefallen sondern war immer Ergebnis eines jahrelangen Kampfes von
Frauen, in welchem und das kann man durchaus mit stolz sagen, gerade
Kommunistinnen viel dazu beigetragen haben.

Angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse in Österreich verkommt
Gleichberechtigung aber immer mehr zur politischen Phrase.

Die Berichte in unserem Land über die Lage der Frauen zeigen deutlich, dass
sich die sozialpolitische Situation für die Frauen enorm verschlechtert hat.

Neben den wachsenden Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen
zeigt der Sozialbericht auf, dass heute mehr Frauen ihre Erwerbsarbeit aus
Familiengründen unterbrechen als vor 20 Jahren. Gründe dafür sind ein Mangel
an bedarfsgerechten Arbeitsplätzen, die sich mit familiären
Betreuungspflichten in Einklang bringen lassen. Um den Spagat zwischen Beruf
und Kinderbetreuung bzw. Angehörigenpflege zu meistern, ist fast jede dritte
Frau teilzeitbeschäftigt. Von den über 200.000 geringfügig Beschäftigten
sind fast drei Viertel Frauen (in der Steiermark allein 22.300) und zwar
vorwiegend im Einzelhandel. 33 % der Frauen in der Steiermark die noch eine
Vollbeschäftigung haben verdienen weniger als 12.000 Schilling und fast 80 %
der Frauen können von ihrem Einkommen nicht leben.

Gleichzeitig steigen die Lebenserhaltungs- und Wohnungskosten und endet die
Familienpolitik der Regierung mit dem 4. Lebensjahr des Kindes.

Die Auswirkungen dieser Politik erleben wir tagtäglich in unserer Arbeit.
Immer mehr Familien und Frauen kommen finanziell nicht mehr über die Runden
und finden sich im Leben nicht mehr zurecht. Psychische Erkrankungen,
Verschuldung und Gewalt in der Familie sind oft die Folge.

Die Defizite dieser Gesellschaft zeigen sich gerade in den Kommunen bei den
Ausgaben der Pflichtleistungen im Sozial-, Jugend- und Familienbudget. In
allen diesen Bereichen sind die Ausgaben in Graz um das Dreifache gestiegen.



Seit wir im Gemeinderat sind, versuchen wir frauenpolitische Initiativen zu
starten bzw. zu unterstützen und Frauenpolitik als Querschnittsproblematik
zu thematisieren in der Stadtplanung und Stadtentwicklung, im Wohnbau oder
im Bereich öffentlicher Verkehr. Entscheidend dafür, dass Frauen einem Beruf
nachgehen können, ist es nach wie vor, einen qualitativen und
kostengünstigen Kinderbetreuungsplatz zu erhalten. Wir gehen davon aus, dass
jedes Kind ein Recht auf einen solchen Platz haben muss und vor allem die
öffentliche Hand die soziale Verantwortung trägt. Deshalb lehnen wir die
Entwicklung ab, zunehmend mehr Kinderbetreuungseinrichtungen an private
Träger zu übergeben.

Der weitere Ausbau von öffentlichen Kindergärten, Krabbelstuben und
Schülerhorten ist für uns gerade aus Frauensicht ein vorrangiges Ziel in der
Kommunalpolitik. Vor allem bei Krabbelstuben (Deckungsgrad nur 4 %) und
Schülerhorten (Deckungsgrad nur 7,5 %) besteht noch enormer Handlungsbedarf.

Auf Druck der KPÖ ist es bisher gelungen, Tariferhöhungen im
Kinderbetreuungsbereich zu verhindern. Durch die Tarifgleichstellung
öffentlicher und privater Einrichtungen sind aber neue Vorstöße in dieser
Richtung zu erwarten.

Gleichzeitig sagen wir aber auch, dass die öffentliche Hand nicht alleine
die Kosten für Folgen der flexiblen Arbeitszeiten und der
Ladenöffnungszeiten im Handel tragen soll. Deshalb drängen wir auf eine
gesetzliche Verpflichtung für Handelsketten und Unternehmen,
Betriebskindergärten einzurichten.

Auf Initiative der KPÖ gibt es seit 1998 im Gemeinderat einen eigenen
Frauenausschuss, in dem alle frauenspezifischen Belange und Anträge
besprochen und beschlossen werden. Anfängliche Hoffnungen wurden jedoch bald
geschmälert, weil die parteipolitische Zusammensetzung letztendlich auch in
diesem Gremium entscheidend ist.

Für wichtig erachten wir auch eine unbefristete finanzielle Absicherung der
Grazer Frauen- und Mädchenprojekte und -Initiativen. Die meisten von ihnen
Leisten seit mehr als 10 Jahren wertvollste Arbeit im Bereich Beratung, Aus-
und Weiterbildung, Juristische- und sozialrechtliche Beratung, im
Dienstleistungsbereich für ältere Frauen, Frauengesundheitszentrum,
Deutschkurse und -beratung für Migrantinnen, Frauennotruf und
Kriseninterventionsstelle usw.

Besonders dringlich ist aber die Schaffung eines weiteren Frauenhauses in
der Steiermark. Nach wie vor gibt es keine finanzielle Zusage von weiteren
Frauenhäusern in der Steiermark (vor allem in der Obersteiermark) obwohl die
politisch Verantwortlichen wissen, dass die Kapazität im Grazer Frauenhaus
durch die Aufnahme von vielen Frauen aus der Steiermark und durch den
Anstieg von Migrantinnen bei weitem schon überschritten ist und Frauen
bereits abgewiesen werden müssen. (Aufzeigen was das heißt.....)

Weiters wissen wir aus Erfahrung, dass Frauen - vor allem ältere - oft in
eine Situation geraten können, wo ihnen eine einmalige finanzielle
Unterstützung weiterhelfen würde. Angefangen von einer plötzlich anfallenden
Reparatur oder Kauf einer Waschmaschine oder einem teuren Medikament, das
helfen würde, aber der Chefarzt nicht bewilligt. Deshalb treten wir für
einen Solidaritätsfonds für in Not geratene Frauen ein.

Seit Jahren tritt die KPÖ für die Einführung eines Sozialpasses für Personen
mit niedrigen Einkommen ein. Mit diesem Pass könnten sämtliche kommunalen
und öffentlichen Kultur-, Sport-, Freizeit- und Weiterbildungseinrichtungen
bis hin zur Gratisfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, benutzt
werden. Voraussetzung ist, dass der Hauptwohnsitz in der Gemeinde ist, wo
der Pass seine Gültigkeit hat. Ob Student, Lehrling, Alleinerzieherin,
Migrantinnen oder Pensionistin. Bisher ist uns die Einführung des
Sozialpasses in einer Gemeinde in der Steiermark gelungen. In Judenburg. In
Kapfenberg zeigt die SPÖ Interesse an dieser Idee, deren Verwirklichung sehr
vielen Frauen nützen könnte.

Gerade für Alleinerziehende und einkommensschwache Familien sind die hohen
Wohnungskosten am freien Markt unerschwinglich.

KPÖ Stadtrat Kaltenegger hat wichtige wohnungspolitische Forderungen im
Interesse von Frauen durchsetzen können. Die bevorzugte Einweisung in
Sozialwohnungen für AlleinerzieherInnen und eine Wohnungszuzahlung durch die
Stadt Graz für GemeindemieterInnen. Demnach muss niemand mehr als ein
Drittel seines Einkommens für die Wohnung bezahlen.

Bei Straßenbenennungen und Denkmälern kommen Frauen kaum vor. Deshalb
versuchen wir immer wieder, auch Initiativen in diese Richtung zu starten.
Bisher haben wir erreicht dass eine Straßenbenennung nach Schwester
Restituta, einer Antifaschistin, die durch die Nazis hingerichtet wurde,
erfolgte und im Grazer Zeughaus eine Gedenktafel mit einem Zitat gegen den
Krieg von Ingeborg Bachmann angebracht wurde.

Erreichen konnten wir auch, dass am Internationalen Frauentag der gesamte
öffentliche Verkehr gratis war. Schön wäre es 365 Tage im Jahr. So hat diese
Aktion sicher zum Bekanntheitsgrad des Internationalen Frauentages
beigetragen und wir werden uns bemühen, dass dies zu einer dauernden
Einrichtung wird.

Auch wenn Initiativen im Gemeinderat, dort wo wir vertreten sind, wichtig
sind, so halte ich die Zusammenarbeit mit anderen Frauen außerhalb des
Gemeinderats für bedeutender. Deshalb setzen wir uns auch sehr für die
Grazer Frauenbeauftragtenstelle ein. Graz war die erste Stadt mit einer
weisungsfreien Frauenbeauftragten, der verdienstvollen Kämpferin Grete
Schurz. Mehr als 40 verschiedene Frauenorganisationen und -initiativen sind
im Grazer Frauenrat vertreten. Auch arbeiten wir aktiv seit mehr als 15
Jahren im 8. März-Komitee mit. Wo immer Frauen sich zusammenfinden, um in
gemeinsamen Aktionen und Veranstaltungen auf konkrete Probleme aufmerksam zu
machen, versuchen wir mitzuarbeiten und mitzuhelfen. Dabei haben wir keine
Berührungsängste. Denn im Vordergrund muss der Einsatz für die Interessen
der benachteiligten Frauen stehen.

Gleichzeitig ist die KPÖ eine Partei mit einem sehr hohen gesellschaftlichen
Anspruch. Wir wollen eine Gesellschaft erreichen, in der jeder und jede nach
ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten leben kann. Für Kommunistinnen ist es
daher wichtig, zu versuchen, in den Geschlechterverhältnissen die
Klassenfrage und in den Klassen die Beziehungen zu den Geschlechtern
aufzuzeigen.

Das Ziel unseres feministischen Kampfes ist eine Gesellschaft, in der die
Kategorie Geschlecht uninteressant dafür ist, wie wir als Menschen behandelt
werden. Frauen brauchen einen selbständigen Frauenkampf, genauso wie sie
gemeinsam mit Männern gegen Kapitalismus und Frauenunterdrückung kämpfen.

Ausgehend von dieser programmatischen Festlegung möchte ich als Anregung zur
Diskussion eine Meinung zum Thema "gender mainstreaming" wiedergeben. Die
deutsche Gesellschaftswissenschafterin Dr. Schunter-Kleemann hat dazu
folgende Position:

Aufgrund einer Richtlinie der EU wird Gender Mainstreaming in den
europäischen Länder als die Lösung zur Gleichstellung der Geschlechter
gepriesen. Jede politische Maßnahme soll danach bereits in der Planungsphase
(z.B. bei Gesetzeserarbeitung), aber auch in der Durchführung auf ihre
Geschlechterwirkung hin überprüft und kontrolliert werden. Die ökonomische
Gleichstellung, wie sie in der 80er Jahren angestrebt wurde, wird ad acta
gelegt. Unter den Bedingungen des globalen Standortwettbewerbs reichen die
Mittel hierfür nicht und man setzt auf "weiche" Steuerungsformen. Viele
politisch engagierte Frauen sind von GM begeistert, weil sie glauben, dies
sei ein Konzept, das der Gleichstellung einen Schub verleihen kann, weil
auch Männer als Akteure dieses Politikansatzes zu sehen sind. Darin sehe ich
persönlich auch eine Chance, die zu nutzen ist. In Amtsstuben und Gremien
muss über diesen Gleichstellungsansatz nachgedacht werden.

Was macht aber GM für Sinn in einer Zeit, in der zugleich Flexibilisierung
und Deregulierung der Arbeitszeitverhältnisse, durch Einführung von
Niedriglohnsektoren Verhältnisse entstehen, die der gleichberechtigten
Erwerbsarbeit von Frauen entgegenstehen. Gleichstellungspolitik darf sich
nicht auf die Frage der Marktintegration und Geschlechterparität in
Führungsetagen verkürzen.

Ein sozialistisches Konzept der Frauenemanzipation muss weiterhin das Thema
der Macht und der Machtungleichheiten aus der Perspektive der
Machtschwächsten angehen.... Ein tragendes Emanzipationskonzept für Männer
und Frauen ist an eine demokratische und sozialistische Organisation der
Gesellschaft gebunden.

Das ist auch meine Meinung. Und ich versuche als Kommunistin in der Gemeinde
Graz Kommunalpolitik aus Frauensicht auf diese Weise zu gestalten.

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