KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Redebeiträge bei der ersten Frauenversammlung,
des 1. Kongresses der Europäischen Linkspartei

28. Oktober 2005, Athen

Lilian Halls-French
Europäische Feministische Initiative für ein anderes Europa

Sehr liebe Freundinnen,

ich wende mich an Euch im Namen der IFE, der Europäischen Feministischen Initiative für ein anderes Europa, und Ihr könnt Euch vorstellen, dass es nicht nur aus Höflichkeit, sondern mit ehrlicher Dankbarkeit ist, dass ich unseren FreundInnen von Synaspismos für ihre Einladung danke.

Daran zu erinnern, dass die Gleichheit ein aus Ungerechtigkeiten zu bauendes Ideal ist, bleibt ein Hauptthema des Feminismus.
Für die feministische Bewegung handelt es sich nicht nur darum voranzukommen, sondern immer wieder und weiterhin den Weg zurück zu verfolgen, auf dem wir gekommen sind - und zu diesem Zweck sind wir hier versammelt.

Die IFE wurde aus Arbeiten des europäischen Netzwerks "Frauen und Macht" anlässlich des Europäischen Sozialforums von Paris im Jahr 2003 gegründet. Sie ist das Produkt eines gemeinsamen Aufbaus, der sich aus dem Beitrag von vielen sehr diversen Personen und Assoziationen nährt.

Der Sinn unserer Initiative lässt sich sehr klar in einem Satz zusammenfassen: Ohne Garantie der Grundrechte für alle gibt es keine Zukunft für Europa.

Die IFE ist weder das Eigentum noch das Aushängeschild irgendeiner Person, sondern ein Mittel, im Dienste aller Feministinnen zu mobilisieren und zu sensibilisieren, um zur Sichtbarkeit der feministischen Bewegung der Zurückweisung des momentanen Europas beizutragen. Die Unterstützung der Kampagne, die wir auf dem ESF in London im letzten Jahr gegen den Entwurf des Verfassungsvertrages lanciert haben, wächst. Unser Appell, unterzeichnet von RepräsentantInnen von mehr als 120 Bewegungen und Organisationen, ist nunmehr in allen Ländern Europas präsent und enthält ehrgeizige alternative feministische Vorschläge zum europäischen Aufbau.

Wir sind gegen den Abbau der öffentlichen Dienstleistungen, der schwer und als eine der Hauptsorgen auf dem Alltag der Frauen lastet und der jede Möglichkeit, Familien und Berufsleben zu vereinbaren, illusorisch macht;

Gegen die Kriegs- und Militarisierungslogik in Europa als Anhängsel der NATO, die die BürgerInnen der notwendigen Mittel zum sozialen Aufbau beraubt. Wir brauchen eine europäische Politik der Vorbeugung, die den Krieg als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte ablehnt;

Gegen die Gewalt, die ein Haupthindernis für die Demokratie ist. Das Europa, in dem wir gemeinsam wohnen wollen, ist eines, das die Bewegungsfreiheit der Personen garantiert, jeder Person, die auf dem Territorium der EU lebt, die volle und ganze Staatsbürgerschaft zuerkennt und das Frauen, die Opfer sexueller Gewalt werden, das politische Asylrecht gibt.

Unseres wird ein Europa sein, das den Frauen das Recht zuerkennt, über ihren Körper frei zu verfügen; das Recht auf Abtreibung, Verhütung, Scheidung, sexuelle Freiheit anerkennt und allen Ländern das Recht auf Harmonisierung in Richtung der fortschrittlichsten Gesetzgebungen hin zuerkennt;

Ein Europa, in dem die Länder letztendlich die Gewalt der Männer gegen die Frauen als ein gesellschaftliches Problem anerkennen werden und bereit sein werden, dafür die sozialen Kosten zu tragen.

Im Europa, das wir wollen, wird die Laizität, als universeller Wert, zum Prinzip erhoben und die Gleichheit zwischen Frauen und Männern zu einem Grundwert werden.

Die feministische Bewegung ist eine Dynamik und eine Kraft, dennoch wird Europe heutzutage ohne uns erbaut und die Unterordnung der Frauen und die Verstärkung aller Diskriminierungen festgeschrieben werden.

Welche Mittel und welche Aktionsformen müssen eingesetzt werden, um ein wirksames politisches Kräfteverhältnis zu schaffen? Wir müssen die Marginalisierung, die Isolierung des feministischen Ansatzes überwinden, zusammenschweißende Themen finden, gemeinsame Räume des Aufbaus vorschlagen.

Da er Trägerin des gleichen Werts aller Menschen, der Werte der Demokratie, der Gerechtigkeit, des Respekts ist, erlaubt es allein der Feminismus, aus dem Dilemma Klassenkampf/Geschlechterkampf herauszukommen und den Kampf für Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu befördern, der für die InhaberInnen des politischen Diskurs nicht die Hauptfrage ist.

Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist eine der universellen Wurzeln der sozialen Ungleichheit und ein Haupthindernis der gesellschaftlichen Entwicklung. Der kürzlich veröffentliche UNO- Bericht hat es sehr stark unterstrichen - auch der Feminismus kann seinen Kampf für die Emanzipierung nicht durchsetzen, ohne das politische Funktionieren dieser Gesellschaften selbst fundamental in Frage zu stellen.

Also sollten wir uns doch über die Wirtschafts-, Sozial- und Fiskalpolitiken den Kopf zerbrechen, ... die nötig wären, um die Rechte der Frauen dauerhaft zu etablieren? Mit anderen Worten: was müssen wir tun, um die Regeln des demokratischen Spiels zu verändern?

Der Platz der Frauen in den Chefetagen und Vorständen ist eines der notwendigen Mittel zur Durchsetzung eines ausgewogenen Kräfteverhältnisses, aber es ist nicht das einzige. Wir arbeiten an der Durchsetzung eines feministischen, europäischen öffentlichen Bildungsprojektes, um so klarzumachen, dass der Feminismus es erlaubt, das Wort zu ergreifen, ICH zu sagen und tätig zu werden.

Und dann ... um einen Einfluss auf die Entscheidungszentren zu haben, scheint es uns, dass die feministische Bewegung zur Radikalität des Feminismus zurück finden muss und politischen Umgestaltungsprozessen die Priorität geben muss.

In den Gewerkschafts-, Vereins- oder politischen Treffen gewinnt die Tagesordnung die Überhand über das "Zusammenlegen der Erfahrungen", und die Mehrheit der Frauen führen über ihre eigene Unterdrückung einen seellosen Diskurs. Wenn der feministische Kampf, der ein eminent politischer Kampf ist, nicht durch die gelebte, körperliche Erfahrung der Realität der Unterdrückung gespeist ist, erinnern sich die Frauen nicht mehr, dass sie die Erniedrigten und Beleidigten sind, von denen sie sprechen - die Kraft ist nicht mehr auf ihrer Seite.

Zu den Quellen dieser Kraft zurückzufinden, ist auch eine der Herausforderungen dieses Jahrhunderts für die Frauenbewegung.

Für uns ist es dringend, ein Emanzipationsprojekt für die ganze Gesellschaft zu entwerfen, indem wir für die reale Gleichheit zwischen den Individuen der beiden Geschlechter kämpfen. Der Kampf gegen die Geschlechterdominierung hat tatsächlich nur im Rahmen eines globalen Projektes der Infragestellung aller Formen der Ausbeutung einen Sinn.

Wir müssen uns daher mit dem befassen, was der materiellen Gleichheit zwischen Männern und Frauen entgegensteht, aber auch gegen die Stereotypen kämpfen. Die Verinnerlichung dieser Stereotypen durch die Frauen selbst führt sie dazu, ihre Bildungs- und beruflichen Ambitionen und ihre Erwartungen an das Leben entsprechend anzupassen, und die Toleranz der Gesellschaft gegenüber der sozialen Ungleichheit der Frauen führt zur Permanenz dieser Phänomene und zum Schweigen, das sie umgibt.

Wir müssen daher die Frauen zum Kampf anhalten, and dafür - und das ist vielleicht das Wichtigste - sie überzeugen, dass sie dies wert sind.

Wir müssen also die Normen umstoßen, die seit der Kindheit übertragen werden, angefangen mit der Erziehung der Mädchen und Jungen, insbesondere in der schulischen Umgebung, den Mädchen die möglichen Investitionsmodelle aufzeigen, die Mädchen darauf vorbereiten, eine aktive Rolle in allen Sphären der Gesellschaft zu spielen. Wir müssen daher auch die Forderung nach politischen Mittel sehr weit tragen, um so auf den kontinuierlichen Prozess der Schaffung der Geschlechtsbestimmten Identitäten einzuwirken.

Die sozialen Beziehungen der Geschlechter wie eine politische Dimension anzusehen, bleibt bis jetzt noch eine radikale Herausforderung, aber es ist eine absolut notwendige Etappe, wenn man eine Gesellschaft schaffen will, die den Namen Demokratie verdient.

Kann sich eine Alternative zu den von der kapitalistischen Weltorganisation regierten Gesellschaften herausbilden, ohne darin voll und ganz die Notwendigkeit eines radikalen Bruchs, was die sozialen Beziehungen zwischen den Geschlechtern angeht, zu integrieren? Sicherlich nicht, gleichermaßen bleibt die Infragestellung der Herrschaft der Männer und der Unterordnung der Frauen marginal, solange sie nicht zur politischen Frage ersten Ranges wird.

Die formale Gleichheit ist fast erschöpft, die Behauptung einer bereits "gekommenen" Gleichheit ist nicht nur eine Lüge, sie ist ein Gift, das in die Seele der Frauen eindringt und ihr Selbstwertgefühl zerstört, ihren oft leicht zu erschütternden Glaube daran, dass sie ganze Menschen sind. Eine der Herausforderungen des gegenwärtigen Feminismus besteht also darin, diese Situation zu erhellen, indem gezeigt wird, dass in keinem Land und in keiner sozialen Beziehung die Dominierenden gerne auf ihre Privilegien verzichten.

Unsere feministische Forderung ist eigentlich das Herz der Kämpfe gegen die liberale Globalisierung, zum Aufbau des demokratischen und solidarischen Europas, in dem wir leben wollen. Die höchsten schwedischen Gewerkschaftsfunktionäre haben unlängst erklärt, dass es "mehrere Generationen" dauern würde, die Gleichheit der Gehälter zu erreichen! Können wir das hinnehmen?... Nein! Die Frauen haben das Recht, es müde zu sein, eine hypothetische Gleichheit in zukünftigen Generationen zu erwarten: sollte nicht endlich auch von unseren Leben, unseren eigenen, jetzt und hier gelebten Leben die Rede sein?

Ich schließe, indem ich Euch mit Freude das große Vergnügen ausdrücke, das wir empfinden, hier bei Euch zu sein, unsere großen Hoffnungen, was dieses Treffen angeht, und ich danke Euch.

Übersetzt von Carla Krüger, 10.-11. November, 2005

Baerbel Holzheuer-Rothensteiner
Vorschlag einer europäischen Kampagne zur Gewalt gegen Frauen

Liebe Genossinnen,

wie Christiane Reymann aus unserer Delegation heute Vormittag schon erwähnt hat, möchten wir Euch eine gemeinsame europäische Kampagne gegen Gewalt an Frauen vorschlagen. Gewalt an Frauen hat in Europa außerordentlich zugenommen und hat viele Erscheinungen, etwa als symbolische und strukturelle Gewalt, als familiäre und Beziehungsgewalt, als sexuell motivierte Gewalt, als Frauenhandel. Gewalt trifft Frauen aus allen Schichten, besonders verletzlich sind Migrantinnen und Illegale. Wir wollen nicht nur die einzelnen Formen der Gewalt skandalisieren, sondern die Gewaltverhältnisse in den Blick rücken.

In unseren Debatten in Deutschland diskutieren wir in diesem Zusammenhang etwa:
- die eigenständige Existenzsicherung für Frauen
- eigenständiges Aufenthaltsrecht
- Opferbetreuung und Opferschutz
- Ächtung der Täter

2006 ist das Europäische Jahr gegen Gewalt an Frauen. Damit ist das Thema in der europäischen Öffentlichkeit. Wir sollten uns als Frauen der EL offensiv einbringen. Wir haben uns dazu einige Schritte überlegt.

Die Grundidee ist: Wir wollen die besten und weitestgehenden Erfahrungen und Gesetze gegen Gewalt aus einzelnen Ländern aufgreifen, diskutieren, verbreiten. Wir wollen Initiativen zur Umsetzung ergreifen - regional, national und europaweit, parlamentarisch und außerparlamentarisch.

Diese Idee ist offen genug, um in den einzelnen Ländern unterschiedliche Zugänge zu eröffnen. Dort stehen dann die jeweils drängendsten Probleme im Vordergrund. In einem Land kann zum Beispiel die Lage der Illegalen besonders drängen, in dem anderen Land kann die Lage der Frauen, die sich als Sexsklavinnen ausgebeutet werden, im Mittelpunkt stehen.

Die Idee bindet uns gleichzeitig in Europa zusammen, indem wir die jeweiligen Schwerpunkte in Beziehung setzen zur best practise.

Wir schlagen vor: Ein gemeinsame Seminar, um uns die best practise anzueignen. Wir können die Linksfraktion Fraktion im Europaparlament bitten, dieses Seminar mit mehreren Frauennetzwerken zu veranstalten.

Die ersten Schritte könnten sein, die drängendsten Probleme in den Regionen und Ländern herauszuarbeiten; ein wichtiger Maßstab ist dabei auch, was Bewegungen bereits thematisieren. Wir wollen keine Parteikampagne von oben, sondern eine Kampagne mit und aus Bewegungen und Netzwerken heraus.

Eine hoch interessante Erfahrung für die ELP als Ganzes wäre es, wenn daraus parlamentarische Initiativen auf allen Ebenen erwachsen würden - von der Kommune über die Regionen, Länder bis zum Europaparlament.

Als Höhepunkt unserer Kampagne sollten wir am 25. November 2006, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, so weit sein, dass wir in ganz Europa parallel Aktionen machen und gemeinsam eine politische Initiative vertreten.

Hier zwei Beispiele aus Brandenburg und Berlin zu Aktionen: Alle Abgeordneten des Brandenburger Landtags haben am letzten 25. November ihre Sitzung unterbrochen, haben sich vor dem Parlamentsgebäude mit außerparlamentarischen Frauengruppen zusammengetan, Reden wurden gehalten und die Flagge auf Halbmast gesetzt. In Berlin haben viele Geschäfte am 25. November die Waren in Einkaufstüten verpackt mit der Aufschrift: Keine Gewalt an Frauen.

Die Kampagne soll nach unserer Vorstellung von der EL als Ganzes und nicht nur von den Frauen getragen werden. Deshalb schlagen wir Euch vor, einen Antrag an den Parteitag zu stellen, der so lauten könnte:

"Die Europäische Linkspartei beschließt im Europäischen Jahr gegen Gewalt an Frauen eine gemeinsame Kampagne zu diesem Thema. Eine Arbeitsgruppe, die sich gestern auf der Frauenversammlung gebildet hat, wird zur nächsten Parteivorstandstagung ein Konzept dafür auszuarbeiten."

Soweit der Antrag. Ihr merkt, ich habe Euch schon vereinnahmt. Es wäre schön, wenn sich hier und heute schon Frauen finden, die die Kampagne vorbereiten und verantwortlich mit begleiten.

Eine gemeinsame Kampagne wäre eine großartige Möglichkeit, unsere Debatte zu bündeln, die Erfahrungen von Frauen in den einzelnen Ländern gut kennen zu lernen und ein besseres Verständnis zu entwickeln für die nationalen Unterschiede.

2006 können wir üben, 2007 kommt die Kür: 2007 ist das Europäische Jahr der Chancengleichheit.

Christiane Reymann
Der Feminismus ist die Schwester des Marxismus
Patriarchat und Neoliberalismus

Liebe Genossinnen,

viele von uns erleben heute zum ersten Mal eine Frauenversammlung der Linken. Das ist wunderbar, so soll es sein; wir wollen mit der Europäischen Linkspartei nicht nur gute Gewohnheiten fortsetzen, sondern auch gemeinsam Neuland betreten: politisch, strategisch, kulturell.

Doch zuerst schwesterlichen Dank an Litsa, Despina und alle Synaspiosmos-Frauen; Ihr habt uns mit Eurer Titaninnen - Arbeit diese Frauenversammlung ermöglicht.

Frauen waren an allen Befreiungskämpfen aller Zeiten beteiligt. Aber erst im großartigen und zugleich schrecklichen 20. Jahrhundert haben wir als eigenständige Subjekte die Welt mit verändert. Sie wird nicht mehr ausschließlich männlich definiert. Jetzt ist unsere Aufgabe, sie menschlich zu verändern.

Was haben wir in Europa allein in meiner Generation erreicht! In den sozialistischen Ländern haben Frauen gleiche Rechte in Bildung, Beruf und Gesellschaft gehabt. Diese Rechte haben sie verloren, aber ihre Erfahrungen von gelebtem Leben und tiefem Bruch sind wertvoll für uns alle. In den Ländern Südeuropas haben wir das Recht auf Ehescheidung durchgesetzt. Wir haben unseren Schmerz hinaus geschrieen, wir haben Tabus gebrochen für das Recht auf Abtreibung. Wir sprengen das Gefängnis der Familie und betreten die öffentlichen Räume.

Noch gilt das nicht in allen Ländern Europas. Vor allem gilt es nicht in der Welt. Und: Unsere Fortschritte sind wieder gefährdet. Dafür steht beispielhaft das Berlusconi-Gesetz zur künstlichen Befruchtung. Quasi durch die Hintertür der Reproduktionsmedizin erhält in diesem Gesetz der Fötus vom Zeitpunkt der Zeugung an Menschenrechte, die über denen der Mutter stehen.

Unsere Lage ist also in jeder Beziehung prekär - politisch, moralisch und sozial. Mehr noch: Fraueninteressen werden für reaktionäre politische Zwecke missbraucht. Angeblich sollen die Kriege der Neuzeit auch der Frauenbefreiung dienen. Wir sagen:
Kriege - nicht in unserem Namen!
Ausgrenzung von Migrantinnen und anderen Kulturen - nicht in unserem Namen!
Neue Mauern um eine Festung Europa - nicht in unserem Namen!


Neoliberalismus zerstört Gesellschaftlichkeit

Es ist der Neoliberalismus, der Gewalt sät und Gewalt erntet. Der Neoliberalismus ist eine Entwicklungsetappe des Kapitalismus, in der das Finanzkapital über das produktive Kapital dominiert und die imperialen Mächte um strategische Rohstoffe, Patente, Anlagesphären, Marktanteile konkurrieren. Die Globalisierung stellt sich auch mit Krieg her, mit klassischen Kriegen und mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gewaltformen.

Wird nun das Patriarchat durch das geschlechtsneutrale Geld und die Sachzwänge der Globalisierung abgelöst? Nein, der Neoliberalismus ist zutiefst patriarchal.

Frauen und Kinder sind die modernen Sklaven - in den Arbeitsfabriken der Freihandelszonen und auf dem Sexmarkt. Die Mafia erzielt inzwischen mit Frauen- und Kinderhandel höhere Profite als mit dem Rauschgiftgeschäft.

Weltweit machen Frauen 2/3 der Arbeit, bekommen dafür aber nur 1/10 des Lohnes und haben 1% des Besitzes.


Ein weiteres Schlaglicht aus der Welt des Neoliberalismus:

Die Meerenge von Gibraltar ist zum größten Massengrab Europas geworden. Menschenrechtsorganisationen schätzen: Seit dem Schengen-Abkommen sind hier etwa 14 000 Flüchtlinge gestorben. Das Mittelmeer verbindet nicht mehr die Kontinente und Kulturen, es wird zu einem Meer der Trennung und des Todes.

Im Neoliberalismus wird das Private öffentlich und das Öffentliche privat. Doch in welcher Form! Die ehemals öffentliche Daseinsvorsorge wird privatisiert. Und das Private, die (Frauen-)Arbeit am und mit Menschen, wird öffentlich, sie wird nach den Plänen der neoliberalen Architekten zum kapitalistischen Markt. Arbeit am und mit Menschen findet im Niedriglohnbereich und in prekären Beschäftigungsverhältnissen statt. Hier arbeiten nicht mehr nur Frauen, sondern zunehmend auch Männer. Männer und Frauen werden zu Trümmerfrauen auf dem Schlachtfeld der Zerstörung des Sozialen.

Der Neoliberalismus zerstört nicht nur den Sozialstaat, er zerstört die Idee des Sozialen. Der Mensch wird zum Humankapital. In der Ideologie des Neoliberalismus zählen nur die Leistungsfähigen. Wir hingegen verteidigen wir das Bedürftige, das Schwache als Seite jeglicher Individuen und in der Gesellschaft. Wir verteidigen die Humanität.

Als Lebensgefühl erzeugt der Neoliberalismus - Angst. Angst vor Naturkatastrophen, Angst vor der Geflügelpest, Angst, von anderen verdrängt zu werden - das können Migranten sein, Nachbarn oder Leute, die jünger sind. Dumpfe Angst wird von rechts instrumentalisiert. Gegen die Angst müssen wir eine Bewegung der Aufklärung werden, eine alternative Kultur leben und wir müssen um reale Verbesserungen kämpfen.

Projekte der Verbesserungen und Veränderungen haben Maite Mola, die Frauen der Französischen Kommunistischen Partei und von Synaspismos in dem el-fem Antrag "Feministsiche Alternativen für ein anderes Europa" herausgearbeitet.


Der Neoliberalismus wird brüchig

Das wichtigste Dogma des Neoliberalismus ist: Dazu gibt es keine Alternative!
Daran beginnen Menschen zu zweifeln. Das ist das ermutigende Signal der Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden. Das zeigen die Generalstreiks in Italien und Frankreich, auch in Griechenland hat es große Streiks gegeben. Der Zweifel kommt im guten Wahlergebnis für die Linke in Deutschland zum Ausdruck und dem grandiosen Sieg in Norwegen.

Die anti-neoliberalen Gegenströmungen sind vielfältig: Sie sind in Gewerkschaften und globalisierungskritischen Bewegungen; sie haben Bezüge in Kirchen und Bürgerinitiativen; es gibt sie in NGO's, an Hochschulen, in der Wissenschaft, sogar in einigen Kreisen der Wirtschaft.

Noch haben die Gegenkräfte zu wenig miteinander zu tun. Unser politisches Ziel als sozialistische Feministinnen ist es, aktiver Teil dieser Gegenbewegung zu werden und hinzuarbeiten auf Austausch, Verknüpfung der verschiedenen Ansätze und Alternativen.

Denn im Verbinden, Verweben, Netze knüpfen sind wir Expertinnen.


Wege der Befreiung

Der dogmatische Marxismus hatte die Frauenfrage zum Nebenwiderspruch erklärt. Wir Feministinnen bestreiten diese und andere patriarchalen Hierarchien und Dualismen. Uns geht es um Integration, um gegenseitige Durchdringung der sogenannten Nebenwidersprüche von Geschlechtergerechtigkeit, Demokratie, Ökologie, Gewaltfreiheit mit der sozialen Frage. Dabei entdecken wir, dass es neben der Gleichheit (neben gleicher Lage, gleichen Forderungen, Sichtweisen) unendliche Differenzierungen gibt. Die wollen wir - getreu dem alten Spruch der Frauenbewegung: In unserer Unterschiedlichkeit sind wir unwiderstehlich!

Feministinnen stehen auch in linken Parteien unter dem Verdacht einer verengten Weltsicht, die nur einen Teil im Blick habe, die Frauen, und nicht das große Ganze.

Dabei ist doch der Feminismus die Schwester des Marxismus. Wir sehen nicht nur die unterdrückte Klasse, sondern darüber hinaus das unterdrückte Geschlecht. Das ist eine großartige Erweiterung des Blickfeldes. Wir Frauen sind nicht das Besondere oder gar das Abgesonderte, sondern wir sind im Marx'schen Sinn das Konkrete. In unserer Lebenslage bündeln sich alle Verhältnisse, in denen, mit Marx, der Mensch ein erniedrigtes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.

Diese Verhältnisse wollen wir umwerfen und uns dabei selbst verändern. Wir alle, Männer wie Frauen, und unsere Organisationen, tragen in uns die Male der Unterdrückung. Auch von denen wollen wir uns befreien.

Das sind große Ziele - und wir sind doch erst am Anfang. Wir brauchen als Frauen in der EL ein, wie Imma Barbarossa es einmal nannte, "Netzwerk des Nachdenkens". El-fem ist dabei, sich zu einem solchen Netzwerk zu entwickeln.

Und wir brauchen gemeinsames Handeln. Wir Frauen aus Deutschland schlagen eine gemeinsame Kampagne der EL gegen Gewalt an Frauen im kommenden Jahr vor. 2006 ist das Europäische Jahr gegen Gewalt an Frauen. Zu der Kampagne hängt draußen eine Wandzeitung, ergänzt sie um Eure Vorschläge, Ideen, auch um Eure Kritik. Wir würden uns freuen, wenn wir Umrisse dieser Kampagne hier gemeinsam skizzieren und morgen dem ELP-Kongress vorschlagen könnten.

Wir Frauen in der EL haben Gemeinsamkeiten und wir haben Differenzen. Wir sollen uns, so mein Vorschlag, einander annähern und dabei Eigenarten wahren, sie sogar ausprägen. Respektieren wir also unsere Differenz, widersprechen wir einander und arbeiten wir gemeinsam. Das hält uns lebendig.

Katarina Ferro, Susanne Empacher
"Keine halben Sachen"

Auf die Auswirkungen und das Wesen des Neoliberalismus wollen wir hier nicht weiter eingehen. Wir denken, dass uns allen die Auswirkungen mehr bewusst sind, als es uns lieb ist, da wir sie selbst täglich erleben müssen.
Bei unseren Diskussionen über Neoliberalismus kommen wir immer wieder auf die für uns zentrale Frage nach dem Begriff Arbeit, in allen seinen Facetten, zurück.

Ein paar dieser Fragestellungen wollen wir hier einbringen und mit euch diskutieren:

Was bedeutet selbstbestimmtes Leben im Neoliberalismus?

Prekär arbeiten und prekär leben stellt heute für viele von uns die Realität dar. Dies bedeutet schlecht bezahlte Arbeitsplätze und völlige Auslieferung an den freien Markt und damit einhergehend die Privatisierung der sozialen Risiken. Die Auswirkungen vor allem für Frauen sind fatal: Abrutschen in die Armut, working poor, also Vollzeit arbeiten ohne von dem Verdienst leben zu können, Arbeit auf Abruf und dergleichen mehr. Die Auswirkungen sind uns hinlänglich bekannt. Dennoch gibt es Menschen, die sich "wohl" in einer deregulierten Arbeits- und Lebenswelt fühlen, die glauben selbstbestimmt zu sein, weil sie keinen Nine to Five-Job haben. Diese Selbstbestimmtheit ist jedoch nur eine scheinbare, denn die Parameter werden durch den hightech-Kapitalismus festgesetzt. Die Selbstbestimmung beschränkt sich daher eigentlich nur auf Tageszeitablauf.

Prekär arbeiten - prekär leben, Was ist das gute Leben?

Diese Frage führte uns auch gleich zum Punkt nach der Eigenwahrnehmung von Frauen in der Gesellschaft im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Rolle, die der Frau im neoliberalen System zugewiesen wird. Diese Eigenwahrnehmung steht im krassen Gegensatz zu den gesellschaftlichen Realitäten. Einerseits empfinden sich vor allem junge Frauen heute nicht mehr als diskriminiert, sondern sie glauben dieselben Chancen zu haben wie die Männer. Sie sind es auch, die Feminismus als historische Richtung und somit als obsolet begreifen.

Andererseits jedoch, reagieren viele Frauen auf den zunehmenden Druck durch Niedriglohnjobs und Privatisierung der sozialen Risiken wie z.B. Pflegearbeit und mangelnde Kinderbetreuungseinrichtungen mit dem verstärkten Wunsch wieder in das alte doch wohl vertraute Fordistische Modell zurückkehren zu dürfen. Als wäre dieses Zurück in eine - jedoch nur scheinbare - Sicherheit, die Lösung, als gäbe es diese Wahl.
Frigga Haug stellt zu der gesellschaftlichen Rolle der Frau im Neoliberalismus richtigerweise in ihrem Artikel "Schaffen wir einen neuen Menschentyp, Argument 2004" fest: "Waren Frauen im alten fordistischen Modell zuständig für die psycho- physische Balance, für Freizeit, Gesundheit, Ernährung, Erziehung - sind sie bei Hartz doppelt freigesetzt. Sie sind die Abhängigkeit vom Ernährer ebenso los wie diesen selbst. Jede kann sich gleichberechtigt in die Hochleistungsgesellschaft begeben und versuchen, die genannten Aufgaben an die Gesellschaft zu delegieren, die sie unter Privatisierungspraxen und Sozialstaatabbau an sie zurückschickt". Die doppelt freigesetzten Mütter bilden den Sockel der Armut.

Daraus resultierend sehen wir es als absolute politische Notwendigkeit an, einen umfassenden Arbeitsbegriff durchzusetzen. Dieser umfasst nicht nur die Lohnarbeit, löst die Trennung zwischen privat und öffentlich auf, sondern er bezieht bewusst die Reproduktionsarbeit mit ein. Reproduktionsarbeit die immer schon in den Händen der Frauen lag und durch die von der EU und den einzelnen Ländern forcierte Privatisierung sozialer Dienstleistungen in noch viel größeren Rahmen an die Frauen und den "privaten Bereich" abgegeben werden. Ein umfassender Arbeitsbegriff muss unserer Meinung nach aber auch den Teil von Arbeit umfassen, der unter so genannte "freiwillige Arbeit" oder "ehrenamtliche Arbeit" zusammengefasst wird, zugleich entwertet wird ebenso wie die Reproduktionsarbeit, weil diese Arbeitsbereiche nicht bezahlt oder als "gesellschaftlich sinnvolle Arbeit" definiert werden.

Die Debatte um ein Grundeinkommen bietet unseres Erachtens nicht nur einen möglichen alternativen Lösungsansatz, sondern auch die Möglichkeit ein politisches Feld aus einer von oben diktieren und somit hierarchischen Diskussionsstruktur herauszunehmen und andere, neue Denkmuster zu kreieren.

Wie verstehen wir also Grundeinkommen?

>> Entkoppelt von Lohn- bzw. Erwerbsarbeit: Im Unterschied zu den Forderungen nach einem Grundeinkommen der Wirtschaftslobby, die die sozialen Dienstleistungen wie z.B. Krankenversicherung und Pensionsvorsorge in diesen Betrag miteinbezieht und somit die sozialen Risiken an die/den ArbeitnehmerIn abwälzt.
>> Steht jedem Individuum zu: Ein bedingungsloses Grundeinkommen muss auch die hier lebenden MigrantInnen miteinbeziehen und steht im Zusammenhang mit einem EinwohnerInnenschaftsrecht im Unterschied zu einem StaatsbürgerInnenschaftsrecht.
>> In der Höhe Existenz sichernd
>> nicht bedarfsorientiert: Ein Grundeinkommen darf nicht dazu führen, dass Menschen in BittstellerInnenposition geraten, welche eng mit Kontrollmechanismen einhergeht und einem selbstbestimmten Leben widerspricht.
>> Soziale Versicherung (Krankenversicherung, Pensionsvorsorge) ist nicht inkludiert.

Weiters muss ein flächendeckendes Netz an sozialer kommunaler Infrastruktur wie Gesundheitseinrichtungen oder Kinderbetreuungseinrichtungen errichtet, bzw. ausgebaut werden.
Ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen ist jedoch kein Ersatz für die angemessene Honorierung der Reproduktionsarbeit. Denn ein Grundeinkommen könnte die Tatsache verdecken, dass Frauen bis heute für die Gesellschaft unverzichtbare Arbeit leisten ohne eine angemessene Gegenleistung zu erhalten.

Wir schlagen vor das Thema um eine Forcierung des umfassenden Arbeitsbegriffes und damit im Zusammenhang stehend, eine Debatte um das Grundeinkommen zu einem zentralen Schwerpunkt für die Arbeit der Europäischen Linkspartei zu machen.

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