A, B, Buh, und drinn bist Du
Berge kann man nicht versetzen. Das ist eine Geschichte für Gläubige.
Trotzdem sind auch die entlegendsten Alpentäler erschlossen. Übergänge,
Brücken und Kommunikationsnetze haben die Innenwelten und Aussenwelten entlegener
Gegenden miteinander und mit dem Rest der Welt verbunden. Täler-Besonderheiten
sind großräumiger zu regionalen Besonderheiten geworden, derzeit findet
ein Prozess der Rurbanisierung statt – das Verschwimmen der Gegensätze
zwischen Stadt und Land.
Abschottung und Ausschluss aus der Gesellschaft findet weiter statt. Sozial, mental
und auch räumlich. Was früher die Siedlung der „Ziegelbehm“
in Favoriten und das Bretteldorf der Armen in Kaisermühlen waren, sind heute
die Räume der Ärmeren, der AusländerInnen, der Immobilen, der sozial
Ausgegrenzten, getrennt nicht durch natürliche Barrieren, sondern durch eine
Vielfalt von künstlich errichteten – sozialen, mentalen und auch räumlichen
Barrieren. Es fehlen Übergänge, Brücken, Zugänge und Kommunikationsnetze
im realen wie im übertragenen Sinn, die allen Menschen und sozialen Gruppen
das Teilnehmen-Können an der Gesellschaft gleichermaßen ermöglichen.
Denn soziale Ursachen von Desintegration – kein Geld, keine Hackn, nicht
einheimisch sein – finden ihre Entsprechung in gebauten Räumen. In
schlechten Räumen bist du schnell drinnen und kommst langsam wieder heraus.
Krasseste Beispiele für soziale Aus- und Abgrenzung, die sich räumlich
niederschlägt, ist die Konzentration von Ausländern in Stadtteilen mit
hohem Anteil von Substandardwohnungen, aber auch die Konzentration von sozial
Schwachen in billigen Sozialwohnungen. Vermittelt wird dies über die Grundstücks-
und Wohnungspreise, über den Zugang zu Wohnbauförderung und die Belagspolitik
im sozialen Wohnbau. Die so entstehenden schlechten Standortqualitäten werden
schlecht bewertet, sind schlechter mit Infrastruktur versorgt und verstärken
diese Verteilungsmuster. Ein Kreislauf von Verwahrlosung wird in Gang gesetzt.
Allerdings entspricht segregiertes Wohnen auch einem sozialen Bedürfnis nach
sozialer Nähe (unter Seinesgleichen).
Weniger krasse Beispiele – in unseren Breiten – für die räumlich
bedingte Abschottung und Behinderungen der Teilnahme an der Gesellschaft sind
die durch lange Wege, schlechte Erreichbarkeit, fehlende soziale und kulturelle
Infrastruktur, schlechte Versorgung mit öffentlichem Nahverkehr erzeugten
Barrieren. Ein vor langem begonnener Prozess der Verinselung des Raums und des
Verlusts von Nähe setzt sich unaufhaltsam fort. Grundbedürfnisse wie
Wohnen, Arbeiten, Erholen, Einkaufen oder Pflege müssen in voneinander weit
entfernten Einrichtungen befriedigt werden. Betroffen vom erzwungenen „Inselhopping“
sind jene gesellschaftlichen Gruppen, denen entscheidende Ressourcen (Arbeit,
Einkommen, Wohnen, Bildung, soziale Infrastruktur etc.) in einem unzureichendem
Ausmaß zugänglich sind und die auf Grund ihrer Lebensumstände
oder ihres Alters einen engen räumlichen Aktionsradius haben.
Und so wohnen sie: Hier die Alten in den Pensionisten- und Pflegeheimen, dort
die Noch-nicht-Alten, hier die Ausländer in den Vierteln mit einem hohen
Anteil an Substandard-Wohnungen, dort die Einheimischen. Und so sitzen sie im
Park: Hier die türkischen Mütter dort die österreichischen Mütter.
Und so lungern sie in den Einkaufszentren herum: Die Jugendlichen aus den Großsiedlungen
am Stadtrand. Und so fahren sie in die Einkaufszentren, weil es in den Zentren
der Kleinstädte keine Nahversorgung mehr gibt. Und so mühen sie sich
ab: Frauen, die komplexe Wegeketten zwischen Wohnung, Arbeitsplatz, Einkaufen
und Kindergarten/Schule ohne ausreichenden öffentlichen Verkehr – vor
allem am Land und am Stadtrand - zu bewältigen haben, Frauen, die in weitaus
höherem Maße von Armut betroffen sind, vor allem im Alter und ohne
Ehemann.
Elisabeth Holzinger