KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Angst(t)räume

Es ist finster. Der Mond scheint zwar hell, sein Licht kommt aber durch das dichte Laub der hohen Bäume im Hof kaum durch. Die kleinen Lampen reichen kaum aus, um die Nummern der Stiegen zu beleuchten. Sie geht schnell auf die Stiege 4, ganz hinten im Hof, zu. In dem Moment stürzt aus einer Mauernische ein Mann heraus. Er legt ihr den Arm von hinten um den Hals und zwingt sie zu Boden ...

Angstträume von Frauen, die über unbeleuchtete Plätze, am Rande von Büschen, in einsamen Gassen, in Parkgaragen unterwegs sind/sein müssen. Dunkelheit, Unübersichtlichkeit, Enge, Leere schaffen Unbehagen und machen Angst - nicht nur bei Frauen. Buschbewachsene Parkanlagen, Parkgaragen, Unterführungen, diese typischen Angsträume, sind in den letzten Jahren durch Beseitigung von Sichthindernissen, gute Beleuchtung und Orientierungssysteme um einiges angstfreier gestaltet worden. Seit 1993 durch die erste und 1997 durch die zweite   Frauen-Werkstatt auf Initiative des Frauenbüros der Stadt Wien zwei frauengerecht geplante Wohnsiedlungen in Wien realisiert wurden, fand auch das Thema Angsträume durch entsprechende räumliche Gestaltung Berücksichtigung. Das sind Vorzeigeprojekte und spezielle Angebote für die aufgeschlossene und anspruchsvolle Klientel am Wohnungsmarkt, während andere Veränderungen der räumlichen Organisation der Gesellschaft unvermindert weitergehen: die grossflächige Umverteilung des Stadtraums zu Gunsten des ruhenden und motorisierten Individualverkehrs, Privatisierung des Raums durch flächenfressende Einfamilienhaussiedlungen, Entwertung des Wohnumfelds. Täglich gehen in Österreich Freiflächen in der Grössenordnung von sechs Fußballfeldern verloren. Neue "Unorte", für Aufenthalt und Kommunikation unbrauchbare Räume, neue Angsträume,   entstehen.

Viel häufiger endet die Geschichte anders: Sie geht schnell auf die Stiege 4, ganz hinten im Hof, zu. Schnell das Haustor aufsperren und die Stiegen   hinauf hasten. Den langen Gang (Beleuchtung kaputt) entlang laufen, Wohnungstüre aufsperren. Endlich zu Hause! In dem Moment stürzt ihr Mann auf sie zu. Knallt ihr links und rechts eine, stößt sie ins Wohnzimmer, dass sie hinfällt ... Die Schätzungen variieren, doch an die 90 % der physischen, seelischen und sexuellen Gewalt findet in den eigenen vier Wänden statt, verübt von Personen, mit denen einem enge Beziehungen verbinden.

Räume werden durch Menschen geschaffen, wobei die einen mehr und die anderen weniger Möglichkeiten haben/kriegen, sich ihre Räume so zu gestalten, dass sie darin sorgenfrei leben können. Das gilt für den von konkreten Dingen wie durch Beziehungen zwischen Menschen gebildeten Raum. Der französische Soziologe Bourdieu schlägt vor, sich die soziale Welt als einen mehrdimensionalen Raum von Beziehungen vorzustellen, in dem Menschen bzw. soziale Gruppen anhand ihrer relativen Stellung innerhalb dieses Raums definiert sind. Sie nehmen einen Platz ein, der durch gesellschaftliche Stellung, Geld, Macht, Bildung definiert ist. Mit diesem Verständnis von Raum lässt sich eine Ursache von Gewalt beschreiben. Die ungleiche Verteilung von Ressourcen, tradierte oder anerzogene Handlungsregeln, die in der Gesellschaft vorhandene Machtverteilung,   schaffen Verhältnisse, die Unterdrückung - bis zur physischen Gewalt - auf der einen und Abhängigkeit und Unsicherheit auf der anderen Seite bedingen bzw. begünstigen. Je größer das Gefälle desto größer die Gewaltbereitschaft, desto größer die Angst.  

So stellen sich Sozialräume, die durch Ungleichheit geprägt sind, ob auf der Ebene der persönlichen Beziehungen, auf der Ebene von Arbeitsbeziehungen oder auf der Ebene der Teilhabe an der Gesellschaft als die wahren Angsträume dar.

Angstmache ist das Geschäft, das gerade im Wahlkampf Konjunktur hat. Angst vor der angeblich steigenden Kriminalität, Angst vor AusländerInnen, Angst vor den ganz Armen ("Ruf nach Bettelverbot wird laut"- Die Presse vom 11.6.2006) wird geschürt und die Antwort gleich gegeben: Polizei, Strafen, Abschiebung, verschärfte Asylgesetze. Keine Rede von wirkungsvollen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, vom Aufbau sozialer Sicherungssysteme zumindest auf der Basis einer Grundsicherung, von Massnahmen, die Frauen ein bis ins Alter gesichertes, für ein eigenständiges Leben ausreichendes Einkommen bieten. Wenn sich eine Partei solche Lebensperspektiven zum Ziel setzt, sollte sie unsere Stimme kriegen.

Elisabeth Holzinger

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