KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Babsi.

Ich möchte euch gerne erzählen, wozu Freundinnen fähig sind, wenn es darauf ankommt. Solidarität und Freundschaft machen uns Frauen stark.


Begonnen hatte es im letzten Jahr im Frühsommer, als Babsis Freund mich anrief. Dies ist ungewöhnlich, denn wir telefonieren so gut wie nie miteinander. Ich hörte gleich an seiner Stimme, dass etwas passiert sein musste und er erklärte mir stockend, dass Babsi bereits seit vierzehn Stunden operiert wird. Sie war wegen Bauchschmerzen in die Ambulanz gefahren und man hatte sie sogleich operiert, denn der Tumor im Bauch war nicht zu übersehen. Babsi hatte gehofft, dass sie schwanger sei - und jetzt das!
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Babsi ist für mich eine jener Freundinnen, auf die ich immer zählen kann, in guten wie in schlechten Zeiten.
Sie hatte zwar die Operation überlebt, aber gleich am übernächsten Tag war eine weitere Notoperation nötig. Es wurde ihr alles entfernt, das nicht lebensnotwendig war. Wir konnten vorerst nur telefonieren, denn die Besuche auf der Intensivstation waren natürlich ihrer Familie und ihrem Freund vorbehalten.

Von Anfang an versuchte sie uns zu trösten und markierte die starke Frau. Schließlich wurde sie auf die "normale Station" verlegt und relativ bald entlassen - mit der Auflage einer Chemotherapie. Ich versuchte ihr, ihrem Freund und ihrer Tochter, so weit es möglich war, beizustehen.
Etliche Abende saß ich mit meinem Freund zusammen und wir besprachen die Krankheit im allgemeinen, wie wir selber als Betroffene damit umgehen würden, was ich Sinnvolles tun könne für sie usw. Ich besuchte sie, schickte Blumen und versuchte sie aufzuheitern, aber eigentlich hat sie mich aufgeheitert mit Sprüchen wie: Aufgeben tut man einen Brief, Unkraut vergeht nicht etc.
Im September feierte sie ihren 40. Geburtstag und wollte dies gemeinsam mit Familie und Freunden tun. Sie hatte aus diesem Anlass ein schönes Restaurant in Graz gemietet, und so fuhr ich an diesem Tag mit meiner Familie zum Mittagessen hin. Ich saß an einem Tisch mit ihren Freundinnen, die ich natürlich auch schon lange kenne. Babsi ging es an diesem Tag ziemlich schlecht, niemand durfte ihr die Hand geben oder sonst wie zu nahe kommen, denn ihr Immunsystem war durch die Chemo sehr schlecht, so dass sie eigentlich gar nicht unter Menschen sein sollte. Sie hatte keine Haare mehr und wurde, als alle schon da waren, in einem Rollstuhl hereingefahren.
Keiner wusste damit umzugehen. Sollten wir nun lustig sein? Worüber sollten wir reden? Alles verlief aber dann sehr herzlich und die anfängliche Beklommenheit wich einem guten Gefühl. Irgendwann kam die Idee auf, dass wir, ihre fünf Freundinnen, gemeinsam etwas mit Babsi unternehmen.
Wir verabredeten uns zu einem Wellness-Wochenende in der Obersteiermark. Babsi fühlte sich sehr wohl, wir natürlich auch. Sie verlor ihre Angst und nahm, da sie immer wieder Schweißausbrüche bekam, auch ihr Käppi ab und wir zählten die Schweißperlen auf ihrer Glatze und witzelten darüber, welche Fönfrisur sie sich wohl für den Abend überlegt hätte. Ich versprach Babsi auch, dass ich mich drum kümmern würde, falls irgend jemand ein Problem mit ihrer Glatze oder ihren Schläuchen hätte. Wellnessmäßig waren wir ziemlich schwach – eigentlich verbrachten wir den Tag kichernd in der Kantine des Wellness-Hotels.

Am Abend haben wir uns dann schick herausgeputzt, um uns in einem guten Landgasthof kulinarisch verwöhnen zu lassen. Wir saßen erst ganz kurze Zeit, als ich merkte (Babsi war noch immer ohne Käppi), dass sie unrund war. Grund dafür war ein Tisch voller Bauersleuten, die Babsi blöd angafften. Ich löste also mein Versprechen ein, stand auf, ging zu dem Tisch, gefolgt von Ingrid, und sagte zu den Gaffern, dass sie ab sofort ihre Augen nur auf den eigenen Tisch zu richten haben, uns ihre Gafferei nerve und Babsi ohne Haare noch immer viel schöner sei als sie alle miteinander und, sollten sie weiterhin blöd schauen, würde ich wieder kommen, ich könne noch viel, viel unfreundlicher sein.
Ich erwartete jetzt eine Auseinandersetzung, denn ich nahm nicht an, dass sie sich das gefallen ließen. Doch zu meinem Erstaunen waren sie sehr betreten und versicherten mir, dass sie meine Aufregung verstehen, aber dass es um Gottes willen nicht bös gemeint wäre. Natürlich hatten das alle im Lokal mitbekommen - war uns aber auch egal.
Die Wirtin kam an unseren Tisch und fragte Babsi: „Wos hostdn du füa an? Babsi erwiderte: „Eierstöcke!“ - „Aha“, sagte die Wirtin, „ich habs mit da Brust, schene Scheiße, wos ?“ Das Essen war köstlich, die Wirtin ging von unserem Tisch nicht mehr weg und ich spürte ganz deutlich, wie wohl sie sich in unserer Frauenrunde fühlte. Wir hatten es sehr lustig, aber Babsi wurde bald müde und musste zu Bett gebracht werden, Mary begleitete sie. Wir anderen blieben noch und tranken von dem guten Rotwein.
Am nächsten Tag beim Frühstück kicherten wir noch immer und ich weiß, Babsi fühlte sich so sicher wie noch nie in ihrem ganzen Leben! Sie erklärte uns, dass sie sich in der Nacht überlegt hätte, dass, wenn sie sterben sollte, es kein Erinnerungsstück von ihr und vor allem von unserer Freundschaft gäbe. Deshalb wolle sie, dass wir uns alle den selben Ring kaufen, zum äußeren Zeichen unserer Zusammengehörigkeit. Ich glaube, wir fühlten uns alle ein wenig wie Musketiere, eine für alle, alle für eine! Gemütlich und mental gestärkt fuhren wir dann nach Hause.

Jetzt sind wir uns alle sehr viel näher gekommen. Wir sind alle sehr unterschiedlich, aber wir haben begriffen, dass wir gemeinsam sehr stark sind bzw. sehr stark sein können, wenn wir nur wollen. Mittlerweile konnten wir uns auf einen gemeinsamen Ring einigen und in den nächsten Wochen treffen wir uns wieder zu einem gemeinsamen Wochenende, diesmal in Stainz, wo wir uns offiziell die Ringe anstecken werden. Klingt vielleicht ziemlich dämlich, aber wir fühlen uns urgut dabei.

Babsi's Chemo ist abgeschlossen. Kurz nach Weihnachten sah es ziemlich gut aus, aber jetzt steigen ihre Tumor-Maker wieder kontinuierlich an und die Ärzte sind mehr ratlos als alles andere. Aber wir sind stark und ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Verhalten ihre Familie und ihren Freund entlastet haben und sie einen Ort gefunden hat, an dem sie nicht stark sein muss. Und irgend eine von uns hat immer Zeit für sie und wir stärken uns auch untereinander.
Realistisch gesehen sind Babsis Aussichten schlecht, optimistisch betrachtet gibt es immer die Ausnahme von der Regel, und vielleicht ist es ja gerade sie!!! Ihre vielen kurzen Spitalsaufenthalte, die Komplikationen, die Tränen am Telefon, immer wieder Hoffnung zwischendurch zu haben und die Ohnmacht gegenüber dieser Ungerechtigkeit und manchmal auch die Angst, wenn das Telefon läutet, möchte ich nicht unerwähnt lassen.

Ich wollte euch das erzählen, weil ich glaube, dass es so etwas unter Männern nicht gibt, zumindest ist mir nichts Vergleichbares bekannt. Solidarität und Freundschaft machen uns Frauen stark.

Eveline Ruis


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