Von Bubentorheiten und anderem Blödsinn
Selten hat
man sich als Kommunistin beim Argumentieren so leicht getan wie in der derzeitigen
politischen Situation.
Meine ob der Gusenbauerschen Profillosigkeit schwer enttäuschten sozialdemokratischen
KollegInnen brauche ich beispielsweise nur zu fragen: „Habt ihr wirklich
geglaubt, dass man den Kapitalismus oder den Neoliberalismus abwählt, wenn
man Gusenbauers SPÖ wählt? Habt ihr gemeint, dass sich durch taktischen
Wählen wirklich was ändert? Wer den Sozialismus will, muss ihn auch
wählen!“
Sogar die strammsten ParteisoldatInnen schleichen seit dem Bekanntwerden des Regierungs„programms“,
der Verteilung der Ministerien und Gusenbauers Eiertanz von einem Fettnäpfchen
zum anderen bedrückt umher.
All dies wird sie natürlich nicht daran hindern, bei der nächsten Gelegenheit
wieder die SPÖ zu wählen, in SP-nahen Gremien tätig zu sein und
über SP-Vereine in Wien Karriere zu machen.
Eine der vielen entbehrlichen Meldungen des neuen Kanzlers allerdings ragt aus
der Masse heraus und zwar der Sager, in dem er die Wehrsportübungen Straches
– und wer könnte hinter den Spielchen etwas anderes vermuten? –
als „Bubentorheit“ entschuldigt. Mölzer hakte unverzüglich
nach und meinte, dass es auch in der Linken Jugendsünden gäbe –
wie etwa „in Nicaragua herumgehüpft zu sein“. Die Ungeheuerlichkeit
dieses Vergleichs muss frau sich auf der Zunge zergehen lassen: Da wagt es diese
rechte Randfigur über ein Engagement für die Indigenen, über eine
Friedensmission, über einen Kampf für Gerechtigkeit als Jugendsünde
zu sprechen – und vergleicht all dies mit Wehrsportübungen, bei denen
die Liquidierung politischer Gegner geübt wird?
Und Gusenbauer, dem sein harmloser Kuss auf die poststalinistische UdSSR-Erde
noch immer peinlich ist, assistiert der Strache-FPÖ wohl aus taktischen Gründen.
Denn wer hätte jemals daran gezweifelt, aus welchem Bodensatz das Gedankengut
dieser Partei stammt und woher sie immer ihre Substanz genommen hat? Diese Partei
ist keine Protestpartei, obwohl es bei SPÖVP genug zu kritisieren gibt, diese
Partei ist keine Partei des „kleinen Mannes“ – diese Partei
repräsentiert den äußerst rechten Rand des politischen Spektrums!
Das ist längst bekannt und immer wieder durch ihre Repräsentanten –
man denke etwa an Gudenus, Mölzer, Schimanek u. a. - bewiesen.
Interessant finde ich auch Gusenbauers Reaktion auf die parteiinternen Proteste
der Jugendorganisationen der SPÖ. Denn da war plötzlich von „gewaltbereiten
KommunistInnen“ die Rede – die Verhältnismäßigkeit
hat der SP-Kanzler wohl schon längst verloren.
Dass der SJ allerdings ein Identitätskonflikt droht, war mir spätestens
beim Chavez-Besuch klar. Denn wie kann man den Spagat zwischen der Begeisterung
für eine bolivarianische Verfassung und der neoliberalen SP-Regierungspolitik
schaffen? Aber – keine Angst – auch sie werden bei der nächsten
Wahl wieder ihre SPÖ wählen und weiterhin in ihren Organisationen bleiben,
denn „links blinken“ und „rechts abbiegen“ hat in dieser
Partei Tradition.
Und vielleicht kann man/frau später den Besuch in der Arena und das Absingen
der Internationale auch als „Jugendtorheit“ entschuldigen? Aber Achtung:
Auf Jugendtorheiten folgt offenbar unverzüglich anderer Blödsinn, wie
uns Gusenbauer derzeit eindrucksvoll beweist.
Dagmar Schulz