Frau-Sein als besonderes Handicap bei ÖGB-Wahlen
Renate Csörgits durchgefallen
Bei der Fraktionskonferenz der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen am ersten
Tag des ÖGB-Bundeskongresses erhielt die Frauenvorsitzende aus den eigenen
Reihen lediglich eine Zustimmung von etwa 70 Prozent. Bereits hier war absehbar,
dass es unter Umständen knapp werden könnte für Csörgits bei
der Wahl zur Vizepräsidentin. Als sie am darauf folgenden Tag beim KandidatInnenhearing
die Höhe ihres Gesamteinkommens wieder nicht wusste bzw. wissen wollte, war
dann für so manche zusätzliche FraktionskollegInnen der Ofen endgültig
aus. Sie erhielt lediglich 49 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Csörgits steht stellvertretend für jene Führungsriege des ÖGB,
die als MultifunktionärInnen mehrere hochdotierte Ämter und Posten bekleiden,
die als MandatarInnen in gesetzgebenden Körperschaften (sie ist Mitglied
des Nationalrates) das Problem der Unvereinbarkeit von Gewerkschaftsfunktion und
politischem Mandat verkörpern und die auch zu jenen gezählt wird, die
in der Vergangenheit immer brav alles „abgenickt“ haben – eine
„Parteisoldatin“ eben.
Roswitha Bachner neue ÖGB-Vizepräsidentin
– warum nicht gleich?
Die bisherige leitende Sekretärin des ÖGB ist dann – ebenfalls
aus Nibelungentreue – in die Bresche gesprungen. Sie war ja schon vor einigen
Monate immer wieder mal als mögliche Kandidatin für das Amt der ÖGB-Präsidentin
in verschiedenen Chats genannt worden, hat dies aber immer abgelehnt. Na klar
– das hätte ihr ja in der Fraktion gleich den Kopf gekostet, hätte
sie sich erdreistet, gegen Hundstorfer als Alternativkandidatin anzutreten.
Bachner ist bei allen Minderheitenfraktionen als „umgänglich, bodenständig,
praktisch veranlagt und – welch Frauenschicksal – immer unterschätzt“
angeschrieben.
Frau darf gespannt sein, wie sie mit ihren Vielfachfunktionen umgehen wird, welche
sie davon zurücklegen wird. So ist sie nicht nur Mitglied des Bundesrates
sondern auch AK-Rätin in Wien und Mitglied des AK-Vorstandes.
Kaiser
Hu wird noch viele Nachhilfestunden in Demokratie brauchen
Offiziell wurde zwar Roswitha Bachner vom Frauenpräsidium des ÖGB vorgeschlagen
– dies aber erst nachdem dieses quasi auf Linie gebracht worden war: gleich
nach Bekanntgabe des Ergebnisses des ersten Wahldurchgangs, in dem Renate Csörgits
nicht die erforderliche Mehrheit erhalten hatte, schlug der frisch gewählte
Präsident Hundstorfer vor, Roswitha Bachner als Kandidatin für den erforderlichen
zweiten Wahldurchgang zu nominieren. Erst anschließend trat das ÖGB-Frauenpräsidium
zu einer Beratung zusammen und unterbreitete einige Zeit später diesen Vorschlag
Hundstorfers als Beschluss des Frauenpräsidiums.
Der auch sonst recht absolutistisch veranlagte Kaiser Hu hat offensichtlich bei
Gusenbauer billige sechs Euro Nachhilfestunden in Sachen Demokratie erhalten,
denn noch hat er nicht gecheckt, dass das ÖGB-Frauenpräsidium auch selbst
in der Lage wäre, einen Vorschlag für eine Kandidatin zu erstellen.
Dwora Stein: Akademikerin, GPA-Funktionärin und Frau – drei Feindbilder
auf einmal?
Drei Handicaps auf einmal – das haut die stärksten Metaller, Bauarbeiter
und viele mehr um bzw. veranlasst sie zu Streichungen. Entsprechend dieser Logik
erhielt Dwora Stein nur 67 Prozent der Stimmen.
Stein verkörpert für viele Gewerkschafter des alten Schlags das, was
sie als bedrohliche Konkurrenz wahrnehmen: analytisch denkend, korrekt agierend,
aktiv und passiv kritikfähig, distanziert wo nötig und ohne weibchenhafter
Macken. Damit ist sie so manchen Herren haushoch überlegen, was in deren
Verzweiflung ihr den Ruf der Arroganz einbringt.
Aber auch die Tatsache, dass sie gemeinsam mit Wolfgang Katzian das Modell eines
einheitlichen, starken ÖGB, gegliedert in Wirtschaftsbereiche dem Modell
der Blöcke gegenüber gestellt hat, macht sie als GPA-Bundesgeschäftsführerin
zum Feindbild so mancher anderer Arbeitergewerkschaften, die die größte
Teilgewerkschaft GPA am liebsten filetieren und untereinander aufteilen würden.
Jedenfalls wird von Dwora Stein noch einiges an interessanten Inputs in der weiteren
Entwicklung des ÖGB zu erwarten sein.
Karin Antlanger