Kaufen-laufen-Mindmachin
In medialer Ein- und Niedertracht werden wir mit den täglichen Umsatzplusmeldungen
des Einzelhandels bombardiert. Das wirtschaftliche Stimmungsbarometer steigt,
nur wer kauft, ist ein guter Mensch.
Besonders nach dem langen Einkaufswochenende um den Marienfeiertag jubelten die
Händler: 1,6 Milliarden Euro wird der Einzelhandel im Dezember mehr umsetzen
als in einem Durchschnittsmonat, freut sich die Wirtschaftskammer, heuer werden
um 60 Millionen Euro mehr für Weihnachtsgeschenke ausgegeben als im Vorjahr.
Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Wird gelogen. Anscheinend
glaubt die Wirtschaft wirklich an den Weihnachtsmann - mehr als jedeR vierte ÖsterreicherIn
will heuer laut einer Gallup-Umfrage zu Weihnachten weniger Geld für Geschenke
ausgeben.
Und da ist er auch gleich wieder - der alte Schlapfen Ladenschluss. Ein paar ganz
emanzipierte Damen der Wiener Innenstadt hatten den Mut, ihre Geschäfte auch
am Sonntag offen zu halten. Die drohende Strafe von rund 1000 Euro haben sie locker
weggesteckt, geht es doch hier um eine mutige Pioniertat im Interesse der Wirtschaft.
Diese Milchmädchen der Wiener Innenstadt machen ihre Rechnung jedoch ohne
den Wirt. Denn die Leute haben ja nicht mehr Geld zum Kaufen, wie die mageren
Gehaltsabschlüsse und die Pensionserhöhungen unter der Inflationsrate
zeigen. Die schöne bunte Warenwelt wird als konzertiertes Familienevent abgefeiert,
ohne mehr im Börsel zu haben. Also werden Schulden gemacht. Davon weiß
die Schuldnerberatung ein trauriges Lied zu singen.
Die vielen prekären Jobs erlauben keine allzu großen Sprünge,
Weihnachtsgeld ist mittlerweile fast schon zu einer Goodwilltat bei fixen Anstellungsverhältnissen
geworden, und die sechs Euro Stundenlohn z.B. im Bipa lassen auch keinen hemmungslosen
Kaufrausch aufkommen. Allenfalls die großen Shoppingmalls profitieren
von einer Öffnung rund um die Uhr, die den kleinen und mittleren Händlern
das Geschäft wegschnappen. Die dürfen dann zusperren. Ganze Straßenzüge
sind bereits nahversorgungsmäßig lahm gelegt. Die Kleinen, etwa die
Türkenläden, rackern sich mit allen Familienmitgliedern vom Opa bis
zum Schulkind den Rücken krumm, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen.
Und nun soll auch noch rund um die Uhr offen sein.
Das AMS-Niederösterreich hatte eine wirklich grandiose Idee: In den verschiedenen
Handelsbetrieben werden 200 beschäftigungslose Frauen eingesetzt, damit die
Weihnachtsglocken für den Handel freudig klingeln können. Das AMS übernimmt
100 Prozent der Lohnkosten - geht's der Wirtschaft gut, geht's den Frauen schlecht:
Der Handel bekommt zum Nulltarif Arbeitskräfte, die auch zur Samstagarbeit
verpflichtet werden. Vor Weihnachten also auf Steuerkosten rackern, nach Weihnachten
weiter beschäftigungslos sein, denn von Wiedereinstieg ist keine Rede. Zynischerweise
wird das auch noch "Aktion Weihnachtsengel" genannt.
Im Grazer Shopping Center West ist ein junger Mann kürzlich Amok gelaufen
und hat zwei Menschen und sich selbst durch Messerstiche verletzt. Er hat die
Nerven verloren, eine "Kurzschlusshandlung" heißt es in orf.at.
Vielleicht wurde einfach nur vergessen, den armen Mann in einem "Carrera-Männerhort"
abzuliefern, wie das jetzt in Salzburg möglich ist. Dort können stressgeplagte
Frauen in der Adventzeit "nörgelnde, gelangweilte Männer, die jeder
Frau die Vorfreude auf das Fest der Liebe ordentlich vermiesen", kostenlos
abgeben. Die Gatten oder Partner finden dort "artgemäße Unterhaltung".
Ob es sich hier wirklich nur um elektronisches Golfspielen oder Zeitschriftenlesen
handelt, geht aus dieStandard-online nicht hervor.
Bärbel Danneberg