Die Teilnehmerinnen des Abschlussplenums der FFU 2007 sehen im Feministischen
Regierungsprogramm auch weiterhin eine wichtige Grundlage, Ansprüche und
Forderungen an eine feministische Politik zu formulieren.
Es sollen Strukturen gebildet werden, in denen das 2002 von Vertreterinnen zahlreicher
Frauenorganisationen und -netzwerke erarbeitete Feministische Regierungsprogramm
aktualisiert werden kann.
Gesucht sind Frauen/Expertinnen, die sich bereit erklären, für eines
der 8 Kapiteln (siehe unten) die Koordinierung einer Arbeitsgruppe zu übernehmen,
mit dem Ziel, der nächsten FFU ein überarbeitetes Programm vorzulegen.
Als Zwischenschritt der Erarbeitung orientieren wir auf eine frauenpolitische
Enquete im Herbst, die durch eine entsprechende Finanzierung durch das Frauenministerium
auch den Frauen aus den Bundesländern die Mitarbeit ermöglicht.
Folgende Aussagen, Orientierungen bzw. Forderungen
stellen wir hier und heute in den Mittelpunkt:
Geschlechter- und soziale Gerechtigkeit, und damit Respekt für und Anerkennung
von Verschiedenheiten, gesellschaftliche Verantwortung und Solidarität
zählen zu den Grundsätzen einer feministischen Politik und bilden
zentrale Prinzipien feministischen Regierens. Dabei müssen auch die Bedürfnisse
von Menschen in spezifischen Lebenssituationen berücksichtigt werden. Ziel
feministischer Politik ist ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes und gutes
Leben aller Frauen und Männer, politischer Gestaltungswille darf folglich
nicht von wirtschaftlichen Profitinteressen abgelöst werden. Staatliches
Handeln muss dabei auch - im Sinne einer partizipativen Demokratie - in konstruktiver
Auseinandersetzung mit und unter verpflichtender Anhörung von zivilgesellschaftlichen
Kräften erfolgen.
1) Wohlbefinden und gutes Leben - Wirtschafts-
und Sozialpolitik
Umfassend verstandene soziale Sicherheit setzt den garantierten Zugang jeder
Person zu
einer finanziellen, materiellen und sozialen Grundsicherung voraus (Grundeinkommen),
die
existenzsichernd ist und die Teilhabe an den gesellschaftlichen Prozessen ermöglicht.
> Wir fordern Mindeststandards sozialer Absicherung (Pension, Arbeitslosigkeit,
Sozialhilfe etc.) als Übergangslösung zu einem Grundeinkommen.
> Wir fordern die Einrichtung kommunaler sozialer Zentren zur Förderung
des sozialen Zusammenhalts.
Ein feministisches Konzept von Sicherheit baut auf individueller Ebene nicht
auf
Staatsangehörigkeit auf, sondern auf Zugang zu sozialen und politischen
Menschenrechten,
die der Person am Ort ihres Aufenthalts zukommen.
Kein Mensch ist illegal!
> Wir fordern die Gewährung des Aufenthaltsrecht für alle Menschen,
die derzeit “illegal” bzw. illegalisiert in Österreich leben
und gleiche soziale und politische Rechte für diese.
> Wir fordern die Anerkennung geschlechtsspezifischer Asylgründe.
2) Finanz- und Budgetpolitik
Der Budgetprozess muss transparent gestaltet und geöffnet werden. Allgemeine
Nachvollziehbarkeit ist dabei eine entscheidende Grundregel, um breite gesellschaftliche
Mitbestimmung zu ermöglichen. Neben Transparenz und Öffentlichkeit
ist die Prüfung auf Geschlechter- und soziale Gerechtigkeit der Budgetgestaltung
zwingend, d.h. welche Auswirkungen sie auf die Lebenssituationen von Frauen
bzw. Männer haben.
> Wir fordern die Einrichtung eines Staatssekretariates für Gender Budgets
(=geschlechtergerechte Budgetpolitik) im Finanzministerium zur Unterstützung
des Frauenministeriums, das die ressortübergreifende zentrale Koordinierungsfunktion
zur Einführung von Gender Budgets in der gesamten Verwaltung inne hat.
> Angesichts der fortschreitenden Privatisierungen fordern wir: Kommunale
Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen müssen in öffentlicher
Hand bleiben.
3) Sicherheitspolitik
Die Entwicklung von effektiven Strategien gegen Gewalt und damit verbundenen
Maßnahmen gehören zu einer feministischen Sicherheitspolitik. Neben
der ausreichenden Finanzierung und gesetzlichen Absicherung sowie mehrjähriger
Verträge der Frauenhäuser, Frauen- und Mädchenberatungsstellen,
Interventionsstellen und Frauennotrufen fordern wir ausreichende Mittel zur
Gewaltprävention.
4) Justizpolitik
Das Rechtssystem an sich sowie einzelne Rechtsnormen spiegeln das Wertesystem
einer Gesellschaft wider. Aus feministischer Perspektive ist es daher notwendig
die herrschende, androzentristische Rechtsordnung zu hinterfragen und im Sinne
von Geschlechter- und sozialer Gerechtigkeit grundlegend umzubauen. Dazu gehört
auch und vor allem die Verankerung von sozialen Menschenrechten und Gleichstellung
der Geschlechter in der Verfassung.
> Wir fordern die Frauenverträglichkeitsprüfung für bzw. Überprüfung
auf Geschlechtergerechtigkeit von bestehenden und neuen Gesetzen und eine geschlechtergerechte
Sprache, deren Verstöße geahndet werden sollen.
> Wir fordern die sofortige Herausnahme des Schwangerschaftsabbruchs aus
dem Strafgesetzbuch!
5) Kunst und Kultur
Die gesamten Begrifflichkeiten von Bildung und Kunst müssen auf ihre Auswirkungen
auf die Geschlechterverhältnisse hinterfragt werden, männliche Definitionsmacht
und Dominanz muss durchbrochen werden. Wir solidarisieren uns mit feministischen
Künstlerinnen, die sich gegen diffamierende Inszenierungen wehren.
>Wir fordern die Schaffung und Verbesserung von Strukturen und Infrastrukturen
für Künstlerinnen, das beinhaltet mindestens 50 % aller Ressourcen
und Förderungen für Frauen.
> Wir fordern bewusstseinsbildende Maßnahmen für Kunst-Beiratsangehörige
> Um die Bewusstseinsbildung zu beschleunigen, sollen Stipendien und Förderungen
für Werke, die Rollenklischees aufweichen bevorzugt werden.
6) Technologie und Infrastruktur
Feministische Kritik an derzeitiger Technologie richtet sich gegen Rüstungs-/
Waffentechnologien, gegen Atomtechnologien und gegen die Vereinnahmung des Frauenkörpers
durch Gen- und Reproduktionstechnologien. Technischer Fortschritt ist nicht
automatisch sozialer Fortschritt. Technologien müssen die folgende Kriterien
erfüllen:
> Selbstbestimmung (und nicht Abhängigkeit) fördernd, ressourcensparend,
nachhaltig, reparaturfähig, lang haltbar und wieder verwertbar, dezentral,
kleinräumig, regional angepasst, vernetzt, keine negativen Auswirkungen
auf globaler/internationaler Ebene, nicht gesundheitsschädlich, möglichst
einfach, transparent, human-, umwelt- und sozial förderliche Aspekte haben
Vorrang vor wirtschaftlichen Kriterien, sinnlich/alle Sinne ansprechend.
Um sicher zu stellen, dass technologische Entwicklungen nach den oben genannten
Kriterien erfolgen können, fordern wir mindestens 50% der Technologie-Forschungsgelder
für Frauen.
7) Bildung, Wissenschaft und Forschung
Ziel von Bildung ist die Befähigung von Frauen, selbst Gesellschaft und
Welt (mit)zugestalten und als Subjekte und Agentinnen der eigenen Anliegen an
gesellschaftlichen Prozessen und Veränderungen mitzuwirken. Eine feministische
Konzeptionierung von Wissenschaft und Forschung wendet sich gegen die Unterwerfung
derselben unter ökonomische Kriterien und marktwirtschaftliche Rationalitäten.
Geschlechtergerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit als auch ökologische
Nachhaltigkeit haben in Wissenschaft und Forschung Vorrang vor Verwertbarkeit
und Profit. Grundlegend dafür ist eine interdisziplinäre Herangehensweise
an alle Forschungsfragen. Feministische Bildung beschränkt sich dabei nicht
auf die Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Geschlecht, sondern nimmt
auch rassistische, "Behinderten"feindliche, klassistische, heterosexistische
Konstruktionen in den Blick.
> Wir fordern die verpflichtende Aufnahme der Kategorie "Geschlecht"
in Bildungs- und Ausbildungspläne und -maßnahmen (Gender-Kompetenz)
und Maßnahmen bei Nichteinhaltung und die Bindung der Vergabe öffentlicher
Mittel an die Berücksichtigung einer geschlechterdifferenten Perspektive.
> Wir fordern die sofortige Abschaffung der Studiengebühren!
8) Frauenpolitik – Politische Partizipation
von Frauen
Feministisches Regieren ist orientiert an Selbstbestimmung, Integrität
und Würde aller Frauen und sichert Frauenpolitik wie Partizipation von
Frauen auf zivilgesellschaftlicher und staatlicher Ebene strukturell ab.
>Wir fordern die Errichtung eines unabhängigen Frauenrates mit ausreichender
Finanzierung, bestehend aus Vertreterinnen von Frauen- bzw. feministischen NGOs,
Vereinen, Projekten, Einrichtungen, Vernetzungen, Gruppen und feministischen
Vernetzungen/Gruppen in gemischten NGOs.
Heidi Ambrosch
Programm und weitere Informationen: frauenfrühlingsuni
2007
bildquelle: ffu 2007