Eine Rückschau auf die Frauenfrühlingsuniversität
2007.
Das Spannende an Veranstaltungen wie der FFU ist offenbar, dass jede Teilnehmerin
eine andere Geschichte erzählen kann. So vielfältig und unterschiedlich
war das Angebot, waren Interessen, Perspektiven und Begegnungen.
„Für mich ist eine Stadt ohne Frauenraum wie eine Nacht ohne Traum!“
– so die Aufschrift auf einem der vielen bunten Papierzettel, die einen
Tag lang den Hof 9 des Uni-Campus in Wien bestückten, um auf die Anwesenheit
der Frauenfrühlingsuniversität hinzuweisen. Immerhin hatte es 17 Jahre
bis zum Zustandekommen dieser sich über fünf Tage erstreckenden Veranstaltung
gedauert, eindeutiger politischer Mehrheiten in der Österreichischen HochschülerInnenschaft
und des feministischen Bewusstseins, der Tatkraft und des Engagements einer
jungen Studentinnengeneration bedurft, um diese FFU 2007 möglich zu machen.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nicht nur war die FFU ein unvergessliches
Ereignis für alle Teilnehmerinnen, sondern auch der Auftakt zu einer Fortsetzung
in anderen österreichischen Universitätsstädten in den nächsten
Jahren.
Seit 1990 hatte sich vieles geändert. Nicht mehr die Protagonistinnen der
Autonomen Frauenbewegung waren organisatorisch verantwortlich für das Zustandekommen
der FFU, sondern die Mitarbeiterinnen der Frauenreferate der ÖH. Und Feminismus
hat in den letzten Jahren unter dem Begriff der Gender Studies Einzug an den
Universitäten gehalten, für viele Feministinnen eine höchst unzulängliche
Reduktion des ehemals radikalen politischen und wissenschaftlichen Denkens.
Die Rahmenbedingungen für studierende Frauen haben sich mittlerweile verschärft,
die Repräsentanz von Frauen in der universitären Forschung und Lehre
ist nicht wesentlich gestiegen.
War es die zeitlich begrenzte Ausnahmesituation, die die FFU im normalen patriarchalen
Alltag darstellt oder war es die grundsätzlich andere Qualität –
sowohl die Inhalte als auch die Kultur des Umgangs miteinander betreffend –,
die die Zusammenarbeit von Frauen auszeichnet, die die FFU zu einem Erlebnis
der besonderen Art werden ließen? Wohl beides. Es gab Gelegenheit für
den Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen älteren und jüngeren
Frauengenerationen, feministische Projekte stellten ihre Arbeit vor und involvierten
die Teilnehmerinnen der FFU in aktuell laufende Kampagnen, Vernetzung zwischen
Aktivistinnen zu Themen wie Abtreibungsrecht, Kampf gegen Erwerbsarbeitslosigkeit
und prekäre Lebensverhältnisse, Gewalt an Frauen, Rechte von Sexarbeiterinnen
einerseits und – zumeist – studierenden Frauen andererseits fand
statt. Natürlich durfte auch die obligate Debatte zum Thema queere versus
sogenannte radikalfeministische Zugänge nicht fehlen. Frau konnte sich
darüber hinaus vor Ort die Techniken des Zeitung-, Radio- und Filmemachens
aneignen, wenn sie die entsprechenden Angebote wahrnahm. Feste, Filmvorführungen
und Lesungen rundeten das offizielle Programm ab.
Diskutiert, reflektiert und kritisiert wurde viel, während und nach der
FFU. Im Gegensatz zu früher hätte den Auseinandersetzungen jedoch
das Element der Erotik weiblicher Eigenmacht gemangelt und wäre daher die
Sehnsucht nach gemeinsamem Handeln als gelebte Praxis von Frauen geweckt worden,
so zu lesen in der FFU-Extrablatt-Ausgabe der Zeitschrift Lila, die pünktlich
zum Abschlussplenum vorlag. Angespielt wird auf Begehrensstrukturen zwischen
Frauen, die, denkend, die herrschenden Verhältnisse kritisieren und sich
ihrer Gegenentwürfe dazu vergewissern. Und im Zuge dessen sich ihrer selbst
und der Bedeutung, die sie füreinander haben, bewusst werden. Wenn dieser
Aspekt tatsächlich auf der FFU gefehlt haben sollte, war es u.a. der Tatsache
geschuldet, dass viele Frauen nur kamen, um ihre Workshops abzuhalten und sich
ansonsten nicht weiter in das Geschehen involvierten; dass es eine fast durchgängige
Trennung zwischen Organisatorinnen einerseits und Input-Lieferantinnen andererseits
gab (das gemeinsame Tun blieb somit weitgehend aus); dass der nicht ausgetragene
Grundkonflikt rund um die Frage: ist die Kategorie „Frau“ eine politikfähige?
eine Kultur der Projektionen in beide Richtungen begünstigte und vorurteilsfreie
Begegnung verhinderte. Andererseits ist das Organisationsteam dazu zu beglückwünschen,
dass es nicht zugelassen hat, dass diese Frage das Zustandekommen der FFU insgesamt
gefährdete, wie ja schon so manch andere Frauen-Lesben-Initiative an der
Frage der Anwesenheit von Transgender-Personen gescheitert ist.
Auf den Punkt gebracht lassen sich die Positionen der beiden Zugänge so
darstellen, dass die Radikalfeministinnen sagen, es gibt keinen falschen Körper
(wie es bspw. auch keinen zu großen und zu kleinen Busen gibt), es geht
nicht darum, den weiblichen Körper abzulehnen, sondern die Abwertungen,
die ihm und dem Frau-Sein in der Welt insgesamt widerfahren und den daraus resultierende
Umgang mit Frauen, zu bekämpfen; dazu ist die Selbstorganisation von Frauen
notwendig und wichtig. Der queere Ansatz wiederum stellt eine strikte Abkehr
von herkömmlichen Identitätspolitiken dar, die Vertreterinnen des
Konzepts lehnen es ab, sich als „Frauen“ zu bezeichnen und auf dieser
Basis politisch zu agieren. Die Kategorie „Frau“ funktioniert innerhalb
eines Binarismus, den es aufzubrechen gilt. So weit, so unterschiedlich. Natürlich
können wir uns noch hundert Jahre ob diesen Fragen in den Haaren liegen,
uns gegenseitig Rückständigkeit und Anmaßung andichten, weiter
bringen wird uns – und die Frauen insgesamt – das alles nicht. Mein
persönlicher Eindruck ist jedenfalls, dass sie schon viel zu lange die
Auseinandersetzungen zwischen Frauen bestimmt und auch behindert und dass ihr
ein viel zu hoher Stellenwert eingeräumt wird.
Jenseits dieser theoretischen Debatte um Aus- oder Einschluss war es auch der
Anspruch der FFU, insofern eine möglichst wenig elitäre Veranstaltung
sein zu wollen als auch verstärkt Frauen aus nicht-universitären Lebens-
und Arbeitszusammenhängen, Migrantinnen usw. angesprochen werden sollten.
Abgesehen davon, dass Universitäten immer elitäre Veranstaltungen
sind und Frauen das nicht so einfach aufheben können, sind Bewusstsein
und gute Absicht jedenfalls ein guter Anfang. Wie zu erfahren war, ist dies
auch bei früheren Frauenunis nicht wirklich geglückt. Angedacht wurde
daher, dass künftig vielleicht Frauen aus den diesmal unterrepräsentierten
Bereichen selbst die betreffende Einladungsarbeit übernehmen, auch im Sinne
von Selbstorganisation.
Den gelungenen Abschluss der FFU bildete eine Frauendemo der anderen Art. Inspiriert
durch die eben erst im Lachyoga-Workshop erworbenen Kenntnisse beschloss frau
der Regierung mitzuteilen, dass ihre Politik zum Lachen ist. Gemeinsam aus dem
„geschützten“ Raum der FFU und ausgestattet mit den üblichen
Demo-Utensilien, verstärkt durch einen eher unüblichen Vorrat an Lachsäcken,
ging’s zum Minoritenplatz, wo Frauenministerium und Wissenschaftsministerium
zu Hause sind. Unterwegs wurden Wehrdiener, Büsten von Gelehrten im Arkadenhof,
arrogant blickende Vertreter der Spezies Uni. Prof. heute, das Läuten der
Kirchenglocken, arbeitende Männer, denen ihre sexistischen Bemerkungen
auf den Lippen erstarben – „Opfer“ unseres Gelächters.
Frau wurde durch das schallende Lachen einer anderen auf die Lächerlichkeit
bestimmter Umstände, die als Manifestationen des patriarchalen Normalzustands
lesbar waren, erst aufmerksam und schon bog auch sie sich vor Lachen. Offenbar
hatten viele von uns ähnliche Assoziationen. Das Schöne daran war,
dass – eingebunden in diese Inszenierung – frau die Dinge nicht
„verletzten“, die im Alltag oftmals diese Wirkung haben.
Hilde Grammel
bildquelle: frauenfrühlingsuni
2007