KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Kurz davor ist es passiert

ein Film von Anja Salomonowitz
72 min l HD l Farbe l Stereo
Produktion: Amour Fou Filmproduktion
unterstützt von: Filmfonds Wien, Innovative Film, ORF Film/Fernseh-Abkommen, Land Niederösterreich Kultur
Verleih in Österreich: Poool Filmverleih
DarstellerInnen: Rainer Halbauer, Otto Pikal, Anna Sparer, Leopold Sobotka, Gertrud Tauchhammer

"Kurz davor ist es passiert" ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem globalen Phänomen des Frauenhandels. Anja Salomonowitz wählt einen ungewöhnlichen Zugang zum Thema: Ihr Film basiert auf realen Erzählungen gehandelter Frauen, aus denen die Regisseurin ein dokumentarisches Drehbuch erarbeitet hat. Die Geschichten werden nicht von SchauspielerInnen, sondern von Menschen nacherzählt, die mit den Ereignissen und Orten des Films in einer Beziehung stehen könnten: Ein Zöllner, eine Dorfbewohnerin, ein Bordell-Kellner, eine Diplomatin und ein Taxi-Chauffeur. Ein Film über falsche Versprechungen, Ausbeutung, Angst und Enttäuschung.

Anja Salomonowitz’ Film will einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit zum Thema Frauenhandel leisten. Darüber hinaus die Arbeit der Filmemacherin im Kampf um die Rechte der Opfer von Frauenhandel unterstützen.

"KURZ DAVOR IST ES PASSIERT" wird vom 05. bis 19.Oktober exklusiv im Wiener Gartenbaukino gespielt werden. Die Kinopremiere findet am 01.10.2007 statt.

Interview mit Anja Salomonowitz

Was ist der Hintergrund deines Films?

Das Drehbuch des Films wurde gemeinsam mit der Organisation LEFÖ erarbeitet. Sie ist Österreichs einzige offiziell anerkannte Organisation, die mit Betroffenen des Frauenhandels arbeitet. Das bedeutet: Die LEFÖ haben eine Kooperation mit dem Innenministerium, und wenn die Polizei eine Frau in Schubhaft nimmt und das Gefühl hat, diese Frau könnte Betroffene von Frauenhandel sein, dann werden Mitarbeiterinnen von LEFÖ angerufen, gehen in die Schubhaft und sprechen mit der Frau. Es gibt eine Definition, wann Frauen „gehandelt wurden“, bestimmte Kriterien, dass sie unter falschen Versprechungen in ein Land kommen, wo sie dann ausgebeutet werden und die rechtliche Situation auch keinen Spielraum lässt. Wenn die Frau das mit denen machen möchte, dann bekommt sie rechtliche und psychologische Hilfe. Es war mir ganz wichtig, mit LEFÖ zusammenzuarbeiten, damit sie das unterstützen und bestätigen.

Die Geschichten sind real?

Es war ausgemacht, dass man/frau die Frauen nicht erkennen darf. Deswegen gibt es keine Namen, kein Land, keine Adressen, gar nix. Die Geschichten sind zum Teil vermischt. Aber es handelt sich um reale exemplarische Geschichten aus bestimmten Bereichen, in denen Frauenhandel stattfindet. Dass Frauen in die Prostitution gehandelt werden oder unter sklavInnenähnlichen Bedingungen zum Beispiel in einem DiplomatInnen-Haushalt arbeiten müssen. Oder dass sie in die Ehe gehandelt werden, das gibt es auch, dass dich dein Ehemann ausbeutet. Sie sind real und stammen aus Interviews mit betroffenen Frauen.
Sie werden im Film aber von anderen als den Betroffenen selbst erzählt.
Wenn in einer Geschichte zum Beispiel ein Zöllner vorkommt, habe ich mir gedacht, ich will die Geschichte von einem Zöllner erzählen lassen. Ebenso bei der Diplomatin. Deswegen haben wir angefangen, in diesen Bereichen zu forschen, zu schauen, ob es Leute gibt, die auf der einen Seite bereit sind, da mitzumachen, die ganze Arbeit für wenig Geld auf sich zu nehmen, die Texte auswendig zu lernen etc. Sich damit auch auseinanderzusetzen, weil da ja eine starke Auseinandersetzung stattfindet, um die es auch irgendwie geht, wenn sie diese Texte lernen. und ganz simpel: die das auch können und auch „filmisch“ sind sozusagen. Also habe ich angefangen, zum Beispiel in die „DiplomatInnenwelt“ einzutauchen. Gertrud Tauchhammer, die jetzt im Film ist, habe ich recht früh kennengelernt, bin mit ihr gemeinsam auf Empfänge gegangen, habe mir angesehen, wie ihr Leben ist, wie alles funktioniert. So habe ich den Alltag der im Film vorkommenden Menschen erforscht und dies wiederum ins Drehbuch einfließen lassen.

Aber zum Beispiel bei dem Zöllner muss es doch auch extrem schwierig gewesen sein, jemanden zu finden, der auch bereit ist dies zu tun und dann auch tatsächlich auf seinem Arbeitsplatz drehen zu können?

Gerade dort gibt es ja eine Frontstellung, wohl stärker noch als bei den anderen Milieus. Das war tatsächlich sehr schwierig. Aber bei der Diplomatin war es auch so. Sie spricht ja im Grunde über ihre eigene Community, sagt quasi, „in Diplomatenhaushalten passieren solche Dinge“. Ich habe sie gefragt, ob sie sich sicher ist, sich auf dieses Abenteuer einlassen zu wollen, dass sie sich auch Feinde machen könnte, und sie meinte: „Es gibt ein bestimmtes Alter, da weiß man dann, was man will.“ und sie macht das jetzt. Aber sie ist sich durchaus darüber bewusst, was das für sie bedeutet.
Sie hat ja als Repräsentationsfigur auch relativ viel aus ihrem privaten Leben offenbart.
Genau, ich habe den Leuten auch gesagt, dass es mir ebenfalls darum geht, etwas von ihnen zu zeigen. Sie sind dann SchauspielerInnen in dem Sinne, dass sie sich auch selbstzeigen und ihr Leben in den Film einfließen lassen müssen. Es war Bedingung, dass sie sich darauf einlassen müssen.

Wie ist also das Verhältnis von Dokumentarischem zu Fiktion in diesem Film?

Es ist mir schon darum gegangen, bestehende dokumentarische Wege zu hinterfragen. Muss immer das betroffene Opfer die eigene Geschichte erzählen? Auf der anderen Seite: Kann man/frau jemanden eine andere Geschichte vortragen lassen und trotzdem etwas über die Person erzählen? In diesem Fall nur in den Bildern. Ist es dokumentarisch, wenn jemand einen Text auswendig lernt, ihn aufsagt und ich ihm ansehe, dass er sich in dem Moment damit auseinandersetzt? Dieser Graubereich, um den geht es mir auch.

Das heißt, du hast hier auch drei Ebenen gearbeitet? Was dokumentiert wird, sind die Geschichten, die erzählt werden, die „SchauspielerInnen“ in ihrem Umfeld und das Zusammentreffen der beiden Ebenen.

Genau. Der Clou, den wir gerne schaffen wollten, war, dass man/frau das Gefühl hat, zwei Filme gleichzeitig zu sehen. Da gibt es den Film auf der Leinwand, das Leben einer Person, die real und in ihrem Alltag ist, und vor der Leinwand oder in deinem Kopf ist dann eine andere Geschichte, die du dir nur vorstellst, wie wenn du etwas vorgelesen bekommst. Miteinande ergibt das natürlich auch etwas Drittes. und was ich noch sagen möchte, ist, dass es ganz stark auch um „unsichtbarkeit“ geht, die dadurch entsteht, dass ihnen das Recht auf Legalisierung verweigert wird, also dadurch, dass sie keine Rechte haben und sich überhaupt nicht wehren können und damit erst erpressbar sind. Dass die Geschichten dennoch quasi ständig zwischen uns sind und unter uns sind, aber dass wir uns überhaupt nicht darum kümmern, weil wir uns nicht darum kümmern müssen, weil unsere Welt uns nicht zwingt, sich darum zu kümmern. Es ist einfach scheißegal, was die Alte in der Straßenbahn neben dir erlebt hat. Dass die einfach herumschwirren, dieses Gefühl wollte ich im Film drin haben. Dass ihnen die Sichtbarkeit verweigert wird, dass sie von der Gesellschaft so unterdrückt werden, dass man/frau sie gar nicht sieht.

Interview: Andreas Filipovic / unique

quelle: http://www.kurzdavor.at/

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