KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Ich will gar nicht lernen mich zu verkaufen. Denn es gäbe Arbeit genug!

Patricia, langjährige Friedenskämpferin, BDF-Frau, Kandidatin von innsbrucklinks 2006 und seit neustem Mitglied der KPÖ, hat der KPÖ-frauensite untenstehendes Interview gegeben. Das Gespräch führte Rosmarie Thüminger.

Patricia, Du bist seit Jänner 2005 ohne Arbeit. Was ist damals passiert?

Patricia: Ich arbeitete damals in einem Projekt, das vielfach behinderte Menschen betreut und auch viele MitarbeiterInnen beschäftigt. Ich war als „Hausfrau“ zuständig für die Wäsche, die Reinigung, für Ordnung in den Wohnräume und ähnlichem. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen mit der Leiterin und dem Geschäftsführer. So wurde, um nur ein Beispiel zu nennen, der 1. Mai nicht als arbeitsfreier Tag berechnet.
Im Dezember 2004 wurde mir und meinen Kolleginnen ein Fragebogen vorgelegt, wo wir unsere Qualifikation benennen sollten. Als die Geschäftsführung erfuhr, dass ich mich mit einigen Kolleginnen über den Zweck dieses Formulars beraten habe, verzichtete diese auf das Ausfüllen des Fragebogens und forderte ihn zurück. Ich behielt ihn  jedoch und legte ihn der AK vor, die bestätigte, dass keine Verpflichtung zur Beantwortung eines derartigen Fragebogens besteht.
Am 23. Dezember 2004 wurde mir ein weiteres Dokument mit der Aufforderung, es sofort zu unterschreiben, vorgelegt. Bei flüchtigem Durchlesen erkannte ich, dass es in der Konsequenz eine Änderung meines Dienstvertrages bedeutet. Ich wies meinen Arbeitgeber darauf hin, dass ich ein derart schwerwiegendes Schreiben nicht sofort unerzeichnen kann. Wieder suchte ich Rat bei Experten der AK, die mir erklärten, dass die vorliegende Beschreibung tatsächlich meine Tätigkeit als Arbeiterin nicht trifft und ich aus diesem Grund nicht zu unterschreiben brauche. Der Rechtsanwalt der AK machte mich auch darauf aufmerksam, dass in solchen Fällen die Weigerung als Kündigungsgrund benützt wird. Am 10. Jänner hat mir die Geschäftsführung den Kündigungsbrief in die Hand gedrückt!

Du teilst also seit Jänner 2005 das Schicksal 357.000 Österreicherinnen. Du bist arbeitslos. Wie geht es Dir dabei?

Patricia: Gleichzeitig mit der gerichtlichen Klage gegen die Kündigung habe ich mich sofort beim AMS gemeldet. Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich jedoch erst später die speziellen Kurse in Anspruch nehmen. Im November 2005 habe ich den ersten Aufbaukurs vom AMS bekommen. Während dieser Zeit lief der erste Arbeitsprozess, den ich gewonnen habe. Der Einspruch, den mein ehemaliger Arbeitgeber erhoben hat, wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Gratulation! Es lohnt sich also zu kämpfen. Wie findest Du die Betreuung durch das AMS?

Patricia: Es ist sicher positiv, dass Kurse, wie übrigens in anderen EU-Staaten auch, angeboten werden. Früher haben Kurse für EDV in Tirol drei Monate gedauert und die Absolventen haben nach Abschluss tatsächlich fundierte Kenntnisse gehabt. Heute sind aus Kostengründen für jeden Block nur eine Woche vorgesehen, das heißt, es sind eigentlich nur dreieinhalb Tage. Es ist für Menschen ohne Vorkenntnisse unmöglich, in dieser kurzen Zeit eine vernünftige Ausbildung zu machen. Die zur Verfügung gestellten Unterlagen darf man weder behalten, noch kann man sie käuflich erweben. Deshalb kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kurse in erster Linie dazu dienen, die Arbeitslosenstatistik zu schönen.
Ich weiß von zurzeit 400 Leuten (Österreichweit sind es cirka 50.000), die einen Kurs machen und dadurch aus der Arbeitslosenstatistik fallen. Die ersten drei Wochen gibt es eine psychologische Einführung, zu der jede und jeder verpflichtet wird.

Aber Du bist doch eine, wie wir in Tirol sagen, eine gestande Frau. Hättest Du diese Zeit nicht besser nützen können?

Patricia: Selbstverständlich! Das gilt auch für das Geld, das dafür ausgegeben wurde!
Klar, dass für manche Menschen so eine Betreuung durchaus nützlich sein kann. Viele dieser arbeitslosen Menschen haben schwere Zeiten durchgemacht, und da ist es sicher gut, wenn sie über ihre Schwierigkeiten sprechen können und psychisch Unterstützung finden. Aber da müsste auf die Zusammensetzung der Gruppe geschaut werden und sie dürfte nicht so groß sein. In einer Gruppe von 20 bunt zusammengewürfelten Leuten ist die oder der einzelne nicht imstande, die jeweiligen Probleme zu thematisieren.
Auch fehlt den jungen Psychologen oft die Erfahrung. Mich zum Beispiel hat aufgebracht, dass man versucht, den Arbeitslosen einzureden, welch positive Seiten denn der Arbeitslosigkeit abzugewinnen wäre. Zum Beispiel würde man über viel Zeit verfügen. Aber ich frage mich, was kann man denn mit der Zeit anfangen, wenn man sich dauernd um seine finanzielle Existenz sorgen muss?
Man hat kein Geld, um in ein Schwimmbad oder ins Kino zu gehen. Und dann hat mich verletzt, wie gering die Würde des Menschen angesehen wird. Dauernd redet man auf uns ein, dass wir lernen müssten uns „besser zu verkaufen“, sei es beim Schreiben des Lebenslaufes, bei dem Erlernen von Vorstellungsgesprächen. Ich will mich aber nicht verkaufen! Immer wieder bekommen wir zu hören, wie teuer diese Kurse wären, die uns zur Verfügung gestellt werden. Wobei ich mich zu Wort melde mit dem Argument, dass die Finanzierung der Kurse durch unsere jahrelangen Beiträge bei AK und Finanzamt gedeckt sind. Uns wird nichts geschenkt. Es ist unser Recht, es steht uns zu. Dazu kommt: Die diesbezüglichen Budgets sind nur bis Oktober 06 gesichert. Und was wird danach?

Kannst Du als Arbeitslose selbst bestimmen, welchen Kurs du besuchen willst?

Patricia: Das Angebot an Kursen ist meiner Meinung nach zu mickrig: PC, Verkaufstechnik, Schriftverkehr, Stapelführerschein, Englisch und ähnliches.
Man kann sich für einen bestimmten Kurs bewerben, aber es ist nicht sicher, dass man ihn bekommt. Es wird nicht auf die Talente und Möglichkeiten eingegangen. Ich hätte zum Beispiel gerne einen Abschluss im kochen gemacht. War nicht möglich, ich bin zu alt.
Oder ein anderes Beispiel. In meinem Kurs gibt es einen jungen Mann, der nachweislich eine Arbeitsstelle bekommen hätte, wenn er im Besitz des C-Führerscheines gewesen wäre. Seine Eltern hätten ihm den Führschein bezahlt, er  konnte ihn nicht machen, weil das AMS nicht bereit war, diese Möglichkeit zur Ausbildung zu akzeptieren.

Wie schauen Deine Einkünfte zurzeit aus?

Patricia: Das Arbeitslosengeld kommt auf mein Konto um den siebten jeden Monats und beträgt 580.08 Euro.

Zum Abschluss, was sind deiner Meinung nach die Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit?

Patricia: Arbeit gäbe es genug! Der ganze Sozialbereich leidet unter Mangel an Arbeitskräften, weil die betreffenden Budgets laufend gekürzt werden und die öffentliche Hand ihre Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung nicht nachkommt, sondern diese an die private Wirtschaft abgibt.
Die Arbeitslosigkeit ist eine hausgemachte Sache und dient, genau so wie der Anstieg der prekären Arbeitsverhältnisse, der Teilzeitarbeit, der kapitalistischen Profitmaximierung.
Das war immer schon so, eine große Reservearmee macht die Leute, die noch Arbeit haben, erpressbar.
Ich studiere regelmäßig die Arbeitsangebote. Überwiegend werden geringfügige Stellen angeboten, für die wenigen Vollzeitjobs werden als Regelarbeitszeit 48 Stunden, 6-Tagewoche und die Bereitschaft für Überstunden verlangt.
Nehmen wir die Teilzeitarbeit, von der besonders die Frauen betroffen sind. Von einem Teilzeitarbeitsplatz kann ein Mensch nicht leben. Zwei Teilzeitarbeitsplätze sind schwer zu realisieren, weil viele Arbeitgeber volle Flexibilität verlangen, die Arbeitnehmerin soll Vormittag und Nachmittag zur Verfügung stehen. Sollte frau es trotzdem schaffen, zwei derartige Arbeitsplätze zu bekommen, kommt die Ungerechtigkeit der Lohnsteuer zum tragen, die sich aus der Summe der beiden Löhne berechnet, aber nicht berücksichtigt, dass der Arbeitgeber, sofern die Grenze von 333,16 Euro nicht überschritten wird, keinen Beitrag für Krankenversicherung und Pensionsversicherung zu zahlen hat.
Zudem kommt: Die Krankenkasse und das Finanzamt kassiert die erhöhten Beiträge, aber eine Anrechung  für die Pension und die Arbeitslose ist nicht möglich.
Um aus dem Dilemma herauszukommen brauchen wir in Österreich einen Mindest-Bruttolohn, wie es ihn in manchen EU-Ländern bereits gibt, und zwar in der Höhe von 1.300 Euro und eine Grundabsicherung. Der Kampf dafür ist hart, zumal sich die Gewerkschaft durch die Sozialpartnerschaft – für mich als Spanierin eine unbegreifliche Einrichtung – selbst die Hände gebunden hat: Eine Partnerschaft zwischen so ungleichen „Partnern“ wie KapitalistInnen und ArbeitnehmerInnen ist selbstverständlich zum Nachteil der letzteren. 

Danke für das Gespräch

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