KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Bubenkatastrophe versus Töchtertag.

Komisch ist das schon: „Vorsprung der Mädchen in Schulen wird größer“ lautete vor einigen Tage eine Schlagzeile im Standard und der Artikel beschäftigt sich intensiv damit, dass Buben an Schulen bezüglich Schulerfolg, Pisa-Ergebnisse und Zugang zu höherer Bildung statistisch immer stärker ins Hintertreffen geraten würden. VP-Wissenschaftssprecherin Brinek erklärt uns, dass es schon gut war, das Augenmerk eine Zeit lang auf die Benachteiligung von Mädchen gelegt zu haben, jetzt gelte es aber den Blick auf beide Seiten zu lenken. In einem Interview mit einem Bubenforscher wird gar die Frage gestellt, ob angesichts schlechter Noten und Gewalt von einer „Bubenkatastrophe“ gesprochen werden könne – zum Glück lautet die Antwort, dass das eine Dramatisierung wäre. Auch Ö1 widmete am 9. Mai den Buben eine Sendung.

Mag ja sein, dass es ein zufälliges Zusammentreffen ist, aber: „Gibt’s auch einen Söhnetag?“ war auch die erste Reaktion eines Kollegen, nachdem bekannt wurde, dass es in unserer EDV-Abteilung einen Workshop im Rahmen des Wiener Töchtertages gibt.

Die Idee zum Töchtertag stammt aus den USA, dort existiert diese Form als „take our daughters to work day“ seit 1993. In Österreich gibt’s den Töchtertag (oder auch Girl’s Day) seit 2001. Ziel ist es, Mädchen im Alter zwischen 11 und 16 Berufe jenseits tradierter Rollenklischees nahezubringen. Statt zur Schule zu gehen, können Mädchen ihre Eltern, Verwandten oder Bekannten an deren Arbeitsplatz besuchen und dort den Arbeitsalltag in schwerpunktmäßig technischen und techniknahen Berufen kennenlernen.

Es scheint eine Gesetzmäßigkeit zu sein, dass bei allen Initiativen, die sich an Mädchen / Frauen richten, prompt Stimmen laut werden, die kritisieren, dass es kein männliches Äquivalent gibt und sofort ein solches fordern. So auch zum Töchtertag – dieser stelle eine tendentielle Bevorteilung von Frauen in der Berufsförderung bereits in den Anfängen der Berufsausbildung dar, meinen manche.

Dabei kennen wir die Zahlen und sie sprechen (immer noch) für sich: So weist zum Beispiel die Lehrlingsstatistik der Wirtschaftkammer Wien einen Mädchenanteil von 14,5% beim Beruf EDV-TechnikerIn aus (bei den ElektroinstallateurInnen sind’s überhaupt nur 0,75%). Nach wie vor wählen 57% der Mädchen einen von drei „klassisch weiblichen“ Lehrberufen (Friseurin, Einzelhandelskauffrau und Bürokauffrau). Dieses Bild zieht sich durch alle Ausbildungen. Auch im Bereich der Universitätsabschlüsse zeigt sich: nur 17% Absolventinnen bei technischen Studienrichtungen, bei einem Gesamtanteil von 52% Absolventinnen, wenn alle Studienrichtungen betrachtet werden.

Doch zurück zu unserem Workshop beim heurigen Töchtertag: 8 Mädchen haben teilgenommen und sowas von überhaupt keine Scheu vor den Computern und einer relativ anspruchsvollen Datenbank-Software gezeigt, dass es eine reine Freude war. Alle haben sich lebhaft beteiligt, mehrere können sich’s vorstellen und immerhin eine möchte unbedingt einen technischen Beruf ergreifen. Das alles, obwohl laut Pisa-Studie die Unterschiede bei der Einstellung gegenüber Computern zwischen Mädchen und Buben in Österreich besonders groß sind. Möglicherweise liegt’s tatsächlich daran, dass Mädchen sich in technischen Dingen mehr zutrauen, wenn sie sich nicht mit vorgeblich talentierteren Buben messen müssen.

Irgendwas scheint jedenfalls in der schulischen Realität nach wie vor in die falsche Richtung zu laufen: in der Pflichtschule geben noch immerhin 41% der Mädchen an, dass sie Spass an der Nutzung des Computers haben, in der höheren Schule sind es nur mehr 27%. Ausserdem weisen Studien darauf hin, dass die Kluft zwischen Ausbildungswunsch und Ausbildungsrealität bei jungen Frauen höher als bei jungen Männern ist und zwar gerade bei technischen Berufen. Nur ein Drittel der Mädchen, die einen technischen Ausbildungswunsch äußern, beginnen tatsächlich eine solche.

Ganz sicher kann ein Töchtertag pro Jahr alleine die geschlechtsspezifischen Entscheidungsmuster von Mädchen bezüglich ihres zukünftigen Berufes nicht auflösen. Nach wie vor spielen traditionelle Rollenmuster eine größere Rolle als die persönlichen Interessen und Fähigkeiten der Mädchen. Aber ebenso sicher würde eine Umwandlung des Töchtertages zum Töchter- und Söhnetag – wie in den USA mittlerweile passiert – nicht hilfreich sein. Und es kann auch keine Rede davon sein, dass es nicht länger notwendig wäre, an der Beseitigung der Benachteiligung von Mädchen in Schulen durch offensichtliche Festschreibung von Rollenklischees zu arbeiten.

Karla Huber

Aktuelles:


KPÖ Oberösterreich: Jetzt Unterstützungserklärung unterschreiben!
(14.7.2021)

...mehr


Die Europäische Linke fordert einmal mehr das Ende der Blockade gegen Kuba
(13.7.2021)

...mehr


Die neue Juli Volksstimme 2021 ist da!
(13.7.2021)

...mehr


KPÖ Graz: Unsere Kandidatinnen und Kandidaten für Graz
(10.7.2021)

...mehr


38. Parteitag der KPÖ: In der ältesten Partei Österreichs übernehmen Junge das Ruder
(21.6.2021)

...mehr

Volksstimme - Politik & Kultur - Zwischenrufe links