KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die unheilvolle Familie.

Das Jahr 2006 wurde zum Internationalen Jahr gegen Gewalt an Frauen deklariert.
Der neoliberale EU-Alltag wird nicht dazu beitragen, Gewalttaten im Familienverband zu verringern.


von Bärbel Danneberg - aus Volksstimmen 13/2006


Die theoretische Diskussion, ob nun der geschichtlich relativ junge Kapitalismus die Menschen mehr verformt als das historisch uralte Patriarchat, ist müßig, wirkt doch beides nach wie vor ungehemmt im zwischenmenschlichen Alltag und ergänzt sich auf oft erschreckende Weise durch strukturelle und personelle Gewalt. Kaum ein Tag vergeht ohne entsprechenden Praxisbezug.
Die jüngste in einer Kette von Gewalttaten fand kürzlich im niederösterreichischen Mauerbach statt. Der 50jährige Familienvater, der seine vier Kinder ermordet und versucht hat, seine Frau mit einer Marienstatue zu erschlagen, bevor er sich selbst tötete, veranschaulicht das Ineinandergreifen von gesellschaftlichem und persönlichem Gewaltpotenzial.

Gesellschaftlich überfordert?

Zum einen dürften die denkbar tristen ökonomischen Verhältnisse des arbeitslosen Frühpensionisten, dessen Familie vor der Delogierung stand, ihn zu dieser schrecklichen Tat veranlasst haben. Zum anderen war es wohl auch die altbekannte patriarchale Unfähigkeit, Konflikte anders als durch Gewalt zu lösen. Neben den finanziellen Problemen soll eben auch die relative Eigenständigkeit der berufstätigen Frau immer wieder Anlass für familiäre Auseinandersetzungen gewesen sein, heißt es.

Die Mauerbacher Familientragödie hat wieder einmal vor Augen geführt, welch gewalttätiges Risiko für alle Beteiligten im sogenannten privaten Beziehungsbereich lauert. Es wird ein dramatischer Anstieg von häuslicher Gewalt beobachtet: Mehr als die Hälfte aller Morde werden im Familienkreis verübt.
Die Informationsstelle gegen Gewalt hat im Jahr 2004 von insgesamt 184 Morden und Mordversuchen in Österreich 133 im sozialen Nahraum und davon 87 innerhalb der Familie registriert. Statt die heilige Familie mit Beschwörungsformeln zu überschütten, wie dies im konservativ-katholischen Österreich seit der blauschwarzen Umfärbelung zunehmend zu beobachten ist, müssten diese Zahlen eigentlich Anlass sein zu hinterfragen, ob der Familienverband überhaupt in der Lage ist, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen. An keinem gesellschaftlichen Ort sonst kommt die Verflechtung von struktureller und personeller Gewalt so sehr zu sich und geraten Konflikte so sehr außer Kontrolle wie in der unheilvollen Familie.

Zunahme an Gewalt gegen Frauen

Täglich sind Frauen und Kinder im häuslichen Bereich den Schikanen vor allem von Seiten männlicher Familienmitglieder ausgesetzt - immer mehr Übergriffe werden bekannt. 4.674 Wegweisungen und Betretungsverbote musste die Polizei aus diesem Grund im Jahr 2004 verhängen - im ersten Halbjahr 2005 waren es bereits 2.661. Bundesweit wurden 2004 von entsprechenden Interventionsstellen 6.887 Betroffene betreut.
2.767 Menschen, darunter 1.337 Kinder, fanden im selben Jahr Schutz und Zuflucht in Frauenhäusern. Schätzungen zufolge ist etwa jede fünfte Frau gewaltsamen Übergriffen von männlichen Familienmitgliedern ausgesetzt. Die Dunkelziffer ist in diesem Bereich besonders hoch, weil misshandelte Frauen ihre Peiniger oft schützen – aus Angst um ihr Leben oder das ihrer Kinder. Und oft auch aus Angst, mit den Kindern und mit all den psychischen und ökonomischen Problemen dann ganz alleine dazustehen.

Soziale Isolation und Gewalt als Lösungsstrategie

Gewalt in der Familie kommt in allen Gesellschaftsschichten vor, häuft sich aber in sozial isolierten Familien, in denen das Korrektiv nach außen und das Netzwerk von Freunden fehlt. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Armut sozial isoliert, und so wird versucht, alle Bedürfnisse in der Familie zu befriedigen, was leicht zur Überforderung der anderen Personen führen kann. Unerfüllte Erwartungen, Probleme am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, finanzielle Sorgen und die Schmach nach außen, den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen zu können, führen zu Minderwertigkeitsgefühlen, Unsicherheit und Machtlosigkeit.

Gewalttätige Partner, die in ihrer Kindheit Gewalt als Lösungsstrategie für Konflikte erfahren haben, fallen in dieses Rollenmuster zurück und kompensieren ihre als persönliches Versagen empfundenen Probleme durch Gewaltanwendung. Wer den Schwächeren quält, empfindet dadurch Macht und Stärke. Dieses Machtgefälle geht meist zuungunsten der Frau aus. Männer haben auch nicht gelernt, ihre Probleme zu kommunizieren, über Ängste oder Sorgen zu reden, denn das gilt als unmännlich. Bevor sie an diesem unterdrückten Gefühlsknödel ersticken, schlagen sie lieber zu.

Schließlich sind, wie täglich medial zu sehen ist, Schlagkraft, Machtgebärden und aggressive Bestrafungsaktionen bei internationalen Auseinandersetzungen politisch akzeptiert, warum also nicht auch im sogenannten privaten Bereich? Und viele Männer betrachten ihre Frau, ihr Kind als Besitz oder persönliches Eigentum, über dessen Freiheit, ja über dessen Leben sie entscheiden können.
Diese im Grunde nicht erwachsen gewordenen Männer, die Probleme nur destruktiv lösen wollen, vernichten dann lieber ihre gesamte Familie als sich adäquat eines Erwachsenen den Schwierigkeiten zu stellen und Hilfe anzufordern.

Jetzt, nach den letzten grauenhaften Familientragödien, herrscht großes Staunen, weshalb Gewalttaten in der Familie stark zunehmen. Wo doch unsere Regierung so sehr auf die Familie als kleinste Zelle des Staates setzt, wo doch Mütterprämien in Kärnten verteilt und Anreize fürs Kinderkriegen geschaffen werden. Entweder stellen sich die Staunenden dumm, oder sie kapieren es wirklich nicht: Immer mehr gesellschaftliche Aufgaben werden auf die Familie abgeladen – Stichwort Altenbetreuung, Krankenpflege -; immer größere finanzielle Brocken haben die Familien zu schlucken – Stichwort steigende Armut, 17 Prozent Gaspreiserhöhung, zunehmende Arbeitslosigkeit -; immer heftigere Anwürfe haben kinderlose Frauen auszuhalten – Stichwort gesellschaftliche Vergreisung, Angriffe auf die Fristenlösung.

Dass unter diesen gesellschaftspolitischen Stromstößen bei vielen die Sicherungen durchbrennen, wundert nicht. Strukturelle und personelle Gewalt finden im neoliberalen Alltag zur Formvollendung.


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