KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Parteitag von Rifondazione Comunista


* Diverse Dokumente des Parteitags auf Deutsch

Vom 3. bis 6. März fand in Venedig der mit Spannung erwartete Parteitag der Rifondazione Comunista statt. Groß war auch das internationale Interesse: Aus mehr als 50 Staaten nahmen VertreterInnen von 75 Parteien teil.

Im Palazzo di Cinema am tief verschneiten Lido sollte eine neue politische Kultur in Szene gesetzt werden. Zur Diskussion stand weniger (obwohl oft behauptet) eine künftige Regierungsbeteiligung der Partei sondern Möglichkeiten von Alternativen zur rechten neoliberalen Politik in Italien einschließlich der Ablösung der Regierung Berlusconi.

Schon in der Vorbereitung des Parteitages hatten die Mitglieder in den Regionen über 5 Leitanträge zur künftigen politischen Orientierung abgestimmt. Für den Entwurf der Mehrheit um den Generalsekretär Fausto Bertinotti stimmten ca. 60 Prozent, für den Entwurf der Gruppe um Grassi rund um die Zeitschrift „Ernesto“, die den traditionalistischen konservativen Flügel in der RIF repräsentieren, ca 25 Prozent, für den der 4. Internationale nahestehende Strömung ca. 5 Prozent, für eine andere trotzkistische Gruppe 7 Prozent und eine marginale Splittergruppe 1,5 Prozent.

Während die Vertreter der beiden größeren aus der trotzkistischen Traditionen kommenden Strömungen inhaltlich sehr sachlich waren und ihre Bedenken über einen möglichen Rechtsruck durch die beabsichtigte Beteiligung an einer Mitte-Links Regierung unter Prodi zum Ausdruck brachten, gleichzeitig aber keinen Zweifel daran ließen, das sie den Willen der Mehrheit respektieren würden, griff der Vertreter der „Traditionalisten“ schon etwas tiefer in die Trickkiste. Obwohl sie sich nicht grundsätzlich gegen eine Regierungsbeteiligung aussprechen, ist ihre Ablehnung des Kurses der Mehrheit fundamental. So zeigt schon der Titel ihres Antrags „Kommunisten sein“, wohin die Reise geht. Das Prädikat „Kommunist“ beanspruchen sie nämlich für sich, darüber hinaus wollen sie bestimmen, wer ein solcher ist.

Im Papier der Mehrheit wird ein Bekenntnis zum gewaltlosen Widerstand abgelegt. Der Vertreter von „Ernesto“ interpretierte dies umgehend als Kritik Bertinottis am antifaschistischen Widerstandskampf.

Der Sprecher des Mehrheitspapiers, Nikki Vendola, konzentrierte sich auf die Notwendigkeit neue alternative Schritte zu wagen, um reale Änderungen der Gesellschaft zu bewirken: Die sozialen Bewegungen, die gewerkschaftlichen und sozialen Kämpfe können unterstützt werden durch Vertretung in Regierungen und umgekehrt. Demokratie zu erneuern und auszubauen kann sich nicht auf Bewegungen beschränken. Mehr Fragen als Antworten wurden formuliert. Klar formulierte er aber die Notwendigkeit in der jetzigen Situation die Herausforderungen anzunehmen. Er bedankte sich bei Bertinotti dafür, dass er die GenossInnen zwingt, Neues zu wagen, denn nur stehen zu bleiben und zu bewahren sei tödlich, Kommunistin sein heißt seine gewohnten Verhältnisse zu verlassen und sich auf den Weg zu Neuem aufzumachen.

In den darauffolgenden Debatten konzentrierten sich die Redner und (wenigen) Rednerinnen auf Möglichkeiten der Veränderung der Gesellschaft oder um mit den Worten Bertinottis zu sprechen „Wer die Welt verändern will, muss das menschlichen Leben verändern“. Die Fragen der Arbeit in den Bewegungen standen im Mittelpunkt. Viele junge GenossInnen meldeten sich zu Wort. Selbstverständlich spielte auch die Friedensfrage, insbesondere der Krieg im Irak und im Nahen Osten, eine große Rolle.

Am zweiten Tag waren zwei Stunden dem Gedenken an WiderstandskämpferInnen gewidmet und der Ehrung von anwesenden Partisanen. Anschließend waren Einzelmitglieder der Europäischen Linkspartei, vor allem KünstlerInnen, Schriftsteller, VertreterInnen der Sozialen Bewegungen, eingeladen zum Parteitag zu sprechen. Bei diesem Punkt der Tagesordnung verließen die Vertreter der „Ernesto“ Strömung den Saal. In diese Debatte hinein kam die Nachricht von der Befreiung von Giugliana Sgrena. Eine Vertreterin der Zeitschrift „Manifesto“ ergriff das Wort. Die Situation war bewegend. Eine halbe Stunde später mussten die Menschen im Saal erfahren, dass US amerikanische Truppen ihren Befreier getötet und sie selbst verletzt hatten.

Ein weiterer Punkt der Auseinandersetzung stellten einige statuarische Änderungen dar. Das wichtigste war die Installierung eines neuen Gremiums neben dem Nationalkomitee und dem Sekretariat, der Exekutive, die sich aus den VertreterInnen der Regionen zusammensetzt. Die Zusammensetzung wird von den einzelnen Regionen bestimmt. Nun monieren die VertreterInnen der Minderheiten, dass sie dort nicht bzw. nicht ausreichend repräsentiert seien.

In einem Papier, das sie am Samstag gemeinsam vorlegten, verweigerten sie ihre Teilnahme am nationalen Vorstand, sollte nicht von der Bildung der Exekutive Abstand genommen werden. Bertinotti erläuterte in seinem Schlusswort, dass die Regionen autonom entscheiden, wer sie in der Exekutive vertritt und es nicht in den Händen der Parteiführung liege, darauf Einfluss zu nehmen. Jedenfalls sei die Exekutive ein dringend benötigtes Gremium um die Politik der einzelnen Regionen besser und effizienter aufeinander abstimmen zu können.

Bertinottis zweistündige Schlussrede geriet denn auch zum Teil zu einer punktgenauen Abrechnung. Weniger mit der wohl sehr kritischen aber laut Eigendefinition loyalen Opposition der beiden größeren linken Oppositionsgruppen aber sehr deutlich mit der konservativen Grassi – Ernesto Strömung.

Er stellte klar. Wenn die Partei sich jetzt auf Gewaltlosigkeit festlegt, so ist dies kein Gegensatz zu Widerstandskampf: Das Recht auf militärischen Widerstand ist in internationalen Verträgen geregelt. Aber die Partei spricht sich für Gewaltlosigkeit im politischen Kampf aus. Und an diejenigen gerichtet, die Verhandlungen im Nahen Osten ablehnen: Wir lehnen es ab, dass Generation um Generation zu Gewalt erzogen wird. Unser Vorbild sind nicht die Selbstmordattentäter sondern die Frauen in Falludscha, die unbewaffnet für Frieden demonstrieren. Und er zitierte „Fangt mich, ich habe keine Waffen, ich will nicht so werden wie ihr“. Dass das klare Bekenntnis zu Gewaltlosigkeit im politischen Kampf von der Grassi Gruppierung gleichgesetzt wird mit einer Distanzierung vom antifaschistischen Kampf empörte Bertinotti sichtlich.

Er spricht über die Doppelzüngigkeit der „Ernesto“ Gruppierung, die hier am Parteitag moderat ihre Sorge um die kommunistische Identität ausdrückt, aber in Interviews innerhalb der Partei verbreitet, Bertinotti und die Mehrheit wolle den Namen der Partei ändern, von kommunistisch in eine diffuse Linkspartei umwandeln u.ä. Bertinotti nannte ein Beispiel und sagte: Ich diskutiere gerne mit den GenossInnen in Rom, aber ich musste zwei Stunden damit verbringen ihnen zu versichern, dass wir nicht daran denken unseren Namen zu ändern, dass sie solchen Unterstellungen nicht glauben sollen.

Er spricht von dem schweren Kampf der europäischen Linken gegen die EU-Verfassung - die Rifondazione ist in Italien die einzige Partei, die diese Auseinandersetzung führt - und davon, dass sich Teile der Partei an diesem Kampf nicht beteiligen, weil sie die Europäische Linkspartei ablehnen.

Er spricht aber auch von der gesellschaftlich und politisch völlig veränderten Situation im Vergleich zur Unterstützung des Kabinetts Prodi I in der ersten Hälfte der 90ger, als von Clinton bis D’Alema Mitte – Links Regierungen an der Macht waren. Bertinotti skizziert den Umschwung in der Gesellschaft, den die volle Durchsetzung neoliberaler Politik mit sich gebracht hat und er erläutert, dass der frontale Angriff auf die sozialen, politischen und humanitären Rechte ungeheure Herausforderungen an die Linke stellt.

Er geht auf die Gefahren einer Regierungsbeteiligung ein: Die Gefahr eine Partei von Bürokraten zu werden, die Politik des kleineren Übels zu betreiben, die sogenannte Realpolitik zum Maßstab des Handelns zu nehmen. Das alles, sind keine eingebildeten sondern reale Gefahren, aber die Partei müsse die Risken bewusst auf sich nehmen und neue Wege finden. Auf dem Weg zur Befreiung, sagte Bertinotti, können wir versagen, aber wir dürfen uns nicht festnageln lassen an unserer Vergangenheit. Wir müssen Wagnisse eingehen - er zitierte Rosa Luxemburg: Es gibt Niederlagen, die mehr Wert sind als 100 Siege, die das Zentralkomitee für sich beansprucht.

Er riet den GenossInnen auch denjenigen zu antworten, die behaupten, dass wir nicht Teil der kommunistischen Bewegung seien, die von sich behaupten, dass sie die wahren Kommunisten seien und die den Anspruch erheben, andere „säubern“ zu können. Die Antwort liege im Dialog. Die Mehrheit habe die Verantwortung, die Partei hin zur Aktion zu führen. Wir müssen dieses Freund Feind Denken vermeiden, wir müssen alle GenossInnen respektieren, die Partei muss der Platz werden, wo alle höchst willkommen sind. Der Kommunismus ist die Zukunft der Menschheit, und die Partei habe die Wahl: Sozialismus oder Barbarei.

Schon am Schluss seines Berichts an den Parteitag hatte Bertinotti sichtlich bewegt angekündigt, im Laufe der nächsten Funktionsperiode zurücktreten zu wollen. Informell heißt es nach den nationalen Wahlen. Er wird aber im Herbst wieder für den Vorsitz zur europäischen Linkspartei kandidieren. Über seine(n) mögliche(n) NachfolgerIn wird spekuliert, aber es wurden keine Entscheidungen getroffen.

Bei den anschließenden Wahlen zum Nationalkomitee (wo dann doch wieder VertreterInnen aller Strömungen trotz anderslautender Drohungen zur Wahl standen), wurden 260 GenossInnen gewählt. Davon beläuft sich der Frauenanteil auf 33,46 Prozent. Am höchsten ist der Prozentsatz bei der Mehrheit (Bertinotti Strömung) mit ca. 40 Prozent, am niedrigsten bei den Konservativen um Grassi mit 22 Prozent.

Bertinotti wurde von 230 Anwesenden mit 143 Stimmen, 85 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen als Nationalsekretär der Partei wiedergewählt. Dem 8 köpfigen Sekretariat gehört erstmals auch Imma Barbarossa, die Frauenverantwortliche der RIF, an.

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