POSITIONEN & THEMEN
Von Melina Klaus (26.3.2008)
Herr Habsburg ist kein Einzelfall. Mit skandalösen und ungustiösen Mitteln
wehren sich ÖVP-Kameradschaftsbündler gegen das Gedenken. Ein Verein kämpft
für sichtbare Zeichen und sichtbares Gedenken vorerst noch symbolisch.
Am 6.April 1945 früh Morgens verlassen politische Häftlinge in Gruppen die
Strafanstalt Stein an der Donau. Die Rote Armee steht vor den Toren Wiens, in
Wien und Umgebung werden Gefängnisse und Strafanstalten geräumt.
Widerstandskämpfer, Antifaschisten, Hörer von Auslandssendern machen sich,
befreit, auf den Weg nach Wien. Österreicher, Tschechen, Slowaken, Franzosen,
Polen, Griechen,… Eine Gruppe der Freigelassenen trifft gegen Mittag in
Hadersdorf am Kamp ein. Während sie ihren Marsch zurückgelegt hatten, haben SA
und SS in Stein unter den verbliebenen Häftlingen ein Massaker angerichtet und
die für die Entlassung verantwortliche Gefängnisleitung hingerichtet. Die in
Hadersdorf einquartierte SS-Einheit nimmt die entlassenen Häftlinge fest. Im
Gemeindekotter, an dessen Stelle heute Gemeindeamt, Post und Kameradschaftsbund
angesiedelt sind, werden sie über Nacht festgehalten. Die Gruppe wird größer,
denn weiter treffen Haftentlassene ein und werden in Hadersdorf oder
Nachbargemeinden aufgegriffen.
Am 7.April 1945 erteilt die NSDAP-Kreisleitung der SS vor Ort den
Erschießungsbefehl. Die Gefangenen werden aus dem Arrest getrieben und
müssen auf dem Hauptplatz antreten. Man verteilt Spaten und Schaufeln an sie,
dann setzt sich der Zug quer durch den Ort zum etwas außerhalb gelegenen
Friedhof in Marsch. Die Gefangenen erleiden auf diesem Weg laufend
Misshandlungen durch die Angehörigen der SS. An dem vorgesehenen
Exekutionsplatz an der Friedhofsmauer wird eine etwa zwei mal acht Meter große
Fläche abgesteckt. Die SS zwingt die Gefangenen hier ihr eigenes Massengrab
auszuheben. Sie müssen einander während dieser Arbeit abwechseln, werden
beschimpft und mit Fußtritten, Faustschlägen und Hieben mit den Gewehrkolben
traktiert. (…) Franz Fuchs, ein Wiener Kommunist, gibt sich
geistesgegenwärtig gegenüber einem SS-Führer als Wirtschaftskrimineller
aus: Ich habe Reichskleiderkarten verkauft erklärt er. Das rettet ihm das
Leben, er wird zurück in die Strafanstalt geschickt, seine Aufzeichnungen
dienen später maßgeblich der Aufklärung des Massenverbrechens.
Auf dem Hügel, der sich aus der Aushuberde gebildet hat, wird ein
Maschinengewehr in Stellung gebracht. Insgesamt 61 Menschen werden an diesem
Nachmittag am Friedhof von Hadersdorf am Kamp erschossen. Nur wenige Tage
später befreit die Rote Armee den Ort.
22 Opfer konnten nach ‚45, zum Teil durch Angehörige, identifiziert
werden. Bei diesen Toten handelt es sich um 14 Österreicher, 4 Kroaten,
3 Griechen und einen Tschechen, die Identität der 39 weiteren Opfer bleibt
unbekannt. Die Täter wurden nie belangt.
1945 errichtet die KPÖ, initiiert von Franz Fuchs, dem einzigen Überlebenden
des Massakers, eine Gedenktafel am Ort des Massakers. 1946 nach der Exhumierung
der ermordeten Antifaschisten, verschwindet die dort angebrachte Gedenktafel
spurlos und wird nicht mehr ersetzt. In selben Jahr findet die Beisetzung der
Ermordeten am Wiener Zentralfriedhof statt.
2005 gründet Christine Pazderka, die Tochter eines Opfers den Verein
„Gedenkstätte – Hadersdorf am Kamp“ Der Verein setzt sich für die
Errichtung einer Gedenkstätte in Hadersdorf ein, doch bisher vergeblich. In
einem Winkel des Friedhofs wollte die Gemeinde eine Tafel anbringen, eine
Gedenkkundgebung durch eine Messe ersetzen. Der Verein aber kämpft für
sichtbare Zeichen und sichtbares Gedenken vorerst noch symbolisch. Jährlich
wird eine Gedenkkundgebung vor Ort veranstaltet mit Luftballonen,
Windrädern, provisorischen Tafeln, Schulkreide. 2006 schreiben die
KundgebungsteilnehmerInnen die Namen der 61 Opfer mit Kreide auf das Pflaster
des Stadtplatzes. In der darauf folgenden Nacht weist der Bürgermeister von
Hadersdorf, Bernd Toms, die Feuerwehrjugend an, die Namen der Opfer
wegzuwaschen.
Die Erinnerung an Antifaschisten scheint unangenehm zu sein. Doch einerseits die
Schuld, das Erinnern an die Täter und andererseits der Widerstand, der
'Ungehorsam‘, lässt sich nicht so einfach wegwaschen. Initiativen, wie der
Verein für die Gedenkstätte, tragen die Erinnerung weiter und auch in den
öffentlichen Raum, auch auf den Hauptplatz von Hadersdorf.
Am 6.April findet die diesjährige Gedenkveranstaltung in Hadersdorf am Kamp,
(12:00 Uhr, Hauptplatz) statt. Sie steht im Zeichen der Erinnerung an den
europäischen Widerstand. Nach Barbara Prammer 2007 hat nunmehr der Herr
Bundespräsident höchstpersönlich den Ehrenschutz übernommen. Es wird sich
weisen, ob er die Mauern des Schweigens und Verdrängens der ‚Kameraden‘
durchbrechen kann.