KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Freifahrt für alle statt "Österreich-Ticket"

Von Didi Zach (4.8.2008)

Vor ein paar Tagen präsentierte ÖVP-Finanzminister Molterer sein Paket gegen die Teuerung. Um die Conclusio vorweg zu nehmen: Es gibt ein paar Häppchen für verschiedene Gruppen, damit die große, große Gruppe der von der herrschenden Politik ignorierten und sozial an den Rand gedrängten Menschen nicht auf die Idee kommt, gemeinsam für eine Umverteilung von Oben nach Unten, von den Superreichen zu all jenen, die es dringendst brauchen, auf die Barrikaden zu steigen.

Laut ÖVP soll es ein „Österreich-Ticket“ für alle Verkehrsmittel geben, eine 13. Familienbe­ihilfe für Kinder in Ausbildung, eine Erhöhung des Pflegegeldes und den Wegfall der Vermögensgrenze bei Pflege. Aufgefettet wird das „Paket“ durch Forderungen an den Weihnachtsmann – der Inflation will die ÖVP mit einem schärferen Wettbewerbsrecht zu Leibe rücken, von den Gemeinden, die teilweise am Rande des Konkurs dahin schrammen, fordert Molterer einen „Gebührenstopp“ und mit den Energieversorgern will er über einen „Strompreisstopp“ sprechen.

Das bundesweit gültige „Österreich-Ticket“ (Normalpreis 1.490 Euro) soll es für PensionistInnen um 1.190 Euro, für Jugendliche und Behinderte um 990 Euro geben. Warum auch Spitzenverdiener in den Genuss dieses Tickets kommen sollen, während z.B. bei der Familienbeihilfe zwischen Kindern in Ausbildung und Kindern unter 6 Jahren unterschieden wird, erklärte Molterer nicht.

Wer die Zahlen kennt muss sich fragen, ob es sich beim „Österreich-Ticket“ für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel nicht um eine Förderung der Mittelschicht handelt, die von der Öffentlichkeit bzw. dem Staat mit rund 100 Millionen Euro subventioniert werden soll. Fakt ist nämlich, dass rund 2,5 Millionen Menschen in Österreich vielfach trotz Erwerbstätigkeit über ein Jahres-Brutto-Einkommen von maximal 15.000 Euro verfügen – d.h. nach Abzug der Mieten und anderer fixer Lebenshaltungskos­ten (Essen, Kleidung, Strom,…) bleibt an frei verfügbarem Einkommen so gut wie nichts übrig. In vielen Fällen steigt wahrscheinlich einzig und allein das Minus am Bankkonto. Und weitere 2 Millionen Menschen in Österreich verfügen über ein Jahres-Brutto-Einkommen von max. 30.000 Euro im Jahr – umgerechnet auf 14 Monatsgehälter ergibt dies netto ebenfalls nur rund 20.000 Euro im Jahr.

Ob all diese Menschen sich in Zukunft ein „Österreich-Ticket“ leisten können, leisten wollen, ist also mehr als fraglich. Es ist anzunehmen, dass MindestrentnerInnen die Angebote der ÖBB eher wenig interessieren, wenn auch die ÖBB-Werbemaschine diese Zielgruppe als KundInnen gewinnen will.

Eigentlich stellt sich die Frage doch wie folgt: Sollen bestimmte Leistungen, wie Kinderbeihilfe, eine Energiegrundsiche­rung, Freifahrt für alle unabhängig vom Einkommen gelten. Viele Argumente sprechen für ein Ja. Zugleich muss aber klar sein, woher das Geld, welches der Staat da zahlt bzw. welches dem Staat entgeht, kommen soll?

Fakt ist, dass sich selbst der Chef von E-Controll, Walter Boltz, erst kürzlich für die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgesprochen hat. Seine einfache Begründung: Bereits jetzt würden 70% der Kosten des öffentlichen Verkehrs von der Bevölkerung getragen, jede® ÖsterreicherIn zahle 700 EU jährlich für die ÖBB, auch wenn sie/er „keinen Zug betritt“.

Klar ist: Durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs unter dem Motto „Freifahrt für alle“ könnte sich Österreich Klimastrafzahlungen in Milliardenhöhe ersparen. Zudem kann, wenn der Neubau von Autobahnen eingestellt wird, eine Menge Geld aus diesen Planungs-, Bau und Erhaltungskosten lukriert werden. Und zudem würden die „sonstigen Kosten“ des Individualverkehrs (Gesundheitsau­fwendungen für Unfallopfer etc) stark absinken.

Die KPÖ tritt sowohl aus ökologischen als auch verteilungspo­litischen Gründen seit vielen Jahren für den Nulltarif auf öffentlichen Verkehrsmitteln und den Ausbau und die Modernisierung des Öffi-Netzes ein. Gratisnutzung und Verbesserung der Qualität des Öffi-Angebotes sind für uns zwei Seiten einer Medaille. Dass gerade die ÖVP, die doch sonst so gerne über die Finanzierungsschwi­erigkeiten bei Pensionen, Gesundheit und anderen Sozialleistungen klagt, beim „Österreich-Ticket“ mit der Gießkanne vorzugehen gedenkt und auch Spitzenverdiener beglücken will, widerspricht der Logik der ÖVP aber nicht. Aber es zeigt einmal mehr, wie verlogen ÖVP-Vorschläge sind. Erst vor wenigen Tagen erklärten ÖVP und Grüne zur vorgeschlagenen Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmit­tel unisono, dass dies abzulehnen sei, weil dies „wegen derGießkannen­wirkung problematisch“ wäre.

Andererseits zeigen wir KommunistInnen natürlich auf, was ÖVP, SPÖ u.a. Parteien gerne unter den Tisch kehren: Rund ein Drittel der Staatseinnahmen resultiert aus der Mehrwertssteuer und dazu kommen noch weitere Verbrauchs- und Verkehrssteuern, die vor allem Niedrig-Lohnbezieher überproportional belasten. Andererseits ist Österreich seit vielen Jahren ein Steuerparadies für Großbetriebe und Konzerne, für Reiche und Superreiche. Laut Berechnungen könnte eine 5 % Steuer auf Einkommen von über 1 Million Euro im Jahr satte 500 Millionen Euro pro Jahr für die Staatskasse einbringen, womit diverse Maßnahmen der Armutsbekämpfung finanzierbar wären. Aus diesen Geldern dann z.B. auch eine Freifahrt für ALLE Menschen, unabhängig vom Einkommen und der Staatsbürgerschaft, zu finanzieren, ist nicht abwegig.

Notwendig ist, so unsere Meinung, aber auch eine prinzipielle Umkehr in der Sozial- und Steuerpolitik. D.h. gefordert werden muss: Löhne rauf, Massensteuern runter. Zu fordern ist eine Arbeitszeitver­kürzung bei vollem Lohnausgleich und eine Lohnsteuerreform für jene 4,5 Millionen Menschen, die zu Recht über die Steuerlast stöhnen. Und bezahlen sollen all dies jene, deren Einkommen und Vermögen auf Diebstahl an der Gesellschaft beruht.

Selbige Fragestellung existiert übrigens auch bei Molterers Forderung nach „Wegfall der Vermögensgrenze“ bei der Pflege. Prinzipiell weist diese Forderung in eine unterstützenswerte Richtung – doch so lange Niedriglohnbe­zieher, selbst wenn Sie aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine Lohnsteuer beziehen, 10 bzw. 20 % auf Lebensmittel, Gebühren etc. zu bezahlen haben und solange rund 75 % der Steuereinnahmen des Staates aus Massensteuern kommen, solange ist es auch mehr als legitim eine Subventionierung der Pflege des Herrn Generaldirektors Huber, der seine Millionen-Euro-Erbschaft zukünftig steuerfrei seinen Kindern vermachen darf, abzulehnen. Andererseits: Wäre eine Erbschafts- und Schenkungssteuer noch Realität, gäbe es Vermögenssteuern, die diesen Namen wirklich verdienen, dann sollte durchaus auch der Herr Generaldirektor seinen ihm zustehenden Teil vom Kuchen bekommen, denn es ist wahrlich genug für alle da.

Didi Zach

Landessprecher der KPÖ-Wien