KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Schwachsinn, reloaded

Von Dagmar Schulz (1.3.2008)

„Ein Fünftel der Kinder psychisch krank?“ titelte ein Kommentar von Andreas Khol in der „Presse“ (23. Februar 2008) zum kürzlich erschienenen Buch von Sibylle Hamann und Eva Linsinger „Die öden Preise in der Bubenlotterie“. Darin fordern die Autorinnen mehr Männer ins Lehrpersonal der Kindergärten und Volksschulen (die Gehälter dafür sind offensichtlich nicht die „Renner“, die Männer anlocken), mehr Männer in die Elternkarenz (warum wohl tauschen die Männer ihre besser bezahlten Jobs nicht gegen Babypopoputzen, was ja angeblich so erfüllend ist?), Flexibilität am Arbeitsplatz, autofreie Wohnviertel, ein handhabbares Modell gegen die Schwarzarbeit im Haushalt.

Dies sei ja alles überlegenswert, meint Khol in seinem Kommentar, bevor er seine ultimative Idee aus der Mottenkiste des Ständestaats hervorkramt: Er sei enttäuscht über die Propagierung eines "einzig ‚richtigen‘ Lebensentwurfs, der wie ein roter Faden das gesamte Werk durchzieht: Der Mensch wird nur durch Erwerbsarbeit zum Menschen. Arbeit in der Familie ist minderwertig und ‚entmenscht'.

Denn erstens gäbe es „viele und immer mehr Menschen“ – die ihre Berufung und ihr Glück zu Hause bei Herd und Kindern sehen, und bereit seien „Opfer zu bringen“, und zweitens – und jetzt erreichen wir die unterste Schublade – hätten Psychotherapeuten (!) Alarm geschlagen, dass zwanzig Prozent der Kinder psychisch krank seien. „Einer der Gründe: die traditionelle Familienstruktur habe sich ersatzlos aufgelöst“, Quelle? Keine.

Wieder ein Versuch, das ÖVP-Familienmodell mit einem allein verdienenden Vater-Pascha und einer hauptberuflichen Putzfrau-Dienerinnen-Mama nebst mehreren allerliebsten Kinderlein im trauten von Raiffeisen finanzierten Eigenheim zu propagieren. (Selbst wenn diese bourgeoise Kernfamilie existieren sollte: Was muss dieser Vater verdienen, um dieses Idyll finanzieren zu können? Was geschieht mit der Putzfrauen-Mama, wenn die Kinder erwachsen sind? Was geschieht mit der Mama, wenn ihr der Papa aus irgendwelchen Gründen abhanden kommt? Dies soll ja sogar in ÖVP-Kernfamilien vorkommen ).

Khol greift auf ein Mittel aus der Mottenkiste zurück: Nämlich: Den Frauen und Müttern wegen ihrer Berufstätigkeit ein schlechtes Gewissen einzuimpfen. Wenn Kinder in irgendeiner Form psychisch auffällig werden, liegt es – selbstverständlich! an ihren Müttern, die sich „selbst verwirklichen“ wollen (nicht an den sozialen Verwerfungen des kapitalistischen Systems, nicht an Reizüberflutung, Medienqualität, Konsumzwang, etc.) und nicht zu „Opfern“ bereit sind. Welcher Gestalt diese Opfer sein mögen? Dementsprechend reiche Männer zu krallen, dass es keiner Existenz sichernde Arbeit mehr bedarf? Oder ein Leben als Notstandshilfe­bezieherin führen? Oder samt Kindern bei den Eltern in einer Großfamilie – auf 60m2 – leben?

Das ist Schwachsinn, Herr Khol, und zwar Uralt-Schwachsinn. “Eine der wichtigsten Aufgaben der Frau besteht darin, gegen die Auswüchse, die die moderne Zeit mit sich gebracht hat, aufzutreten“, meinte schon Fanny Starhemberg, eine Protagonistin des Ständestaats. Die jungen Frauen, die den „gottgewollten“ Weg der hauptberuflichen Mutterschaft nicht mehr gehen wollten, galten als „Hauptursache des Niedergangs des Volkes“, welcher sich in der Ehekrise und im Geburtenrückgang zeige. (Irene Bandhauser-Schöffmann „Der Christliche Ständestaat als Männerstaat?“ in: Talos, Neugebauer: Austrofaschismus, LIT-Verlag, Wien, 2005.)