KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Über den Zusammenhang von Wissenschaft und politischer Hetze

Von Didi Zach (24.1.2008)

Nun liegt er also vor – der Integrationsbericht des Innenministeriums. Über die einleitenden Worte des Hardliners Platter soll an dieser Stelle nicht gesprochen werden. Gesprochen werden soll über seltsame wissenschaftliche Definitionen und die Infamie und Hetze von Medien und Politik.

Die Wiener Gratiszeitung „Heute“, die in allen U-Bahnstationen aufliegt, bringt in der Ausgabe vom 24. Jänner auf Seite 13 eine tolle Graphik, die wahrscheinlich zehntausende Durchschnittsbürger, die nur „GROSS gedrucktes lesen“ und die „wunderschöne Graphik“ überfliegen, erschrecken lässt.

„31 % der Wiener sind Migranten“ – in manchen Bezirken betrage der Prozentanteil gar mehr als 40 Prozent. „Heute“ schreibt zwar, dass „Integrationspro­bleme trotzdem sehr selten eskalieren“ – aber warum? Weil die Wiener so „tolerant, weltoffen und gastfreundlich“ sind – eh kloa.

Zahlen und Zahlen

Die von „Heute“ publizierten Zahlen finden sich tatsächlich im Anhang des Berichts (S. 216ff) – (http://www.bmi.gv.at/…nbericht.pdf), ABER: in diesem Anhang wird unter dem Terminus „Migrationshin­tergrund“ verschiedenstes subsummiert, was eigentlich nicht zusammengezählt werden sollte – außer man braucht „Futter für rassistische Hetze“.

Personen mit Migrationshin­tergrund sind laut dieser Sichtweise der Welt

  1. Personen, die in Österreich geboren wurden aber ausländische Staatsbürger sind

D.h. also: Bratislav Tomislav, 35 Jahre alt, in Wien geboren, hier in die Schule gegangen, seit dem 15 Lebensjahr als „Hackler“ tätig, (der sich tausende Euro für die Beurkundung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht leisten wollte bzw. konnte) ist – laut Definiton – Migrant/Ausländer!!!

  1. eingebürgerte MigrantInnen (im „Ausland geborene, die zum Zeitpunkt der Geburt keine ÖsterreicherInnen waren“)

Kemal San wurde in Istanbul geboren. Er lebt zwar seit seinem dritten Lebensmonat in Linz und er besitzt auch die österreichische Staatsbürgerschaft, aber er ist – laut Definition – Migrant/Ausländer!!!!!

  1. Personen, die im Ausland geboren wurden und weiterhin keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen

D.h.: Helene Wagner, Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Wien, seit 20 Jahren in Wien lebend, ist – laut Definition – Migrantin/Auslände­rin!!!

  1. Personen deren „Umgangssprache einer fremden Herkunftsregion“ zugeordnet werden kann. Fragt sich nur (obwohl sich da bei Biffl/Simonitsch sogar ein Hinweis auf dieses „Problemchen“ findet), wo der KPÖ-Bundessprecher Mirko Messner, der bei der letzten Volkszählung Slowenisch als Umgangssprache angegeben hat, laut dieser Definition wohl zugeordnet wurde.

Blöd nur, dass die Leser/die Leserin der Broschüre an ganzer anderer Stelle (S. 25ff) erfährt, wie weit gefasst die Definition von „Migrationshin­tergrund (= Ausländer)“ ist. Nehmen wir mal – höflicher Weise – an, dass die Autoren Gudrun Biffl/Günther Simonitsch sich diese Definition nicht „aus den Fingern gesaugt“ haben, sondern darauf verweisen können, dass es sich um eine „wissenschaftlich anerkannte Definition“ handelt. So bleibt zu sagen, dass „Wissenschaftlichke­it“ und „Wissenschaftlichke­it“ offensichtlich zweierlei sind und der „normale Hausverstand“ da oft nur schwer bzw. gar nicht folgen kann.

Doch was kümmert die „Wissenschaft“, so offenbar die Meinung gar vieler Wissenschaftle­rInnen, was die Politik und Medien mit Hypothesen, Theorien, Fakten von wissenschaftlichen Untersuchungen tut? „Andere Baustelle“ – da können doch „namhafte Wissenschaftle­rInnen“ nix dafür.

Fakt ist jedenfalls, wer eine etwas andere Definition verwendet bzw. eine etwas andere Sichtweise der Dinge hat, kommt, wie auch bei Biffl/Simonitsch nachzulesen ist, sofort auf ganz andere Zahlen. Da bleiben (S. 25) von 1,2 Million „Ausländern“ in ganz Österreich nur mehr „knappe 600.000“ Ausländer „übrig“. Aber diese Zahl ist ja bei weitem nicht so imposant – also, Staatsbürgerschaft hin oder her, wer Migrant und damit „Ausländer“ zu sein hat bestimmt noch allemal die herrschende Politik, assistiert von einer (mehr oder weniger willfährigen?) Wissenschaft.

Damit zu einer weiteren Anmerkung: Wir „eingeborenen Österreicher“ sind keine Deutschen – zumindest wenn es um Fußball und dem Ski-Sport geht. Andererseits – wer deutsch spricht, der/die ist, so unterstelle ich der Denkweise „des Durchschnittsbürger­s“, kein „wirklicher Ausländer“. Aber wenn dem so ist, dann müssen von den 600.000 Ausländern nochmals rund 113.000 Germans (also Preußen, Bayern, …) und rund 7.000 Eidgenossen subtrahiert werden (S. 218). Womit nicht mal mehr von 500.000 Ausländern in ganz Österreich gesprochen werden kann – oh Schande.

Nächste Anmerkung: Biffl/Simonitsch schreiben (lobenswerter Weise – es wird sogar hervorgehoben) in Ihrem Beitrag: „Der Bildungsgrad und die Kenntnisse der deutschen Sprache haben einen großen Einfluss darauf, welche Tätigkeiten Migranten und Migrantinnen in der Arbeitswelt übernehmen“. Welche Zahlen hat der Bericht dazu aufzuweisen?

Im Anhang finden sich dazu keine Zahlen. Zahlen finden sich – leider – nur für den schulischen Bereich. Und was sagen die Zahlen? Von den ziemlich genau 1,2 Millionen SchülerInnen (S. 212) haben „nur“ knappe 170.000 eine andere „Erstsprache als Deutsch“ – was aber noch rein gar nichts über die „Sprachbeherrschun­g“ dieser Schüler und Schülerinnen aussagt. Was kann Wissenschaft was kann Politik, die um Integration und nicht im Assimilation bemüht ist, daraus schließen?

Warum die ehrwürdige Riege von Wissenschaftlern und selbst ernannten Experten des Innenministeriums nicht analog ihrem Kriterium – Personen, die in Österreich geboren wurden aber ausländische Staatsbürger sind – konsequent an die Fakten herangeht, bleibt ebenfalls unbegreiflich. Wenn z.B., was ja wissenschaftlich durchaus zu rechtfertigen wäre, davon abstrahiert wird, dass hunderttausende in Wien lebende Menschen im Laufe von Jahrzehnten zu echten Wienern mutierten, weil Sie aufgrund „juristischer Spitzfindigkeiten“ eine Staatsbürgerschaft zugesprochen bekamen, dann hätten Wien eine zu 98% aus Menschen mit Migrationshin­tergrund bestehende Bevölkerung. Will da die Wissenschaft den Fakten nicht ins Auge sehen?

Oder andersrum: Wissenschaft und Politik könnten – sofern gewollt – der rassistischen Hetze durch rechtsrechte Parteien auch durch ein „kleinen Trick“ einen Riegel vorschieben – „Staatsbürgerschaft für alle, die in Österreich leben und arbeiten“, womit der Prozentanteil „furchterregender Ausländer mit seltsamen Sitten und Gebräuchen“ quasi über Nacht gegen NULL sinken würde.

Wie auch immer: Die Erkenntnis, dass Menschen Menschen sind, dass Menschenrechte – zumindest laut viel beschworener UN-Menschenrechtskon­vention – unteilbar sind, die erfordert offenbar ausgiebige Bildungsbemühungen, die gar manchem zu viel abverlangen.

Ps.: Was die KPÖ betrifft, so ist die Position seit vielen Jahren und mehrmals von Parteitagen bestätigt, eindeutig: „Gleiche Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen.“ – siehe Link rechts

PPs.: Dass der rassistische Wahn der Überlegenheit einer Rasse oder einer Nationalität oder des Geschlechts nicht von alleine ausstirbt, davon muss – leider – ausgegangen werden. Auch daher braucht es politische Parteien, die die Sache beim Namen nennen.

PPPs.: Bzgl. der Konstruktion rassistischer Ideologie siehe den Kommentar der Bundessprecherin der KPÖ, Melina Klaus – siehe Link rechte Spalte

Aktuell: Pressemeldung der KPÖ: Ohne „Gleiche Rechte für alle“ keine Integration Melina Klaus, Bundessprecherin der KPÖ: "Oida, warum sagen's zu Dir Ausländer?" orf-online: Innenminister Platter präsentiert den Integrationsbericht Hintergrund: Link zur letzten Parteitagsresolution der KPÖ Gleichzeitig eröffnet das Innenministerium einen Internetauftritt "zur österreichweiten Debatte" - mit der Einladung sich an dieser zu beteiligen. Lassen wir uns überraschen: www.integration.at