POSITIONEN & THEMEN
Von Melina Klaus (27.6.2008)
…wir die Wochentags-Plaketten des autofreien Tag neu auflegen? Die
Einen werden sich noch erinnern, die Anderen beziehen ihre Erinnerung vielleicht
aus den innenpolitischen Rubriken von Wickie, Slime und Paiper (quasi
Retro), und wieder Andere werden staunen: Im Jänner 1974 nämlich erließ
Handelsminister Staribacher die Verordnung, dass an einem Tag der Woche das Auto
stehen zu bleiben hat. Alle AutofahrerInnen wurden verpflichtet an einem
Wochentag ihrer Wahl auf ihren Privat-PKW zu verzichten. Der autofreie Tag
musste mittels Pickerl auf der Windschutzscheibe angezeigt werden und im
Zulassungsschein eingetragen werden. Freilich gab es Ausnahmen, doch Verordnung
war Verordnung und Zuwiderhandeln wurde mit 500 bis 30.000 Schilling
bestraft.
Freilich gibt es Ausnahmen, aber lassen wir die mal beiseite. Die (wenigen)
Fälle, die das Auto unverzichtbar machen, beim Pendeln etwa, wenn es wirklich
kaum bis keine öffentliche Anbindung gibt. Also, davon abgesehen,
angesichts steigender Sprit-Preise, der Fakten der CO2-Belastung, der Belastung
durch Stress, Lärm, Feinstaub, angesichts des steigenden Verkehrsaufkommen, wer
ist bereit das Auto stehen zu lassen? Gerade ihr, liebe StädterInnen: das geht!
Mo, Di, Mi, Do, Fr, Sa, So es ist vorstellbar.
Doch wie sieht es mit einer Verordnung aus. Ist die noch vorstellbar?
Verordnungen, ganz prinzipiell, sind die ja eher aus der Mode. Keinem Minister
würde es heute einfallen (dürfen), uns zu sagen, wie und wann wir Privat-PKWs
zu benutzen haben. Wurde etwa in den 80ern zu Zeiten des Sauren Regens
(quasi auch Retro) per zwingender Auflage in die Ausstattung von Neufahrzeugen
noch eingegriffen (Katalysatoren), ist heute die Diesel-Partikelfilterregelung
eine Sache von Förderungen und 1,5% Malus. Weg von harten staatlichen
Regulativen hin zu weichen marktkonformen Förderungen und Anreizen.
Keine Verordnung, ist das nun ein Gewinn an Freiheit und Selbstbestimmung?
Freilich, es fallen mir viele Verordnungen ein, auf die ich gut und gern, im
Sinne von Freiheit und Selbstbestimmung, verzichten könnte. Aber soll Leben,
Handeln, Wirtschaften und nicht zuletzt auch Verkehr nicht im Sinne Weniger oder
im Sinne des Profits funktionieren, sondern im Sinne aller, dann wird es wohl
die eine oder andere Verordnung brauchen, und vor allem die
‚Verständigung‘ darüber, was im Sinne Vieler ist. Es wird Eingriffe
brauchen. Den Eingriff nämlich ins Profitdenken, den Eingriff in
Lebensraumzerstörung, den Eingriff in ungleiche globale Verteilung, usw.
Zwar hat es Tradition, dass Freiheit gerne mit freier Fahrt auf Autobahnen
verwechselt wird oder sie als solches verkauft werden soll. Aber am Auto wollen
wir unseren Freiheitsgrad nicht messen!
Trotzdem fordere ich jetzt keine Verordnung. Sondern eigentlich Verzicht.
Freiwilligen Verzicht, wohlgemerkt. Dem Wortsinn nach: die Freiheit willentlich
zu verzichten. (Im Unterschied zu erzwungenem Verzicht aus Nöten, aufgrund von
Teuerungen etwa.) ‚Selbst zu beginnen und nicht zu warten ist nicht nur ein
Baustein rührender katholischer Soziallehre, sondern auch ein Baustein von
Emanzipation und Selbstermächtigung. Manchmal etwas selbst in die Hand zu
nehmen, kann auch ein Eingriff sein! Auch das ist 'Politik machen‘.
Also was wäre wenn? Wenn wir uns ohne Verordnung einen Tag aussuchten!!